My Name is Legion von Felicity (Mein Name ist Legion, denn wir sind viele) ================================================================================ Kapitel 1: For we are many -------------------------- Als er seine Augen zum ersten Mal seit fast einer Woche öffnete, begrüßte ihn in erster Linie Schatten, nur durchbrochen von dem schwachen Licht des beinah vollkommen hinter Wolken verborgenen Mondes. Die meisten anderen Menschen an seiner Stelle wären vermutlich nach einer Zeit der völligen Dunkelheit selbst darüber froh gewesen, auch wenn sie gleichzeitig ein wenig enttäuscht wären, nicht mehr zu sehen. Er aber reagierte nicht. Er nahm es einfach hin und hob nur unendlich langsam den Kopf, als wollte er die Sterne betrachten. Dann, ruckartig zuckte sein Blick wieder nach unten, wurde intensiver und huschte in Windeseile über alles, was in seiner Reichweite lag. Und ein sehr zufriedenes, fieses Schmunzeln breitete sich auf Sasukes Zügen aus, als er merkte, wie unwiderruflich gestochen scharf seine Welt erneut geworden war. Jetzt konnte dieser Narr kommen, der meinte, er könnte ihn noch bekehren, ihn aufhalten. Pah, Sasuke würde ihm zeigen, dass er sich von niemandem aufhalten ließ. Er würde ihm die wahre Macht seiner Familie demonstrieren und Naruto wie einen Pfahl mit Gewalt in den Boden stampfen. Er würde ihn mit den schlimmsten Horrorvorstellungen quälen, ihm Bilder all jener zeigen, die ihm wichtig waren und sie auf die grausamste, qualvollste Weise umbringen. Er würde ihn brennen lassen, in den tosenden, schmerzhaften Flammen seines Höllenfeuers und sie erst im letzten Moment löschen, um ihn ja leiden zu sehen. Und dann, am Ende, würde er ihm seine mächtigste Waffe offenbaren und ihm einen Pfeil direkt ins Herz jagen, auf dass er niemals wieder auch nur auf die Idee kommen würde an etwas „Gutes“ zu glauben, das es nie gegeben hatte. Er würde Naruto zeigen, dass man sich einem Sasuke Uchiha niemals in den Weg stellen sollte! Und wenn der nervige Idiot endlich weg war, würde nichts mehr seinem eigentlichen Ziel im Weg stehen. Niemand würde ihn mehr aufhalten können, niemand würde auch nur zwei Sekunden stehen bleiben können, wenn er seine Kräfte auf das Dorf entfesselte, das er einmal als Heimat angesehen hatte und das ihn heute nur noch wütend machte. Er war auf der Suche nach Macht gegangen und zurückkehren würde er als der lebende Beweise dafür, dass er Recht gehabt hatte. Sie würden den Fehler ihn zu unterschätzen kein zweites Mal machen! „Sag mal, hast du denn wirklich gar nichts verstanden?!“ Sasuke blinzelte argwöhnisch und seine Augen huschten in Windeseile hin und her auf der Suche nach dem Ursprung der Stimme. Sie kam ihm mehr als nur bekannt vor und automatisch verschlechterte sich seine Laune, als er auch nur daran dachte. Ihr Besitzer konnte nicht hier sein, er konnte nicht mehr sprechen, also war es jemand, der die Stimme (zugegebenerweise schon fast zu perfekt) nachahmte und damit sein Andenken in den Dreck zog. Sasuke fletschte die Zähne. Dafür würde Blut fließen. „Du Idiot! Ich bin echt!“ Wer wagte es? Wer konnte es wagen mit einer solchen Imitation auch nur in seine Nähe zu begeben?! Seine Iriden färbten sich gefährlich rötlich, als er sich – diesmal deutlich hektischer – erneut umsah und wieder nichts fand. „Komm raus!“, zischte er leise und spitzte die Ohren. Er hörte einen Atemzug, direkt hinter sich, aber weder Schritte, noch das knirschen von Gewicht auf dem Boden. Doch Sasuke kümmerte sich nicht darum, drehte sich in einer ruckartigen Bewegung halb um seine eigene Achse, zog noch dabei ein Kunai, holte zum Schlag aus und… erstarrte. Zetsu hatte sich angesichts der Attacke keinen Millimeter vom Fleck bewegt und sah ihn auch jetzt nur ruhig an, während Sasuke sich langsam fing und den Arm wieder sinken ließ. „Das ist wiedermal typisch, erst denken, dann handeln, Sasuke, nicht umgekehrt!!“ „Halt. Die. Klappe.“ Die Worte waren unendlich leise, absolut unhörbar und doch antwortete die Stimme mit einem ironischen Lachen. „Das werde ich bestimmt nicht, wenn du dabei bist alles zu zerstören, was ich aufbauen und erhalten wollte.“ Sasukes Gesicht verzog sich zu einer nur noch wütenderen Grimasse und sein Blick bohrte sich in Zetsus Augen, als wäre dieser an allem schuld. Er konnte noch immer nicht genau sagen, woher die Stimme eigentlich kam, aber seine Ninjainstinkte sagten ihm, dass außer ihm und der halben Pflanze vor sich, niemand hier war. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Zetsu gerade und schien noch immer reichlich unbewegt. Zu unbewegt für Sasukes Geschmack, insbesondere, wenn er bedachte, dass genau dieser Blick normalerweise eine deutlich andere Wirkung auf sein Gegenüber hatte. Zetsu war als Zielobjekt für Wut einfach unbrauchbar, er reagierte wenig bis gar nicht darauf. „Ja.“, erwiderte Sasuke kurz angebunden, „Hör sofort auf damit oder ich bring dich auf der Stelle um!“ Ein Seufzen erklang in seinem Kopf. „Nicht das schon wieder. Er ist nicht ich, ich bin ich! Und könntest du bitte endlich mal aufhören zu glauben, dass man alle Probleme aus der Welt schaffen kann, wenn man nur genug Leute umbringt?!“ „Womit soll ich aufhören?“, fragte Zetsu argwöhnisch und langsam aber sicher kostete es Sasuke einiges an Anstrengung ihm nicht augenblicklich ordentlich eine reinzuhauen. „Damit. Findest es lustig?“, knurrte er zorning, doch Zetsu zuckte nur ratlos die Schultern und versank daraufhin wortwörtlich im Boden. Sasuke blieb noch immer reichlich sauer alleine zurück und starrte einen Moment lang auf den Fleck, an dem der andere eben gestanden hatte. Dann wand er sich langsam wieder in Richtung des Nachthimmels um. „Hör auf damit, Sasuke. Hör auf damit, ehe es zu spät ist.“ „Argh! Halt den Mund!“ Wütend schleuderte er das Kunai, das er noch immer in der Hand gehalten hatte, mit aller Kraft von sich. Leider fühlte er sich kein bisschen erleichtert, als das Messer mit einem lauten Klirren in den weichen Fels getrieben wurde und dort stecken blieb. Sasuke ballte wütend die Fäuste, ehe eine seiner Hände in seine Haare fuhr und fest zupackte. „Sei still, sei einfach still! Was willst du von mir?!“ „Dass du mir zuhörst.“ Sasuke zog leicht an seiner schwarzen Mähne und funkelte den dunklen Himmel an. „Ganz sicher nicht!“, zischte er leise und wand sich entnervt ab, um wieder hinein ins höhlenartige Gewölbe des Unterschlupfs zu gehen. „Du wirst mir schon noch zuhören.“ Sasuke tat sein Möglichstes die nervige Stimme und vor allem ihren Klang und Tonfall zu ignorieren, während er zunehmend gereizt ins nächste Zimmer stapfte. Weiter kam er nicht, denn dort wurde er bereits erwartet. „Und? Wie gefällt dir die neue Weltsicht, Sasuke?“ Sasuke blieb stehen und funkelte nun sein Gegenüber an, doch an den beiden kalten, gefühllosen Augen prallte sein Hass und Zorn schlichtweg ab. Madara hatte zu oft jemanden wütend gesehen und war zu oft angeschrieen worden, um sich noch von seinem jungen Nachfahren aus der Ruhe bringen zu lassen. „Ich werde den Eindruck nicht los, dass dich etwas stört?“ „Hör ihm nicht zu, egal, was er sagt, er kann nur lügen, glaub ihm kein Wort, hörst du?“ Sasuke atmete einmal tief durch, ehe er möglichst gefasst antworten wollte. Dennoch gab seine Stimme nur zu sehr preis, was er eigentlich verbergen wollte. Sie klang zu gepresst, zu sehr beherrscht. „Was hast du mir noch verabreicht? Halluzinogene? Psychopharmaka?!“ Madara stutzte einen Augenblick und sah ihn verständnislos an, dann mit einem Mal trat ein verstehendes Funkeln in seinen Augen und er stand ruckartig auf. „Das ging schneller als erwartet.“ „Was?!“, brach es aus Sasuke heraus, „Dann hast du wirklich…!“ Er wollte sich auf den Älteren stürzen, doch der Angriff ging direkt hindurch. „Das ist sinnlos, wie du sehr wohl weißt, du Narr.“ „Ganz ruhig, Sasuke.“, meinte Madara und schien seiner Stimme nach nicht im Mindesten überrascht oder beunruhigt. „Ich habe dir nichts verabreicht. Ich habe nur deinen Wunsch befolgt.“ Sasuke blieb knurrend mit dem Rücken zu ihm stehen. „Meinen Wunsch befolgt?! Ich habe mir nie gewünscht…!“ „Seine Stimme noch mal zu hören?“, vollendete Madara den Satz für ihn und klang amüsiert, „Doch, das hast du, da bin ich mir sehr sicher. Aber das lag außerhalb meiner Macht. Was ich getan habe, ist lediglich dir seine Augen gegeben.“ Es folgte ein Moment der Stille, in der Sasuke sich nun doch langsam umdrehte und seinen Urahn kühl musterte. Er verstand es nicht. Er verstand nicht, warum ihm der Ältere etwas vormachen wollte, was er ihm vormachen wollte, was das alles sollte. Er hasste es, etwas nicht zu verstehen, nicht überblicken zu können. „Sasuke, unsere Augen zeichnen unseren Clan aus. Unsere Seele liegt in unseren Augen, ist dir der Gedanke nie gekommen?“ Madaras Gesicht war wie immer hinter seiner Maske verborgen und gab nichts preis, aber seine Stimme verriet das amüsierte, schiefe Grinsen, das er gerade tragen musste. „Sie geben uns Macht, die Versuchung des Wahnsinns und eine Kraft, die Göttern vorbehalten sein sollte. Aber sie bewahren auch, was wir sind. Was du hörst, ist wirklich er.“ „Sasuke?!“ „Aber…“ Madara lachte kurz und humorlos auf. Wahrscheinlich konnte er gar nicht mehr wirklich lachen und hatte es auch schon lange nicht mehr versucht, denn den meisten Menschen wäre bei dem Klang wohl ein kalter Schauder über den Rücken gelaufen, doch Sasuke war zu abgelenkt. „Frag ihn etwas, Sasuke, irgendetwas, das nur er wissen kann, er wird es wissen. Es geht gar nicht anders.“ Sasuke schüttelte nur den Kopf. Noch nicht bereit in Worten zu formulieren, was er gerade dachte. „Aber dann, du…?“ „Ja, auch ich höre ihn. Ihn und all die anderen, deren Augen ich über die Jahre ausprobiert habe. Sie alle haben andere Stärken und Schwächen, weißt du, aber letzten Endes bin ich doch immer bei ihm geblieben.“ Sasuke meinte ein wahnsinniges Glitzern in den ungleichen Augen seines Gegenübers zu sehen und musste den Drang niederkämpfen einen Schritt oder gleich mehrere vor ihm zurückzuweichen. „Wie bringst du sie zum Schweigen?!“ Madara schüttelte langsam und bedächtig den Kopf, ehe er unendlich ruhig antwortete: „Gar nicht. Es gibt keinen Weg. Und sie schreien. Sie schreien die ganze Zeit über, aber es ist sinnlos und das wissen sie auch.“ Sasuke zuckte ungewollt zusammen, starrte den wahnsinnigen, geisteskranken Mann, dem er beinahe angefangen hatte zu vertrauen und zu glauben noch eine Sekunde lang an, dann rannte er aus dem Zimmer wieder zurück nach draußen in die kalte Nachtluft und einfach immer weiter. Er musste sich austoben, erschöpfen, er durfte, wollte, konnte einfach nicht darüber nachdenken, was er gerade gehört hatte! Es war nicht real, konnte nicht real sein, es würde alles zerstören, einfach alles!!! „Es tut mir leid, aber dieses eine Mal hat er die Wahrheit gesagt…“ „Nein, nein, nein!“, das letzte Wort schließlich schrie er hinaus und blieb irgendwo mitten im nirgendwo einfach stehen. „Nein, du bist nicht echt.“ „Doch, dummer, kleiner Bruder, ich bin echt. Du hattest so oft die Möglichkeit umzukehren, warum musstest du den Weg des Wahnsinns einschlagen…?“ Sasuke antwortete nicht. Er schloss nur die Augen, sank auf die Knie hinab und versuchte erfolglos die Tränen von Wut und Schmerz wegzublinzeln. Doch leider lässt sich nicht alles einfach nur verdrängen. „Sasuke… es tut mir leid.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)