Mi vida
Siebtes Türchen:
Mi vida
In dieser Nacht im Dezember war der Himmel so bewölkt, dass kein einziger Stern zu sehen war. Alles war dunkel. Nur drinnen, in einem kleinen Haus, in einer kleinen Kammer unter dem Dach, brannte eine Kerze auf einem Tisch. Direkt daneben stand unter der Dachschräge eine alte Wiege mit geschnitztem Fuß- und Kopfende.
„Ich bin schon viel zu groß, um in diesem dummen Ding zu schlafen, bastardo“, beschwerte sich Romano und runzelte wütend die Stirn. „Wann bekomme ich endlich ein anständiges Bett?“
Überrascht zog Antonio die Augenbrauen hoch. „Aber hier schläfst du doch seit Jahren, Romanito.“
„Ja! Und seit Jahren erzähle ich dir jeden Abend, dass ich ein richtiges Bett will!“
„Pssst“, machte Antonio beruhigend und strich ihm über die Haare. „Reg dich nicht auf, mi vida.“
„Ich rege mich aber auf, bastardo“, knurrte Romano. Antonio band die Bänder am Kragen seines Nachthemdes zu einer ordentlichen Schleife und hob ihn danach in die Wiege. Beinahe versank Romano in den weichen Decken. Er war mitnichten zu groß für die Wiege. Zu alt sicherlich, aber zu groß nicht.
„Gute Nacht, Romanito. Soll ich dir etwas vorsingen?“
„Nein, bastardo“, knurrte Romano und drehte ihm demonstrativ den Rücken zu. Antonio lachte und klopfte die Decke zurecht.
„Duerme, duerme...“, begann er leise, aber Romano zog sich die Decke über den Kopf und hielt sich fest die Ohren zu. Erneut lachte Antonio nur.
„Ach, Romanito chiquitito...“
„Wehe, du holst auch noch deine Gitarre raus!“, erklang Romanos wütende Stimme, gedämpft durch die Decke. „Wehe!“
„Buenas noches, mi vida“, murmelte Antonio und hauchte einen Kuss auf das Büschel dunkler Haare, das noch unter der Decke hervor ragte. Romano gab ein wütendes Schnauben von sich und verkroch sich tiefer in sein Bett. Antonio war es nicht anders gewohnt. Er lächelte – ein seltsam verletztes, fast krankes Lächeln. Es hätte Romano Angst gemacht, wenn er es gesehen hätte, doch er sah es nicht. Er zog sich die Decke über den Kopf und verkroch sich vor der Liebe, mit der er nichts anfangen konnte.
Noch eine Weile saß Antonio da, eine Hand reglos auf der Decke, bis er sich einen Ruck gab, aufstand und die Kerze ausblies. „Buenas noches“, wisperte er noch einmal in die Dunkelheit, bevor er den Raum verließ und die Tür nachdrücklich hinter sich schloss.
(Spanisch gefällig? Mi vida = mein Leben, kann man aber meines Wissens nach auch als Kosenamen verwenden. Chico = klein -> chiquito = sehr klein -> chiquitito = wirklich ganz klitzeklein. Genauso Romano -> Romanito.)