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Whats On My Mind

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Eigentlich hatte ich diese Kurzgeschichte als extra FF gespeichert, aber ich weiß gar nicht, wieso. Also lad ich es in diese Sammel FF von Kurzgeschichten nochmal hoch.
Schreibdatum: 07.09.2011
Sachthema: Familie Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Genre: Shonen-ai / Romantik

Eher umgangsprachlich geschrieben, irgendwie hat sich mein Schreibstil dahingehend entwickelt :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Genre: Selbstfindung, innere Gedanken, Familie Komplett anzeigen

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Rina

„Rina!“

Sanftes Rauschen des Windes blässt durch mein Haar.

„Rina!“

Ich versuche die Rufe meines Namens zu ignorieren. Versuche die Tatsache, dass eine Person auf mich zurennt, die ich nur allzugut kenne, zu verdrängen.

„Rina!“

Wie von allein wendet sich mein Kopf gen Rufe.

Die Dunkelheit hat alles umhüllt, aber die Umrisse, deren Bewegungen… eindeutig.

„Rina!“

Ich sehe wieder vor mich. Auf das Wasser. Unter meinen Füßen. 5 m entfernt. Versuche das Rauschen des Flusses die Rufe in meinem Ohr übertönen zu lassen.

„Rina!“

Die Person ist fast da. Ich bewege mich immer noch nicht, starre auf die aufgewühlte Wasseroberfläche.

„Rina!“

Keuchen. Erschöpfung. Das Tempo wird langsamer, fällt in einen Trab und bleibt neben mir stehen.

„Rina…“

Habe ich den Moment verpasst? Mein Kopf ist wie leergefegt, weiß nicht was zu tun.

„Rina.“

Was bezweckt dieses Aussprechens eines Namens, der auch mir gegeben wurde? Wie vielen anderen Mädchen auch? Ich bin doch nur wie eine von vielen. Und doch wieder niemand.

Mein Fuß bewegt sich ein Stück vorwärts.

„Rina!“

Das Bitten, das Flehen in der Stimme ersetzt jedes ‚Spring nicht!’.

Ich bin zum Greifen nah, doch es greift nicht nach mir.

Ich schiebe mich weiter langsam nach vorne.

„Rina-“

Eine gehauchte Bitte, erfüllt von Angst.

Dann stoss ich mich ab.
 

Kalte Luft und Tropfen des aufgewühlten Wassers schlägt mir entgegen, während ich falle. Ich schlage ins Wasser auf, alles um mich dreht sich, mein Mund füllt sich mit Wasser, meine Arme und Beine rudern im Wasser.

Ich war zum Greifen nah, aber es wurde nicht nach mir gegriffen. Nun ist es zu spät.

Das Wasser brennt hart in meinen blutenden Armen, ich sehe förmlich vor meinen geschlossenen Augen wie es sich rot färbt. Ich werde schwach, werde ohnmächtig.

Anders Normal sein

Ich lehnte mich aus dem Fenster und betrachtete unsere Nachbarschaft. Da war das skurille alte Ehepaar gegenüber die ihre 13. verstorbene Katze begruben, während die 4 hyperaktive Kleinkinder unseren Nachbarn nebenan auf der Straße herumtollte ohne auf den frischgebackenen Führerscheinbesitzer zu achten, der achtzehnjähriger Sohn eines dauerbesoffenes alleinerziehendes Mannes, der zwei Häuser auf der gegenüberliegende Seite wohnt. Und wir? Was sind wir für Nachbarn? Meine durchschnittlichen Eltern mit der ein oder anderen Macke, mein Hund der durch unseren Garten ein Eichhörnchen jagt? Ja, diese ganze Straße ist normal. Aber ich …?
 

Ich lebe hier schon immer. In einem ganz normalen, gut gepflegten Vorort, in dem die Zeitung von einem Zeitungsjungen morgens pünktlich auf den 3 Millimeter grashohen Vorgarten geworfen wird, während er die Fahrradklingel betätigt, damit Kindergartenkinder, an der Hand von ihren Müttern geführt, aus dem Weg gehen.
 

Es ist so sterbendslangweilignormal dass es schon wieder unfriedlich ist. Fast als würde jeder zu perfekte Satz und jede zu freundliche Geste etwas auslösen, was in mir mörderisches Verlangen wegt. In dem ich-werde-mörderisch-tätig Sinne.
 

Dies wäre dann durchaus der Grund, warum ich mich lieber von dem ganzen (un-)friedensstifteten Normalos fern halte. Es gäbe da natürlich noch den verpickelten Nachbarnjungen zu bedenken, der sich um jeden Preis mit mir anfreunden will und meine Mutter ihn nur „entzückend“ bezeichnet. Wirklich entzückend diese Umgebung denke ich in jenen Momenten und stelle mir meinen zuckenden Finger am Coltabzug vor. Dass ist meine wahre Begeisterung – nein, ich werde keinen Amoklauf planen – sondern diese Leichtigkeit ein Menschenleben zu zerstören. Die Leichtigkeit Gebäude zum Einsturz zu bringen.
 

Ich habe mich einmal geschnitten und mit Begeisterung gesehen, wie das Blut sachte floß.. nur ein kurzer, kaum spürbarer Strich des Teppichmessers zerstört die feine Hautstruktur.

Ich habe Dinge aus dem Fenster fallen lassen. Was für ein Unterschied es ist, ob sie auf dem Rasen, oder auf der Veranda landen! Wäre dass auch für meinen Körper ein Unterschied?

Ich habe es lieber nicht getestet.
 

Ich gehe in der Schule umher, vom Klassenzimmer zum Klassenzimmer zum Klo, zum Spind, zur Kantine, zum nächsten Klassenzimmer… immer im Kreis, jeden Tag. Es ödet mich an. Meine Leistungen sind in den meisten Fächern überdurchschnittlich, aber nicht weil ich wie die sogenannten „Streber“ (ehrlich.. was gibt es langweiligeres als Streber auslachen?) lerne lerne lerne, sondern weil es einfach easy ist. Die Fächer, in den ich kein A hab, mag ich einfach nicht. Ich gebe mir für die Schule keine besondere Mühe.
 

Oberzicken, Cheerleaderquirlis, Footballarschlöcher, Freaks, Normalos, Nichtnormalos, wie an jeder anderen Schule = normal. Ihr erwartet meine beste Freundin um die Kurve kommen? Oder denkt ihr ich bin die in-mich-gezogene Alleingeherin? Beide Parteien irren. Ich rede mit dem Normalo und lache mit jenem Normalo, so wie mit meinen Eltern, meinen Nachbarn und allen anderen Menschen. Aber eine tiefere Beziehung habe ich zu keinem von diesem Durchschnitt geschlossen. Wofür? Um über dämliche Dinge zu kichern? Um beste Freundin von jemand genannt werden zu können? Um den ganzen Mittag am Telefon zu hängen nur um über unmögliche Liebesbeziehungen der allerbesten Freundin zu reden und ihr dann die Nase putzen zu müssen, wenn ihr Traummann gar nicht auf sie steht? (Wer hätte das gedacht.)
 

Meine Gedanken zum Schulsport? Sport ist Energieverschwendung. Solang man es um den Sportartwillen tut. Wenn man aber Sport betreibt um seinen Körper fit zu halten, ist das etwas anderes, etwas, was ich von jedem Normalo fordere. Wer sieht schon gerne Übergewichtige? Deswegen betreibe ich Sport. Von allem etwas. Mir fehlt aus genannten Gründen der Ergeiz um die Beste in einer Sportart zu werden, jedoch finde ich, dass jede Sportart eine andere Muskelgruppe anspricht und so ist alles wichtig. Schwimmen, laufen, springen, schlagen, werfen und so weiter…
 

Nein, ich verachte keinen Teamsport. Ich war einige Zeit in der Volleyball-AG, aber mein Image soll nicht bekleckert werden, keiner muss wissen das ich keine Motiviation zum Siegen habe. Ich habe einen Ruf, der besser nicht sein kann. Ich bin kein Niemand, ich bin aber auch nicht die. Und so hat man einen guten mittleren Stand, keiner hat Interesse einen fertig zu machen und man muss auch nicht besonders viel Wirbel um sich machen.
 


 

Berufsmesse. Junge Menschen, was wollt ihr einmal werden? Viele stellen sich in dieser Beziehung besonders blöd an. Man könnte mich zu ihnen in den Topf werfen, wenn ich ehrlich sage, dass ich nicht weiß, was ich werden will. Meine Mutter schleppt mich von Stand zu Stand um mir Berufe nahe zu bringen, obwohl ich genau weiß, welcher mittelmäßige Normalojob auf meine vorhandenen Fähigkeiten passt. Nur ich passe nicht zu den mittelmäßigen Normalojobs. Das ist das Problem.
 

Bei mir geht es hier um die Frage = bleibe ich incognito? Tue ich wie ein Normalo mein Leben lang, um meiner Enkelin kurz vor meinem Tod alles zu offenbaren? Oder werde ich etwas finden, was zu mir passt?

Das ist die Frage.
 

In einem typischen Kinofilm würde jetzt der Retter meiner Situation auftauchen, ein gutaussehender (Trottel) Agent, in den ich mich im Laufe der Zeit verliebe, während er mich in ein Agentenbootcamp bringt, wo ich meine wahre Erfüllung finde, dort Erzfeindinnen und Bussenfreundinnen finde und zu… einem Normalo mit gefährlichen Job werde? Das ist doch bitte nicht euer ernst?
 

Manche werden langsam die Augen über mich verdrehen und den Link schließen. Das ist kein Schreiben an mein Mitleid und kein verbitterter Aufruf. Es zeigt nur einen kleinen Hauch Verzweiflung und Zukunftsprobleme von einem Mädchen, dass zwar anders, mit diesen zwei Eigenschaften aber auch wieder so normal wie alle anderen ist.

Es war wieder soweit

Sie stellte die leere Teetasse ab. Es war wieder soweit. Sie erhob sich aus dem gemütlichen Sessel, trug das Geschirr in die Küche und wusch es in der Spüle. Nachdem das gespülte Geschirr zum Trocknen hingestellt war, ging sie in ihr Schlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank. Ihre Hände suchten nach dem Midikleid mit dem Floralmuster, dass sie gerne trug, wenn etwas besonderes anstand. Dazu wählte sie die Perlenkette, die oben in ihrem Schmuckkästchen ruhte. Zum Abschluss setzte sie sich einen Hut auf die gefärbten Haare. Als sie aus dem Haus lief, verschloss sie es gründlich. Ein paar mal hatte sie es vergessen, seitdem achtete sie penibel darauf.
 

Langsamen Schrittes machte sie sich auf den Weg, es bestand kein Grund zur Eile. Sie lief durch das Dorf, in dem sie schon immer gelebt hatte, vorbei an altbekannten Häuser und Personen, die sie freundlich grüßte. Am Ortsende ging es bergauf, seit einiger Zeit merkte sie bei ihrer regelmäßigen Strecke, wie ihre Beine es hier schwerer hatten. So gönnte sie sich eine kurze Pause und blickte in den wolkenfreien Himmel, die Sonne lachte auf die Erde herab. Ein schöner Tag ist heute, dachte sie, ein schöner Tag. Dann lief sie weiter, öffnete am Ziel angekommen dass Gatter. Sie lief lieber durchs Gatter als durchs Tor, da sie, um zum Tor zu gelangen, noch weiter den Berg hinauf laufen müsste.
 

So schloss sie das Gatter und schritt den altbekannten Weg, fast war sie da. Sonst schien niemand da zu sein, jedenfalls könnte sie niemanden sehen. Schließlich blieb sie vor einem Stein stehen. Einem großen Stein, ein schöner Stein, sie hatte ihn herausgesucht. Auf dem Stein stand ein Name, zwei Daten, doch sie musste es nicht lesen, um zu wissen, dass sie richtig war. Die Blumen, die sie vor dem Stein gepflanzt hatte, blühten. Heute schien so sehr die Sonne, sie sollte die Blumen gießen. Gleich. Doch zuerst stand sie vor dem Grab und gedachte der Person, die hier vergraben war.
 

Sie versuchte sich an die schönsten Momente mit dieser Person zu erinnern, versuchte, sich vorzustellen, die Person stände neben ihr. Reden wollte sie nicht, sie wollte nur die Gedanken wieder beleben. Eine Weile stand sie da, erinnerte sich. Dann ging sie doch die Gießkanne holen und schenkte den Blumen etwas Wasser.
 

Danach machte sie sich auf den Rückweg, durch das Gatter, den Berg hinab, was nicht viel angenehmer als bergauf war, durch das Dorf bis zu ihrem kleinen Haus. Sie drehte den Schlüssel im Schloss herum und öffnete die alte, massive Holztüre. Das Tageslicht von außen erhellte den Flur, sie trat ein und schloss die Türe hinter sich. Doch sie bewegte sich nicht, zog nicht sofort die Schuhe aus. Sie stand da und war umfangen von der Stille, die sie umgab. Diese Stille, die schon so lange ihr neuer Begleiter war.

Zwei Seiten

Er wollte nicht nach Hause. Paul Kansel stand in der Innenstadt, seine Beine hatten ihn nach der Arbeit automatisch hierher getragen, ohne dass er darüber nachgedacht hat. Er beobachtete das Treiben und der fließende Strom der Körper, die sich hin- und herbewegte. Sein Auto stand in einer Nebenstraße, nicht weit von hier, in der er kostenlos parken konnte. Früher, als seine Familie sich kein Auto leisten konnte, war er mit dem Bus nach der Arbeit heim gefahren. Seine zwei Kinder hatten jeden Tag an der Bushaltestelle gewartet und ihn freudig begrüßt, sie erzählten was über den Tag geschehen war und ließen all den Arbeitsstreß von ihm abfallen.
 

Mittlerweile war der Arbeitsstreß die Ablenkung von seiner Familie. Seine Kinder waren älter geworden und er war ihnen völlig egal. Er bekam sie nur selten zu Gesicht und da stritten sie sich meistens. All die Liebe die sie früher für ihn hatten war wie weggeblasen. Manchmal ertappte er sich bei dem Gedanken, dass er sich wünschte, sie würden ausziehen. Vielleicht wird dann meine Beziehung zu ihnen besser, dachte er dann schnell, um sich nicht einzugestehen, wie sehr es ihn belastete.
 

Aber auch seine Frau hielt ihn jetzt davon ab, nach Hause zu fahren. Wann hatte er das letzte Mal ein liebes Wort aus ihrem Mund gehört? Stehts meckerte sie an ihm rum, was er alles im Haus reparieren soll, dass er ihr doch bei der Kindererziehung helfen soll, dass er weniger Arbeiten und mehr für sie da sein soll… Manchmal ertappte er sich bei dem Gedanken, dass er lieber Arbeiten ging, als mit ihr Zeit zu verbringen. Vielleicht kann ich ihr dann ihre Wünsche erfüllen, sie wollte doch eine neue Couch und ein Handwerker ist eh geschickter als ich, dachte er dann schnell, um sich nicht einzugestehen, wie sehr ihre Ehe auseinanderbrach.
 

Sein Handy vibrierte, er schaute auf die SMS, sie war von seiner Arbeitskollegin, Anni. Anni war erst Anfang 30, äußerst akktraktiv und sehr an ihm interessiert. Ob sie sich nur hochvögeln wollte? Jedoch unterdrückte er die bittere Vorahnung, wenn sie ihn auf ihre betöhrende Art und Weise umgarnte. Sie lud ihn für Freitag nach dem Geschäft zu sich nach Hause ein. Er fuhr sich mit der Hand durch seine Haare, eine Angewohnheit die zeigte, dass er nachdachte. Es war verlockend. Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass Anni eine viel aufmerksamere und dankbarere Partnerin als seine Frau wäre. Vielleicht sollte ich mich scheiden lassen, meiner Frau wäre das womöglich sogar Recht und meinen Kindern egal. Vielleicht sollte ich es mit Anni probieren, sie ist hübsch und intelliegent. Er schob den Gedanken beiseite, jedesmal wenn er darüber nachdachte, regte sich sein schlechtes Gewissen.
 

So steckte er sein Handy, ohne zu antworte, in seine Hosentasche und setzte sich in Bewegung gen Auto um Heim zu fahren. Dabei seufzte er laut auf. Ihm blieb keine andere Wahl, verstecken half auch nicht. Er würde nach Hause kommen, seinen Sohn anmotzen, er solle gefälligst die Musik leiser machen und seiner Tochter hinterherschreien, während sie aus dem Haus flüchtete, wohin sie in ihrem Aufzug so spät noch wolle. Seine Frau würde meckern, wolange er den geblieben wäre und ihm sagen, dass sie Migräne habe und ihm kein Abendessen mehr machen kann. Er würde sich darüber beschweren, sie ihm noch ein paar Dinge an den Kopf werfen, um sich dann ihm Schlafzimmer zu verkriechen. Dann würde er sich etwas zu Essen machen, ein Bier nehmen, und versuchen etwas vor dem Fernseher zu entspannen.
 

Sein Magen spannte sich bei den Gedanken an und er überlegte, während er sein Auto aus der Parklücke manifrierte, dass Freitagabend vielleicht gar nicht so schlecht wäre.

Eis

Heute war kein guter Tag, um in den Zoo zu gehen.

Der Himmel war wolkenverhangen, andauert nieselte es und der schräge Wind machte einen Regenschirm fast unnütz.

Und heute war noch viel weniger ein guter Tag, um Eis zu verkaufen.

Bisher war es immer sommerlich warm bis heiß gewesen, da stach dieser kühle Tag heraus und nahm allen jegliche Lust, Eis zu essen.
 

So stand ich also da. Im Zoo, theoretisch eisverkaufend. Praktisch schützte mich der am Eiswagen montierte Sonnenschirm vor dem Nieselregen, während die wenigen Zoobesucher an mir vorbeihasteten. Nicht mal Tiere konnte ich beobachten, die hatten sich in die Innengehege verzogen. Auch die Menschen hielten sich lieber im Tierhaus neben mir auf. Wenn sie raus kamen, war die unwillkürliche Reaktion den Reißverschluss der Jacke schnell hochzuziehen oder den Regenschirm hektisch aufzuspannen.
 

Nein, Eis wollte heute keiner.
 

Naja, was macht man so als Eisverkäufer wenn nichts los ist? Man ist Eis. Mittlerweile hatte ich alle Eissorten aus meinem Sortiment probiert, muss ja schließlich wissen was ich da verkaufe. Meistens war viel los an meinem Eisstand, ansonsten wäre mein Job wohl auch nicht so lohnend, aber Tage wie heute gehörten halt irgendwie dazu. Also gönnte ich mir gerade ein Eis in der Waffel, als ein quengeliges Kind ihre Oma überzeugte, dass sie ein Eis wollte. Ach Schicksal, genau dann wenn ich selbst gerade eins mampfte!

Also stellte ich mein Eis außer ihrem Sichtfeld und bediente meine Kundschaft. Das mollige Mädchen hatte wohl andere Vorstellung, während die Oma bei mir eine Kugel Schokolade bestellt. Wow. Wenn das mein heutiger Umsatz ist, werde ich wohl tatsächlich noch reich. Ich gab der kleinen eine ordentliche Kugel, dann spricht zwar meine Kasse nicht über Kundschaft, aber die Eistruhe.
 

Die Zeit verging schleppend.

Irgendwie war es schon lustig, in einem Zoo zu arbeiten. Besonders, weil ich jeden Tag in den Genuss kam, die Tiere zu sehen. Die Besucher waren jetzt nicht unbedingt so reizend, meistens Eltern oder Großeltern mit überwiegend Kleinkindern, die lieber auf dem Spielplatz turnten als Tiere anzuschauen. Wer will‘s ihnen verübeln.
 

Natürlich sah ich auch die anderen Angestellten. Ich dachte immer, dass Tierpfleger eher nicht so hübsche Menschen seien, aber Himmel wurde dieser Vorurteil hier Lügen gestraft. Ob die Arbeit mit der Zeit eintönig wird? Ist sicherlich ziemlich anstrengend, Elefantenkacke durch die Gegend zu fahren. Das verliert bestimmt auch an Charme. Dann doch lieber Eisverkäufer.
 

Mein Eis hatte ich längst gegessen. Okay, ich hatte mehr als nur ein Eis gegessen. So stand ich mir die Füße in den Bauch. Bis schließlich wieder ein menschliches Wesen in mein Blickfeld kam, der gutaussehende Tierpfleger. Statt wie sonst grußlos (wie gesagt: normalerweise ist an meinem Eisstand auch was los) vorbeizugehen, hielt er diesmal mit seiner Schubkarre auf mich zu.
 

„Hey“, begrüßte er mich mit einem Grinsen in dem Gesicht. „Heute nichts los?“

Tja, ihm musste ich das wohl nicht erklären. „Nö, bei dem Wetter will keiner ein Eis.“

„Kann ich eins haben?“ Normalerweise sollte ein Eisverkäufer über diese Frage nicht stolpern, aber mir war ganz bewusst, was er damit implizieren wollte. Aha, kostenlos Eis abstauben. Na gut, er arbeitet hier, ist mir sympathisch und ich stopf mir sowieso ganze Zeit gratis Eis rein. Da fällt das auch nicht mehr auf.

„Was darf’s denn sein?“, fragte ich galant zurück. Muss ja den Verkäufer-Charme spielen lassen.

Schließlich hat er fünf Kugeln gewählt. Fünf Kugeln! Der spannt meine Großzügigkeit aber auf einen Bogen. Jedoch ziemlich putzig, wie er sich über den Eisberg hermachte.

„Mann, ich hatte echt ewig kein Eis mehr!“, meinte er schwärmerisch.

Seine Figur war durchtrainiert, was wohl bei einer körperlich anstrengenden Arbeit auch von Vorteil ist. Die Haare waren dunkelbraun, ein paar Zentimeter lang und leicht gegelt. Und sein Gesicht! Er war wirklich hübsch.
 

„Und, du machst das hier als Ferienjob?“, fragte er.

„Ja, genau, nächstes Schuljahr steht Abi an“, erklärte ich, in den Smalltalk einsteigend.

„So jung siehst du gar nicht aus“, antwortete er verschmitzt grinsend. Während er an seinem Eis leckt. Ohje. Verdammt heiß.

„Och, ich bin mal ein Jahr sitzen geblieben und daher immer der Älteste in der Klasse.“

„Mh, ich hab frisch meine Lehre beendet“.

„Gefällts dir?“

„Ist natürlich nicht alles super, aber rundum betrachtet gefällts mir sehr gut. Und deiner Freundin? Die freut sich bestimmt, dass sie immer gratis im Zoo Eis essen kann.“

Sein letzter Satz brachte mich völlig aus dem Konzept. Was?! Hatte ich mich gerade verhört? Das klang eher, als würde er Bist-Du-Noch-Zu-Haben Informationen aus mir locken wollen, statt normaler Smalltalk. Oder bildete ich mir das schon ein?

„Hä, nein, ich hab keine Freundin. Hab auch nicht unbedingt vor, eine zu haben“, antwortete ich daher offen mit einem kleinen Wink. Oder versuchte ich jedenfalls. Klang das jetzt bescheuert? Ich musste dringend ablenken!

„Huh, deine Hände! Die frieren bestimmt bald ab!“

Er hielt immer noch sein Eis in den Händen. War ja eine Mordsportion. Er hob seine eine Hand von dem Becher weg, als würde er mir zeigen, dass er sie noch bewegen kann. Ich streckte unwillkürlich meine Hand nach ihr aus und umschloss seine Finger. Erst eine Sekunde später wurde mir bewusst, was ich da gerade tat, doch ich zog meine Hand nicht gleich wieder weg. Er schaute mich nur kurz verdutzt an, beließ es aber dabei während meine Hand seine Finger umschloss. Sie waren wirklich kühl, meine waren aber nicht viel wärmer.

„Und deine Freundin? Die freut sich bestimmt über gratis Eintritt in den Zoo?“, fragte ich von der seltsamen Situation ablenkend, ohne seine Finger los zu lassen. Warum auch immer.

„Ich habe keine Freundin. Und ich habe auch nicht vor, eine zu haben“, entgegnete er und verschränkte seine Finger mit meinen.
 

Wir sahen uns einfach nur an. Es war, als würden unsere Augen das weitere Gespräch führen. Und sie konnten es viel besser, als Worte.
 

„Ich muss weiter, das Laub bei den Kamelen zusammen rechen“, sagte er nach einer gefühlten Ewigkeit und entzog mir seine Hand. „Danke für das Eis.“

Eine Mischung aus Verwirrung und Enttäuschung machte sich in mir breit, während er seinen Schubkarren wieder anhob. „Hättest du vielleicht Lust“, begann er aber dann, „nach der Arbeit mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?“ Schlich sich da eine leichte röte auf seine Wangen?

„Klar!“, antworte ich hastig, „Ein warmes Getränk wäre heute super. Bis nachher!“
 

Mein Herz schlug spürbar in der Brust. Hallo? War ich im Märchen gelandet? Kommt doch glatt der heiße Tierpfleger zu mir und isst Eis und… ja, was war denn das nun? Sehr seltsames Flirten? Hab ich jetzt ein Date?

Die wirbelnden Gedanken beschäftigten mich die restliche Zeit sehr gut.
 

„Hallo, Sie sind heute aber doch Eis los geworden!“, meinte später mein Chef, als er die leerer gewordenen Töpfe betrachtete. Zum Glück konnte mich die mit Wechselgeld gefüllte Kasse nicht verpetzen. „Trotz des Wetters! Sehr gut. Dann können Sie jetzt Feierabend machen.“

Darauf hatte ich nur gewartet. Trotz des Wirrwarrs in meinem Kopf und der Surrealität der Begegnung mit dem unbekannten Tierpfleger. Ehrlich, ich wusste immer noch nicht, wie er hieß! Aber seine Signale waren doch eindeutig gewesen, oder? Ein Gribbeln erfüllte mich. Was machte ich mir so viele Gedanken! - Kaffee und ein süßer Tierpfleger, ich komme!

Die Beinahe-Braut

Sie waren schon ewig ein Paar. Ein ganzes Jahrzehnt. Als sie 15 waren, da hatte er sie gefragt, ob sie seine Freundin sein möchte. Und wie sie seine Freundin sein wollte.
 

Seit dem waren sie zusammen. Das hieß nicht, dass sie sich nie gestritten hatten, zwischendurch war sogar mal für zwei Monate Schluss gewesen, aber sie hatten sich wieder zusammen gerauft. Sie gehörten zusammen. So war das eben. Sie liebte ihn halt.
 

Das Leben ging vorwärts, beide fanden einen festen Job, doch an ihrem Verhältnis änderte sich nichts. Sie konnten zusammen in Urlaub gehen, sie trafen sich statt im Elternhaus des anderen, in dessen eigener Wohnung. Es war alles gut, so wie es war.
 

Doch so wie das Leben vorwärts ging, sollte auch ihre Beziehung vorwärts gehen. Fanden sie beide.

Die Verlobung.

Das feste Versprechen, dass man heiraten werde. Sie war sich absolut sicher. Schließlich waren sie nun seit 10 Jahren glücklich zusammen. Sie gehörten zusammen. Sie liebte ihn.
 

Oder?
 

Es war diese kleine Frage, die ihre Pläne zum Wanken brachten.
 

Ich liebe ihn. Ich liebe ihn. Ich liebe ihn.
 

Oder?
 

Seit einem Jahrzehnt war sie es gewöhnt, ihm zu sagen, sie liebe ihn. Aber stimmte das noch? Liebte sie ihn wirklich? Oder hatte sie sich einfach so sehr daran gewöhnt, ein Leben zu führen, in dem sie ihn liebte?
 

Ach, das ist einfach nur die Unsicherheit vor so einem großen Schritt, meinte ihre Mutter. Natürlich liebst du ihn. Das sieht man dir doch an.
 

Doch etwas änderte sich in ihrem Inneren. Etwas fing an, sich zu widerstreben. Sie sah ihrem Freund, ihrem Verlobten!, ins Gesicht und fragte sich: Liebe ich ihn? Liebe ich ihn wirklich?
 

Und sie fand keine Antwort. Nur noch mehr Unsicherheit.
 

Aber wir gehören doch zusammen, wir sind doch so ein gutes Team, egal ob ich mir gerade unsicher bin, ob ich ihn wirklich liebe oder nicht, ich sollte ihn heiraten. Er ist der eine für mich.
 

Oder?

Oder was, wenn dies der größte Fehler in meinem Leben ist? Ich mich in einer Beziehung weiter gefangen halte, in der ich nicht mehr sein möchte?
 

Sie nahm sich ihre Freundinnen und ein Wochenende. Sie brauchte Abstand. Er verstand nicht. Was los sei. Das auch er etwas Angst habe, aber sie auf alle Fälle heiraten will. Weil er sie liebt.
 

Panik breitet sich in ihr aus. Er liebt sie. Er will sie heiraten. Und sie? Wo sind ihre Gefühle für ihn hin? Sie scheinen spurlos verschwunden, als seien sie nie dagewesen.
 

Sie bricht aus. Schmeißt hin. Hat einen riesen Streit mit ihm. Ihre Eltern verstehen nicht. Niemand versteht wirklich.
 

Ihr seid doch so ein tolles Paar!

Sagen sie.

Aber du liebst ihn doch!

Behaupten sie.
 

Bekannte tratschen darüber, ziehe über ihren Rücken über sie her, die Braut, die ihn stehen lässt, die sich nicht binden will, die einen anderen hat, den älteren Kollegen, was doch total abwegig ist.
 

Sie könnte kotzen, in einem Strahl, für einen kurzen Moment wünscht sie sich, sie hätten ihn doch geheiratet, damit alle anderen zufrieden sind.
 

Und da macht es in ihr klick.
 

Es ist ihr Leben. Und sie muss damit glücklich sein. Sie muss sich nicht gegenüber Tratsch freudigen Bekannten rechtfertigen. Sie muss sich nicht vor ihrer Familie rechtfertigen. Sie muss sich nicht vor ihm rechtfertigen.
 

Mit diesem Wissen, breitet sich wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Ein neuer Lebensabschnitt. Sie möchte mehr in sich horchen, tun, was sie wirklich will.



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