Die Unbekannte von SarahSunshine ================================================================================ Kapitel 1: Unknown ------------------ Jeden Tag, wenn man in der Welt unterwegs ist, egal, ob zum Weg in die Schule, zur Arbeit oder in die Stadt, trifft man auf andere Menschen. Man sieht sie im Bus, im Zug, in der Straßenbahn und vor allem in der Stadt. Manchmal erkennt man jemanden wieder, weil man ihn schon mehr als einmal gesehen hat, manchmal sind es ganz neue Entdeckungen. Viele geraten schnell wieder in Vergessenheit, während andere vielleicht eine kleine Spur hinterlassen. Man möge diese Spur nicht sofort bemerken, doch irgendwann passiert es vielleicht doch. Vielleicht sogar schneller als man denkt. So auch mir. Ich fahre jeden Morgen mit dem Bus in die Stadt zur Arbeit. Da ich mir noch kein Auto leisten kann, muss ich auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Ich muss zur zweiten Haltestelle der Linie, weshalb meine Chance auf einen Sitzplatz jeden Morgen sehr gut ist. Kaum ein Platz ist belegt. Doch einer ist es immer. Und das jedes Mal von derselben Person. Ich gehe jeden Morgen, nachdem ich dem Busfahrer meine Karte gezeigt habe, an ihr vorbei. Es ist ein Mädchen, sie hat rosafarbenes Haar. Eine komische Farbe, wenn ihr mich fragt. Doch irgendwie passt es zu ihr. Ich kenne sie nicht. Auch ihr Name ist mir unbekannt. Ich weiß nur, dass sie jeden Morgen auf dem gleichen Platz im Bus sitzt und verträumt aus dem Fenster schaut. Dabei hat sie immer ihre Kopfhörer auf. Sie hat bisher kein einziges Mal zu mir gesehen, wenn ich an ihr vorbeigegangen bin. Immerzu ist sie total vertieft in ihre Musik. Was sie wohl immer hört? Rock, Pop, Hip Hop? Vielleicht sogar Classic? Ich weiß es nicht. Sie scheint nicht der Typ Mensch zu sein, der seine Musik so laut aufdreht, dass die komplette Umgebung, trotz Kopfhörer, noch mitbekommt, was sie denn hört. Vielleicht liegt es auch an den Kopfhörern. Sie hat solche im DJ-Style in weiß und ich glaube die Ohrpolster sind grün. Solche ähnlichen hatte ich auch mal, aber sie sind kaputt gegangen, deswegen bin ich auf normale, kleine umgestiegen. Meistens gebe auch ich mich der Musik hin, sobald ich einen Platz gefunden habe. Aber in letzter Zeit wandert mein Blick immer wieder zu diesem Mädchen hin. Ich weiß nicht, was mich an ihr so fasziniert. Die rosa Haare? Ich glaube eher nicht. Einmal habe ich mich auf die Sitze an der anderen Seite von ihr gesetzt. Möglichst unauffällig hab ich versucht zu ihr zu spähen. Irgendwann taten meine Augen weh, weil ich sie so angestrengt zur Seite gehalten hatte. Deswegen schaute ich einfach aus dem Fenster. Durch die Scheibe konnte ich aber ebenso gut zu ihr hinsehen. Sogar noch besser, als wenn ich meine Augen solch einer Anstrengung aussetzte. Eigentlich bin ich da noch davon ausgegangen, dass es super unauffällig sei, weil man schließlich denken würde, dass ich aus dem Fenster gucke, was ich zeitweise dann auch getan habe. Allerdings wurde mein Masterplan durchkreuzt. Und das genau in dem Moment, als dieses Mädchen meinen Blick erwiderte. Irgendwie war mir das wirklich peinlich. Ob sie es schon die ganze Zeit gewusst hatte? Einen zweiten Versuch hatte ich nicht gewagt. Außerdem musste sie dann sowieso aussteigen. Was sie wohl da von mir dachte? Sie scheint noch Schülerin zu sein. Jedes Mal steigt sie mit vielen anderen Schülern aus. Ich für meinen Teil mache eine Ausbildung. Die Chance, eine weiterführende Schule zu besuchen, hatte ich, wenn auch nur knapp, aber da ich eine Stelle als Kfz-Mechatroniker bekommen hatte, wollte ich das nicht aufs Spiel setzen. Seit dieser grandiosen Aktion im Bus habe ich mich meistens weiter von ihr weggesetzt. Aber auch von da schwankt mein Blick immer wieder zu ihr. Manchmal trägt sie ihre Haare offen, mal geflochten, mal zu einem Pferdeschwanz gebunden. Und eines Tages hatte sie sie abgeschnitten. Sie sind nicht mehr brustlang, sondern gehen gerade so bis zu den Schultern. Ich finde, es sieht hübsch aus. Manchmal sind kurze Haare eben praktischer, was ich als Junge nur bestätigen kann. Aber seitdem, sieht sie irgendwie trauriger aus. Noch immer schaut sie jedes Mal aus dem Fenster, doch irgendwie wirkt sie wehmütig und unglücklich. Manchmal würde ich wirklich gerne Gedanken lesen können. Das ist jetzt nicht speziell auf sie bezogen, aber auch bei ihr wäre es wohl von Vorteil. Ob ich ihr helfen könnte, wenn ich sie ansprechen würde? Möglicherweise sollte ich den Versuch mal wagen? Doch wie lange sage ich mir das schon? Sehr lange. Ich habe einfach nicht den Mumm, sie einfach mal breit grinsend zu begrüßen und zu sagen: „Hey! Du siehst irgendwie immer so traurig aus. Willst du mir vielleicht dein Herz ausschütten!?“ Gott, das klingt selbst für mich irgendwie zu idiotisch. Also schiebe ich es weiter vor mich her. Jeden Morgen aufs Neue. Und dann sitzt sie plötzlich nicht mehr an ihrem Platz, als ich meine Fahrkarte vorgezeigt habe und mir selbst einen suchen möchte. Einen Moment bin ich wirklich perplex, als ich sehe, dass ihr Platz nicht besetzt ist. Vielleicht ist sie krank? Aber ab dem Zeitpunkt, wo auch kein anderer Schüler einsteigt, ist mir klar, dass sie wohl Ferien hat. Warum ich deshalb erleichtert aufseufze, ist mir unklar. Eine Woche ist vergangen, in der ich die Rosahaarige nicht im Bus gesehen habe. Die Arbeit ist stressig. Wir haben viele Kunden, demnach viel Arbeit. Und manchmal bleibt mir gar nicht die Zeit, meinen Gedanken nachzuhängen. Meine Kollegen sind des Öfteren schon verwirrt von meinem Verhalten. Dabei ist es doch gar nicht ungewöhnlich, dass ein Mensch mal ein bisschen für sich denken will, oder? Ich bin gerade aus der Mittagspause gekommen, als erneut ein Wagen vor die Werkstatt vorfährt. Es sollte ein kleiner Rundumcheck gemacht werden. Nachdem der Besitzer des Autos auf den Wagenheber gefahren ist, steigen die beiden Insassen aus. Darunter auch das rosahaarige Mädchen aus dem Bus. „Ich bin draußen, Paps“, erklärt sie und ist im nächsten Augenblick auch schon wieder verschwunden. Ich schaue ihr hinterher, doch sehe nur noch, dass sie um die Ecke geht. Ob das Schicksal gewesen ist? Oder doch eher Zufall? Mein Chef gibt mir einen leichten Schlag auf den Hinterkopf, als ich so vertieft bin, damit ich mich an die Arbeit mache. Viel muss ich eigentlich nicht machen. Bei dem Check haben wir ein paar Sachen gereinigt, sonst ist alles in Ordnung mit dem Auto. Mein Chef redet noch mit dem Autobesitzer. In der Zeit gehe ich nach draußen. Mit einem Lappen wische ich mir die dreckigen Finger ab. Die Sonne blendet mich, doch als ich mich an das Licht gewöhne, entdecke ich die Rosahaarige. Sie sitzt auf einer Mauer, hält ihre Spiegelreflexkamera vor ihrem Gesicht und dreht am Objektiv. So wie ich es beurteilen kann, macht es ihr Spaß, beziehungsweise kann sie sich in dieses Hobby flüchten. Als ich sie dabei so beobachte, muss ich schmunzeln. Mein Blick schweift in den blauen Himmel und ich strecke mich ihm entgegen. Als ich wieder zu ihr schaue, ist ihre Kamera auf mich gerichtet. Ob sie mich fotografiert hat? Oder hat sie mich nur beobachtet? Das Auto von ihrem Vater fährt aus der Werkstatt raus und sie springt von der Mauer. Nachdem er auf die Straße gefahren ist, steigt sie ein und die beiden fahren weg. Wirklich ein komisches Mädchen. Eine weitere Woche ist sie nicht im Bus. Und ich habe sie auch nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich ist sie beschäftigt. Vielleicht mit der Schule, vielleicht mit ihrer Kamera, vielleicht mit Freunden. Ob sie einen festen Freund hat? Ich glaube nicht. Sonst würde sie bestimmt nicht immer so traurig aussehen. Ein fester Freund sollte doch genau das verhindern, oder? Wenn man jemanden liebt, will man nicht, dass er leidet und versucht alles, um zu helfen, oder teilt das Leid – irgendwie. Das sind zumindest meine Ansichten. Man sollte immer für den da sein, den man liebt. Am Anfang der neuen Woche stehe ich an der Bushaltestelle und warte. Ein Tag wie jeder andere. Oder doch nicht? Neben mir stehen noch eine ältere Dame und ein Junge aus meiner Nachbarschaft hier. Als ich sehe, dass der Bus um die Ecke kommt, krame ich meine Geldbörse aus meiner Gesäßtasche, um meine Fahrkarte rausholen zu können. Wie immer zeige ich sie dem Busfahrer und gehe weiter durch. Schon fast automatisch gleitet mein Blick zu dem einen Platz. Klingt es fanatisch, dass ich fast jeden Tag gehofft habe, sie dort sitzen zu sehen? Bestimmt. Ich kenne nicht mal ihren Namen. Doch sie sitzt wieder da. Sie hat ihre Kopfhörer auf und schaut aus dem Fenster. Diesmal bleibe ich neben dem freien Platz und ihr stehen. „Ist hier noch frei?“ Sie dreht ihren Kopf zu mir. Die Verwirrung ist ihr ins Gesicht geschrieben, als sie einen ihrer Kopfhörer leicht anhebt. Sie schaut einmal durch den Bus und blinzelt mich verwirrt an. „Im ganzen Bus sind noch Plätze frei.“ „Ich würde mich aber gerne zu dir setzen.“ Ich kann selber kaum fassen, was ich da sage. Und noch weniger kann ich fassen, dass sie ihre Tasche von dem Sitz nimmt und auf ihren Schoß legt, damit ich mich hinsetzen kann. „Hi, ich bin Naruto Uzumaki.“ „Sakura Haruno.“ ____________________________________________________________________________ © Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)