Spurwechsel von abgemeldet (Eine kleine One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 10: Zwischen den Zeilen ------------------------------- Joey, Ich weiß immer noch nicht was diese Aktion bezwecken soll, aber gut, ich nehme mir Zeit und schreibe dir, auch wenn ich keine Ahnung habe was ich schreiben soll. "Was nettes" war übrigens keine präzise Vorgabe und "nett" ist ein dehnbarer Begriff. Aber ich gehe stark davon aus, dass du darauf abzielst, dass ich irgendetwas emotionales schreiben soll. Immerhin beklagst du dich immer, dass ich dir nichts dergleichen sage bzw. dich nicht an meinem Innersten teilhaben lasse. Ich wette dieses Gerede hast du von Gardner! Klingt jedenfalls nach ihr. Oder deiner Schwester obwohl ich glaube, das sie noch etwas weniger emotional ist wie Muto´s Hypercheerleaderin. Habe ich Recht? Du willst, dass ich mich öffne. Und weißt, dass ich das hasse. Abgesehen davon gefällt mir der Gedanke nicht, dass du dann etwas schriftliches von mir in der Hand hast. Nein, ich bin nicht paranoid und ich unterstelle dir auch keineswegs etwas, doch mir gefällt der Gedanke eben nicht. Im Grunde kannst du dich daher schon glücklich schätzen, dass ich es dennoch tue. Ich springe hiermit sozusagen schon über meinen Schatten. Ich hoffe du weißt es entsprechend zu würdigen! Herrje, Joey, du weißt doch, was mir an dir liegt. Ich gebe ja zu, dass ich es dir nicht gerade offen zeige und vermutlich auch noch nicht einmal auf subtilem Wege, aber nun ja, ich dachte, dass du es inzwischen verstehst, zwischen den Zeilen zu lesen. Immerhin bist du der Einzige, der in der Lage ist, die verschiedenen Nuancen meiner Stimmungen genau zu bestimmen. Deine Exkursion zu diesem Thema war übrigens ungemein erstaunlich und auch amüsant. Ich wusste gar nicht, dass ich so viele verschiedene Blicke in meinem Repertoire habe. Ja, wirklich. Ich war mir dessen nicht bewusst. Interessant, ich so viele Facetten habe. Wie du diese zu unterscheiden vermagst ist mir allerdings ein Rätsel, auch wenn du mir versucht hast den Unterschied zwischen "Todesblick Stufe 5" und dem "In-den-Staub-du-Unwürdiger"-Blick zu demonstrieren. Wie dem auch sei, ich ging wirklich davon aus, dass du mittlerweile begriffen hast, dass ich keineswegs gut in diesen Dingen bin. Ja, Seto Kaiba, gibt hiermit eine Schwäche zu, auch wenn ich es nicht als solche deklarieren würde, aber lassen wir das. Über diesen Punkt haben wir schon unzählige Male diskutiert. Fakt ist nun einmal, dass ich so erzogen wurde und diese Denkweise nicht von heute auf morgen ablegen kann. Und seien wir ehrlich, wenn ich mit einem debilden Dauergrinsen herumlaufen würde, dann wäre das erschreckend, oder? Immerhin unterstellst du mir schon, dass mein Lachen etwas diabolisch-wahnsinniges hat. Ich muss jedoch anmerken, dass Marik Ishtar in dem Punkt wesentlich erschreckender wirkt. Und du kannst mir glauben, ich versuche es. Ich unterdrücke oftmals den Impuls, dir langsam und genüßlich den Hals umzudrehen und den verspüre ich keineswegs selten! Du schaffst es einfach immer wieder alles auf den Kopf zu stellen. Wie neulich als du mich in der Firma besuchen musstest. Deine Idee, mich mit einem Besuch zu überraschen, mag dir ja genial erschienen sein und sie wäre es auch gewesen, wenn du nicht wie eine Naturgewalt durch mein Büro gefegt wärst. Weißt du wie lange es gedauert hat, meine Unterlagen wieder zu ordnen? Zugegeben, deine kleine verführerische Einlage hatte schon etwas... Sie hat mir gefallen und ja, ich habe es auch genossen, aber das weißt du auch. Trotzdem, ich kann mir so etwas nicht leisten. Ich kann nicht einfach während meiner Arbeitszeit jemanden auf meinem Schreibtisch vernaschen und komm mir jetzt nicht mit den Klischees. Ich werde dich nicht als Sekretärin einstellen! Du kannst nicht einmal mit zehn Fingern schreiben. Joey, ich habe wirklich keine Ahnung was ich dir hier schreiben soll, damit du Ruhe gibst und davon absiehst mich weiterhin mit Nichtbeachtung zu strafen. Schmollen steht dir übrigens gar nicht. Und mir gefällt es nicht, wenn du so ein Gesicht ziehst. Da ist es mir sogar lieber, wenn du versuchst mich böse anzusehen. Vielleicht wäre es eine nette Geste dich darauf hinzuweisen, dass dein sträflicher Blick nicht wirklich funktioniert. Er sieht immernoch aus wie ein Hundeblick, nur leicht verkrampft. Lass dir gesagt sein, Wheeler, das passt einfach nicht zu dir. Dein Gesicht ist dazu gemacht, um zu lachen. Und das kannst du auch am Besten. Dein ganzes Gesicht lacht, nicht nur dein Mund und das hat etwas... ehrliches, warmes. Jedenfalls solltest du dabei bleiben. Das gilt für uns beide. Weißt du, ich frage mich heute noch, wie es dazu kommen konnte. Ich meine, dass wir beide an diesem Punkt gelandet sind. Ehrlich gesagt, ich weiß es noch immer nicht. Selbst nach all der Zeit. Ich erinnere mich daran wie es angefangen hat, ja, das weiß ich noch als wäre es gestern gewesen, aber warum, ich meine, wie es dazu kam... Nun, vielleicht hast du Recht und man muss es nicht näher ergründen. Es sollte wohl sein und ist deshalb passiert. Das heißt jetzt nicht, dass ich es als Schicksalsfügung betrachte. Ich bin nicht Muto. Und wir hatten beide auch die freie Wahl. Ich habe dich nie zu etwas gezwungen und du... Ich verkneife mir den Kommentar, der mir auf der Zunge liegt. Es ist wie es ist und ich würde sagen, es ist sogar gut so. Mokuba und Roland sind übrigens auch der Ansicht, aber das weißt du wahrscheinlich besser als ich. Ich hege den Verdacht, dass die Beiden mir sogar diese Frage beantworten könnte, dass sie wissen "Warum", aber ich werde einen Teufel tun und meinen kleinen Bruder oder meinen Assistenten danach fragen. Und du wirst es auch nicht tun! Fakt ist, dass ich mich in deiner Nähe inzwischen weitaus wohler fühle als ich es je für möglich gehalten habe. Ich ertrage deine Anwesenheit nicht nur, ich genieße sie. Gut, nicht immer und du gehst mir oftmals nach wie vor gehörig auf die Nerven, aber wenn du nicht da bist, dann fehlt mir sogar deine nervige Stimme oder der Umstand, dass du nie still sitzen kannst, gleichgültig wann und wo. Ich suche dich, wenn ich nach Hause komme und ich bin merkwürdig erleichtert, wenn ich dich dann endlich finde, auch wenn ich mich im nächsten Moment schon wieder aufregen könnte, weil du irgendeinen Unsinn veranstaltet hast, den selbst ein Fünfjähriger nicht fabrizieren könnte. Ich hoffe, das reicht jetzt. Weiter werde ich mich nämlich nicht aus dem Fenster lehnen. Weißt du, ein Teil von mir, würde dir manchmal sehr gerne die Dinge sagen, die du hören willst, aber ich schaffe es nie die Worte über meine Lippen zu bringen. Nicht, weil sie ein Zeichen von Schwäche wären, die Tatsache, dass wir beide dieses Verhältnis führen, ist eigenlich schon Schwäche genug. Du bist eine meiner Schwachstellen, was inzwischen so bekannt ist, dass ich der nächste Irre wohl versuchen könnte dich zu entführen. Was mich wohl wieder zu einer Zusammenarbeit mit Muto zwingen würde. Also untersteh dich mit irgendwelchen obskuren Gestalten mitzugehen und lass ich auf keine Duelle mit großbrüstigen Blondinen ein! Verstanden? Du zerrst so schon genug an meinem Nervenköstum, da muss ich mir nicht noch Sorgen machen, weil du irgendwo ohnmächtig in der Gegend rumliegst oder von diesem Stümper Taylor mehr schlecht als recht durch Domino geschleppt wirst. Was ich sagen wollte, ich will nach Hause kommen und dich sehen und ich möchte, dass du mich so ansiehst, wie du mich an einem Sonntagmorgen ansiehst, wenn ich dich wecke und du mich verschlafen anblinzelst, unter der Decke hervorlukend und jammerst "Lass uns noch ein bisschen im Bett bleiben, Setoooo". Verstehst du was ich meine? Ich hoffe es. Jetzt dürfte ich genug Zeichen zu Papier gebracht haben, ich hoffe, dass etwas darunter ist, dass an deine Vorgaben heran reicht. S.K. PS: Wage es nicht, dieses Schreiben mit Gardner zu analysieren, Wheeler!! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)