Straßenkind von abgemeldet (SasuXNaru) ================================================================================ Kapitel 4: Mondlicht -------------------- Der Abend nahm seinen Lauf. Sasuke hatte sich entschieden ein wenig fernzusehen, um auf andere Gedanken zu kommen, als die Sorgenvollen, die er Itachi widmete, doch Naruto schien von dieser Idee relativ wenig zu halten. Er als Straßenkind hatte nie fern gesehen und fand diese Aktivität eher langweilig als ablenkend. Deswegen lag er bäuchlings auf der Couch und tippte Sasuke ununterbrochen gegen das Bein, auffordernd mit ihm etwas zu unternehmen, anstatt auf dieses quadratische Ding zu starren. Irgendwann seufzte Sasuke. Er konnte die Nervereien von Naruto nicht länger ignorieren und schaltete den Fernseher aus. "Was gibt es denn?" Der Uchiha legte sich ebenfalls bäuchlings auf die Couch, so dass die Beiden sich gegenüber lagen. Die azurblauen Augen schienen ihm mitteilen zu wollen, dass Sasuke sich selbst etwas ausdenken solle, was sie tun könnten. Als hätte Naruto nur seine Aufmerksamkeit gewollt. Und nun, wo er sie hatte, wusste er nicht mehr weiter. "Hm... komm mal mit, Naruto." Sasuke stand von der Couch auf, der Blonde folgte ihm sogleich. Sie gingen zusammen in einen kleineren Raum, der direkt an das Wohnzimmer grenzte. In diesem stand eine kleine Zweisitzercouch, eine Kommode auf der Bilder und Pflanzen platziert waren und ein tiefschwarzer Flügel. Sasuke betrat diesen Raum nur selten, da er voller Erinnerungen war. Er setzte sich instinktiv auf den breiten Hocker vor dem Flügel und schaute hinunter auf die weißen Tasten, die schon ein wenig eingestaubt waren. Naruto betrachtete unterdessen die Fotos auf der Kommode, fasste einen der Bilderrahmen und setzte sich damit neben den Dunkelhaarigen, dem er sofort das Foto zeigte. Die blauen Augen schauten Sasuke fragend an. Der Uchiha löste sich von dem fesselnden Anblick der Iriden und betrachtete das Bild in den mageren Händen des Blonden. Sofort sackte sein Herz durch seinen Körper und legte sich wie ein schwerer Stein in seinen Magen. Seine Lunge wurde zugeschnürt und die heißen Tränen, die er einst so zahlreich vergossen hatte, stiegen wieder in seinen Augen auf. Auf dem Foto war er zu sehen, zusammen mit seinen geliebten Eltern. Sie schauten glücklich in die Kamera, als wenn Niemand ihr perfektes Kleinfamilienleben zerstören könnte. Dabei war dieses Foto zwei Wochen vor dem Autounfall entstanden... Naruto schien gemerkt zu haben, dass er Sasuke mit dem Foto verletzt hatte, denn er zog es sofort wieder weg und schaute ihn entschuldigend an. "Schon okay", brachte der Uchiha hervor, bedacht darauf nicht zu weinen. Der Blonde erhob sich von seinem Platz, brachte das Foto dorthin zurück, wo er es her hatte und kam wieder zurück zu Sasuke. Er ließ sich neben ihm nieder und legte ihm eine Hand auf seine Schultern. "Auf dem Foto waren meine Eltern", erklärte Sasuke. Die Worte blieben ihm fast an einem Kloß hängen, der sich in seinem Hals gebildet hatte. "Sie leben seit ein zwei Jahren nicht mehr." Er spürte wie Naruto seine Arme um ihn schlang und sich an den Uchiha drückte. Dieser erwiderte die Umarmung sanft. Es war schwer mit etwas so Verletzbarem vorsichtig umzugehen, damit es nicht kaputt ging, doch Sasuke gab sich Mühe nicht seinen Bedürfnissen nach zu gehen und Naruto in eine feste Umarmung zu ziehen. Die Angst war zu groß, dass er ihm weh tun könnte. Doch diese Berührungen waren auch so Balsam auf Sasuke's Herzem. Nach einigen Minuten ließen die Jungen voneinander ab. Der Dunkelhaarige schaute in die azurblauen Augen, die mit ihm zu Sprechen schienen. Es ist alles gut, sagten sie, ich bin für dich da. Sasuke schmunzelte über die Situation leicht. Da saß ein ehemaliges Straßenkind vor ihm, abgemagert bis auf die Knochen und mit einer kaputten Psyche, so kaputt, dass es sich Sasuke gar nicht vorstellen konnte, und dieses Kind tröstete ihn gerade. "Ich wollte dir etwas zeigen", bemerkte Sasuke. Er wendete sich den Klaviertasten zu, überprüfte kurz den Klang. Er war immer noch so wie früher, als seine Mutter für ihn gespielt hatte. "Das hier hat mir meine Mutter beigebracht", sagte der Dunkelhaarige, ehe er anfing zu spielen.[1] Aus dem Augenwinkel sah Sasuke, wie Naruto gebannt auf seine spielenden Finger starrte. Wie er mit verträumtem Gesichtsausdruck der Musik zu hörte und sich von ihr fallen ließ. Auch Sasuke hatte so einst da gesessen, als seine Mutter ihm das Stück gezeigt hatte. Danach wollte er es unbedingt auch spielen können. Damals hatte er viel Zeit darin investiert das Stück auswendig zu lernen, um es irgendwann seiner Mutter vor zu spielen. Damit sie ihn stolz anschaute und ihm sagte, wie gut er das gemacht hatte. Doch sie war gestorben, ehe Sasuke ihr es zeigen konnte. Es war ein Wunder, dass er das Stück immer noch auswendig konnte. Wahrscheinlich vergaß er einfach nicht, was seine Mutter ihm zuletzt beigebracht hatte. Leicht belächelte Sasuke Naruto, da der Blonde verwirrt in den Flügelkasten geschaut hatte, um heraus zu finden, woher diese wunderbaren Klänge kamen. "Gefällt es dir?", fragte Sasuke. "Hmhm", machte Naruto und signalisierte damit, dass er die Frage bejahte. Leicht strichen die mageren Finger über das schwarze Piano, fuhren sanft über die weißen Tasten ohne dabei einen Ton zu spielen und legten sich schließlich auf die Schultern des Uchihas ohne ihn dabei am Spielen zu hindern. Naruto umarmte Sasuke leicht und drückte sich sanft an ihn, hörte ihm dabei mit schläfriger Miene beim Spielen zu. Als der Dunkelhaarige fertig gespielt hatte begann Naruto ihn leicht zu pieken und zeigte auf die Tasten. "Soll ich weiter spielen?", fragte Sasuke. Naruto nickte. "Hm. Ich weiß nicht, ob ich noch etwas kann... ach warte... ich erinner mich noch an etwas." Erneut setzte der Uchiha zum Spielen an.[2] Es fiel ihm leicht die Melodie erklingen zu lassen, so als wenn er sie jeden Tag trainieren würde. Nach nur wenigen Minuten war Naruto über die Klänge hinweg eingeschlafen und sackte fast von dem breiten Hocker herunter, hätte Sasuke ihn nicht festgehalten. Vorsichtig hob der Dunkelhaarige ihn hoch und trug ihn in sein Zimmer, wo er ihn auf dem Bett ablegte und mit der warmen Decke zudeckte. Naruto rollte sich darunter ein wie eine Katze. *~* Es war fast 23 Uhr, als Sasuke die Haustür hörte. Sofort sprang er von seinem Platz neben dem schlafenden Naruto auf und empfing seinen Bruder im Flur. "Itachi! Ich bin so froh, dass du wie-" Sasuke stockte mitten im Satz, als er die Miene des Schwarzhaarigen sah. Noch nie in seinem Leben hatte der junge Uchiha seinen Bruder so sauer erlebt, wie in diesem Moment. Man konnte förmlich sehen, wie sein Hals vor lauter Wut schwellte und er sich die Zunge beinahe abbiss, um nicht laut los zu schreien. "Was ist passiert?", fragte Sasuke unschuldig. Gerade durchfuhr ihn ein Gefühl, dass er noch nie in der Gegenwart seines Bruders verspürt hatte: Angst. "Ich habe einiges herausgefunden", antwortete Itachi mit spannungsgeladener Stimme, so dass der Jüngere einen Schritt nach hinten wich. "Vieles über Naruto, aber auch etwas über dich." "Über mich?", stutzte Sasuke. "Ja, richtig. Ich habe ein wenig herumgefragt bei den Leuten dort. Habe jeden angesprochen, der nicht halbtot oder betrunken war, und da bin ich auf zwei Typen gestoßen, die gemeint haben, dass ich einem bestimmten Jungen sehr ähnlich sehen würde." Itachi schaute zu seinem Bruder herunter, um damit zu signalisieren, dass er gemeint war. "Einem Jungen, den sie versucht hätten zu vergewaltigen." "Oh", machte Sasuke daraufhin nur. "Wieso erzählst du mir so etwas nicht?", fragte Itachi und sein Ton wurde strenger und lauter. "Nicht so laut, Naruto schläft", ermahnte der Dunkelhaarige, woraufhin er am Handgelenk gepackt und in die Küche boykottiert wurde. "Das geht so nicht Sasuke!", sagte Itachi laut, als sie im Raum ankamen. Das Handgelenk seines Bruders ließ er nicht los. Im Gegenteil, er verstärkte seinen Griff, so dass es Sasuke schmerzte. "Du kannst nicht einfach tief in dieses Ghetto rein rennen, mir gefällt es ohnehin nicht, dass du da jeden Mittag durch musst!" "Es tut mir Leid, ich hab doch nach Naruto gesucht", entschuldigte sich Sasuke. "Ich finde es ja schön, dass du dem Jungen helfen möchtest. Das verstehe ich. Aber du kannst dich deswegen nicht so in Gefahr bringen. Stell dir vor du hättest nicht entkommen können", sagte Itachi, bei dem letzten Satz hob sich seine Stimme erneut. Sasuke versuchte sich unterdessen aus dem Griff zu befreien, doch Itachi ließ ihm keine Chance. "Sasuke! Stell dir vor sie hätten dich auf der Straße vergewaltigt!" Die Worte des älteren Uchihas waren schon fast geschrieen und hinterließen bei Sasuke Furcht. Noch nie hatte er seinen Bruder so wütend erlebt, es bereitete ihm unglaubliche Angst und erinnerte ihn an die Zeit, als sein Vater noch gelebt hatte. "Lass mich los!", forderte Sasuke, doch sein Bruder ließ nicht locker. "Eigentlich sollte ich dich nie wieder aus dem Haus lassen!", brüllte der Schwarzhaarige. "Hör auf mich anzuschreien!", schrie Sasuke in ohrenbetäubender Lautstärke. Er spürte, wie Itachi seinen Griff lockerte und nutzte die Chance um in sein Zimmer zu fliehen. "Sasuke!", hörte er seinen Bruder noch rufen, doch er ignorierte ihn. Unbedacht darauf, dass Naruto bereits am Schlafen war, schlug Sasuke donnernd die Tür hinter sich zu, weswegen der Blonde erschrocken hoch fuhr. Der Dunkelhaarige warf sich auf sein Bett und vergrub sofort sein Gesicht in eines der Kissen. "Sasuke", drang die Stimme Itachis vom Flur her zu ihnen. Man hörte, dass er sich beruhigt hatte und die Auseinandersetzung bereute. "Es tut mir Leid, ich wollte nicht so laut werden." "Lass mich!", rief Sasuke laut. "Hau einfach ab!!" "Bitte...", flehte der Ältere, doch sein Bruder schrie ihm entgegen: "Lass mich in Ruhe!!!" Für ein paar Sekunden war Stille, dann hörte Sasuke, wie sich die Schritte seines Bruders von der Tür entfernten. Der Dunkelhaarige ließ den Kopf wieder in das Kissen fallen, kurze Zeit darauf spürte er wie sich magere Hände tröstend auf seinen Rücken legten. "Ist schon okay", schaute Sasuke auf. "Es ist nur... dass ich früher oft angeschrieen wurde. Mein Vater war einfach nie zufrieden mit mir und ich möchte mich daran nicht erinnern. Ich hasse es angeschrieen zu werden. Ich würde dann am liebsten immer heulen und das nervt mich total!" Er blickte in die azurblauen Augen, die ihn mitleidig betrachteten. Wieder war so eine absurde Situation entstanden in der Sasuke von diesem verwahrlosten Jungen getröstet wurde. Dabei sollte es genau andersherum sein: Er sollte ihn schützend im Arm halten. Das wünschte sich Sasuke sogar ein wenig. Sasuke beruhigte sich ein wenig, doch es reichte noch nicht, um Itachi wieder unter die Augen treten zu können. Am nächsten Morgen würde er früher aufstehen, um mit seinem Bruder zu sprechen, aber jetzt wollte er nur mit Naruto alleine sein. "Ich wollte dich nicht wecken", sagte Sasuke entschuldigend. "Komm, wir versuchen zu Schlafen." Er kroch zum Kopfteil des Bettes hin, wo Naruto saß und ließ sich neben ihm nieder. Der Blonde kuschelte sich sofort an den Uchiha heran, krallte sich mit einer Hand in dessen Shirt und drückte seinen Kopf sanft gegen die warme Brust. Sasuke schlang die Arme um die zierliche Gestalt und versuchte sie zu halten, ohne dass sie in seinen Armen zerbrach. Obwohl seine Gefühle noch im Aufruhr waren konnte der Dunkelhaarige schnell einschlafen. *~* Sasuke wachte früher auf als normalerweise. Eine Stunde früher. Vorsichtig legte er Naruto, der in dieser Nacht halb auf ihm geschlafen hatte, auf die weiche Matratze ab und deckte ihn zu. Behutsam strich er ihm eine der blonden Strähnen von seiner Stirn, bevor er das zierliche Gesicht des Jungen betrachtete. Es fiel im jetzt erst wirklich auf, wie gut Naruto eigentlich aussah. Die gereizten Augenringe waren fast gänzlich verschwunden und er sah auch nicht mehr so krank aus wie am Anfang. Sasuke betrachtete ihn noch eine Weile, dann schlich er sich aus dem Zimmer heraus, ging leise in die Küche und schüttete sich dort ein Glas Mineralwasser ein, als er einen Laut aus dem Schlafzimmer seines Bruders vernahm. Schnell schüttete er das Wasser seine Kehle herunter, ehe er sich behutsam auf den Weg in den besagten Raum machte. Noch bevor er die Tür erreichte hörte er, wie Itachi Selbstgespräche führte... obwohl... waren es Selbstgespräche? "Was habe ich da nur angerichtet, Ka-San?", hörte Sasuke Itachi fragen. "Ich gab dir mein Versprechen ihn zu beschützen und dann schreie ich ihn einfach so an." Der Ältere seufzte. "Ich mache mir nur so unendlich viele Sorgen. Hört das denn nie auf? Was würdest du mir nur sagen, wenn du hier wärst..." Die Schlafzimmertür ging auf und ehe Sasuke es verhindern konnte stand sein Bruder vor ihm und schaute ihn erschrocken an. "Sasuke!", brachte Itachi nur entsetzt hervor. "Ich habe nur - Du hast doch nicht gehört wie ich - Warum bist du schon wach?!" "Redest du immer mit Mum?", fragte Sasuke und ließ die Fragen seines Bruders komplett außer Acht. "Nun... ja... es gibt mir das Gefühl, dass sie noch da ist, verstehst du? Ich brauche das. Sie ist mir immer noch wichtig, auch wenn sie tot ist", antwortete der Schwarzhaarige und atmete angespannt aus, als wenn ihm diese Erklärung viel Überwindung gekostet hätte. Eine kurze, betretene Stille brach ein. Sasuke hätte nicht gedacht, dass der Tod ihrer Eltern Itachi noch so Nahe ging. Insbesondere der Tod seiner Mutter. Schließlich war er nicht mal zu ihrer Beerdigung aufgetaucht! "Es tut mir Leid wegen gestern", sagte Itachi sanft. "Ich wollte dich nicht verschrecken. Ich weiß, dass Vater dich immer schlecht behandelt hat und ich will nicht, dass du denkst, dass ich genauso handeln würde." "Warum hast du mich dann angeschrien?", fragte Sasuke, den Blick zum Boden gewendet. "Ich war wütend", antwortete Itachi schlicht. "Aber nicht auf dich, sondern auf mich. Auf die Tatsache, dass ich nicht in der Lage bin dich zu beschützen. Ich war so wütend, dass ich die Wut an dir ausgelassen habe, weil ich nur daran dachte, dass dir nichts passiert wäre, wenn du einfach nach Hause gekommen wärst." "Du musst dir nicht ständig Sorgen machen", meinte der Jüngere und schaute hoch in die Augen seines Bruders. "Ich weiß", lachte Itachi auf. "Aber ich tu es trotzdem. Ich habe Angst dich zu verlieren, Sasuke. So sehr..." Die letzten beiden Worte waren mehr als Hauchen zu vernehmen, trotzdem verstand Sasuke sie. Er verstand auch die Gefühle, die Itachi ihm mit ihnen vermittelte. Nie hätte er geglaubt, dass er seinem älteren Bruder so wichtig war. Dabei hatten sie sich am Anfang nicht wirklich gut verstanden. Am Anfang... als Itachi sich Sasuke's annahm, nachdem ihre Eltern verstorben waren... "Verzeihst du mir?", wurde Sasuke aus seinen Gedanken gerissen. Er schaute erneut hoch in die schwarzen Augen seines Bruders, ehe er nickte. "Es tut mir auch Leid, dass ich dich gestern noch angeschrien habe", entschuldigte er sich. "Vergeben und Vergessen", winkte Itachi ab. "Nun komm in die Küche. Ich erzähle dir, was ich über Naruto herausgefunden habe." *~* "Hmneee, Hmneee!" "Naruto bitte beruhig dich!" Itachi hielt den blonden Jungen nur mit einer Hand fest, betrachtete ihn mitleidig, während Sasuke sich von ihrem Haus entfernte, ohne mit zu kommen, wie Naruto versuchte nach ihm zu rufen. "Sasuke kommt doch wieder", redete der Schwarzhaarige sanft auf ihn ein. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen." Doch die azurblauen Augen schauten weiter traurig Sasuke hinterher, der nun in der Ferne kaum noch zu erkennen war. Heute ging der junge Uchiha einen anderen Weg zu seiner Bushaltestelle. So hatte Itachi es gewollt. Er sollte nicht mehr durch die Hauptstraße des gefährlichen Ghettos gehen, sondern den Umweg durch den Park nehmen. Dort lief zwar auch nicht alles mit rechten Dingen zu, doch zumindest war er dort geschützter als in dem Ghetto. "Hmneee!!", brachte Naruto ein weiteres Mal hervor. Seine Stimme war fast schon ein gellender Schrei. Ein verzweifelter Versuch Sasuke zurück zu holen. "Hör mir mal zu Naruto", sagte Itachi sanft und drehte den Blonden zu sich um. Dieser wendete den Blick nur wiederwillig von Sasuke's verschwindender Gestalt ab. "Sasuke geht zur Schule. Dort hat er viele Freunde, er lernt dort und es gefällt ihm dort. Er wird gut behandelt und er kommt heute Nachmittag wieder." Naruto schaute hoch in die schwarzen Iriden. Einen Moment lang befürchtete Itachi würde der Junge wieder versuchen nach Sasuke zu schreien, doch er presste nur die dünnen Lippen zusammen und schlich betrübt ins Haus zurück. "Zumindest ruft er nicht mehr, was Ka-San?", fragte Itachi mit einem Blick zum geröteten Himmel. Gerötet durch die aufgehende Sonne. *~* Sasuke schritt durch den großen Park. Vögel zwitscherten in der Früh, das Laub raschelte im lauen Wind. Es war ein warmer Morgen, der darauf hin deutete, dass die Mittagssonne heiß wird. Dieses Wetter... Es passte nicht zu seiner Laune und seinen Gedanken. Es sollte regnen, der Himmel sollte weinen, so wie er am liebsten weinen würde. Was Itachi ihm über Naruto erzählt hatte war einfach nur hart gewesen. Sein Geist brauchte Zeit, um die Informationen zu schlucken und zu verarbeiten. Es war einfach nicht fair, dass man Naruto so schlecht behandelt hatte. Es war ungerecht, pervers und kaum zu glauben. Itachi hatte mit vielen Personen gesprochen, sich teilweise auch ausversehen in die Hände von Kriminellen begeben. Doch er war unversehrt nach Hause zurückgekehrt. Von einer älteren Frau hatte er erfahren, dass Naruto fünfzehn oder sechszehn Jahre alt sein musste, seinen richtigen Namen kannte keiner, sie hätte ihm ab und an etwas zu Essen gegeben, wenn ihr gewalttätiger Ehemann nicht zu Hause war. Von ein paar Teenagern, die mit Drogen gehandelt hatten, erfuhr er, dass Naruto ein kleines Lager hatte. Etwas ähnliches wie sein zu Hause. Es lag einigermaßen geschützt in einem alten Holzschuppen, dem Niemand mehr gehörte, ausgelegt mit mottenzerfressenen Decken. Von einem jungen Mann, der in dem Ghetto aufgewachsen war, erfuhr er, dass Naruto ungefähr acht Jahre lang auf der Straße gelebt hatte und sich meistens von Regenwasser und Dingen aus dem Biomüll ernährt hatte. Wenn es trocken war und kein Regen vom Himmel fiel hatte sich Naruto an Abflusswasser bedient. Ab und an hatte er auch dazu geneigt zu stehlen. Von zwei Pädophilen, die erst vor Kurzem einen Jungen auf der Straße begrabscht hatten, hatte Itachi erfahren, dass Notgeile sich oft an Naruto bedient hatten. Ein hübscher, blonder Junge, der sich nicht wehren konnte war einfach das perfekte Sexobjekt. Warum Naruto auf der Straße lebte konnte Itachi nicht in Erfahrung bringen. Auch nicht warum er kein Wort sprach. Aber diese Informationen waren zumindest ein Anfang... *~* "Kiba an Sasuke, bitte kommen!" Der Dunkelhaarige schreckte aus seinen Gedanken hoch, blickte kurz verwundert auf das leere karierte Blatt vor ihm und schaute dann zu dem braunhaarigen Jungen auf. "Es lebt!", entfuhr es dem Inuzuka sofort, als wenn soeben Frankenstein's Monster erwacht wäre. "Ich habe Leben geschaffen!" "Halt die Klappe, Kiba", fuhr Shikamaru den Jungen an, ehe er sich Sasuke zu wendete. "Was hast du bei Aufgabe Dr - Du hast ja nicht mal angefangen!!" Der Nara zeigte empört auf das leere Blatt, Sasuke zuckte jedoch nur unbeeindruckt die Schultern. "Na und? Ich weiß eh nicht worum es geht..." "Hallo?? Funktionen? Gleichungen? Binome? Rechnen? Mathe Leistungskurs? Wiederholung von der siebten, achten und neunten Klasse?", zählte Shikamaru auf. "Das musst du ja wohl noch können!" "Ich habe keine Lust", meinte Sasuke und stützte sich mit dem Ellebogen auf dem Tisch ab, seinen Kiefer bettete er in seiner Handfläche ein. "Ist alles okay bei dir?", kam es jetzt mit besorgter Stimme von Kiba. Die Anderen der Clique wendeten ihre Blicke von den Aufgabenblättern ab und musterten Sasuke mit besorgter Miene. "Ist es... wegen deinen Eltern?", fragte Temari, als der Uchiha keine Antwort gab. "Vermisst du sie wieder?" "Ich vermisse sie immer... zumindest meine Mutter", antwortete Sasuke mit gesenktem Blick. "Aber das ist es nicht." "Was dann?" Die Blonde klang nicht aufdringlich, genau so wenig wie der Rest seiner Freunde aufdringlich wirkte. In ihren Blicken lag Mitleid, Besorgnis. Sie wollten wissen, warum Sasuke so deprimiert war, um ihm helfen und trösten zu können, nicht weil sie neugierig waren. Darum schätzte er seine Freunde auch so. Immer wenn der Schmerz vom Verlust seiner Mutter zu stark wurde waren sie für ihn da. Er konnte ihnen vertrauen, er konnte ihnen auch mit Sicherheit von Naruto erzählen! "Kann ich euch später etwas zeigen?", fragte Sasuke. "Natürlich kannst du das!", kam es sofort von Temari, während die Anderen zustimmend nickten. "Okay... wann habt ihr denn Schluss?" Sie verglichen schnell ihre Stundenpläne miteinander und mussten feststellen, dass sie alle erst um 17 Uhr Schluss hatten, wegen einer Doppelstunde Sport in den letzten Beiden Stunden. "Scheiße!", fluchte Sasuke leise. "Ich habe gar keine Sportsachen dabei!" Wie sich jedoch später herausstellte waren diese nicht nötig. Die komplette 11. Klasse war in der großen Sporthalle versammelt. Die vier Sportlehrer der Schule standen vor ihnen, einer von ihnen war ihr alter Sportlehrer, ein Mann so rund wie ein Medizinball mit einem russischen Akzent und keinem einzigen sportlich aussehenden Körperteil. Höchstens der Kopf, der sich gut als Ball machen würde... Hinter den Sportlehrern waren vier große Blätter an die Wand geheftet. Von der Entfernung her konnte Sasuke nicht erkennen, was auf ihnen stand, aber irgendetwas sagte ihm, dass diese Doppelstunde chaotisch werden wird. "So. Wielkomm'n bei Spot, Grrunkurs", grüßte der runde Lehrer die Schüler. "Seinen Akzent habe ich noch nie verstanden", flüsterte Kiba Sasuke zu. Der Uchiha grinste ein wenig belustigt. "Dabei bist du selbst Russe", bemerkte er. "Aber mein Akzent ist nicht so heftig!", stellte Kiba fest. "Hjer heng'n vir Bleter. Dot steh'n vir unteschidlische Djenge drrauf." Der Lehrer redete fast eine halbe Stunde und Sasuke verstand nur unter Mühe, was er ihnen sagen wollte. Auf den vier Blättern standen unterschiedliche Sport Grundkurse. Einen Leistungskurs gab es auf ihrer Schule nicht. Jeder der Kurse hatte einen Schwerpunkt und zwei Nebenpunkte, die sie behandelten. Es gab die Schwerpunkte Leichtathletik, Volleyball, Fußball und Schwimmen. Gleich sollten die Schüler nach vorne kommen, sich in die Liste des Kurses eintragen, den sie belegen wollten und sich dann wieder auf ihren Platz setzen. Dabei gab es jedoch ein kleines Problem... "Ihrr müst an derr Site eintrragen welsch'n Kurrs irr als Alterrnatife errgreift. Wenn euerr Kurrs vol isst müss'n welsche wechsl'n und zwarr di, di als letztes steh'n. Okey? Dann los!" 100 Schüler stürmten gleichzeitig mit Stiften bewaffnet an den Sportlehrern vorbei an die Blätter, drängelten sich um die Kurse herum und trugen unter Mühe und krakeliger Schrift ihre Namen ein. Nur die Clique war sitzen geblieben, betrachtete das Chaos unbeeindruckt. "Na super", kam es von Shikamaru genervt, er packte gemächlich sein Mäppchen aus, erhob sich mit einem angestrengten Ächzen, als wenn ihm das unendlich viel Kraft kosten würde, streckte dann seine Faust in die Luft und brüllte: "AUF IN DIE SCHLACHT!" Sasuke lachte auf, während seine restlichen Freunde ebenfalls aufsprangen und Shikamaru in die "Schlacht" folgten. "Tragt mich auch mit ein!!", rief Sasuke ihnen hinterher. "Bei Fußball... EY!" Er sprang auf seine Beine und lief ebenfalls zu dem Knäuel aus Schülern. Dabei bemerkte er, dass sich bei Leichtathletik so gut wie keiner befand, die Meisten drängelten sich um Fußball und Volleyball. Zwischen den vielen Körpern erkannte er, wie sich Shikamaru halb auf dem Boden knieend durch die Masse kämpfte, um in einer ungemütlichen Haltung seinen Namen bei 'Fußball' ein zu tragen. Kiba versuchte unterdessen Shikamaru darauf aufmerksam zu machen den Rest von ihnen ebenfalls einzutragen und begann auf der Stelle zu hüpfen, während er rief: "Shikamaru! Trag den Rest von uns auch ein! Als Alternative schreib Volleyball hin!" Nach fast fünf Minuten löste sich die Menge und Shikamaru kam mit zerstreutem Aussehen zurück zu ihnen. "Hast du uns auch eingetragen?", fragte Temari sofort. "Ja hab ich", antwortete der Nara. "Dann hast du mich gehört!", meinte Kiba, doch der Braunhaarige wimmelte ab. "Ich habe nur gehört: Shi - ma - den - st vo - ns a - in! Ich hab dich nur gehört, wenn du oben warst beim Springen!" Die Jugendlichen lachten herzhaft, während sie sich zurück zu ihren Plätzen begaben. Sasuke schöpfte in diesem Moment Hoffnung. Darauf, dass Naruto auch einmal so sehr lachen konnte. Shikamaru, Kiba und Neji brachten den Uchiha immer wieder aufs Neue zum Lachen... vielleicht würden sie dies an diesem Nachmittag auch bei Naruto schaffen? __________________________ [1] Das Lied, das Sasuke zu erst spielt: http://www.youtube.com/watch?v=U5r42ug5IkY [2] Das zweite Lied: http://www.youtube.com/watch?v=tNPr3ucYEss Ps.: Wie vielleicht Einige von euch bereits bemerkt haben schreibe ich in dieser FF von meiner Schule und meinen Lehrern. Aber nicht unbedingt von meinem Stundenplan. Was wäre ich für ein Idiot Mathe Leistungskurs und Französisch zu nehmen?! Das in Sport ist wirklich so passiert. Wobei Shikamaru meine beste Freundin symbolisiert und Kiba mich ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)