Uns bleibt immer noch Amsterdam von Wortfetzen (Ryoki) ================================================================================ Kapitel 4: Der Morgen danach ---------------------------- Tut mir leid für die längere Wartezeit. Meine Prüfungen haben mich etwas geschlaucht. Jetzt ist jedoch alles überstanden (und bestanden ;) und ich kann mich endlich wieder auf das Schreiben konzentrieren. Vielen Dank möchte ich all den lieben Menschen sagen, dir mir einen Kommentar hinterlassen haben. Ich hab mich sehr gefreut und hoffe, dass euch meine Geschichte auch weiterhin gefallen wird. :) ~ Liebe Grüße, eure Tanya * Kapitel 4 – Der Morgen danach 16. April 2010 Rika Ich spürte einen sanften Druck auf meiner Brust und etwas Weiches an meiner Halsmulde. Es kitzelte, doch war angenehm warm und fühlte sich gut an, sodass ich meine Augen nicht öffnen wollte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit erwachte endlich mein Kopf aus seinem Dämmerzustand zwischen Bewusstsein und Schlaf und eine leise Stimme flüsterte mir zu, dass hier etwas merkwürdig war. Ich ärgerte mich über die Stimme, weil sie mich dazu brachte, meine Augen zu öffnen. Angestrengt blinzelte ich gegen das grelle Sonnenlicht, das durch das Fenster herein flutete, und nachdem meine Sicht klarer wurde, drehte ich mich leicht und musste erneut blinzeln. Dicht an mich gedrängt und den Kopf an meine Brust geschmiegt – in der Nähe von Körperstellen, die eigentlich schon verboten waren – lag ein schlafender Ryo. Ich wusste nicht, ob ich danach zuerst seine Hand auf meinem Bauch registrierte, die Tatsache, dass wir beide nackt waren oder, wie mir in diesem Moment sofort einfiel, dass wir gestern miteinander geschlafen hatten – und das nicht nur einmal. Oh nein. Mein Herzschlag beschleunigte auf eine unverschämte Geschwindigkeit. Ich atmete einmal tief durch und versuchte mein lästiges Herz zu ignorieren. Als würde mich ein nackter Ryo oder der Gedanken an (den) Sex mit ihm aus der Bahn werfen. Lächerlich. Dennoch beschloss ich, dass ich nun lange genug nackt unter ihm gelegen hatte. Schnell befreite ich mich von seinen Händen und schob ihn von mir, um aufstehen zu können. Ryo murrte, drehte sich, wachte jedoch nicht auf. Hektisch wühlte ich in meiner Tasche nach frischer Kleidung und verschwand damit ins Badezimmer. Unter der Dusche schickte ich tausend Stoßgebete zu Gott, er möge doch bitte diese verdammte Aschewolke vom Himmel fegen. Ich war innerlich so angespannt und aufgewühlt, dass ich nicht mehr länger ins seiner Nähe sein wollte – vielleicht sogar nicht mal konnte. Die Entfernung zwischen London und Japan war genau die, die ich jetzt brauchte. Leider war London nur nicht mein Bett. * Im Fernseher liefen Nachrichten, als ich wieder aus dem Badezimmer kam, und Ryo war inzwischen zwar wach, lag jedoch noch immer in meinem Bett. Meine Hoffnungen lösten sich sofort in Luft auf, denn noch immer wurde über die Aschewolke und die Sperrung einiger europäischer Flughäfen berichtet. Ich versuchte meine Frustration darüber, und, dass meine Anspannung deswegen noch größer wurde, zu verbergen. Wenn mir diese idiotische Wolke schon nicht den Gefallen tat, dann musste ich wenigstens aus diesem Zimmer raus. Meine Augen trafen Ryos Blick und in meinem Kopf spielten sich noch einmal im Schnelldurchlauf die schrecklichen Szenen ab, in denen wir unsere Körper dicht aneinander gedrängt hatten, unser Atem erregend über die Haut des jeweils anderen strich, sich unsere Lippen berührten und wir miteinander eins wurden. Ich verfluchte mich dafür mein Haar noch nicht geföhnt, sondern lediglich provisorisch hochgesteckt zu haben. Die Wasserperlen lösten sich an den Spitzen und perlten gänsehauterregend meinen Nacken entlang. Immerhin reichte es bereits, dass Ryos Anwesenheit in mir gänsehautähnliche Gefühle auslöste – und ich mir das nicht einmal erklären konnte. Mir gelang es nicht zu erkennen, woran er dachte. Ryo wirkte ernst und dennoch war seine Miene für mich undefinierbar. Er könnte genauso gut jeden Moment fröhlich pfeifend aus dem Bett hüpften und mir einen Kuss auf die Lippen drücken. Ihm traute ich alles zu. Nur mit Mühe gelang es mir meinen Blick von seinem loszureißen und meinen Kopf abzuwenden. Ich ignorierte erneut mein penetrantes Herzklopfen. Mein letzter Sex war lange her gewesen und jetzt, da meine Hormone wieder von diesen wunderschönen Gefühlen gekostet hatten, spielten sie vollkommen verrückt. Es ging nicht um Ryo – es ging ganz allein um den Sex. „Das Badezimmer ist frei“, erklärte ich Ryo knapp. Ryo nickte mir stumm zu und stieg aus dem Bett. Zumindest hatte er inzwischen die Güte besessen wieder eine Boxershort anzuziehen. Dennoch ließ mich der Anblick seines durchtrainierten und gebräunten Oberkörpers nicht kalt. Erneut rief ich mir in Erinnerung, dass es nur am Sex lag, nicht an Ryo, er war eben nun mal nicht unattraktiv und irgendwie war es auch schön gewesen. Irgendwie eben. Es überraschte mich, dass Ryo an mir vorbeiging, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Erst jetzt begriff ich, dass ich eigentlich mit einer dämlichen Bemerkung seinerseits gerechnet hätte. Oder eben einem Satz, der für Ryo typisch war. Irgendetwas viel zu Positives, gemischt mit viel zu viel Charme für meinen Geschmack. Nun wurde mir bewusst, dass seine Miene tatsächlich ernst war und ihn irgendetwas zu beschäftigen schien. Dachte er etwa genauso wie ich, dass das nicht hätte passieren dürfen? Wir waren früher so selten einer Meinung gewesen, dass ich mir das einfach nicht vorstellen konnte. „Hey“, kam es plötzlich wie von selbst aus meinem Mund, ohne, dass ich Kontrolle darüber hatte. Ryo drehte sich zu mir um und legte bereits die Hand auf die Türklinke zum Bad. Erwartungsvoll sah er mich an. „Ich denke, dass getrennte Zimmer doch besser wären. Ich werde mir gleich ein neues geben lassen.“ Überrascht beobachtete ich, wie sich sein Blick verfinsterte. „Wie du meinst“, sagte er mit ungewöhnlich kalter Stimme – genauso ungewöhnlich laut fiel anschließend die Badezimmertür hinter ihm ins Schloss. Zunächst stand ich nur da und fixierte die Tür mit einem verwunderten Blick. War er etwa wütend? Nachdem ich allmählich begriff, dass es tatsächlich so sein musste, kroch auch in mir Verärgerung hoch. Wie konnte er es wagen, wütend zu sein, wenn er diesen Mist baute? Okay, zum Sex gehörten noch immer zwei, doch von mir ist nicht die Initiative ausgegangen! Glaubte er tatsächlich, dass ich gerne ein Einzelzimmer nahm, wenn ich in meiner aktuellen finanziellen Situation jeden Yen einzeln umdrehen musste? „Bist du jetzt etwa tatsächlich sauer auf mich?“, rief ich durch die Tür. Mir gelang es einfach nicht mich zurückzuhalten. Von drinnen hörte ich bereits das Wasser aus der Dusche rauschen, deswegen hob ich die Lautstärke meiner Stimme weiter an. „Komm sofort da raus und sprich mit mir!“ Das Wasser rauschte ungerührt weiter. Im Grunde hätte dieses Gespräch auch warten können, aber wenn ich in Rage war, dann musste ich mir sofort meine Hörner ausstoßen. Warum sah er denn nicht ein, dass es so besser war? Dieser Idiot konnte doch nicht ernsthaft glauben, dass es so zwischen uns weitergehen würde? Ich schlug leicht mit der offenen Handfläche gehen die Tür, um meine Forderung zu unterstreichen. „Ryo!“ Der Schlag schien zu wirken, denn das Duschwasser wurde abgedreht und ein paar Sekunden später stand ein durchnässter Ryo vor mir, der lediglich ein weißes Handtuch um die Hüften trug. Das Haar klebte ihm teilweise am Kopf oder stand ihm wirr zu den Seiten ab, Wasserperlen tropften an den Spitzen entlang und benetzten seine schwarzen Wimpern. Dieser Anblick bestärkte mich in meinen Wunsch auf ein eigenes Zimmer von neuem. „Ist es zu viel verlangt, wenn ich in Ruhe duschen möchte?“, fragte er kalt. „Du hast keinen Grund auf mich sauer zu sein!“, ignorierte ich seinen Kommentar und verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum ist dir das so wichtig, ob ich sauer bin oder nicht?“ Ryo verschränkte ebenfalls seine Arme. „Vielleicht sehe ich das ja ganz genauso? Es könnte ja richtig sein, einfach ein anderes Zimmer zu nehmen, ohne zuvor miteinander gesprochen zu haben und es einfach totzuschweigen!“ Ryos Stimme triefte nur so vor Sarkasmus und auf einmal wurden seine blauen Augen auch zornig. „Weiß du was absolut lächerlich ist? Genau diese Reaktion habe ich vor dir erwartet, obwohl wir uns im Grunde gar nicht mehr kennen! Verdammt Rika, wir hatten Sex! Über so etwas redet man miteinander!“ „Das ist mir schon klar“, erwiderte ich nicht mit weniger Kälte in der Stimme. Seine Worte brachten mich nur noch mehr in Rage, dennoch ging ich nicht weiter in den Angriff über. Mir fehlten tatsächlich für einige Sekunden die Worte. „Wir ... hätten schon noch miteinander geredet.“ Ich verfluchte mich dafür, wie hilflos ich in diesem Moment klang. Jetzt hatte ich definitiv die Oberhand über dieses Gespräch verloren. Am liebsten hätte ich Ryo wieder ins Badezimmer zurück befördert und ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Das einzige, was mich daran hinderte, das zu tun, war die Tatsache, dass ich ihn dann berührten musste – und er im Grunde immerhin nackt vor mir stand. Plötzlich seufzte Ryo und fuhr sich wie so oft durch sein Haar. Mittlerweile – und so weit war es schon gekommen – hatte ich bemerkt, dass das eine typische Angewohnheit von ihm war. „Nun sag es doch schon? Es war schrecklich, ein Fehler und du bereust es.“ Ryo sah geknickt aus und plötzlich, wie er da nass vor mir in der Tür stand, erinnerte er mich an einem begossenen Pudel, dem man unbedingt Obdach gewähren wollte. „Ich bereue es wirklich“, gestand ich ihm leise und wich Ryos forschendem Blick aus. „Und es war ein Fehler.“ Ryos Gesichtszüge wurden noch düsterer als ohnehin schon. Bis jetzt schien er es nur geahnt zu haben, denn mein Geständnis verletzte ihn offensichtlich. Das hätte ich wiederum niemals erwartet, genauso wenig, wie, dass mir plötzlich der Gedanke kam, dass er es nicht verdient hatte, verletzt zu werden. Obwohl er mich früher immer zur Weißglut gebracht hatte und wir uns ständig gestritten haben, stand ich auf einmal vor ihm und mir wurde klar, dass ich ihm niemals wehtun wollte. Vielleicht, wenn all die Hormone nicht noch immer wie verrückt durch meinen Körper geschossene wären, hätte ich wirklich bewusst wahrgenommen, dass ich zum ersten Mal einen aufrichtig netten Gedanken an ihn hatte, der über sein attraktives Erscheinungsbild hinausging. „Aber es war schön“, fügte ich schließlich langsam hinzu, weil mir sein enttäuschter Anblick tatsächlich irgendwo selbst wehtat. „Dann solltest du dir jetzt wirklich besser ein neues Zimmer nehmen, nicht, dass es gleich zu schön war“, erwiderte Ryo lediglich unbeeindruckt von meinen letzten Worten und schloss erneut die Tür vor mir. Irgendwie versetzte mir dieser Moment einen Stich ins Herz. Ryo war enttäuscht und ich war tatsächlich traurig darüber. Ich stand vor der verschlossenen Tür und wusste plötzlich nicht mehr was ich tun sollte. Etwas in meinem Inneren drängte mich dazu erneut gegen die Tür zu klopfen und mich bei Ryo zu entschuldigen, doch ehe ich mich wirklich dazu überwinden konnte, klingelte etwas. Ich begriff erst ein paar Sekunden später, dass es sich um mein Handy handelte und riss mich von dem Gedanken an Ryo los. Innerlich seufzte ich genervt auf, als ich den Namen auf dem Display sah: Kenshi. „Kenshi?“, sagte ich in das kleine Telefon hinein. „Was ist los?“ „Wo bist du?“, fragte er wie aus der Pistole geschossen von der anderen Leitung. Er klang nicht nur hektisch, sondern auch ein wenig verärgert. „In Amsterdam, du weißt-“ Was Kenshi aber wissen sollte, würde er nie erfahren, denn er unterbrach mich. „In Amsterdam?“, wiederholte er spitz und wurde plötzlich wütend. „Ich habe diesen Termin für dich verschieben können. Der Kunde wollte dir heute noch einmal eine Chance geben und du lässt das einfach sausen?!“ Okay, Kenshi war aufgebracht. Im Grunde war aufgebracht vielleicht nicht mal der passende Ausdruck für seine aktuelle Stimmungslage. Kenshi Nagasaki tobte vor Wut. Würde ich in diesem Moment vor ihm stehen, dann würde ich wie so oft den roten Flecken in seinem Gesicht bei ihrer Entstehung zusehen. Ich konnte mir gut vorstellen welcher Anblick er jetzt war und wie so oft war ich der Grund dafür. Dennoch machte mich seine Engstirnigkeit selbst so wütend, dass ich nicht einmal einen Blick in den Spiegel werfen wollte, weil ich schon befürchtete ebenfalls diese schrecklichen Flecken in meinem Gesicht zu finden. „Ich habe nichts sausen lassen! Ich sitze hier fest, sag mal verstehst du das nicht?“ „Und ich habe dir schon mal gesagt, dass ein Flugzeug nicht das einzige Fortbewegungsmittel ist!“, sagte er zynisch und fügte dann mit spitzer Stimme hinzu: „Ich dachte du brauchst das Geld?“ „Ja, ich brauche das Geld auch, aber-“ „Kein aber, Rika. Ich habe es so satt mit dir. Du bist hübsch, machst tolle Fotos und läufst gut, aber deine schrecklichen Launen ertrage ich nicht – und die Kunden schon lange nicht mehr.“ „Was soll das heißen, Kenshi?“, fragte ich kalt, doch während ich dabei noch selbstsicher klang, gefror mir bereits das Blut in den Adern. Ich hoffte inständig, dass es nicht das war, wonach es sich anhörte. „Es ist vorbei, Rika. Du kannst dir eine neue Agentur suchen.“ „Kenshi, bitte-“ Das Gespräch wurde beendet. Noch für einige Sekunden stand ich fassungslos im Zimmer und horchte dem Piepen des Handys, ehe mir allmählich dämmerte, dass ich nun arbeitslos war. Ich sah Rumiko in ihrem Rollstuhl vor mir und dachte an all die Rechnungen, die täglich ins Haus flatterten und zu bezahlen waren. Plötzlich wusste ich nicht mehr wie ich das schaffen sollte. Mir wurde noch kälter und auch übel. Das Handy glitt mir aus den Fingern und fiel achtlos zu Boden. Im selben Moment gaben meine Beine nach. Ich landete hart und schmerzhaft auf dem Teppich, doch die Tränen schossen mir nicht wegen des Aufpralls meiner Knochen in die Augen. Ich wollte es nicht zulassen, doch durch meine plötzliche Hilflosigkeit konnte ich weitere Tränen nicht mehr unterdrücken und begann zu schluchzen. Meine Fingernägel krallten sich in den Teppich, wobei ich mir selbst mehr Schmerzen dabei zufügte, als es dem schweren Stoff etwas ausmachte. „Rika?“, hörte ich Ryos verblüffte Stimme und spürte bereits einige Sekunden später seinen Körper neben mir. Na super. Und mir gelang es einfach nicht meine Tränen zurückzuhalten. Er legte mir besorgt eine Hand auf die Schulter und zwang mich dazu, dass ich ihm ins Gesicht sah, indem er meinen Kopf vorsichtig zu sich drehte. Ich schämte mich furchtbar, dass es mich so sah, aber noch größer war die Sehnsucht nach jemandem, der mich im Arm hielt und tröstete. Widerstandslos ließ ich mich an Ryos Brust ziehen. Gleichgültig wie erniedrigend dieser Augenblick war, klammerte ich mich an ihn, wie eine Ertrinkende an ein Rettungsboot. Ich erschauderte durch meine Tränen, aber auch durch das Gefühl, dass seine noch feuchte Haut in mir auslöste. Ausgerechnet in Ryos Armen verspürte ich sogar etwas, dass sich ein wenig nach Trost anfühlte. * Fortsetzung folgt … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)