idem
Wieder und wieder ließ sie ihre Handflächen nach unten fahren. Sie spielte mit ihm, wie er mit ihr gespielt hatte. Das Ruder war herumgerissen; der Wind hatte sich gedreht. In diesem Raum war er machtlos gegen sie. Und das Schlimmste war, dass er es genoss.
Obwohl es heiß geworden war. Ungeheuer heiß. Das Atmen erforderte mehr Kraft. Ihm schwindelte. Hinter seiner Brust pulsierte etwas, über dessen Existenz irgendwann einmal jeder nur schwitzend lachen würde.
Er suchte Ausreden, einen Fluchtweg aus dem Spiegellabyrinth der Wahrheit seines Ichs. Er wollte sich abwenden vor der unveränderlichen Tatsache, wie jeder Mensch diesen ordinären, abartigen Wunsch zu hegen, ihm zu folgen; er stand vor dem sumpfigen Schlund seiner Körperlichkeit und redete sich ein, darüber hinweggehen zu können. Nur ein Test. Alles, was zählt, sind Fakten. Das Warum soll beantwortet werden, und ich setze dem ein Ende.
Dann dachte er immer weniger. Sein Gehirn schmolz zu einer unbrauchbaren Masse. Das weiße Glühen, welches seinen intelligenten und scharfsinnigen Verstand beseelte, sank hinab. Illumina verlor ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Bedeutung, und schließlich verlor er sich selbst. Sein Körper schien sich von oben aufzulösen; all das, was nicht mehr gebraucht wurde, erlahmte und verblasste. Das weiße Glühen fand einen völlig neuen Ort in ihm drinnen, und es fühlte sich unbeschreiblich an. Jetzt. Jetzt! Jetzt stand er kurz davor, alles zu verstehen! Absorbiert von seiner eigenen Lust, die anders als seine bisherigen, ehemaligen Ziele weder einen Sinn hatte noch auf einem Grund fundamentiert war, fühlte er sich überein mit den sündigen, niederen Trieben seinesgleichen. Tom Riddle hatte die Antwort gefunden, das Geheimnis der Liebe ergründet, nur schade, dass er gegenwärtig zu dumm war, um sich diese Lösung zu bewahren.
Dann geriet die Hand ein Stück höher. Ein Schmerz, ein höllischer Schmerz durchfuhr ihn von oben bis unten, wie ein Blitz – nein – unvergleichlich, unfassbar, zerriss ihn förmlich, verneinte sein Leben. Er schnappte nach Luft, doch die war sich zu wertvoll für ihn, und erstickte. Er wollte schreien.
Mit Entsetzen erinnerte er sich an die eine Nacht im Jungenschlafsaal der Slytherin, das rhythmische Marschieren, das ihn bis in seinen traumlosen Schlaf verfolgt hatte, und sie trieb ihn beinahe zur Verzweiflung, die Drohung, dieselben jeder Würde beraubenden, ekelhaften, scheußlichen Geräusche könnten ihn als Wirt missbrauchen, könnten aus seinem Mund dringen, könnten von ihm stammen.
Ein Schlag, und alles verwandelte sich in Abscheu und Zorn. Das war keine Liebe, und das war nicht schön. Mit einem Bein stieß er Illumina, die sich an seinem Gürtel zu schaffen machte, von sich und vernichtete sie mit einer verzerrten Mimik, einer furchterregenden Karikatur des wunderhübschen Tom Riddles. In jenem Augenblick, da sich die nicht wahrhaben wollende Tatsache breitbeinig vor ihn stellte und ihm mit einem maliziösen Grinsen die Maske vom Gesicht riss, zeigte sich erstmals, wie der exzellente Ausnahmeschüler in Wahrheit aussah. Wie er später, zerstört durch Hass und Schwarze Magie, für immer aussehen, bis er im Mai 1998 hier auf Schloss Hogwarts sein Ende finden würde.
Er vermochte sich nicht mehr viel einfallen zu lassen, was ihn vor der grausigen Tatsache retten konnte. Als er Tage später allein vor dem Raum der Wünsche stand – die Augen geschlossen, die Lippen lautlos dreimal seinen Wunsch äußernd – und anschließend hineintrat, würde der Raum leer und schwarz sein.