With fairytale through the year von sunny3291 ================================================================================ Kapitel 1: Frühlingsträume: January part 1 ------------------------------------------ So und hier kommt das erste Kapitel. Bitte lasst euch nicht von den Hammer-Kapis einschüchtern. Ich versuche ja schon sie leichter zum Lesen zu machen. =) Also viel Spaß im Januar... sunny January Der Gebrauch einer Kamera ist ähnlich der eines Messers: Man kann damit Kartoffeln schälen, aber auch eine Flöte schnitzen. Erich Kahlmeyer Roxanne rollte sich am 1. Januar herum, um auf ihren Wecker zu hauen, der es wagte, sie aus ihren Träumen zu reißen, und landete bäuchlings auf dem Boden ihres Fotostudios. „Verdammt! Das wird ja ein gutes neues Jahr!“, stöhnte sie auf. Noch total müde und fertig lag sie nun da, bis ihr auffiel, dass sie es gar nicht in ihr Bett geschafft hatte – und dass das nervtötende Geräusch nicht von ihrem Wecker kam, sondern von ihrem Laptop, den sie auf zwölf Uhr programmiert hatte. Mit einem Seufzer erhob sich Roxanne und torkelte in ihre Küche. Sie brauchte jetzt dringend Kaffee. Ohne Kaffee ging heute nichts mehr! Wie kamen Leute auch nur auf die bescheuerte Idee, am Silvesterabend zu heiraten? Warum musste ein Feiertag, der für Saufexzesse und schmutzigen Sex stand, für ein förmliches Ritual herhalten? Und als wäre das noch nicht schlimm genug, dass sie den Tag verdorben, nahm man auch seinen Freunden und der Familie diesen Tag weg. Ganz zu schweigen von der Hochzeitsfotografin… Gut, Roxanne gab es zu. Sie hätte heute Morgen um zwei Uhr, nachdem der Empfang endlich beendet war, sofort ins Bett gehen sollen und nicht erst noch die Bilder auf ihren Laptop hoch laden sollen. Sie wusste doch, dass sie die Bilder dann nicht erst in Ruhe ließ, sondern sich sofort auf sie stürzte. Und aus einfachem Angucken und Durchstöbern wurde dann immer bearbeiten. Fast drei Stunden hatte Roxy noch an den Hochzeitsfotos der Meyers gearbeitet. Es waren super Bilder unter ihnen. Perfekte Aufnahmen von zwei Menschen, die sich liebten. Oder aber sie hatte den Blick für Perfektion verloren und die Bilder waren nur für den Mülleimer bestimmt. Nein, es waren gute Bilder. Viviene und Robert würden wunderbare Aufnahmen von ihrem besonderen Tag haben. Und vielleicht in dreißig oder vierzig Jahren darüber lachen, wie albern manche von ihren Familienmitgliedern gekleidet gewesen waren. Oder aber, wie sie sich mit Tränen in den Augen das Ja-Wort gegeben hatten. Wenn sie denn noch in dreißig Jahren zusammen waren… Roxanne schüttete sich Milch in ihrem Kaffe und lehnte sich an ihre Küchentür. Draußen war das komplette Anwesen der Familie Weasley verschneit. Die weiße Schneedecke trübte Roxannes Stimmung jedoch in keiner Weise. Sie liebte die Ruhe, die sie empfand, wenn sie eine Schneelandschaft betrachtete. Und doch wand sie sich nach einer Weile von der Tür ab und ging zu ihrem Laptop. Mit einem Klick war sie bei den frischen Hochzeitsbildern. Roxy setzte sich wieder in ihren bequemen Sessel und zog die Beine an. Beim Durchsehen der bearbeiteten Bilder lehnte sie ihr Kinn auf ihre Knie. Viviene und Robert sahen einfach traumhaft aus. Er mit seinen schwarzen Haaren und sie mit ihren blonden standen im krassen Kontrast, wie auch der schwarze Anzug und das perlweiße Brautkleid. Die Beiden waren sich auch sonst nicht sehr ähnlich. Roxanne erinnerte sich mit Grauen an die Vorbereitungen für diese Silvesterhochzeit. Die Braut war auf alles Moderne fixiert gewesen, während der Bräutigam klassische Akzente haben wollte. So ganz nach dem Motto der Jahreswende, das Alte und Neue vereint. Auch bei den Bildern waren sie sich nicht einig gewesen. Er wollte inszenierte Aufnahmen, während sie lieber Schnappschüsse als Erinnerung behalten wollte. Roxanne hatte jetzt eine Mischung aus beidem gemacht und war mit ihrem Ergebnis zufrieden. Sie hatte ihre Arbeit perfekt gemacht, jetzt mussten nur noch die Frischvermählten Meyers eine gute Ehe führen. Roxanne glaubte nicht mehr an die Beständigkeit der Ehe. Zum einen hatten sich ihre Eltern früh scheiden lassen, zum anderen hatte sie jetzt einfach schon viel zu viele Hochzeiten mit veranstalten und hinterher gehört, dass sie nach einem dreiviertel Jahr wieder geschieden wurden. Ein Knurren machte Roxanne darauf aufmerksam, dass sie das Essen vorhin in der Küche vergessen hatte. Schnell lief sie zurück und kramte in ihren Schränken nach ihren Pop-Tarts. Sie wusste selbst, dass sie nicht gesund waren, aber es war pure Schokolade und der hatte Roxanne noch nie widerstehen können. Während Roxanne ihr Frühstückt genoss, blätterte sie in ihrem Terminkalender herum. Rose hatte sie letztes Jahr dazu verdonnert, endlich einen Timer zu führen, nachdem sie zwei Kunden total vergessen hatte. Heute würden sie die Hochzeit Clay und McFerson ausrichten. Die Zeremonie und das ganze Trimborium würden um sechs beginnen. Das bedeutete, dass Alison – die Braut – um drei kommen würde, ihr Bräutigam – Chester – kam eine Stunde später. Um zwei war deshalb noch einmal ein Gipfeltreffen, wo alles noch einmal haargenau durchgegangen wurde. Zeit genug also noch, um unter die Dusche zu springen, sich anzuziehen, ihre Notizen zu dem Brautpaar zusammen zu packen und ihre Ausrüstung noch einmal zu überprüfen. Mit einem letzten Klick vergewisserte sich Roxanne, dass es heute wunderbares Wetter für eine Winterhochzeit gab. Zur Not hätten sie das Wetter perfekt gezaubert, aber das Natürliche würde besser sein. So müsste sie auch bei den Aufnahmen hinterher nicht peinlichst genau darauf achten, dass man das eigentliche Wetter nicht erkannte. Während Roxanne nach oben in ihre Wohnung lief, ging sie bereits im Geiste durch, was für Aufnahmen sie machen würde. Ein paar Aufnahmen von den Vorbereitungen, die Ankunft der Braut und ihrem Gefolge, Schnappschüsse von dem Ritual des Umziehens, das Eintreffen der ersten Gäste und dann die Feier. Vielleicht konnte sie Allison sogar dazu überreden, dass sie ein paar Aufnahmen auf dem Balkon machten. Das Weiß vom Schnee und dem Brautkleid würden super zusammen passen und wenn dann noch ein paar von den Brautjungfern im Hintergrund standen, ohne dass man ihre Gesichter sah, hätte sie noch farbenfrohe Akzente. Mit Grauen dachte Roxanne jedoch an die Brautmutter. Sie hatte schon während der ganzen Vorbereitung und Besprechung immer ihren Willen aufdrücken wollen. Was zunächst nur damit angefangen hatte, dass man sie Dotty nannte, wurde hinterher so schlimm, dass sie ihre Vorstellungen von einem Hochzeitskleid ihrer Tochter aufdrücken wollte. Dank Rose bekam die Braut aber jetzt ihre Traumhochzeit und Dotty war der Meinung, dass alles nach ihrem Willen passierte. Wie sehr Roxanne Rose für ihre Geduld und Ausdauer bewunderte. Hätte sie mitten in der Nacht von dieser BM – Brautmutter – einen Anruf bekommen, dann würde die gute Frau jetzt nicht mehr leben. Als Roxanne fertig angezogen war – sie trug einen schwarzen Anzug und darunter eine hellblaue Seidenbluse – betrachtete sie ihre Aufnahmen, die sie überall in ihrem Atelier aufgehängt hatte. Vor ihrem absoluten Lieblingsbild, wo eine Braut überglücklich strahlend mit ausgebreiteten Armen unter einem Meer aus Blütenblättern stand, verweilte Roxanne eine Weile. Es war das Titelbild der Juliausgabe des Today´s Bride von vor zwei Jahren. Sie selbst hatte es geschossen und es war ihr Sprung in die Elite der Fotografen gewesen. Seit diesem Tag war sie nicht mehr irgendeine Fotografin. Nein, sie war Roxanne Weasley, die Spezialistin für besondere Momente. Mit einem letzten Blick in ihr Studio vergewisserte sich Roxanne, dass sie alles mit hatte. Die drei Taschen, die sie über ihre Schultern geworfen hatte waren zwar schwer genug, doch lieber jetzt noch einmal nachdenken, bevor sie gleich noch einmal durch den Schnee stampfen musste. Auf dem Weg zum Haupthaus ging Roxanne noch einmal die wichtigsten Punkte dieser Hochzeit durch. Das Brautpaar war sehr fotogen – das machte ihre Arbeit leichter und forderte sie doch heraus -, die heutigen Farben waren Regenbogenfarben. Das Motto lief unter verspielt und doch elegant. Gestern hatte sie sich schon einen Blick über die Torten und Gestecke gemacht und war selbst erstaunt gewesen, zu was ihre beiden Freundinnen fähig waren. Der ganze heutige Tag würde sich nur um Allison und Chester drehen. Roxanne hatte gerade den Windfang des Hauses betreten, damit sie nicht den ganzen Schnee von draußen mit hineinbrachte, als Alice sie ansprach. „Na, hast du es heil hier her geschafft?“, fragte sie lachend, während vor ihr die Hochzeitstorte stand, der sie noch den letzten Schliff gab. „Ich heiße nicht Alice Longbottom, die ständig über ihre eigenen Füße stolpert! Merlin, geil! Alice, das ist ja eine Monsterhochzeitstorte!“, rief Roxanne aus, als sie das Prachtstück aus sieben Etagen erblickte. Alice ließ sich durch Roxanne nicht aus der Ruhe bringen und platzierte die nächste Calla-Blüte zielsicher und mit den ruhigen Händen eines Chirurgen auf der Torte. Ihre schwarzen Haare hatte sie zu einem unordentlichen Knoten geschlungen, der ihr zierliches Gesicht noch besser zur Geltung brachte. Ihre eisblauen Augen sahen konzentriert auf ihre Arbeit. Roxanne war der Meinung, dass Alice viel mehr Männerbekanntschaften hätte, wenn sie nicht so schüchtern wäre. Sie war eine klassische Schönheit. Ganz anders Roxanne, die eher rebellisch schön war. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass sich die Braut doch für den Blumenaufsatz entschieden hat, anstatt für dieses ewige Braut-Bräutigam-Gestell. So wird es ein Einzelstück!“, erzählte die Konditorin und Roxanne kam langsam in Versuchung ein kleines Bisschen von der Torte zu probieren. Doch stattdessen wühlte sie in ihren Taschen nach ihrer Kamera und schoss ein paar Aufnahmen. „Für unsere Webside. So ein Kunstwerk muss einfach gezeigt werden!“, erklärte Roxy und Alice nickte nur. Sie war nicht so ein Fan vom Internet. Vielleicht lag es aber auch daran, dass es die Muggelerfindung erst seit fünf Jahren in der Zauberwelt gab. „Hast du gut geschlafen?“, fragte Alice auf einmal. „Bin erst um fünf ins Bett gegangen und habe dafür bis zwölf geschlafen. Ich war einfach zu neugierig auf die Bilder. Und du?“ „Bis halb drei, habe ich noch an der Hochzeitstorte hier gefeilt. Bin dann seid heute Morgen um sieben wieder auf gewesen, da ich noch die Bräutigamstorte und die Desserts beenden wollte.“, erklärte Alice und Roxanne stöhnte auf. „Das ist ja ein beschissener Start in das neue Jahr!“, war ihr Kommentar, doch Alice hob nur ihre Schultern. „Mir macht es nichts aus. Ich hoffe bloß, dass Rose eine saftige Gage dafür genommen hat, dass wir bis heute Morgen zwei Uhr den Empfang hatten. Immerhin war er nur bis halb eins geplant gewesen!“ „Kannst du sie ja gleich fragen. Ist Dome schon hier?“ „Sie ist vorhin hinein gehuscht. Rose ist auch schon wach. Sie war schon fünf Mal hier unten. Fünf Mal! So langsam macht sie mich kirre.“, nörgelte Alice und Roxanne litt mit ihr. „Kommst du jetzt mit?“ „Wir hatten zwei Uhr ausgemacht. Jetzt haben wir viertel vor… Ich komme in einer Viertelstunde nach.“ „Du weißt schon, dass das in Rose Augen zu spät ist, oder?“ „Klar, weiß ich das, aber wir haben zwei Uhr gesagt!“, sagte Alice bestimmt und nahm die nächste Blume. „Ich werde Rose ablenken, damit sie nicht merkt, dass du noch nicht da bist!“, teilte Roxy mit und verließ die große Küche. „Danke!“, hörte sie noch, bevor es daran ging die riesige Treppe zu erklimmen. Sie alle vier waren der Meinung gewesen, dass es besser war, wenn die Büroräume und die privaten Räume in den oberen Stockwerken lagen, während alle Geschäftsräume im Erdgeschoss lagen. Nur das Brautzimmer und das Bräutigamszimmer lagen im ersten Stock, da viele Bräute es genossen, die große Treppe hinunter zu schreiten, und der Kunde auch bei Fairytale König war. „Na, was möchte uns unsere Sklaventreiberin heute wieder mitteilen?“, fragte Roxanne frech, als sie das Meetingzimmer betrat. Es sah aber eher wie ein gemütliches Wohnzimmer aus, da vor dem Kamin zwei große Sofas standen, die durch einen kleinen gläsernen Tisch voneinander getrennt waren. Man konnte jedoch nur erahnen, dass es ein Glastisch war, da sich unzählige Unterlagen darauf stapelten. Roxy blickte sich zu ihrer Freundin um, die an ihrem Schreibtisch im Nebenzimmer saß. Wie immer war Rose von Ordnern und Büchern umgeben. Mit einer Hand tippte sie bestimmt wieder einen Bericht auf ihrem Laptop, während sie mit der anderen das Handy an ihr Ohr hielt und auf die nervöse Braut von heute einsprach. „Nein, es ist kein schlechtes Omen, dass dir heute Morgen ein Teller zerbrochen ist, Allison. Immerhin bringen Scherben Glück. …Nein, du gehst heute nicht alleine ins Badezimmer und machst dich fertig. Hier ist schon alles fertig. Ja, Allison, alles wird perfekt. Nein, halt dich von Spiegeln fern. Bis gleich!“ Kurz blickte Rose auf und zeigte Roxanne, nachdem sie aufgelegt hatte, dass sie gleich für sie da war. Schnell schrieb die überaus intelligente Weasley noch ein paar Zeilen und klappte dann ihren Laptop zu. „Macht dich Allison wahnsinnig?“, fragte Roxanne lächelnd und hielt Rose eine von den beiden Tassen Kaffee hin, die sie während des Telefonats zubereitet hatte. „Nein, sie ist eigentlich eine ganz nette Braut. Das Problem ist einfach nur, dass sie heute extrem nervös ist. Aber das muss sie nicht, denn die Feier wird heut der Burner!“, meinte Rose und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Stimmt. Dafür dass wir Januar haben sind die Straßen frei und das Wetter ist einfach perfekt. Ich werde versuchen Allison zu Außenaufnahmen zu überreden.“, erklärte Roxanne und Rose nickte. „Mach das. Allison ist schon auf, hat gefrühstückt und genießt im Moment ihren Beautytag. Der Bräutigam ist bereits im Fitnessstudio und dreht ein paar Runden im Pool. Der Catering Service liegt gut in der Zeit und alle Brautjungfern und Trauzeugen sind gut gelandet. Wo sind Alice und Dome?“ „Alice ist noch nicht ganz mit der Hochzeitstorte fertig. Aber die ist einfach gigantisch. Dome habe ich heute Morgen noch nicht gesehen. Alice meinte jedoch, dass sie aber schon im großen Saal ist und schmückt.“ „Perfekt. Wir liegen gut in der Zeit.“, meinte Rose und setzte sich bequem auf das Sofa am Kamin. „Wenn du nachher Außenaufnahmen mit Allison machst, dann pass aber auch. Wir wollen keine Braut mit roter Nase!“ „Ja, ich bin doch kein Kind mehr!“, beschwerte sich Roxanne und Rose lächelte vor sich hin. „Apropos Kind. Kannst du mir die BM vom Hals halten. Ständig steht sie hinter mir und will mir sagen, wie ich meinen Job zu machen habe!“ „Kein Problem. Ist schon notiert!“, meinte Rose und machte sich Stichpunkte auf ihrer Liste. „Ich glaub es nicht! Katy hat einen Kater und kann mir nicht helfen. Das heißt, mir fehlt eine Kraft!“, regte sich Dome auf, die in das Zimmer stürmte. „Ich kann dir helfen bis die Braut da ist!“, schlug Roxanne sofort vor. Es war irgendwie zur Gewohnheit geworden, dass sie vier sich immer mal wieder aushalfen. „Gut. Machen wir es aber trotzdem kurz. Ich habe die Brautpaarzimmer fertig, aber im großen Salon habe ich gerade erst angefangen!“, teilte Dome weiter mit, während sie sich neben Rose auf das Sofa plumpsen ließ. „Wie sieht es mit dem Treppenhaus und dem Foyer aus?“, fragte Rose, die ihrer Liste nachging. „Fertig, Ballsaal braucht nur noch ein paar Bouquets. Die Sträuße für die Brautjungfern sind auch schon fertig und stehen in Vasen bereit im Brautzimmer.“ „Und das Blumenmädchen?“ „Bekommt einen Pomander – eine Blumenkugel – mit weißen Rosen und bunten Schleifen. Auch ihr Haarreif mit den kleinen Röschen und den bunten kleinen Schleifen ist fertig. Es ist einfach ein Mädchentraum.“ „Dann haben wir auf jeden Fall Michelle heute schon mal glücklich gemacht!“, schloss Roxanne daraus. „Bestimmt, wenn du mit ihr noch ein paar süße Aufnahmen machst!“ „Okay. Am besten mit Allison, sodass das Farbenspiel von Michelles Regenbogenkleid und dem Weiß des Brautkleides besonders gut zur Geltung kommt.“ „Ich glaube, die Beiden werden dir den Boden küssen!“, meinte Dome. Sie alle wusste, wie sehr die Braut in ihre dreijährige Nichte vernarrt war, und waren selbst von dem kleinen Mädchen mit der braunen Lockenmähne verzaubert. „Wenn du mir nachher hilfst, machst du dann auch Aufnahmen. Ich will ein paar Bilder auf unsere Internetseite stellen. Wenn du es nicht schaffst, kann ich auch selbst welche machen!“ „Kommt gar nicht in Frage. Ich bin die Fotografin!“, empörte sich Roxanne. Sie hasste es, wenn andere Bilder machten. Besonders, da sie wusste, dass Dome wieder versuchen würde, sie mit auf ein Bild zu bekommen. Roxanne konnte dem Vorurteil der Fotografen nur zustimmen. Fotografen gehörten hinter die Kamera und nicht davor. „Was die Brautmutter angeht…?“, begann Dome, doch sofort unterbrach Rose sie. „Ich übernehme sie.“ „Gut, dann muss ich gleich noch…“ „Ich bin nicht zu spät!“, stürzte Alice nun ebenfalls in den Raum. „Wir haben zwei Uhr gesagt und wir haben jetzt Punkt zwei!“ „Dome fehlt Katy.“, meinte Rose einfach nur. „Ich kann helfen! Die Torten und die Desserts sind alle fertig.“, verkündete Alice stolz. „Du kannst um drei Uhr übernehmen. So lange hilft Roxanne mit aus!“, dirigierte Rose und alle nickten nur noch. „So und jetzt zum Zeitplan!“ „Warte!“, störte Alice erneut. „Zuerst sollten wir mal anstoßen. Uns allen ein gutes neues Jahr, uns klasse und scharfen Wahnsinnsfrauen…“, Alice hob ihre Kaffeetasse und die Anderen folgten ihr. „Auf die besten Freundinnen aller Zeiten, die einfach clever und genial sind.“, fügte Dome hinzu. „Auf uns Kumpels und Kompagnons mit Köpfchen und die Fairytale zu einer wahren Größe gemacht haben…“ „Und auf das Jahr 2033, das wunderbare Hochzeiten und viel Spaß mit sich bringt!“, beendeten Rose und Roxanne, den Trinkspruch. Kichernd tranken die vier Freundinnen ihren Kaffee. Dann herrschte nur kurz Schweigen, in dem alle vier ihren Gedanken und Wünschen für das neue Jahr nachgingen, bevor Rose wieder das Wort ergriff und den Zeitplan für die Hochzeit durchging. „So, Alice, Dome, ihr Beiden geht euch jetzt umziehen. Roxy, du machst schon mal mit der Dekoration weiter. Ich will, dass ihr gleich alle eure Headsets aufhabt!“, beendete Rose ihren Vortrag und scheuchte ihre Freundinnen aus dem Zimmer. Gerade schloss Roxy die Tür hinter sich, als sie bereits wieder den Klingelton von Rose Geschäftshandy hörte. Mit Sicherheit die Brautmutter, die wieder versuchte ihren Willen durchzusetzen. Obwohl Roxy nie der Typ Mädchen gewesen war, der an Prinzessinnen und so geglaubt hat, genoss sie es, die geschmückte große Treppe herunter zu schreiten. Gleichzeitig machte sie sich eine Notiz in Gedanken, dass sie die Braut beim hinunter schreiten fotografieren musste. Doch viel Zeit für Perspektiven aussuchen gab es nicht, da die Blumen nicht von alleine in die Räume schweben konnten. „Wingardium Liviosa!“, meinte Roxy und ließ eine Blumengirlande nach der Anderen in den Ballsaal schweben. Mit ein paar weiteren Zaubersprüchen schlangen sich die Girlanden um die Säulen und Roxy konnte sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe widmen. Mit ein paar Schritten hatte sie die passende Ausrichtung gefunden und schoss ein Bild nach dem Anderen. Dann wechselte sie den Raum und ließ sich von der Pracht einhüllen. Hier machte sie eine Großaufnahme von einen Gesteck, dort fing sie das Farbenspiel ein und wieder ein anderes Mal nutzte Roxanne das Lichtspiel in den Fenstern aus, um ein Bild zum Träumen einzufangen. „Roxy, die Braut ist da!“, erklang auf einmal Rose Stimme aus dem Headset und wie eigentlich immer zuckte Roxanne zusammen. Es war schon komisch, dass sie alles vergessen konnte, wenn sie hinter ihrer Kamera verschwand. Schnell packte sie jedoch ihre Sachen zusammen und ging auf dem schnellsten Wege nach Draußen, wo gerade die Limousine der Braut vorfuhr. Schnell schoss Roxanne ein paar Bilder von den Brautjungfern, die alle lachend aus dem Auto stiegen. Als zum Schluss die Braut ausstieg, musste Roxanne einfach grinsen. Allison trug eine verwaschene Jeanshose und Fell-Boots. Dazu hatte sie ein Flanellhemd mit einer ärmellosen Weste in Schwarz angezogen. Doch das absolute Highlight war der giftgrüne Schal. Gerade als Roxanne auf den Auslöser drückte, sah Allison zu ihr herüber und breitete lachend die Arme aus. Es war einfach ein perfektes Bild – eine rundum glückliche Braut, die ihrem schönsten Tag im Leben entgegenfieberte. Kurz sah sich Roxanne auf dem kleinen Display ihrer Kamera die Aufnahme an. Ein super Bild. Ein super Anfang für eine Reise durch den Tag. Das Brautzimmer wimmelte nur so von Leben. Die beiden Friseure hatten alle Hände voll zu tun. Überall saßen halbnackte Frauen und lachten und tratschten miteinander. Roxanne versuchte so viele Eindrücke einzusammeln, wie es ging. Es machte richtig Spaß die sechs Frauen ins beste Licht zu rücken. Nur die Brautmutter schien nicht so gelöst zu sein, wie die anderen. „Ally, Schatz, du hast so schöne Haare. Willst du sie nicht doch offen über die Schultern fallen lassen?“, kritisierte sie wieder einmal die Entscheidung ihrer Tochter. „Mum, zu den Blumenspangen passt eine Hochsteckfrisur und ich will das jetzt so!“, lachte die Braut zum Glück auf. Sie ließ sich einfach nicht aus der Ruhe bringen. „Dotty, so kommen die wunderbaren Schultern Ihrer Tochter zur Geltung!“, meinte Roxanne und schoss ein Foto von Allison, die vor dem Spiegel saß und ihre Frisur betrachtete. „Roxy?“, fragte Rose, die gerade ins Brautzimmer hineingeschlüpft kam. „Mh?“ „Der Bräutigam kommt jeden Augenblick!“ „Bin schon unterwegs. Allison, du siehst einfach bezaubernd aus. Ich mach mich jetzt aber auch mal daran, deinen Schatz ins rechte Licht zu setzen!“, entschuldigte sich Roxanne und die Braut fing zu kichern an. „Chester wird sich bestimmt wehren!“ „Dann nagel´ ich ihn fest!“, lachte Roxanne und machte sich so schnell sie konnte auf zur Tür. Gerade noch rechtzeitig kam sie unten an, als auch schon der Jeep des Bräutigams vorfuhr. Bräutigam und Trauzeuge stiegen völlig unbekümmert aus und Roxanne seufzte leise auf, als sie die beiden Brüder dabei erwischte, wie sie sich schelmisch ansahen, als hätten sie wieder etwas ausgeheckt. Bräutigamvater und Brautvater stiegen ebenfalls aus. Während der Eine eher aus sah, als ging er nur auf einen Empfang, sah man dem Vater der Braut an, dass er ziemlich nervös war. Roxanne liebte schon jetzt das Foto, was sie schoss. Dieser Kontrast war einfach genial. Gemeinsam ging Roxanne mit den Männern ins Bräutigamzimmer – Freds ehemaliges Kinderzimmer -, wo es eher gemächlicher zuging als bei den Frauen. Roxanne liebte die Zeit, in der sich das Brautpaar fertig machte. Zwar war es eine stressige Zeit für sie, da sie immer zwischen den beiden Räumen hin und her laufen musste, aber dieser Unterschied zwischen Rüschen und Manschettenknöpfen, Parfüm und Kummerbunden, tat irgendwie gut. „Roxy? Bist du im Brautzimmer?“, rief auf einmal Rose durch das Headset. „Japp! Die Braut zieht gerade ihr Hochzeitskleid an!“, berichtete sie sofort und knipste gleichzeitig ein Bild, wie die beiden Brautjungfern der Braut in das Kleid halfen. Kurz darauf passte sie genau den Moment ab, in dem die Braut ehrfürchtig über das Korsett strich und dabei ganz verträumt lächelte. „Die Gäste sind alle da!“, erklang es dann aus den Kopfhörern und nach ein paar Aufnahmen musste sich Roxanne wieder verabschieden, damit sie rechtzeitig unten war. Während der ganzen Zeremonie und der Feier sprang Roxanne im Schatten umher und fotografierte, was das Zeug her gab. Die kleine Michelle, die breit grinsend den Gang hinunter schritt und Blumenblätter warf… Die Braut, die beim Eheversprechen die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte… Eine innige Umarmung zwischen dem Brautpaar… Der Hochzeitskuss… Der Tanz zwischen Vater und Braut… Gekuschel zwischen dem Brautpaar und dem Blumenmädchen… Das Anschneiden der Hochzeitstorte… Alles lief glatt und so konnten die vier Freundin erleichtert aufatmen, als der letzte Wagen die Auffahrt herunter fuhr. Wieder ein glückliches Paar. Da Roxanne tagsüber einen Termin nach dem anderen hatte, arbeite sie in der Nacht noch an den Bildern. Doch nicht nur wegen der fehlenden Zeit am Tag, setzte sich Roxanne abends an die Bilder. Die Stille und das Alleinsein genoss sie einfach. So konnte sie die ganzen lebhaften Erinnerungen der Bilder noch einmal Revue passieren lassen ohne, dass sie jemand aus ihren Gedanken riss. Hier verschärfte sie eine Blüte, dort wurden die Farben zum Rand hin verwischt. Roxanne konnte ihrer ganzen Fantasie freien Lauf lassen. Doch gab es auch manche Momente, in denen sie das Bild einfach in die Hand nahm und zunächst überlegte, wie sie es verändern sollte. Zum Schluss legte sie es dann einfach zur Seite, da die Natürlichkeit erhalten bleiben sollte. Am nächsten Morgen kontrollierte Roxanne ihre Werke noch einmal. Sie musste sich einfach vergewissern, dass die Roxanne morgens mit der Roxy vom Abend übereinstimmte. Mit einer Tasse Kaffee und in ihren Schlabberhosen machte sich Roxanne dann daran, die Bilder in ein Fotoalbum zu kleben. Eine Stunde verbrachte Roxy damit, doch dann musste sie die Bilder wieder liegen lassen, da ihr erster Termin am Morgen anstand. Schnell zog sich Roxanne um und kam gerade wieder in ihr Studio zurück, als auch schon ihre Kunden klingelten. „Kommen Sie herein. Ihr Mäntel können Sie hier vorne aufhängen!“, begrüßte sie das junge Paar. Mit einem Blick konnte Roxanne die beiden einschätzen. Gute Oberschicht. Sie – blond, kühl, perfekt. Er – gut aussehend, dunkel, wohlerzogen. Langweilig, war Roxannes erster Gedanke. Sie bevorzugte quicklebendige Paare, die sie mit neuen Ideen begeistern konnte. Diese beiden – Elizabeth und Charles – wussten schon jetzt, was sie haben wollten. Konservative, perfekte Verlobungsbilder, die kaum Emotionen zeigten. Am liebsten hätte Roxanne geschrieen. Das Paar sah wunderbar aus und ihre Kleidung war perfekt. Die Frisuren saßen super. Roxanne juckte es in den Fingern, durch die Haare zu wuscheln. „Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“, fragte Roxanne höflich. „Oh, nein. Wir wollen sofort anfangen. Wir sind leicht im Stress!“, lehnte Elizabeth höflich und korrekt ab. „Das war hier früher das Poolhaus, oder?“, versuchte Elizabeth Smaltalk zu führen. Charles ging hinter den beiden Frauen einfach her. „Ja, mein Dad wollte etwas Außergewöhnliches haben!“, bestätigte Roxanne. „Es ist hübsch. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlicht gehalten ist, aber mir gefällt es. Kann ich mich hier irgendwo frisch machen?“, fragte die zukünftige Braut und Roxanne zeigte ihr das kleine Badezimmer. Während Roxanne zurück zum Bräutigam ging, fragte sie sich, was Elizabeth frisch machen wollte. „So, Charles, was haben Sie beide den heute noch vor?“, versuchte Roxanne dem Bräutigam etwas zu entlocken. Bei ihrem ersten Gespräch hatte sie sofort gemerkt, dass Charles ziemlich schüchtern war und das Reden lieber seiner Verlobten überließ. „Wir haben gleich noch eine Besprechung mit der Hochzeitsplanerin. Danach müssen wir uns um die Anmeldung im Ministerium kümmern und Elizabeth will danach mit zwei Designern ihr Brautkleid besprechen.“, erklärte Charles und Roxanne sah das Glitzern in seinen Augen, als er von seiner Verlobten sprach. Er war also auch zu Gefühlen fähig! „Es gibt so viel zu erledigen. Sie sind mit Sicherheit schon an das Ganze gewöhnt!“ „Jede Hochzeit hat ihren eigenen Charme und bringt neue Aufgaben zu Tage!“, erklärte Roxanne. Sie musste ihn noch ein bisschen lockerer bekommen. „Was hören Sie für Musik, Charles?“ „Musik?“ „Ja, hören wir ein bisschen Musik, während wir die Aufnahmen machen. Klassische Klavierstücke? Rockigere Geigenmusik? Balladen?“ „Rock!“, kam es plötzlich und Roxanne war ziemlich verwundert. Sie hätte ihn jetzt für einen Klassischen Klavierliebhaber geschätzt. Aber sie ertappte ihn dabei, wie er auf seine Armbanduhr sah. Typischer Geschäftsmann! „Haben Sie sich schon für eine Hochzeitsreise entschieden?“, fragte Roxanne, als sie ihre Kamera einstellte. „Wir tendieren zu Paris.“ „Sprechen Sie Französisch?“ „Kein Wort!“, lächelte er und Roxanne konnte ein Grinsen nicht verkneifen. „Dann wird das ja ein Abenteuer!“ Genau in diesem Moment kam Elizabeth zurück. Genauso perfekt wie vorher. In ihrem Rock und der Bluse sah sie genauso geschäftstüchtig wie Charles in seinem grauen Anzug aus. „Gut, dann setzen Sie sich zunächst auf diesen Hocker, Elizabeth. Charles, stellen Sie sich hinter sie und legen Sie ihre Hand auf ihre Schulter. Elizabeth, zeigen Sie ihren wunderschönen Verlobungsring, indem sie Charles Hand ergreifen!“, dirigierte Roxanne geübt und machte ein paar Aufnahmen. Die beiden waren aber viel zu verkrampft und ihr gelang es erst bei der zehnten Aufnahme das zubekommen, was ihr gefiel. Roxanne versuchte sie nun abzulenken, indem sie sich nach den Vorbereitungen erkundigte. All die Informationen, die sie erhielt, kannte sie bereits von den Vorgesprächen. Trotzdem entspannte sich Charles kaum und Roxanne trat einen Schritt von der Kamera weg. Sofort entspannten sich die beiden und Elizabeth sah zu Charles auf. Er zwinkerte ihr lächelnd zu. DA! Schoss es Roxanne durch den Kopf und schnell drückte sie auf den Auslöser. Im nächsten Moment waren die beiden wieder verspannt. „So und jetzt stehen Sie mal auf, Elizabeth. Charles, nehmen Sie Elisabeth mal bitte in den Arm. Den Kopf legen Sie ruhig auf ihre Haare. Das Kinn in meine Richtung. Elizabeth, legen Sie ihre Wange an Charles Brust. Die Hand mit dem Ring vor ihr Gesicht…“ „Ich weiß nicht. Wir wollten doch formelle Bilder!“, sträubte sich Elizabeth. „Ich möchte nur etwas ausprobieren!“, entgegnete Roxanne und dirigierte die Beiden weiter. Als sie wieder hinter die Kamera trat, war sie noch immer nicht zufrieden. Die beiden waren zu verkrampft! „Locker. Eine Umarmung ist in England zwischen Verlobten ganz legal. Denken Sie an was Schönes… Wie Sie Beiden sich kennen gelernt haben. Ihren ersten Kuss!“, schwatzte Roxanne und dann kam der richtige Augenblick. Charles lächelte spitzbübisch, während sich auf Elizabeth Wangen ein kleiner roter Schimmer legte. „Perfekt!“, meinte Roxanne und legte die Kamera weg. Sie hatte das, was sie wollte. Zwar ein bisschen anders, als das Brautpaar wollte, aber die förmlichen Aufnahmen von vorhin gab es ja auch noch. „Die Abzüge schicke ich Ihnen dann im Laufe der Woche zu…“ „Können wir die Bilder nicht schon jetzt sehen?“, fragte die Braut total aufgeregt nach. „Natürlich!“, meinte Roxanne und verabschiedete sich von ihrem ruhigen Mittagessen. Gemeinsam ging sie mit den Beiden die Bilder durch. „Ich wollte den Hintergrund verschwommen machen…“, erklärte Roxanne ihr Vorgehen, während sich Elizabeth bereits an den Bildern erfreute. „Das da ist es!“, meinte sie, als sie zu dem Bild kamen, auf dem sie zu Charles aufblickte. Roxanne vermerkte es und ging weiter. „Oh, was sind die schön!“, entfuhr es Elizabeth jedoch als sie die Bilder mit der Umarmung erblickte. „Ich habe mich getäuscht. Das ist das richtige. Meinst du nicht, Charles?“ „Ich weiß nicht. Das erste würde deiner Mutter besser gefallen.“ „Dann nehmen wir das Erste für meine Mutter. Aber ich will sonst das Bild mit der Umarmung.“, entschied die Braut und Roxanne lächelte. Sie war gut. Sehr gut! „Wenn ich das nächste Mal auf meine Vorstellungen poche, dann erinnern Sie mich hier dran.“, meinte Elizabeth und Roxanne sah ihren Augen an, dass sie ganz hingerissen von ihrem Verlobungsfoto war. „Ihre Ideen sind einfach perfekt!“, flüsterte Elizabeth und schwärmte sogar noch von den Fotos, als sie das Studio verließ. Roxanne schüttelte heimlich nur ihren Kopf. Es war jedes Mal aufs Neue lustig, wenn eine Braut so verzaubert war. Mit einem Blick auf die Uhr vergewisserte sich Roxanne, dass sie noch eine halbe Stunde Zeit hatte, bevor sie bei Rose sein musste. Schnell packte Roxanne ihre Sachen zusammen und suchte sich dann in ihrem Kühlschrank die Milch und aus einem Küchenschrank das Müsli. An die Küchenanrichte gelehnt, genoss Roxy nun ihr Mittagessen. Völlig in Gedanken versunken stand sie dort und erschrak zutiefst, als ein Vogel vor die Fensterscheibe flog. Sie erschrak so heftig, dass ihr ganzes Müsli über ihre Bluse lief. „Verdammt, das passiert aber auch nur mir!“, schrie Roxanne auf und verfluchte den Vogel, der sich berappelt hatte und nun wieder davon flog. Wegen diesem Vogel musste sie sich jetzt erst noch umziehen! Während Roxanne die Treppe hinauf in ihre Wohnung rannte, klingelte ihr Handy. „WAS?“, schrie sie fast schon unfreundlich in die Sprechmuschel. „Wenn du so mit unseren Kunden umgehst, dann ist es ein Wunder, dass wir noch welche haben!“, beschwerte sich Rose am anderen Ende. „Ich habe gesehen, dass du es bist. Also, was willst du?“ „Die Dittmeyers sind da!“ „Sie sind zwanzig Minuten zu früh. Ich muss mich erst umziehen. So ein bescheuerter Vogel ist vor meine Fensterscheibe geflogen.“ „Hemit?“ „Nein. Nicht eure altersschwache Eule.“, brummte Roxanne, während sie in ihrem Kleiderschrank wühlte, sich eine Bluse schnappte und bereits wieder die Treppe herunter lief. „Verbessere deine Laune. Iss von mir aus eine Tafel Schokolade, aber wenn du ins Haupthaus kommst, dann will ich eine strahlende Roxanne sehen!“, beendete Rose das Telefonat und Roxanne äffte sie nach. Dann drehte sie sich um und blieb erstarrt stehen. Völlig erstaunt starrte Roxanne den Mann in ihrem Studio an. Er machte große Augen und lief rot an. „Oh Merlin!“, entfuhr es ihm und er versuchte hektisch sich umzudrehen und knallte prompt mit dem Kopf gegen den Türbalken. Der laute Knall erinnerte Roxanne ziemlich stark an den Vogel. „Himmel! Alles in Ordnung?“, rief Roxanne auf und schmiss die Alben von sich und lief auf ihn zu. Leicht schwankend versuchte der Mann sich noch auf den Beinen zu halten, doch als Roxanne neben ihm stand, hielten ihn seine Beine kaum noch aufrecht. „Am besten setzen Sie sich!“, meinte sie und half ihm dabei. Dann besah sich Roxanne seine Stirn und erblickte eine Platzwunde. „Oh, Merlin. Sie bluten ja!“ „Kann gut sein!“, murmelte der dunkelbraunhaarige Mann. „Sie haben aber einen ziemlichen Dickkopf!“, lächelte Roxanne und zog ihren Zauberstab aus der Hosentasche. Zum Glück konnte sie sich noch an diesen Zauberspruch erinnern, der Platzwunden schnell heilte. Mit einem Schwung, war die Wunde wieder geschlossen. Dann kauerte sich Roxanne neben ihn. Ihr saß der Schrecken genauso in den Knochen wie ihm. „Merlin, was haben Sie sich den Kopf gestoßen. Zum Glück haben Sie nur diese kleine Wunde davon getragen. Das hat ganz schön gerummst. Ich dachte schon, ich müsste jetzt die Heiler rufen!“, quasselte sie drauf los, da sie einfach nicht wusste, wie sie mit dem Schock anders umgehen sollte. „Das Geräusch kenn ich eigentlich nur aus dem Labor meines Vaters, wenn er wieder irgendwas in die Luft gesprengt hat!“ „Verzeihung… Äh, ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist… Ich dachte nur, dass sie vielleicht…“, stotterte der Mann und blickte dann an Roxanne herunter, die es ihm gleichtat. Leicht verlegen schaute Roxanne wieder zu ihm auf. Sie hatte während sie darüber nachgedacht hatte, wie sie dem Mann am besten helfen konnte, ihm ihren kaum vom BH bedeckten Busen unter die Nase gehalten. „Ups, warten Sie hier.“, meinte sie dann und lief schnell zurück zu ihrer Bluse, die sie zusammen mit den Alben weggeschleudert hatte. Der Mann lehnte sich einfach nur gegen die Wand. Viel bewegen war sowieso nicht drin. Er wusste ja noch nicht einmal wo er gerade war. Doch eins hatte er sehr wohl wahr genommen. Trotz Sternchen, die seinen Blick verfolgten, waren die Brüste nicht schlecht gewesen. Soviel hatte er zumindest bemerkt. Doch jetzt stand er vor einem ganz anderen Problem. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Was sollte er sagen, wenn sie zurück kam? Es war ihm einfach nur peinlich. Er hatte eine fast komplett fremde Frau halbnackt gesehen! Gut, er hatte schon vorher nackte Frauen gesehen, doch diese Frau kannte er seit seinem dreizehn Lebensjahr! „Ich hab einen Eisbeutel mitgebracht, damit Sie keine dicke Beule bekommen!“, sprach Roxanne als sie zurück kam. Wahrscheinlich war es von ihm ungehörig, aber ein bisschen bedauerte Frank es, dass sie jetzt eine Bluse trug. „Okay, dann gucken wir mal, wie hart es sie getroffen hat. Wie heißen Sie?“, fragte Roxanne und Frank war komplett aus der Fassung gebracht. Da hatte sie ihm gerade ihre Brüste unter seine Nase gehalten und konnte so normal sprechen? „Hä?“, kam es deswegen nur von ihm. „Okay. Wie viele Finger sehen Sie?“, fragte Roxanne weiter und hielt zwei Finger in die Höhe. „Zwölf!“, antwortete Frank und brachte Roxanne zum Lächeln. Kleine Grübchen bildeten sich und etwas zog sich in Frank zusammen. „Stimmt nicht. Versuchen wir was anders. Was machen Sie in meinem Studio – oder besser gesagt, was haben Sie hier gewollte, bevor mein Busen Sie so erschreckt hat?“, fragte Roxanne einfach weiter. „Ah, ich habe einen Termin. Oder besser gesagt, Shelly hat einen Termin. Shelly Abbott.“ Roxannes Lächeln verschwand leicht. Die Grübchen bildeten sich zurück. „Okay, falscher Ort. Sie wollen zum Haupthaus. Ich bin Roxanne Weasley, Fotografin vom Dienst.“, erklärte Roxanne und ihrer Stimme folgte etwas Kälte. „Ich weiß. Ich meine, ich weiß, wer sie sind. Shelly hat nur wieder einmal nicht genau gesagt, wo der Termin stattfindet.“, stellte Frank dar. „Und wann hat sie vermutlich auch nicht genau gesagt. Der Termin ist erst um zwei.“ „Sie meinte, sie glaubt, dass es halb zwei Uhr wäre. Das heißt, sie wird pünktlich hier sein. Ich hätte mich sofort an die Shelly-Zeit halten sollen.“, entschuldigte sich der Mann erneut. „Schon gut.“, lächelte Roxanne leicht wieder und sah dem Mann in die Augen. Es waren wunderschöne klare Augen, in denen man mit Genuss versinken wollte. Dieses Grün war einfach zu schön. „Woher kennen Sie mich?“ „Aus Hogwarts. Ich bin mit Fred in einem Jahrgang gewesen…“ „Ich kenne alle Freunde von Fred.“ „Nunja, ich war auch kein Freund von Ihrem Bruder. Ich bin nicht einmal mit ihm in einem Haus gewesen.“ Roxanne lehnte sich zurück und betrachtete den fremden Mann erneut. Das Haar dunkelbraun, ja fast schon schwarz… Eine gerade Nase, die nicht darauf schließen ließ, dass er mal Quidditch gespielt hatte oder zu den Raufbolden wie ihr Bruder gehört hatte. „In der siebten habe ich Fred in Zaubereigeschichte geholfen. Henry und die Koboldaufstände zur Zeit Napoleons“, erzählte Frank weiter und auf einmal sah er, wie sich Roxanne erinnerte. „Frank.“ Roxanne lächelte viel sanfter. „Frank Longbottom, der große Bruder von Alice. Ah, natürlich Shelly Abbott, deine Cousine. Du willst mir aber doch wohl jetzt nicht sagen, dass du deine Cousine heiratest, oder?“ „Was? Nein! Ich springe für Nick ein, den Verlobten meiner Cousine. Shelly wollte nicht alleine zu dem Beratungsgespräch und Nick ist im Krankenhaus aufgehalten worden. Ich bin nur … ach ich weiß überhaupt nicht, warum ich eigentlich hier bin.“ Frustriert ließ Frank sich wieder gegen die Wand sinken. „Ein guter großer Cousin sein.“, beendete Roxanne hingegen für ihn das Gespräch. „Kannst du wohl aufstehen?“ „Ja!“ Roxanne rappelte sich schnell auf und hielt Frank dann ihre Hand hin. Als sich ihre Hände berührten, pochte Frank Herz schneller und lauter und als er stand, hämmerten die Kopfschmerzen im selben Takt dazu. „Autsch!“ „Warte, ich hol dir ein Schmerzmittel.“, murmelte Roxanne schnell und war schnell aus dem Raum geflohen. Frank suchte eigentlich nach einem Stuhl, auf dem er sich niederlassen konnte, solange sie weg war, da die Kopfschmerzen ihn fast wieder in die Knie zwangen. Doch erblickte er die ganzen Fotorahmen. Bräute in allen Situationen am Hochzeitstag. In kurzen Kleidern, in bunten Kleidern. Auf der Treppe, auf dem Weg zum Priester, beim Gelöbnis, beim Torteanschneiden. Auf einigen Aufnahmen erkannte Frank einen sehr beliebten Trick, bei dem nur der wesentliche Punkt auf dem Bild scharf war. Als er sich umdrehte und Roxanne erblickte, erkannte er, dass ihre Augen genauso waren. Eigentlich dunkelbraun, doch um die Iris herum hellblau. Nur ganz klein, aber doch sichtbar, wenn man genau hinsah. „Nimmst du eigentlich auch andere Motive?“, fragte er dann, da ihm die Stille zischen ihnen unheimlich vorkam. „Ja, aber Bräute stehen für eine Hochzeitsagentur und bringen Geld ein.“ „Sie sind wunderschön. Jede ist anders, obwohl du ein bestimmtes Schema hast, wenn du eine Hochzeit fotografierst. Die Vorfreude, die Zeremonie, die Feier. Oft machst du die gleichen Aufnahmen von den Bräuten und verleihst den Bildern dann etwas besonders, indem du sie veränderst. Gefällt mir. Aber das absolute Highlight ist das Bild hier!“, erklärte er und blieb vor ihrer aller ersten Aufnahme stehen. Das Bild von den drei Mädchen, die Hochzeit spielten und dem blauen Schmetterling. „Wieso?“, fragte Roxanne eher geschockt. Den meisten Kunden fielen nur die Brautfotos auf und besonders das Brautbild, das ihr den Erfolg brachte, liebten alle. Dieses eher unscheinbare Bild ließen viele einfach links liegen. Warum er nicht? Roxanne wusste, dass er immer schon alles im Raum erfasst hatte. Dass er immer anders als die Anderen gewesen war. Immerhin war er Streber-Franky! „Es hat etwas Magisches. Ich weiß, es klingt bescheuert, dass als Zauberer zusagen, aber es ist … ich kann es nicht beschreiben.“ „Das hat noch niemand zu diesem Bild gesagt.“, murmelte Roxanne, doch dann fasste sie sich wieder. „Lass uns zum Haupthaus gehen. Ich muss noch die Alben an die Kunden weitergeben.“ Im nächsten Moment hatte sich Roxanne ihren Mantel geschnappt und ging bereits zur Tür. „Du kriegst auch einen neuen Eisbeutel!“, lächelte sie, als Frank ihr den schon erwärmten Beutel hinhielt. „Dann gibt mir wenigstens eine von deinen Taschen, damit ich mich nicht ganz schlecht fühle.“, meinte Frank und Roxanne überlegte kurz. Eigentlich gab sie niemandem ihre Ausrüstung, doch sie wusste noch, dass Frank ziemlich hartnäckig sein konnte. Er war immer schon ein Gentleman gewesen, der den Frauen die schweren Sachen abgenommen hatte. „Okay, aber wehe du lässt sie fallen!“, drohte sie und zog die Tür zu ihrem Studio zu. Dann folgte sie Frank. Schnuckelig, richtig schnuckelig war er. War er schon so süß in der Schule gewesen? Oder war er ein Spätzünder, der erst nach Hogwarts das Gute aus seinen Genen herausgeholt hatte? Vielleicht… aber eins konnte man mit Sicherheit sagen. Frank Longbottom war heiß, richtig heiß! Zuerst war Roxanne ziemlich enttäuscht gewesen, da sie ihn für einen Bräutigam gehalten hatte. Ihrer Meinung nach waren sowieso die meisten gut aussenden Kerle entweder schwul oder verheiratet bzw. auf dem Weg zum Altar. Doch ein CB – Cousin der Braut – war etwas ganz anders. Wenn sie Interesse an ihm hätte… „Ich muss mich wohl entschuldigen.“, holte Frank sie aus ihren Gedanken. „Wofür?“ „Dafür, dass ich einfach in dein Studio gekommen bin. Ich hatte geklopft, aber du hast mich wohl nicht gehört. Die Musik war ja ziemlich laut. Deshalb bin ich auch einfach rein gekommen und hab…“ „… uns in diese komische Situation gebracht. Hey, kein Problem. Wohnst du in der Nähe?“ „Na ja, sagen wir wieder in Nash. Ich habe ziemlich lange in Oxford gelebt.“ „Oxford?“ „Ja, ich hab fünf Jahre an der University of Magical in Oxford unterrichtet und gleichzeitig meine Doktorarbeit zu Ende gebracht.“, bestätigte Frank. „Im Ernst?“ „Ja, es gibt ein paar Leute die unterrichten in Oxford, obwohl sie noch keine Doktorarbeit haben. Man kann es nur empfehlen. Die Studenten dort sind einfach die Besten der Besten.“ „Also bist du ein Professor?“ „Ja und nun unterrichte ich an der Newport-School.“ „Du bist zurückgekommen, um an der kleinen Privatschule zu unterrichten, auf der du selbst ziemlich lange unterrichtet wurdest? Das ist ja süß.“ „Ich hatte Heimweh und Hogwarts liegt mir einfach nicht. In Newport bin ich hauptsächlich für die oberen Jahrgänge zuständig. Es macht Spaß Teenager zu unterrichten.“ Roxanne konnte es sich nicht vorstellen. Für sie waren gerade die Teenager die Schlimmsten, die doch die ganze Zeit nur am aufmucken waren. Aber vielleicht deshalb war es interessant und machte Spaß. „Was unterrichtest du denn?“ „Zaubereigeschichte und Verwandlung.“ „Ach ja, Henry und die Koboldaufstände.“, lächelte Roxanne und hielt die Tür zum Haupthaus auf. „Du kannst mir jetzt meine Tasche zurück geben. Heute haben wir keine Feier, das heißt, die Hauptküche ist frei. Alice müsste da sein.“ Man merkte ihm an, dass es ihm nicht behagte seine kleine Schwester zu sehen. „Frank, ihr müsst die Vergangenheit langsam begraben. Ihr seid eine Familie!“, erinnerte Roxanne ihn, doch Frank nickte nur und ging in Richtung Küche. „Roxy, du bist schon wieder zu spät. Rose wird dich noch umbringen, wenn du ständig die Kunden warten lässt!“, bemerkte Alice, die in der Küche gerade vor einer gigantischen Torte stand und versuchte kleine Rosenblüten aufzusetzen. „Ich glaube, Roxy wird dieses Mal pünktlich sein.“, meinte Frank und Alice schoss einfach nur noch herum. „Frank?“ „Hallo, Alice.“ „Was machst du hier?“ „Shelly heiratet im Herbst und möchte, dass ihr ihre Hochzeit ausrichtet. Ich bin nur als Ersatz hier.“ „Du willst Shelly heiraten?“ „Was? Nein, warum unterstellt mir eigentlich jeder, dass ich meine Cousine heiraten will?“ „Vielleicht, weil du dich seit über zehn Jahren nicht mehr gemeldet hast!“, zischte Alice wütend. „Alice, es tut mir leid. Ich hätte nicht einfach verschwinden dürfen.“ „Genau, du warst mein großer Bruder!“ „Ich bin noch immer dein großer Bruder!“, erwiderte Frank. „Klar ein großer Bruder, der sich an die kleinere Cousine gehalten hat und ihr den Bruder vorgespielt hat.“ „Woher?“ „Glaubst du wirklich, dass ich in all den Jahren nicht nach dir gesucht habe?“ „Nein, ich kann nur sagen, dass ich Shelly nie ein Bruder sein wollte, sondern immer nur der große Cousin.“ Alice schnaufte nur auf. „Roxy meinte, dass ich hier warten könnte bis Shelly kommt.“ Man konnte deutlich hören, wie Alice tief einatmete und die Luft fast aus ihren Lungen feuerte. „Klar, nimm dir ruhig ein paar Plätzchen. Sie sind frisch. Nur stör mich nicht!“ „Klar.“, Frank nahm sich ein paar Plätzchen und schwang sich dann auf den Tresen. Während er an den Plätzchen knabberte, beobachtete er seine kleine Schwester. Bis vorhin hatte er gar nicht gewusst, wie sehr er sie vermisst hatte. „So, Frank. Shelly ist da!“, erschien Roxanne in der Küche. „Mhm. Wie ich sehe, hat dich Alice schon mit ein paar Plätzchen belohnt für deine Heldentat.“ „Was für eine Heldentat?“, fragte Alice und Frank seufzte auf. „Ich bin in Roxys Studio vor den Türbalken gelaufen. Es ist nichts. Ist nur wieder typisch für mich.“, erklärte er. „Das meinte ich zwar nicht, aber … Na ja, ich find es auf jeden Fall toll, dass du deiner kleinen Cousine hilfst und den Bräutigamersatz mimst.“ „Frank ist mit Shelly zur Besprechung gekommen?“, fragte Alice neugierig. „Ja, hat er dir das nicht erzählt?“ „Nein.“, kam es einstimmig von den Longbottom Geschwistern. „Oh, es ist noch immer die alte Sache, stimmt´s? Sie geht mich nichts an, also werde ich schweigen wie ein Grab.“, plapperte Roxanne und kam auf Frank zu. „Willst du jetzt hier sitzen bleiben und weiter Plätzchen essen?“ „Es hört sich sehr verlockend an, aber ich glaube dann verliere ich meinen Titel als heldenreicher Cousin.“, scherzte Frank und brachte beide Frauen zum Lächeln. Dann schwang er sich vom Tresen und schlenderte mit den Beiden zur Besprechung. Das würde Ärger geben. Rose würde mit Sicherheit gleich vorbeikommen und einen riesigen Aufstand machen. Aber Roxanne war es egal. Sie hatte einfach die Besprechung früher verlassen – immerhin war sowieso für sie nichts wichtiges mehr besprochen worden und in ihrem Studio überschlug sich die Arbeit. Da waren Telefonate zu führen, E-Mails zu beantworten und die Bilder, der letzten fünf Hochzeiten mussten bearbeitet werden. Roxanne hasste es, wenn so viele Bilder liegen blieben. Ein, zwei Hochzeiten – kein Problem, aber fünf? Das Telefon klingelte. Am liebsten würde Roxanne es einfach ignorieren. Sie war am Arbeiten! Doch ihr Geschäft stand noch immer am Anfang und sie konnte es nicht zulassen, dass Kunden fern blieben, weil sie zu faul war um ans Telefon zu gehen. „Hochzeitsagentur Fairytale, Roxys Fotostudio.“, meldete sie sich mit freundlicher Stimme und schwang ihren Zauberstab, um das Bild fertig zu bearbeiten. „Roxanne!“ Roxy schloss die Augen. Warum? Warum hatte sie wieder nicht auf das Display geguckt? Am liebsten würde sie sich mit einem Avada Kedavra selbst umbringen. „Mutter.“ „Du meldest dich nie bei mir.“ „Ich arbeite. Das habe ich dir bei unserem letzten Telefonat gesagt. Genauso gut, habe ich dir gesagt, dass du mich nicht auf mein Geschäftstelefon anrufen sollst, Mutter.“ „Du bist aber dran gegangen, oder? Das ist immerhin mehr als bei den letzten drei Versuchen.“ „Es tut mir leid!“ Einfach mitspielen, Roxy. Einfach mitspielen, dann geht es schneller vorbei. Roxanne hielt ihre Augen geschlossen und betete sich immer wieder die Sätze im Geiste vor. Wie sie es hasste, wenn ihre Mutter sie wieder ans Telefon bekommen hatte. Meistens erwischte sie sie sowieso bei der Arbeit und Angelina Johnson Weasley Bount Chersterfield … zu erklären, dass sie während ihrer Arbeit keine Zeit zum Plaudern hatte, war einfach zwecklos. „Wie war dein Silvester?“, fragte Roxy deshalb und hörte schon am Luftholen ihrer Mutter, dass jetzt wieder ein Donnerwetter drohte. Na toll! „Ich habe die Scheidung von Martin eingereicht, was ich dir längst erzählt hätte, wenn du die Güte gehabt hättest, ans Telefon zu gehen. Es war eine furchtbare Nacht. Furchtbar, Roxy!“ Nun bekam ihre Stimme auch noch diesen weinerlichen Klang. „Ich war tagelang am Boden zerstört.“ Martin, Martin… Wer zum Kuckuck war noch mal Martin? Ehemann Nummer 4 oder schon 5? Roxanne war sich nicht einmal sicher, ob sie noch das richtige Bild von dem neuen Exmann ihrer Mutter im Kopf hatte. War er blond gewesen? „Das tut mir leid. Trennungen an Feiertagen sind hart. Aber sieh es doch mal anders: So kannst du das neue Jahr ganz frisch anfangen.“ „Wie bitte?“, schrie Angelina durch das Telefon und Roxy wurde wieder einmal bewusst, dass sie einfach nicht die perfekte Tochter für ihre Mutter war. Wieder was Falsches gesagt. "Du weißt doch, wie sehr ich Martin geliebt habe! Ich bin fünfzig Jahre alt, allein und vollkommen fertig.“ Fünfundfünfzig, aber was machten schon fünf Jahre unter Mutter und Tochter? Kopfschmerzen meldeten sich bereits bei Roxanne und sie rieb sich die Stelle. „Du hast ihn verlassen, oder?“ „Was macht das für einen Unterschied? Es ist aus. Es ist aus und ich war so verrückt nach ihm. Nun bin ich wieder alleine. Wir haben uns fürchterlich gestritten und Martin hat mich fürchterlich beleidigt. Er meint, ich sei egoistisch. Und zu sentimental und … ach, und noch ganz gemeine Sachen. Früher hat man mir ständig nachgesagt, ich hätte kein Herz. Quidditch würde mir mehr bedeuten als alles andere. Was blieb mir also anders übrig als Schluss zu machen? Er war nicht der, für den ich ihn gehalten habe.“ Uuu, der zukünftige Exmann ihrer Mutter hatten den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Roxanne konnte nur Respekt für ihn empfinden. „Hm. Hast du schon gehört, dass Fred das neue Ferienhaus des Ministers konstruiert hat?“ Roxanne wollte eigentlich nur vom Thema ablenken. „Ja, hab ich. Anstatt diesem Sesselfurzer in den Hintern zu kriechen sollte dein Bruder mal ein schönes Haus für mich bauen. Vielleicht an der Cote da Azur. Ich hab ihn gestern übrigens angerufen. Weißt du, was er gemacht hat? Er meinte, dass es mir Recht geschehe und ich endlich mal erwachsen werden sollte. Mein eigener Sohn!“ In Gedanken bejubelte Roxanne ihren Bruder. Sie wünschte, sie wäre genauso cool wie er in der Hinsicht. Warum hatte sie nicht etwas davon erben können? „Und dann hat er doch tatsächlich einfach aufgelegt. Meinte, er hätte jetzt einen wichtigen Termin. Was kann bitte schön wichtiger sein, als das Wohlergehen seiner Mutter? Ich könnte am gebrochenen Herzen sterben und er würde nicht einmal mit der Wimper zucken.“, jammerte Angelina weiter. „Mutter, Fred hat im Moment sehr viele Termine, da er mehrere Aufträge hat. Vielleicht wird Milton…“ „Martin.“ „Vielleicht entschuldigt er sich ja. Dann…“ „Es ist aus. Es gibt kein Zurück. Einen Mann, der sich mir so schäbig gegenüber verhalten hat, dem kann ich nicht verzeihen. Da war sogar dein Vater noch ein Juwel gegen, obwohl er sich mehr für seinen Laden als um mich gekümmert hat. Nein, ich muss darüber hinwegkommen. So schnell wie möglich. Ich brauche Zeit für mich, Ruhe, einen Ort, an dem ich mich von dieser schrecklichen Situation entgiften kann. Ich habe eine Woche in einem Spa an der Cote da Azur gebucht. Das ist jetzt genau das, was ich brauche. Abstand, viel Sonne, keine Erinnerungen, kein Schmerz. Ich brauche dreitausend Galeonen von dir.“ „Drei… Mutter, du kannst nicht von mir verlangen, dass dir einfach mal so drei Mille gebe, weil du eine Gesichtsbehandlung in Frankreich brauchst um über Marvin hinwegzukommen.“ „Martin, verdammt. Und es ist das Mindeste, was du für mich tun kannst. Was wenn ich eine heilerische Behandlung bräuchte? Würdest du dann genauso kniepig mit dem Geld sein und mich verrecken lassen? Ich muss nach Frankreich. Es ist schon gebucht.“ „Hat dir Grandma nicht letzten Monat erst Geld überwiesen?“ „Ich hatte Ausgaben und außerdem stand Weihnachten vor der Tür. Woher sollte ich denn wissen, dass sich der Kerl in ein Ungeheuer verwandelt, nachdem ich ihm eine limitierte Youdle-Uhr geschenkt habe.“ Angelina begann zu weinen. „Du solltest sie von ihm zurück verlangen oder…“ „Roxanne, so stillos würde ich nie sein. Ich will weder ihn, noch die Uhr zurück. Ich will nur hier weg.“ Ich, ich, ich. Angelinas Exmann hatte so Recht mit dem egoistisch sein. Roxanne konnte bereits nicht mehr. Jedes Mal, wenn ihre Mutter anrief, wollte sie etwas von ihr. Das letzte Mal hatte sie Mitte Dezember angerufen. Das war doch noch nicht einmal einen ganzen Monat her! „Schön. Dann fahr irgendwohin, wo du es dir leisten kannst.“ „Ich brauche das Spa. Natürlich bin ich nach den Feiertagen völlig blank und ich brauche deine Hilfe. Dein Geschäft läuft gut, wie du es mir jedes Mal unter die Nase reiben musst. Ich brauche dreitausend Galeonen, Roxanne.“ „So wie du im Frühjahr die zweitausend gebraucht hast, um mit El nach New York zu fliegen? Und im Sommer dann die viertausend, damit du nach Buenos Aires in die Ferien konntest? Und…“ Angelina brach erneut in Tränen aus und Roxanne knallte ihren Kopf auf die Tischplatte. Nein, nein, nein. Das konnte doch nur wieder ein Albtraum sein. „Du willst mir nicht helfen? Du willst deiner eigenen Mutter nicht helfen? Du würdest einfach wegschauen, wenn man mich auf die Straße setzten würde. Oder gar dabei zusehen, wie ich verrecke, während eine einzige heilerische Behandlung mich wieder ganz heilen könnte. Wie kannst du nur so egoistisch sein?“ „Ich überweise dir morgen das Geld. Gute Reise.“, murmelte Roxy und legte auf. Dann stand sie auf und verschwand in ihrer Küche, wo sie eine Flasche Feuerwhiskey fand. Auf das Telefonat musste sie jetzt erst einmal etwas trinken. Frank konnte nicht mehr. In seinem Kopf schwirrte nur noch Dekoration, Frisuren, Rose, Gästelisten und Tüll. Selbst die Kekse und der Kaffee waren nicht gut gewesen. Also nicht, dass sie nicht geschmeckt hätten – die Kekse waren ein Gaumenschmaus – nein, sie hatten ihn nur aufgedrehter gemacht, als er es so schon war. Normalerweise wäre er jetzt einfach nach Hause appariert, aber frische Luft würde ihm jetzt gut tun. Vielleicht hätte er es aber nicht unter den Frauen erwähnen sollen, denn nun hatte er gleich einen Karton in die Hand gedrückt bekommen, den er bei Roxanne abgeben sollte. Während er über das Grundstück stiefelte, fiel bereits wieder Schnee. Er sollte nach Hause. Er musste noch eine Stunde vorbereiten und einen unangekündigten Test für diese Woche ausarbeiten. Er sehnte sich nach seinen Büchern und nach Stille. Dieser Nachmittag voller Östrogen, Zucker und Koffein hatten ihn ausgelaugt. Außerdem meldete sich sein Kopf wieder! Als Frank näher an das Studio kam, bemerkte er, dass dort kein Licht brannte. Er sollte den Karton einfach vor die Tür stellen und gehen. Sie machte sicherlich ein Nickerchen. Oder aber sie lief wieder halbnackt herum. Augenblicklich hellte sich Franks Stimmung auf. Das Päckchen war doch die perfekte Ausrede, um Roxy noch einmal zu sehen – und die geheime Schwäche neu zu entdecken, die er mit siebzehn für sie gehabt hatte. Also klopfte er und schob das Päckchen in eine bequemere Position. Als Roxanne ihm öffnete – sie war komplett angezogen, fühle er gleichzeitig Erleichterung und Enttäuschung. Er war so verwirrt, dass er erst im nächsten Moment erkannte, dass die ein Whiskeyglas in der Hand hielt und sich mit der anderen abstützte. „Äh, Rose hat mich gebeten, dir das hier vorbeizubringen. Ich wollte also nur…“ „Sehr schön. Komm rein.“ „Aber ich wollte nur…“ „Trink ein Glas Feuerwhiskey mit mir!“ „Ich trinke nicht, daher…“, sprach Frank eher zu sich selbst, denn Roxy marschierte bereits zurück in ihre Wohnung. Frank sah ihr hinterher und wieder einmal bewunderte er sie für ihren grazilen Gang. „Ich trinke auch einen, wie du siehst!“, sprach Roxy und ließ bereits ein weiteres Glas herüber schweben. Großzügig schenkte sie ihm ein und hielt ihm dann das Glas hin. „Du willst mich doch nicht alleine trinken lassen, oder?“ Es wäre unhöflich, jetzt nicht das Glas zu nehmen. Aber andererseits war Roxy auch schon gut gefüllt, sodass sie sich nicht daran erinnern musste. „Mir scheint, dass du das auch ganz gut ohne mich kannst.“ „Ach komm schon. Sei kein Schlappschwanz. Ich habe doch erst zwei. Nein, drei. Ich glaube, ich hatte erst drei. Die kannst du doch wohl locker aufholen!“ „Hm, na dann.“ Frank nahm das Glas, doch gleichzeitig schaltete er das Licht an. Er hörte an ihrer Stimme, die schon nicht mehr ganz klar war, dass unter dem Alkohol viel aufgestaute Wut und Ärger der Grund für diese Aktion war. Er war ja nicht ohne Grund Lehrer und seine Teenager fanden Komasaufen im Moment total cool. „Weißt du, dass du vorhin sehr nett zu deiner Cousine warst? Früher warst du auch immer so lieb zu Alice. Ich beobachte und merke mir sehr viel. Deine ganze Familie war immer sehr nett. Manche Familien sind halt nett und andere sind ätzend. Meine zum Beispiel ist ätzend.“ „Aha!“ „Weißt du auch warum? Kann ich dir sagen. Du hast eine Schwester, oder?“ „Ja, Alice und noch drei Cousinen. Eine davon ist älter als ich, der Rest alles jünger.“ „Stimmt ja, Alice. Deine Cousine habe ich glaube ich, nie kennen gelernt, oder? Aber egal. Sieh mich an. Ich hab einen älteren Bruder und so viele Cousinen und Cousins, dass wir kaum in ein Zimmer passen. Dazu noch die ganzen Stiefgeschwister, die mir meine Mutter angelacht hat. Da verliert man schon manchmal den Überblick.“ Roxanne trank einen großen Schluck Whiskey. „Ich wette, dass du zu Weihnachten eine ganz großen Familienfeier hattest, was?“ „Ja, obwohl mit Alice wäre es noch besser gewesen…“ „Weißt du, was ich gemacht habe?“ Okay, jetzt kapierte auch Frank endlich, was hier abging. Das war kein Gespräch. Er war nur ein Resonanzkörper. „Nein.“ „Dad hat eine Art Weihnachten versucht. Alle schön bei Grandma Weasley um den Baum und so. Keine Frage, es ist schön. Nur dass sich Grandma und er immer in die Haare kriegen wegen Mutter. Irgendwas finden die beiden immer, was auf sie führt. Da ist doch wohl jede Harmonie weg!“ Roxanne trank einen weiteren Schluck. Frank zählte mit, dass musste dann wohl ihr fünfter Whiskey sein. „Wo war ich?“ „Bei Weihnachten.“ „Ach so ja. Während Dad versucht uns ein normales Weihnachten zu bieten, was macht da unsere Mutter? Sie reißt kurz vorher nach St. Moritz mit ihrem neuen Mann, der jetzt übrigens schon wieder Exmann ist. Aber natürlich muss ich sie zu Weihnachten besuchen. Den Anstandsbesuch mache ich immer am 23. schon, damit ich es hinter mir habe. Da gab es keine Weihnachtsgans oder Singen am Klavier. Nein, bei meiner Mutter doch nicht. Sie treibt eher jemanden zum Trinken. Siehst du?“ Schon wieder wollte Roxanne sich ein Glas gönnen, doch kurzerhand nahm Frank ihr die Falsche ab. „Ja, ich sehe es. Lass uns Spazieren gehen.“ „Was? Warum?“ „Warum nicht? Es fängt an zu schneien und ich gehe gerne durch den Schnee. Ah hier ist dein Mantel!“ stellte Frank fest, während er Roxy unauffällig durch ihre Wohnung zog. Als er ihr in den Mantel half, beteuerte Roxanne ihm, dass sie nicht betrunken war. Draußen versuchte Frank ein eher ungefährliches Thema anzuschneiden. Das Wetter! Das war immer ein Thema, dass nichts verderben konnte. Doch Frank musste lügen. Normalerweise hasste er Schnee und den kompletten Winter. Dann war die Wahrscheinlichkeit, dass er hinfiel einfach noch größer, als es so schon immer der Fall war. Aber es half, Roxanne ein bisschen abzulenken. „Du versucht vom Thema abzulenken!“, bemerkte sie jedoch nach einer halben Stunde. „Was war denn das Thema?“ „Meine erbärmliche Familie! Wo war ich stehen geblieben?“ „Ich glaube, bei Weihnachten und wie es deine Mutter schafft, dich zum Trinken zu kriegen.“ „Ja, genau. Das schafft sie immer, so wie heute auch. Sie hat die Scheidung eingereicht von Ehemann Nummer 5 oder 6. Ich kann es dir leider nicht sagen, da sie Heiraten zu einer Art Hobby gemacht hat. Eigentlich sollte man sowieso bei ihr eher sagen, dass sie Schluss gemacht hat, da sie in der Hinsicht wie ein Teenager ist. Also großes Drama und jetzt muss sie in ein Spa fahren, damit sie sich von den Qualen und Strapazen erholen kann. Was ja wohl völliger Blödsinn ist, aber sie glaubt nun mal daran. Und da sie nicht in der Lage ist, zehn Galeonen in der Tasche zu behalten, soll ich das ganze bezahlen. Dreitausend Galeonen!“ „Du sollst deiner Mutter dreitausend Galeonen geben, weil sie die Scheidung eingereicht hat und jetzt in eine Wellnesshotel fahren will?“ „Wenn sie eine OP bräuchte, würde ich sie dann krepieren lassen?“ Roxanne versuchte ihm die Angriffstaktik ihrer Mutter zu beweisen und wirbelte dabei sehr lebendig mit ihren Armen herum. „Obwohl, dieses Argument war glaube ich nur an zweiter Stelle. Es war dieses Mal auf der Straße sitzen und vergammeln. Aber egal, ich soll ihr das also bezahlen. ´tschuldigung, ich korrigiere mich, ich werde es bezahlen, da sie mir solange die Ohren voll gejammert hat, bis ich ja gesagt habe. Und deshalb der Feuerwhiskey. Es ekelt mich selbst an, dass ich immer wieder nachgebe.“ „Es geht mich ja nichts an, aber sollte sie dich nicht in Ruhe lassen, wenn du einfach immer Nein sagst?“ „Ich weiß!“, murrte Roxanne und schlug ihm vor die Brust. „Ich bin auch immer stark am Anfang, aber dann geht sie mir so auf die Nerven, dass ich sie einfach los werden will und deshalb gebe ich nach. Am besten wäre es, wenn sie im Spa irgendeinen Milliardär kennen lernt und ihn dazu bringt, sie zu heiraten. Dann ziehen die beiden so weit weg wie nur möglich. Südpol, Buenos Aires, Tokio, egal wohin. Hauptsache weit, weit weg!“ Roxanne seufzte und hob dann den Kopf. Der Schnee hatte zugenommen und fiel ihr nun aufs Gesicht. Aber es war friedlich, dieses Schneetreiben. Es strahlte eine Ruhe aus. Roxanne musste zugeben, dass ein Spaziergang im Schnee besser war, als sich zu betrinken. „Du bist ein Retter, weißt du das?“ „Wie meinst du das?“ „Na ja, ich wette, dass du jedem Menschen die Tür auf hältst, wenn er beide Hände voll hat, obwohl du es eilig hast. Und du hörst dir die privaten Probleme deiner Schüler an, sei es Sex, Problem mit den Eltern oder Mitschülern.“ Sie hob den Kopf zu ihm empor. „Und du gehst mit angetrunkenen Frauen im Schnee spazieren.“ „Es schien mir das Richtige zu sein.“ „Ich wette, du hast die Nase voll von Frauen.“ „Meinst du grundsätzlich oder nur im Augenblick?“, fragte Frank lächelnd. „Ich wette, du bist ein ganz, ganz lieber Kerl.“ Er wollte seufzen. Genau das war es doch, was ihn am meisten an sich selbst ärgerte. „Das hat man mir schon des Öfteren gesagt.“ Schweigend gingen die Beiden zurück zu Roxannes Studio. Dabei erzählte Roxanne ihm, wo Dome und die anderen Beiden aus dem Quartett wohnten. „Ihr seid schon lange befreundet.“ „Schon ewig. Zuerst waren wir ja nur zu dritt, doch dann kam auch Alice dazu und machte uns als Quartett komplett.“ „Das ist deine Familie, oder? Die drei und Fred. Eine, die auch nicht ätzend ist.“ Roxanne lachte kurz auf. „Du bist ja ein ganz Schlauer. Oh sieh mal, eine kleine Eulenfamilie!“ „Ja zu dieser Jahreszeit sieht man sie öfter. Obwohl so ungewöhnlich sind sie ja nicht für uns.“ „Weißt du eigentlich, dass du einer Eule den Anblick meiner Brüste verdankst?“ „Verzeih… Was?“ „Es ist eine gegen mein Küchenfenster geflogen und da habe ich mich mit meinem Essen bekleckert. Und…“ „Du musstest dich umziehen. Okay, soweit komm ich dann auch wieder mit.“ „Mrs. Clarks hat dich früher schon immer für sehr clever gehalten. Bin schon gespannt, was sie zu dir sagt, wenn sie wieder da ist.“, murmelte Roxanne jedoch laut genug, dass Frank sie verstehen konnte. „Mrs. Clarks? Etwa die Mrs. Clarks? Ist sie noch immer hier?“ „Ja, sie hält den Laden eigentlich zusammen. Besser gesagt, sie passt noch immer auf uns auf und versorgt uns mit Leckereien. Aber sie ist im Moment im Urlaub. Sie fährt jedes Jahr pünktlich am ersten Advent nach Hause und kommt dann am 1. April wieder. Vorher hat sie aber immer unsere Eisschränke voll gekocht. Also wenn ein Schneesturm kommt oder gar Lord Voldemort zurück kommt… wir sind gewappnet.“, erzählte Roxanne und blieb vor ihrer Tür stehen. Eine Weile standen sie einfach nur da. Der Schnee fiel auf sie drauf und bildete schon eine kleine Schicht auf ihren Haaren und Schultern. Doch Roxanne und Frank sahen sich einfach nur an. Erst ein Eulenschrei riss Frank aus seiner Starre. „Ja, nun, ähm… Ich muss dann jetzt mal. Immerhin ist morgen… Schule.“ „Schule.“, wiederholte Roxanne und wollte sich verabschieden, indem sie ihm einen freundschaftlichen kurzen Schmatzer auf die Lippen gab. Doch sie setzte bei Frank mit dieser Geste einfach alles aus. Ohne irgendwelche Hintergedanken, ergriff er sie an den Schultern und presste sich an sie, drängte sie gegen die Haustür und eroberte ihren Mund. Was er sich mit siebzehn nur vorgestellt hatte, wurde nun Wirklichkeit. Es war als wäre ein Sturm in ihm erwacht. Ihr Stöhnen war wie Donnerhall in seinem Kopf. Ihre Lippen, ihr Gesicht, ihr ganzer Körper. Es fühlte sich einfach perfekt an. Als sie sich an ihn krallte, wurde ihm jedoch schlagartig klar, was gerade passierte. Er ruckte zurück und wäre mit dem vielen Schwung beinahe in den Schnee gestürzt. Roxanne bewegte sich keinen Zentimeter, sie starrte ihn einfach nur an. O Merlin, hilf. Er hatte den Verstand verloren. Was war nur in ihn gefahren. Er hatte sie geküsst! Einfach an sich gerissen, ohne zu Fragen. „Tut mir leid!“, stieß er hervor. „Tut mir leid, das war nicht… Es tut mir leid!“, stammelte er weiter, und als sie nichts sagte, dachte er nur noch eins. Flucht! Er apparierte und bekam so nicht mehr mit, wie sich Roxanne mit den Fingern an die Lippen berührte und leicht lächelte. Das Lächeln blieb auch noch als sie die Tür aufschloss und ihre Wohnung betrat, sich auszog und ins Bett ging. Das kleine Lächeln blieb sogar noch im Schlaf. Es ist die wichtigste Kunst des Lehrers, die Freude am Schaffen und Erkennen zu erwecken. Albert Einstein Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)