Scream in the sphere of destiny von Ceydrael (Wage den Schritt hinaus) ================================================================================ Kapitel 7: Regen ---------------- Der nächste Tag begann sonnig und überraschend warm, selbst für einen Spätsommertag. Es war fast, als würde drohendes Unheil in der Luft liegen, die bekannte Ruhe vor dem Sturm. Doch ich schenke dem Wetter an diesem Morgen eher weniger Beachtung. Um nicht zu sagen, war es mir völlig egal. Ich verbrachte eine geschlagene Stunde im Badezimmer, um mich für den Tag herzurichten. Sonst benötigte ich dafür geschätzte 5 Minuten. Susan stand schon ungeduldig wartend vor der Tür und sah mich mehr als verwundert an, als sie endlich IHR Reich für sich einnehmen durfte. Hey, auch Männer sind eitel. Und an diesem Tag war ich das ganz besonders. Lisa sah mich mit hoch gezogener Braue und einem Schmunzeln an, als ich die Küche betrat. Colin klammerte sich sogleich an mein Bein. »Oh, wichtiger Klient heute oder ein Staatsempfang?« fragte meine Frau mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. »Hm. Hohes Tier im Bankgeschäft.« Sofort meldete sich das schlechte Gewissen. Ach Alan, sag ihr doch, dass du dich für einen Schüler so zum Affen machst. Sie wird es bestimmt verstehen. Langsam entwickelte ich wirklich Mordlust für die Stimme in meinem Kopf, die wohl mein Gewissen sein sollte. Lisa trat zu mir und richtete meine Krawatte. Dann drückte sie mir einen zarten Kuss auf die Lippen. »Du siehst klasse aus. Zum vernaschen.« Sie kicherte wie ein Schulmädchen und ließ den Blick an mir herab wandern. Ich hob Colin auf den Arm. »Na, nicht vor dem Kleinen. Der könnte ein Trauma für sein späteres Leben bekommen.« meinte ich grinsend. Lisa zog einen gespielten Schmollmund, nahm mir dann aber lachend unseren Sohn ab. Irgendwie war ich in jenem Moment sehr froh, dass Colin da war. Es war nicht so, dass ich meine Frau nicht attraktiv fand oder sie weniger mochte, aber die Vorstellung von Sex mit ihr rief im Moment keine Explosionen in mir hervor. Ob das bedenklich war? Ich verabschiedete mich gewohnt herzlich nach dem Frühstück von allen dreien und fuhr mit recht guter Laune ins Büro. Es war befreiend, einmal nicht von Gedanken erdrückt zu werden. Der einzige Gedanke, der hartnäckig in meinem Kopf kreiste und den ich dort auch liebend gern gewähren ließ, war die Vorstellung des Treffens mit dem jungen Japaner heute. Die Zeit wollte gar nicht vergehen. Immer wieder musste ich meinen Blick von der Uhr zurück auf meine Kunden zwingen und mich mühsam auf deren Anliegen konzentrieren. Oh man, Alan, was erhoffst du dir denn von diesem Treffen? Du wirst ihm nur seine Texte bringen und das war es. Also reiß dich zusammen und sei mal wieder bei der Sache. Nach dieser innerlichen Schelte meines Gewissens und der damit einhergehenden Reue, gelang es mir doch im weiteren Tagesverlauf, meine Arbeit wieder gewohnt professionell zu verrichten. Für den Nachmittag sagte ich später alle Termine ab und behauptete, dass es mir einfach nicht gut ging. Niemand schöpfte Verdacht, dass dies nicht der Wahrheit entsprechen könnte. Man war perfekte Arbeit von mir gewohnt. Ich war immer da und es gab nie Beschwerden. Ein Kollege übernahm meine Klienten für diesen Tag und wünschte mir gute Besserung, als ich mich verabschiedete. Der kurze Anflug von schlechtem Gewissen und das Gefühl, etwas Falsches zu tun, war natürlich sofort wieder da. Doch diesmal würde ich diese Gefühle hartnäckig verdrängen. Wenn ich ihnen nämlich nachgeben würde, wäre mir auch in keinster Weise geholfen. Mal ganz abgesehen davon, dass dann auch alles wieder wie vorher wäre. Doch wollte ich das? Nein. Ich wollte eine Veränderung in meinem Leben, egal, wie jene aussehen sollte. Alan, willst du Kaito nur benutzen, um diese Veränderung herbeizuführen? Brauchst du ihn nur, um deinem Leben wieder eine gewisse Prise an Aufregung zu geben? Nein! Ganz entschieden. Nein! Er war nicht einmal der Auslöser für meine unzufriedenen Gedanken und Gefühle gewesen. Die waren schon vorher da. Er war vielleicht die Lösung, um wieder in die Normalität zurück zu kehren. Willst du das überhaupt, Alan? Willst du wieder leben wie zuvor? Willst du wieder „normal“ sein? Ich ließ die Antwort auf diese Frage vorerst offen. Ich fand die Oberschule recht schnell, deren Adresse Kaito mit in die Nachricht geschrieben hatte und hielt einfach dreist davor in der Reihe der Lehrerautos. Ich stieg aus, lehnte mich an meinen Wagen und zündete mir eine Zigarette an. Mit einer fließenden Handbewegung rückte ich meine Sonnenbrille zurecht und schickte einen kurzen Blick zum Himmel. Die sonne brannte unerbittlich, doch am Horizont zogen dichtere Wolken auf. Genüsslich zog ich den Rauch in die Lungen und betrachtete die fast unscheinbare Schule vor mir. Ich war ein wenig zu früh dran, doch warten machte mir nichts aus. Wenn der Junge diese Schule besuchte, so strebte er mit Sicherheit einen höheren Bildungsweg an. Diese Oberschule war dafür bekannt, dass sie recht hart und streng in der Auswahl ihrer Schüler war. Dafür absolvierten die meisten ihren Abschluss mit guten Ergebnissen. Die Schulglocke schrillte über den Hof und es dauerte nicht lang, bis die ersten Schüler quasselnd und lachend das Gebäude verließen. Ich hielt durch die getönten Scheiben meiner Brille unauffällig Ausschau nach jenem dunklen Haarschopf und der dazugehörigen schlanken Gestalt. Viele Gruppen von Mädchen kamen an mir vorbei und musterten mich mehr als interessiert, steckten dann tuschelnd die Köpfe zusammen. Ich schmunzelte knapp und nahm wieder einen tiefen Zug von meiner Zigarette. Kein Wunder, dass ich Aufmerksamkeit auf mich zog. Mein Wagen und mit Sicherheit auch mein Aussehen waren besser, als das manches Lehrers hier. Es tat gut, wieder einmal mit solchen begehrlichen, jedoch schüchternen Blicken angesehen zu werden. Ich war nicht eitel oder so auf Aufmerksamkeit versessen, dass ich ohne jene nicht leben konnte, doch es war eindeutig ein gutes Gefühl, wenn man einmal nicht nur den Anwalt Alan Harpor in mir sah, sondern auch den Mann. Ein leises Räuspern neben mir ließ mich den Kopf wenden. Dort stand ein recht hübsches, dunkelhaariges Mädchen, im Hintergrund wohl ihre Freundinnen, die kichernd das Ganze beobachteten. Na wunderbar, ich wurde doch nicht gerade das Ziel einer Mutprobe? »Entschuldigen Sie, sind Sie ein neuer Lehrer hier?« fragte mich die kleine Schönheit mit großen grünen Augen. Eigentlich wäre jener Typ Frau in früheren Zeiten der Grund gewesen, dass ich schlaflose Nächte hinter mich brachte. Jetzt jedoch berührte mich diese zierliche Gestalt wenig. Vielleicht, weil ich zu sehr meine Tochter darin sah. Vielleicht… Was ist los Alan, wünschst du dir etwa, von ganz bestimmten Augen, von dunklen Raubtieraugen, so angesehen zu werden? Ich schüttelte den Kopf, für die Stimme in meinem Kopf und für das Mädchen neben mir. »Tut mir Leid, Dich enttäuschen zu müssen, ich warte nur auf jemanden.« Ich schenkte der Dunkelhaarigen trotz allem noch ein freundliches Lächeln, was wohl für jene genug war, hochrot anzulaufen. Ich richtete den Blick wieder nach vorn und fast wäre mir die Zigarette aus dem Mundwinkel gelitten, was dann wohl wenig anziehend gewirkt hätte. Dort, nur ein paar Meter vor mir, stand Kaito. Er sah mich schweigend an, die Hände gewohnt in den Hosentaschen der, meiner Meinung nach, viel zu kurz geschnittenen Jeans. Wenn der Stoff noch ein Stück tiefer rutschen würde, könnte man… Oh, ganz schlechter Gedanke. Ganz schlecht. Zum Glück waren meine Augen und somit mein Blick hinter den dunklen Gläsern meiner Brille verborgen. Der Junge stand noch immer regungslos da, die große Sonnenbrille auf seiner Nase verdeckte fast ein Drittel seines Gesichtes und machte es noch unmöglicher als sonst, irgendetwas aus seinen Zügen zu lesen. Warum hatte ich das Gefühl, dass er irgendwie sauer war? Sein Gesicht hatte sich doch keinen Millimeter bewegt. Und doch war ich mir fast sicher, dass sein Blick zwischen mir und dem Mädchen hin und her schwang, welches noch immer an meiner Seite stand. Alan, er ist nicht sauer, er fühlt sich nur in seiner Meinung von dir bestätigt, dass du genau so ein Großkotz und Angeber bist wie die meisten Kerle im Anzug. Na klasse. Ich warf die Zigarette auf den Boden und trat sie unter meinen Schuh aus, dann wand ich mich meinem Auto zu und öffnete die Beifahrertür, um dort etwas vom Sitz zu ziehen. Das sollte nun aber wirklich ein Wink mit dem Zaunpfahl für das Mädchen sein, zu verschwinden. Zu meiner Erleichterung verstand sie diesen auch und gesellte sich wieder zu ihren Mitschülerinnen. Als ich mit dem Kopf wieder aus dem Innerem meines Wagens auftauchte und mich umwand, stand der Junge direkt vor mir. Einen überraschten Laut konnte ich mir gerade noch verkneifen. »Hey, Kaito.« Es schien ihm Spaß zu machen, an meinem Nervenkostüm zu zerren und dieses Stück für Stück in seinen schlanken Händen zu halten. Ein kaum wahrnehmbares Schmunzeln umspielte die Mundwinkel des jungen Japaners. »Alan.« Er nickte mir grüßend zu und war schon wieder viel zu nah. Nun machte mir nicht nur die Wärme zu schaffen, sondern auch noch dieser anziehende Duft des Jungen. Alan. Nur ein Junge. Nur ein Junge… Diese Worte immer wieder wiederholend, hielt ich dem jungen Japaner einen schmalen Umschlag hin, in welchem sich das von mir aufgesetzte Schriftstück befand, welches Kaito die Rechte an seinen Liedern wieder zusicherte. »Das sollte Dir gefallen.« Er senkte den Blick langsam auf den Umschlag und nahm ihn entgegen, berührte flüchtig meine Fingerspitzen mit den seinen. Wieder dieses fast elektrische Prickeln, was die gefühlten Temperaturen gleich noch steigen ließ. Wohin verzieht sich meine kühle Selbstbeherrschung nur immer, wenn dieser Junge in der Nähe ist? Nicht mal die spöttische Stimme in meinem Kopf hatte eine Antwort darauf. Kaito öffnete den Umschlag und überflog die Zeilen auf dem Papier rasch. Nun hellte sich sein blasses Gesicht doch auf; zumindest lächelte er ehrlich erfreut und sichtlich erleichtert. Ich zog noch sein Notizbuch aus dem Wagen und hielt ihm das ebenfalls hin. Er riss es mir fast aus den Händen, blätterte rasch die Seiten durch, ob auch nichts fehlte und drückte es dann einen Moment an seine Brust. Wenn ich doch nur seine Augen in jenem Moment hätte sehen können… Sicher strahlten diese förmlich. So ähnlich, wie wenn er auf der Bühne stand und seiner Seele so einzigartig Ausdruck verlieh. Er hielt den Kopf gesenkt und für einen Moment wirkte es, als müsse er mit den Tränen kämpfen. Ich hatte meine Hand schon ausgestreckt, um diese auf die zarte Schulter zu legen, zog sie jedoch bei einem geflüsterten »Danke« seinerseits rasch zurück. »Kein Problem. Hab ich gern gemacht. Wirklich. Ist ja auch mein Job.« Er hob den Blick hinter den dunklen Gläsern wieder und schien mich forschend anzusehen, zumindest vermutete ich das durch die leichte Schieflage seines Kopfes. »Es ist aber nicht dein Job, das ganz ohne Bezahlung zu tun.« »Lass doch das Geld mal aus dem Spiel. Ich hab es gern gemacht, okay?« fuhr ich ihn fast ein wenig forsch an, sodass er unmerklich zurück zuckte. Sofort tat er mir wieder leid. Was hatte dieser Junge nur an sich, dass ich so intensiv auf ihn reagierte? »Hey, diese Lieder gehören dir. Diese Texte passen nur zu dir und deiner Stimme. Das zu trennen wäre einfach nicht richtig. Sieh es als gute Tat meinerseits, um mir den Weg in den Himmel zu sichern.« versuchte ich mit einem schiefen Grinsen die Situation zu retten. Er sah mich wieder lange schweigend an. Der plötzlich auffrischende Wind trieb ihm ein paar dunkle Strähnen ins Gesicht und wieder hatte ich mit mir zu kämpfen, diese nicht daran zu hindern und ihm aus dem Gesicht zu streichen. Er wirkte heute irgendwie noch zerbrechlicher und verletzlicher wie an jenem Tag, als er mich in der Kanzlei aufgesucht hatte. Seine Haut war so hell, fast durchscheinend. Sein Gesicht zeigte noch immer die fast puppenhaften, starren Züge. Es machte mich fast wahnsinnig, dass ich seine wundervollen Augen nicht sehen konnte. »Es hat sich noch nie jemand so für mich und meine Lieder interessiert. Du bist der Erste, Alan.« bemerkte er schlicht. Was? Ausgeschlossen! Sollte noch niemandem außer mir aufgefallen sein, wie dieser Junge mit der Musik harmonierte? Wie er darin aufging und dies sein Weg war, sein Innerstes nach außen zu kehren? Genau zu solch einer Frage setzte ich gerade an, als schwere Regentropfen zu Boden fielen und klatschend auf meinem Autodach und unseren Köpfen landeten. Ich sah wieder in den Himmel auf; dunkle, schwarze Wolken hatten sich da zusammengebraut, was ich bis jetzt gar nicht bemerkt hatte. Der erste Donner grollte über die Stadt und brachte den Boden zum vibrieren. Die meisten Schüler verzogen sich nun schnell nachhause oder suchten sich irgendwo einen Unterschlupf. Kaito machte gar keine Anstalten, zu verschwinden, sondern sah mich weiter einfach nur an. Zumindest vermutete ich das, da sein Gesicht leicht zu mir angehoben war. Noch immer konnte ich seinen Blick durch die dunklen Gläser auf seiner Nase nicht deuten. Allein sein Notizbuch und meinen Umschlag hatte er schützend an die Brust gepresst. Ich selbst unternahm auch keinen Versuch, mich in irgendeiner Weise zu bewegen, obwohl der Regen rasch heftiger wurde. Bald waren meine Haare durchweicht und das Wasser machte auch vor meinem teuren Anzug nicht Halt. Was mir allerdings in jenem Moment völlig egal war. Mein Blick haftete an dem Jungen vor mir. Die dunklen, nun nassen Haare klebten dem jungen Japaner am Kopf; das Wasser perlte daraus über sein blasses Gesicht, hinab über Lippen und Kinn, um schließlich dem Verlauf seines schlanken Halses zu folgen. Ich konnte das Pulsieren seines Herzschlages an der Seite seiner Kehle überdeutlich sehen, trotz getönter Brille. Wie gebannt verfolgte ich den Weg der Regentropfen auf dieser zarten Gestalt und kam nicht umhin, mit dem Blick an dem durchweichten T-Shirt hängen zu bleiben. Was vorher schon nur notdürftig durch den löchrigen Stoff verborgen worden war, war nun gnadenlos durch die Nässe enthüllt. Ich konnte die Linie seiner Rippen fast nachzeichnen, wen ich gewollt hätte. Auch sein Nabel war überdeutlich sichtbar, ebenso die durch den kühlen Regen aufgerichteten Brustwarzen. Mein schlagartig überhitzter Körper begrüßte das kalte Nass dankbar. Alan, was ist los? Stehst du neuerdings auf Männer? Macht dich dieser Anblick an? In meinem Kopf herrschte eine solche Leere, die allein durch das Prasseln des Regens gefüllt zu werden schien, sodass ich unmöglich eine Antwort auf diese Frage finden konnte. Oh verflucht, was war nur mit mir los? Mein Herz pumpte Blut an Körperstellen, wo ich es im Moment eindeutig nicht gebrauchen konnte. Allein jahrelang antrainierte Selbstbeherrschung und äußerliche Gefasstheit verhinderte es in jenem Moment, dass ich mich wohl wie ein kompletter Idiot verhielt. Fahrig wischte ich mir das nasse Haar aus der Stirn und zog mir die Sonnenbrille vom Gesicht. Die war ja nun mehr als unsinnig. Meine Augen suchten sofort die des Jungen hinter dessen dunklen Gläsern. Trotz das diese verborgen waren, hatte ich das Gefühl, amüsiertes Funkeln hinter der Brille erkennen zu können. Super, Alan. Jetzt hält er dich bestimmt für einen Perversen, der vor Schulen auf neue Opfer wartet. Ich war mir fast sicher, dass ich rot wurde, trotz allem konnte ich den Blick nicht von Kaito wenden. Irgendetwas an dem Jungen zog mich einfach magisch an. Wir standen noch eine ganze Weile so unbeweglich im Regen, während um uns das Gewitter tobte und das Wasser den Staub des Sommers von den Straßen spülte. Eine seltsame Verbindung schien in jenem Moment zwischen uns zu bestehen, derer es keine Worte bedurfte. Schließlich löste ich mich endlich aus meiner Erstarrung und zog die Beifahrertür auf. Auffordernd sah ich den Jungen an. Kaito zögerte nicht und stieg einfach ein. Ich schloss die Tür hinter ihm und lief rasch um den Wagen. Lisa würde wohl wenig begeistert sein, wenn ich die Sitze dieses teuren Autos mit Regenwasser versaute. Aber…ach, scheiß drauf. Wenn mir etwas in jenem Moment völlig egal war, dann war es die Sorge meiner Frau über beschmutzte Sitze. Erleichtert ließ ich mich in das trockene Innere des Wagens fallen und zog die Tür hinter mir zu. Sofort war der Innenraum angereichert vom Aroma des Regens, dazwischen dieser süße Duft des jungen Japaners. Hm, vom Regen in die Traufe, Alan? Ich zog mir die völlig durchweichte Anzugjacke aus und warf sie achtlos hinter mich, dann ließ ich den Motor laufen und schaltete die Heizung ein. Kaito hatte sich bis jetzt kaum bewegt, saß einfach nur da, sein Buch im Schoss, die Schultasche zu seinen Füßen und starrte durch die Windschutzscheibe. Vereinzelt perlten noch immer Tropfen aus seinem Haar und zogen glänzende Spuren über Wange und Hals des Jungen. »Soll ich Dich nachhause fahren?« Ruckartig wand er sich zu mir um und ergriff meine Hand, die schon auf dem Schalthebel lag. Fast krampfhaft klammerte er sich an meine Finger und schüttelte heftig den Kopf. »Nein.« Das war die erste wirkliche Reaktion, die ich an diesem Tag von ihm erlebte. Mein Blick flog von meiner Hand zu seinem Gesicht. »Gut. Okay. Wohin dann? Wo willst du hin, Kaito?« Es war bestimmt nicht richtig, sich zu wünschen, dass er seine Finger noch länger in meine Hand graben würde, oder? Nein, Alan, das ist bestimmt nicht richtig. Eigentlich solltest du dir wünschen, dass er dich loslässt, damit du nachhause kannst. Denn dort gehörst du hin. »Mir egal. Irgendwohin. Einfach weg.« wisperte diese süße Stimme, die erneut an meiner Mauer aus Selbstbeherrschung rüttelte. Noch immer trug der Junge diese fast überdimensionale Sonnenbrille und ich zögerte nun nicht, die Hand danach auszustrecken, um sie ihm vom Gesicht zu ziehen. Wieder hielt mich eine seiner schlanken Hände auf halbem Weg auf und er schüttelte fast flehend den Kopf. Was verbarg er nur? Ich konnte der Versuchung nicht wiederstehen, mit dem Daumen über seinen Handrücken zu streichen, als ich ihm meine Hand entzog. Er hatte so unglaublich zarte Haut. »Gut. Dann irgendwohin. Am besten erst mal weg von hier, hm?« Ich legte den Gang ein und fädelte den Wagen gewohnt sicher in den Verkehr. Allein das Geräusch der Scheibenwischer und der Regen auf dem Auto begleitete uns nun eine ganze Weile. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)