Dem Himmel zugewandt von Rockstar ================================================================================ Kapitel 2: Freundschaft ----------------------- „Du kleiner Pisser! Dir bringe ich noch Respekt vor Älteren bei!“ Ein dumpfes Geräusch war zu hören, als der Kopf des Jungen in einen recht unschönen Kontakt mit der Steinmauer hinter ihm kam und er kurz darauf auf den Boden sank. „Malik, Nein!“ ~*~*~*~*~*~ Sein Kopf schmerzte bestialisch. Nicht nur, dass ihm übel war und sich jede seiner Extremitäten anfühlte, als hätte man sie mit Gewichten beschwert, nein – er fühlte sich absolut elend. Jedes Detail an seinem Körper schien wehzutun, müde war er außerdem. Was war denn nochmal genau passiert, dass er sich so elend fühlte…? Malik zog die Stirn einen Moment in Falten, bereute es im nächsten Moment aber sofort, als die Gesichtsmuskulatur auf sehr schmerzhafte Weise Einspruch gegen diese Art der Bewegung erhob.Schmerzen im Gesicht. Es kam ihm bekannt vor, ebenso das Geräusch von Schritten, die sich ihm nährten. Er lag weich gebettet in weiße Laken, der Geruch von Frühling wehte aus dem Fenster in den kleinen Raum hinein. Die Augen fanden für einen Moment keinerlei Fokus als sie sich öffneten, schließlich blinzelte er aber doch und spähte in ein recht besorgt dreinblickendes Gesicht empor, dass ihm auch ziemlich bekannt vorkam. „Hey…wie geht´s dir?“ Ausgerechnet er. Von allen Menschen in dieser Burg musste es natürlich ausgerechnet er sein. Schlimm genug, dass sich schon jeder darüber lustig machte, dass es ihn und Malik nur noch im Doppelpack zu geben schien, nein – zu allem Übel kicherten auch noch die Mädchen auf eine so nervige Art und Weise, dass es Malik jedes Mal den Magen umdrehte. Es war ja nicht so, dass er ihn nicht doch irgendwo in den tiefsten, tiefsten, sehr tiefsten Tiefen seines Herzens mochte. Und es war ja auch nicht so, dass er nicht gerne bei ihm war. Sie waren doch Freunde. Kaum zu glauben, aber wahr. Der weiße Adler und die Erde hatten tatsächlich – nach einer handfesten Prügelei – Freundschaft geschlossen. So unglaublich es sich anhörte, so wenig hatte es auch Malik wahrhaben wollen. Schließlich war er immer sein erklärter Intimfeind gewesen. Alles war diesem Großmaul zugefallen, das Können, das Geschick, die Raffinesse. Die Bewunderung der Mitschüler. Der Stolz des Meisters. Und, wie um den ganzen die Krone aufzusetzen …war auch noch Kadar haltlos begeistert von ihm. Jeden Abend vor dem Einschlafen musste er sich die Geschichten eines vollkommen aufgeregten kleinen Bruders anhören, der mit Händen und Füßen jedes Erlebnis seines großen Vorbilds bildlich nachzustellen versuchte. Da war der Todessprung, der dazu führte, dass Kadar einen Köper auf den alten Teppich machte und sich dabei fast den Hals brach, da war die schnelle, tödliche Bewegung nach schräg rechts mit der versteckten Klinge, die Kadar sämtliche Tintenfäßchen von Maliks Schreibtisch fegen lies; und als Kadar dann auch noch versuchte, wie er vom Turm in einen kleinen Heuballen zu springen – da war bei Malik die Sicherung endgültig durchgebrannt und er hatte wutentbrannt Altair´s Zimmertür eingetreten und wüst losgeschimpft. Wahrscheinlich hätte es sogar respekteinflößend wirken können, hätte ihn Altair nicht mit verschlafenen Augen und haltlos verwuschelten Haaren angestarrt, sich ungeniert an der Hinterfront gekratzt und gleich darauf wieder eingeschlafen. Egal was Malik tat – Altair schien immer absolut perfekt und unerreichbar zu sein. Seltsamerweise war er zu ihm aber immer freundlich. Zwar war er ein arroganter Kotzbrocken und trug die Nase himmelhoch, aber Malik gegenüber war er oft genug auch wirklich nett , beinah umgänglich gewesen. So hatte er ihm beispielsweise - als er versuchte den Todessprung auszuführen und sich dabei prompt ein Beim gebrochen hatte – jeden Tag frisches Obst gebracht. Oder hatte ihm ein Übungsschwert für Kadars Geburtstag besorgt, was dazu geführt hatte, dass man Altair zwei Wochen Küchendienst aufgebrummt hatte, weil ihn der Meister beim Stehlen erwischt hatte. Tatsächlich hatte Altair viel für Malik getan und es war im Grunde immer nur sein eigener Stolz gewesen, der eine wirkliche Freundschaft verhindert hatte. Er wollte derjenige sein, den Kadar so immens anhimmelte. Er wollte doch der große Bruder sein, zu dem man aufsah und denn man gerne nachmachte. Er wollte…einfach ein bisschen wie Altair sein. „Malik…? Ich habe dir ein bisschen zu Essen mitgebracht, die Schwester sagte du darfst wieder Essen. Malik…?“ Als sich eine warme, weiche Hand auf seiner Stirn ablegte, ließ auch seltsamerweise der Schmerz nach. Er spürte, wie sich ein fremder Körper auf die freie Fläche seines Bettes schob, wie ihm einige Strähnen aus der Stirn gestrichen wurden. Diese Geste war vertraut. Altair hatte das schon einmal gemacht – damals war Malik krank gewesen. Fieber und Übelkeit hatten ihn geschüttelt, die Schwester hatte es „Erkältung“ genannt. Damals hatte er ob drei dicken Wolldecken unglaublich gefroren. Leise Getappel von Kinderfüßen, ein leichtfüßiger Gang; viel zu vertraut und zu oft gehört, als es Jemals vergessen zu können. Er hatte sich zu Malik auf das Bett gesetzt, wie in diesem Moment und hatte ihm eine warme Hand auf der Stirn abgelegt. Vielleicht besaß Altair ja Zauberkräfte – am nächsten Morgen war das Fieber so weit abgeklungen, dass er ihn zumindest schon wieder anschreien konnte. „Hab keinen Hunger…“, murmelte er nach einer ganzen Weile, lange Momente, in denen er einfach nur der Bewegung der warmen Finger nachgefühlt hatte. Er spürte wie Altair ein wenig Gewicht verlagerte, sich zu ihm beugte und die Decke dabei empor zog, spürte den weichen Stoff an seinem Hals. „Hey, Altair…“ „Hm?“ „Tut mir echt leid…dass ich nicht eher was unternommen habe.“ Ein Moment der Ruhe verging, die warmen Finger strichen behutsam über seine Wange, ehe er Altair wieder sprechen hörte. „Nein…ich danke dir. Du hast mir geholfen, obwohl du dir doch immer wünschst, es würde mir mal einer so richtig eine reinhauen…du bist schon merkwürdig, Malik.“ Das kleine Schmunzeln in der Stimme war kaum zu überhören, es klang weich gesprochen, ob der rauen Tonlage, die Altairs Stimme seit einiger Zeit zeichnete. „Gehst bei einer Prügelei dazwischen, verrückter Kerl…ich hätte sie auch alleine fertig gemacht.“ „Pfff….du bist doch verloren ohne mich, Idiot…“, antwortete Malik leise, blinzelte kurz. Die Müdigkeit zupfte sanft an seinem Verstand. „Bist doch…absolut hilflos ohne mich…außerdem war fünf zu eins unfair…da musste dir doch Jemand helfen…“ Tatsächlich war es so gewesen. Er hätte einfach vorbei gehen können. Ebenso gut hätte er zuschauen können, wie die größeren Jungs Altair einfach auseinander genommen hätten. Er hätte sich umdrehen können und wäre einfach gegangen, in hämischer Freude es hätte endlich mal Jemand diesem arroganten Kotzbrocken seine Grenzen aufgezeigt. Aber sobald der erste Treffen Altair erwischt hatte und dieser in die Knie gegangen war, hatte irgendetwas bei Malik eingerastet. Er war blindlings auf die Gruppe zugehastet und dem erst besten seine Schulter gegen die Brust gerammt, ein verdutzt dreinblickender Altair hatte ihn angestarrt als wäre er der Leibhaftige persönlich. Glück für sie beide, dass Altair so bewandt im Kampf war und Malik ein Taktiker. Sie hatten nie zusammen trainiert, seltsamerweise muteten ihre Bewegungen aber genauso an. Die ersten zwei lagen schon, ehe Malik es richtig registriert hatte. Der dritte sank zu Boden, nachdem ihm Altair den Ellenbogen mittig im Gesicht platziert hatte und der vierte heulte schmerzerfüllt auf, nachdem ihm Malik einfach einen Tritt unter die Gürtellinie verpasst hatte. Grinsend hatten sich die beiden Jungen angesehen und Altair ihm anerkennend zugenickt – ehe Malik gesehen hatte, dass der letzte der Bande eine Flasche in der Hand hatte und gerade dabei war, diese Altair über den Kopf zu ziehen. Entsetzt hatte er ihn zur Seite gestoßen und den Schlag abbekommen, inklusive einem kurzen Freiflug gegen die Mauer. Malik hatte Altair noch nie so fluchen gehört wie in diesem Moment. Er sah noch, wie dieser sich wutentbrannt auf den Übeltäter stürzte, kurz darauf wurde er ohnmächtig. Und hier auf der Krankenstation wurde er wieder wach. Altair musste ihn also hierher gebracht haben. Wieder einmal hatte er ihn gerettet. Wieder einmal würde Kadar Altair in den Himmel loben und bestimmt würde alle nun noch mehr Respekt vor Altair haben. Und wieder einmal…war er nur der Anhang. „Hey, Malik….ich fand das übrigens unglaublich mutig, dass du dich so einfach auf die älteren Jungs gestürzt hast…überhaupt finde ich dich wirklich toll. Du bist immer für Kadar da, lernst unglaublich viel und bist so intelligent…ich wäre gerne ein bisschen mehr wie du. Immer bist du für die anderen da – jeder kann sich auf dich verlassen. Ehrlich…ich wünschte, ich wäre ein wenig mehr wie du.“ Er war ein Idiot. Ein egoistischer, verzogener Idiot. Dieser Kotzbrocken. Ein solch dummer, elender Kotzbrocken… Malik griff nach der warmen Hand, als diese sich von seiner Stirn zurückgezogen hatte, schloss wieder die Augen. Die Müdigkeit deutete ihm einen Weg in den erholsamen Schlaf, zuvor schloss er aber noch fest um die Finger um diese warme Hand, die immer bei ihm war, wenn er ihn brauchte. Die bei ihm blieb. Diese Hand, die zu der Person gehörte, die er seit dem ersten gemeinsamen Treffen Freund nannte. Seinen besten Freund. „…Altair?“ „Ja?“ „…hälst du meine Hand, bis ich eingeschlafen bin…?“ „…klar.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)