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Freestyle

Der etwas andere Freiheitskampf
von

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Freestyle

„Verdammt noch mal, stirb einfach!“

Das ist so in etwa das letzte, was einem einfällt, wenn man im Sterben liegt. Natürlich, man stellt sich vor, dass man allen, die einem je etwas bedeutet haben, noch einen letzten Rat gibt oder sich bei ihnen entschuldigt. Natürlich, diesen Satz würde kein normal denkender Mensch in dieser Situation sagen, doch Jack Newtons Gedankengänge sind alles andere als normal.

Doch um ihn und diesen Satz zu verstehen, muss man weiter in der Zeit zurückgehen, und so werde ich, der die gesamte Geschichte miterlebt hat und als einziger alle Zusammenhänge kenne, eben diese Geschichte erzählen.

Tanz der Diebe

Eine dunkle Gestalt schlich die Straßen von Yenis entlang. Nur vereinzelt sorgte gedämpftes Laternenlicht für einen kleinen Lichtpunkt. Die Dunkelheit kroch in dieser Nacht sogar in die Häuser und alles Leben der Stadt zog sich in die verschiedensten Schlupfwinkel zurück. Nicht einmal die üblichen Gauner, von denen es in Yenis mehr gab als Leute, die etwas besaßen, das gestohlen werden konnte, ließen sich blicken. Die ganze Stadt war wie ausgestorben, nur der Wind trieb ein paar rote nasse Blätter vor sich her. Nichts regte sich – außer zwei Gestalten, die zielstebig Richtung Ratshaus schlichen.

„Ich sag dir doch, das wird ein riesen Ding!“ flüsterte eine etwas größere Gestalt. Sie trug ein schwarzes Kopftuch, unter dem nur die großen, klaren blauen Augen hervorstachen.

„Ich weiß nich so recht“, sagte der Kleine. Seine leicht schräg stehenden Augen erinnerten an die eines Elfs – wäre da nicht diese merkwürdige Farbe gewesen. Die Iris waren blutrot und wurde zur Pupille, von der dunkle, orange Schlieren wie Strahlen in alle Richtungen abzweigten, immer dunkler. Anders als der Große schien er es nicht nötig zu haben, sein Gesicht zu verbergen, so dass seine kurzen schwarzen Haare, wie immer wild zerzaust, von der andauernden Feuchtigkeit, die der Herbst eine Woche zuvor gebracht hatte, schon ganz nass waren. „Wir können es uns einfach nicht leisten, geschnappt zu werden. Und außerdem scheint mir die ganze Sache zu einfach: Ein Ratshaus, in dem ein Fenster sperrangelweit offen steht, hinter dem sich gleich mehrere Säcke Geld befinden? Und noch niemand ist auf die Idee gekommen einzusteigen und es zu stehlen?“ Er schüttelte den Kopf.

„Wenn ich`s dir doch sage, Jack! Ein offenes Fenster, Jede Menge Kohle, keine Wachen...“

Jack schüttelte den Kopf. „Du verheimlichst mir etwas, Bill.“

„Und das wäre?“

Jack deutete nach oben. Mittlerweile waren sie schon fast beim Marktplatz, auf dem sich auch das Ratshaus befand. „Dein Fenster befindet sich im dritten Stock.“

Bill grinste. „Da können wir zwei doch hochklettern...“

„Nicht auf der Rückseite.“

„Dann dann gehen wir halt außen rum.“

„Hinter dem Haus ist der Fluß.“

„Ach, der kleine Bach da...“

„Mit zwei Meter Wellengang.“

„Jetzt komm schon, dann sichern wir uns halt...“

„Bei diesen Windgeschwindigkeiten?“

„Mit einem starken Seil vielleicht?“

„Dass du wo schnell noch mal her hast?“

Bill schluckte. Mittlerweile standen sich vor dem großen Rathaus. „Von der Müllkippe.“

„Also taugt das nichts. Da könnten wir auch gleich unbefestigt gehen.“

Bill stampfte wütend auf. „Dann eben nicht.“

„Wieso? Das sind doch super Bedingungen.“

Jack lachte. Laut. Zu laut für Bill.

„Sei still!“, zischte dieser und hielt ihm den Mund zu. Er lauschte.

Jack befreite sich von seiner Hand.

„Los jetzt!“

Bill nickte und schlich von rechts an das steinerne Gebäude heran. Die weiten Fenster waren dunkel und leer, nichts regte sich auf dem Platz. Sie traten auf den grauen, schmalen Sims unter einem Fenster und gingen auf ihm bis zum hinteren Eck. Unter ihnen peitschten die Wellen gegen das steinerne Fundament, auf dem das Gebäude ruhte. Die Gischt spritzte ihnen ins Gesicht, weswegen nun auch Jack, der vor dem vorsichtig balancierenden Bill einfach von einem Fenster zum anderen sprang, ein schwarzes Tuch über seine Haare und sein Gesicht zog.

„Sei vorsichtig!“, rief Bill von hinten.

„Bin ich doch“, entgegnete Jack, machte einen Salto um die Ecke des Hauses und – fiel.

„Aaaaaahrgh!“ schrie er noch. Doch schon berührten seine Stiefel wieder festen Grund. Er fing den Aufprall mit einer Rolle vorwärts ab – ein Fehler. Diesmal landete er wirklich im Wasser, doch war er zumindest soweit bei Bewusstsein, dass er seinen Dolch aus der Scheide zog und dessen Klinge, die fast so lang wie sein Unterarm war, bis zum Heft in einen morschen Holzpfosten rammte, der plötzlich neben ihm auftauchte. Er hielt sich daran fest und zog sich an Land. Vor ihm ging eine Treppe bis zu dem Eck , um das er eben noch gesprungen war. Oben stand Bill. Grinsend.

„Vorsicht Stufe.“

Jack spuckte ins Wasser zu seinen Füßen. Der Felsensims, auf dem er stand, lag nur knapp über der Wasseroberfläche, aber noch tief genug, um von den Wellen überspült zu werden. Vor ihm befand sich eine alt aussehende Holztür. Sie war verschlossen.

„Dann müssen wir jetzt also klettern.“

Bill sah nach oben. Von unten ließ sich nicht erkennen, ob das Fenster noch offen stand. „Versuchen wir's.“

Er hielt sich an kleinen Rissen in der Steinwand fest und begann mit dem Aufstieg. Wieder war Jack schneller und wieder war er es schließlich auch, der zuerst ankam.

„Bill“, sagte er, „Wir haben ein Problem.“

„Welches?“

Plötzlich griff eine Hand aus der Dunkelheit nach Bill. „Mich.“ sagte eine Stimme.
 

20 Minuten zuvor – Marktplatz (Kurz bevor Jack und Bill ihn erreichten)
 

„...also ideale Bedingungen für unser Vorhaben.“

Zwei Gestalten traten ins schummrige Licht einer der schmutzigen Laternen. Beide waren groß, der eine aber etwas kleiner und dafür dicker.

„Glaub` dir nich.“ grunzte der Dicke. Seine braunen Haare fielen in nassen Strähnen über sein fettiges Gesicht. „So'n Att'ntat is scho'n bisschn koplexer al' deine öd'n Bücha. Da brauch ma Köpfchn.“ Er tippte mit einem seiner Stummelfinger gegen seinen Kopf. Seine Nase war platt und ihm fehlte ein Ohr, und zusammen mit seinen winzigen Augen hätte man ihn eher für ein Schwein gehalten als für einen Menschen. Und erst recht nicht für einen Krieger der Kirche – wäre da nicht sein Gewand. Er trug den weißen weiten Umhang und die silberne, viel zu enge Rüstung eines Paladins. Ein Breitschwert baumelte an seinem Gürtel und klapperte manchmal leise, wenn sie gegen seine Beinschiene schabte.

„Sag mal“, erwiederte der Andere. Er hatte blondes, schulterlanges Haar, den gleichen Umhang, den auch der andere trug (wobei er statt der Rüstung nur eine einzelne Schulterplatte trug – über dem Umhang), klare blaue Augen und ein großes, schwarz-silbernes Kreuz hing an seinem Rücken. „Warum werden wir zwei eigentlich immer in eine Gruppe gesteckt? Wir können uns so schon kaum leiden.“

„Wat wes ick! Hängt wahrscheinle mit dem ´kirchlichen Verwaltungssystem` zammad. De kriangd ja so scho nix auf'd Reih.“

„Und dieses ´kirchliche Verwaltungssystem`, wie du es nennst, wird von Sir Ellbow persönlich unterstützt.“ Er blickte in die ferne, seine Augen trübten sich einen Moment. „Einigen wir uns darauf, dass unser Regierungssystem ein paar organisatorische Lücken zu viel hat.“

„Un um wat ham ma uns am Anfang gstritt'n?“

„Um unseren Auftrag.“

„Un wia verdammt nu moi san wia jetzad da drauf kemma?“

„Keine Ahnung. Ist uns aber schon öfters passiert.“ Er zuckte mit den Schultern. „Auf jeden Fall ist unser Auftrag jetzt wichtiger. Wir müssen ins Ratshaus, um alles für unsere ´Freunde` vorzubereiten.“ Er lachte böse.

Diebestreff

„Wie jet???“ Datt sin Kinda!“

Ein kleiner dicker Paladin hielt Bill am Fußgelenk fest.

Zu fest.

„Aua!“ schrie Bill. „Lass mich los! Du brichst mir den Fuß!“

„T'schuldigung“, antwortete der Dicke – und ließ Bill fallen. Leider hatte er nicht daran gedacht, ihn vorher ins Zimmer zu ziehen – was dazu führte, das Bill sich überschlug, keinen Halt mehr fand und schon schreien wollte, als sein Sturz schon nach zwei Metern von einem langen, weißen Brett abgefangen wurde. „Puh“, sagte er, „das war knapp.“ Plötzlich begann sich das Brett zu bewegen. Er sah auf und merkte, dass er nicht auf einem Brett, sondern auf einem weiteren Paladin saß, der sich anscheinend gerade aus dem Fenster gelehnt hatte, um nachzusehen, was sein Partner da eigentlich mache. „Runter!“ schrie der Lange wutentbrannt. Sein Kopf sah aus wie eine Tomate. Eine sehr wütende Tomate mit Brille.

„Ich geh ja schon“, sagte Bill und schwang sich auch schon auf das Fensterbrett, als sich abermals eine Hand um sein Fußgelenk schloss. „So einfach kommst du hier nicht davon. Wir haben euch beide schon eine ganze Zeit lang beobachtet und- he, wo ist denn der Andere hin?“

Bill drehte sich nach oben. Keine Spur von Jack und dem Dicken. Der lange verzog entnervt seinen Mund. „Sir Edward“, rief er, „wenn du mir nicht augenblicklich antwortest, setzt es was!“

Ein schemenhafter Kopf erschien im Fenster. Ein Arm wälzte sich schwerfällig über das Fensterbrett und machte ein OK-Zeichen. Irgendetwas an seinen Bewegungen war merkwürdig, aber der Lange schien es nicht im geringsten zu stören. „Ich komme jetzt hoch. Bleib wo du bist.“

In diesem Moment tropfte etwas herunter und traf den Langen am Kopf. „Was zum-?!“

Er wischte sich mit seinem Zeigefinger über den Kopf. Im Dunkeln konnte er nicht erkennen, was es war, also machte er Licht. Er murmelte ein paar Worte und zu Bills Erstaunen tanzte plötzlich ein kleines Flämmchen über der Hand des Paladins. Die dickflüssige Substanz an seiner Hand war rot. Blutrot. „Blut“, hauchte er. „Wer zum Teufel seid ihr zwei eigentlich?“

In diesem Moment sprang Jack mit einem wilden Schrei in die Tiefe, seinen Dolch, den er immer in seinem Gewand versteckte hoch erhoben. Doch der Paladin sah nicht mal auf, er hob nur die Hand und blaffte ein Wort in einer fremden Sprache. Jacks Fall stoppte plötzlich, als ihm eine Druckwelle engegenschoss, die jeden Schlag übertraf, den er je abbekommen hatte.

Dieser Schlag nahm ihm die Luft weg und er konnte nicht einmal schreien. Die Wucht des Schlages trug ihn bis aufs Dach, auf dem er liegen blieb. Er hörte noch, wie Bill einen spitzen Schrei ausstieß, als der Lange ihn packte und ins Ratshaus zerrte.

„Ihr wagt es, euch den heiligen kirchlichen Paladinen entgegenzustellen?“ schrie er. „Ihr wagt es, unsere heilige Mission-“

„Laber, laber, laber – imma des ew`ge Gequatsche!“ maulte Edward.

„- zu stören?“

Bill sah sich ängstlich um. Der Lange hielt seinen Umhang fest und schien ihn mit seinem Blick durchbohren zu wollen, so wütend sah er aus. Er schien eine Antwort von ihm zu erwarten, also beschloss er, es so einfach wie möglich zu halten.

„Ja“, sagte er knapp.

„JA?“ brüllte der Lange. „JA? HAST DU AUCH NUR DEN LEISESTEN-“

Edward seufzte und rollte mit den Augen.

„-HAUCH EINER AHNUNG WAS WIR HIER VERSUCHEN-“

Edward nickte geduldig und legte sich hin.

„-ZU VERHINDERN? WIR SIND GESCHICKT WORDEN, UM-“

Der Dicke rollte sich herum und begann vernehmlich zu schnarchen. Das reichte.

Der Lange drehte sich wutentbrannt um und schrie jetzt ihn an. „UND DU“, brüllte er -seine Stimmbänder mussten aus Stahl sein um so viel Gekreische auszuhalten-, „GLAUBST DU WIR SIND HIER AUF EINER KREUZFAHRT? WIR SIND DIE HEILIGEN WERKZEUGE UNSERES GOTTES, SE-“

„Oiso, wenn a du nix dageng host, dos i jetzad weidoschlof, don leg i mi jetz wida hie.“ Und dabei belies er es.

Für einen Moment hatte Bill den Eindruck, der Lange würde gleich platzen, so rot war er, doch dann besann er sich eines besseren und lächelte hinterhältig. „Vielleicht“, sagte er jetzt in einem normalen Tonfall, „hast du ja vergessen, weshalb du hier bist. Ich bin es, der dich auf deine Tauglichkeit für deine Wiedereinstellung nach dreizehn Jahren testen soll, und ich kann auch gleich Sir Valentine rufen.“

Der Dicke zuckte kaum merklich zusammen, als der Lange diesen Namen erwähnte und flüsterte: „Erwähne in meiner Gegenwart nie wieder diesen Namen.“

Bill fröstelte. Der Lange aber redete einfach weiter. Er schien Bill vergessen zu haben.

„Also, ich kann deinem alten Kameraden ja auch einen Brief schreiben. Was glaubst du, wer du bist? Ein Wort an Valentine und-“

„NIE WIEDER!“

Der Dicke sprang erstaunlich schnell auf, zückte noch in der Luft sein Breitschwert und griff den Langen damit aus der Drehung an. Dieser schien nichts anderes erwartet zu haben und hielt grinsend seine Hand zwischen sich und die Waffe. Die Luft schien als bewege sich etwas darin, obwohl man nichts sah und Sir Edward schlug in eine unsichtbare Wand. Der Lange sprang flink drei Meter zurück und zückte ein kleines silbernes Wurfmesser. Auch der Dicke landete wieder, richtete sich sofort auf und ging in Abwehrstellung. Bis jetzt hatte der Kampf nur Sekunden gedauert.

Nun ging der Dünne zum Angriff über. Er fing an, ganz normal auf Edward zu zugehen, als mache er einen gemütlichen Spaziergang – wäre da nicht dieses Messer gewesen. Es hatte statt einem Knauf einen soliden Ring, an dem ein dünner Draht befestigt war. An diesem, etwa 20cm langen Draht hielt er es und lies es kreisen, erst langsam, dann immer schneller. Noch immer lächelte er spöttisch.

Edward schien zu wissen, was es mit dem Messer auf sich hatte, denn er wich zurück. Einen kleinen Schritt nur, obwohl ihm sein Verstand sagte, dass dies nicht genug war. Und schon gar nicht solle er angreifen – aber seinem Verstand hatte er noch nie wirklich getraut. „Imma feste druf!“ schrie er und sprang vor. Gleichzeitig lies der Lange den Draht los und fing an, seine Hände vor seiner Brust blitzschnell in eine komplizierte Reihe von Verrenkungen zu bringen. Bill traute seinen Augen nicht.

Jedes mal, wenn die Hände des Langen aufeinander trafen, blitzte kurz ein Schriftzeichen auf, eine Art Rune. Und obwohl er sich im Moment nicht verteidigen konnte, schlug der Dicke nicht auf ihn sondern auf das Wurfmesser ein.

Dann ging alles rasend schnell. Das Messer glühte hell auf, kurz bevor es die Klinge des Dicken erreichte. Plötzlich explodierte es in grellem Licht, der ganze Raum wurde weiß; das Licht raubte jedem die Sicht. Dann flog der Dicke gegen die Wand – sein Schwert kurz darauf gut zwei Meter neben ihm. Aber der Lange hatte die Distanz falsch eingeschätzt; auch er taumelte nach hinten. Ein Lichtstrahl schnitt wie ein Schwert durch die Luft und traf einen schwarzen Ledergurt, der ihm quer über der Brust hing. Sein schweres, eisernes Kreuz wurde von der Druckwelle fortgetragen und segelte auf Bill und das Fenster zu, viel zu schnell, um noch auszuweichen. Er schrie und wollte noch aus dem Fenster springen, als eine Hand seine Kapuze zu fassen bekam und ihn zur Seit wegzog. Nur Augenblicke später zerbrach das Kreuz den Fensterrahmen und fiel in den schwarz glänzenden Fluss. Bill sah nach oben, und was er sah, überraschte ihn nicht im Mindesten.

„Jetzt wäre ein gutes Seil doch ganz nützlich“, bemerkte Jack.

Bill vs. ???

Jack zog Bill aufs nächstgelegene Fensterbrett. Es war kaum genug Platz für die Beiden und im Fenster selbst war es so dunkel, dass sie nicht hineinsehen konnten. Aus dem Zimmer unter ihnen drang Kampflärm.

„Wir sollten hier verschwinden“, sagte Bill, „die beiden da unten sind richtige Monster. Ich hab selbst gesehen, wie der Lange eine Explosion mit einem Wurfmesser verursacht hat.“

Jack schwieg, nickte dann aber. Sie sprangen von Fensterbrett zu Fensterbrett nach oben, nicht mehr sehr darauf bedacht, leise zu sein. Der Fluss lag ruhig und schwarz unter ihnen, der Lärm war verstummt. Gedämpft hörten sie die Stimme des Dicken, konnten aber nicht verstehen, was er sagte. Jack half gerade Bill die letzten paar Meter hoch, als urplötzlich der Lange etwas schrie. Kurz darauf folgte eine Art Schrei, nicht wirklich laut, aber tief und so durchdringend, dass die zwei Diebe sich instinktiv die Ohren zuhielten. Was zur Folge hatte, dass Bill fast wieder abgestürzt wäre, hätte Jack nicht im letzten Moment nach seiner Hand gegriffen. Er zog Bill aufs Dach. Der Ton wurde lauter und war mittlerweile sogar hier oben so durchdringend, so voller roher Gewalt, dass die Schindeln krachend gegeneinander schlugen und die Wände vibrierten. Das Schlimmste aber war, dass sie den Schrei selbst dann noch hörten, als sie schon aufs nächste Dach gesprungen waren und sich die Ohren zustopften. Und er wurde immer lauter.

Jack sagte etwas, aber Bill verstand ihn nicht. Der magische Schrei – denn um Magie handelte es sich hierbei sicherlich – überlagerte jetzt schon alle anderen Geräusche. Überall flammten Lichter in den Fenstern der Häuser auf und Leute liefen auf die Straßen. Dann verstummte der Ton, urplötzlich, als sie schon dachten, ihn nicht mehr ertragen zu können. Und dann erst zeigten sich seine vollen Auswirkungen: einige Menschen begannen im Kreis zu laufen, andere fielen mit einem irritierten Gesichtsausdruck der Länge nach hin. Bill sah einen Moment lang verständnislos dem merkwürdigen Treiben auf den Straßen Yenis zu, als er auf einen Schlag von einer heftigen Übelkeit überrollt wurde. Überrascht schlug er die Hand vor den Mund, um ein Aufstöhnen zu verhindern, und sank auf die Knie. Alles drehte sich, er sah doppelt und konnte sich weder bewegen noch einen klaren Gedanken fassen. Dann spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Und diesmal schrie er auf.

Die Hand brannte wie flüssiges Feuer, kalt und heiß zugleich. Er riss sich los und der Schmerz verebbte langsam. Die Übelkeit war weg, aber nun schien sich sein Blut um ein paar Grade abgekühlt zu haben. Er sah auf, um zu sehen, wer ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte und sah – Jack.

„Was ist?“ fragte er.

„Nichts“, log Bill.

Er lies sich von Jack aufhelfen und der erwartete Schmerz blieb aus. Dann rannten sie aufs nächste Dach – sie hörten nun wieder Kampflärm, aber diesmal auf der Straße. Als er sich kurz nach unten drehte, sah er eine Gruppe gepanzerter Soldaten, königliche Wachen, wie er vermutete, und der lange Paladin. Doch dann waren sie zu weit weg, er verlor die Kämpfenden aus den Augen und richtete seinen Blick wieder nach vorn. Er zog seine Augenbrauen steil zusammen. Warum zum Teufel kämpfte ein Paladin gegen Stadtwachen, die dem König unterstellt waren? Aber schließlich zuckte er mit den Schultern und tat es als unwichtig ab.
 

5 Minuten davor

Kampf: Sir Edward vs. ???
 

Er konnte es nicht fassen. Sein Kreuz. Im Fluss. Und sein Partner. Vor ihm. Gegen ihn kämpfend.

„Was soll das, Edward?“ schrie er. „Kannst du es nicht ertragen, Valentine's Namen zu hören? Ich werde das melden, das ist dir klar, oder?“

„Du“, sagte Edward und spuckte Blut. Er riss sich von der Wand los, durch die er fast durchgebrochen wäre. „Du hast in nächster Zeit gar nichts zu melden. Weißt du nicht, wie mein Auftrag lautete...?“

Der Lange legte seine Stirn in Falten. „Was meinst du?“

„Beantworte meine Frage.“

„Wir hatten den Auftrag“, sagte der Lange, während er ein langes, dünnes Schwert zog und sich auf Edward zubewegte, „den Widerstand gegen das Königreich im Geheimen zu unterstützen, da Valentine glaubt, dass der König ein Überläufer ist.“

„FALSCH!“ schnauzte der Dicke. Gleichzeitig parierte er mühelos zwei schnelle Schläge des Langen. „Ich hatte einen Sonderauftrag.“

Der Lange ließ von ihm ab, aber nur um sofort wieder auf ihn zu stürzen. Einen Moment lang klebten ihre Klingen aneinander, der dünne lange Bihänder des Langen gegen das einhändig geführte Breitschwert des Dicken. „Was für einen? Vielleicht noch ein paar Souvenirs mitbringen?“

Die Lippen des Dicken kräuselten sich. „Nein. Ich sollte dich vernichten, solltest du wirklich zum Widerstand gehören. Und das tust du. Und du hast im Moment nicht einmal dein Kreuz, an dem deine Macht hängt.“

Damit hebelte er dem Langen mühelos das Schwert aus der Hand und schlitzte ihm den Brustkorb auf. Blut regnete auf den Boden und das fassungslose Gesicht des Langen spiegelte sich in den Augen von Sir Edward, in denen man nur Hohn lesen konnte, den sein Blick richtete auf ihm aber er sah ihn nicht. Das war das Ende des namenlosen Paladins, der seinen Namen verpfändete, um seinen Ruf zu stärken. Nicht einmal sein Mörder hätte den Namen des Magiers aussprechen können, der in diesem Moment zu schreien begann.

Verfolgung

Er schrie. Der lange Paladin schrie.

Aber es war kein normaler Schrei. Er legte seine ganze Kraft, seine magische wie seine körperliche, seine Gedanken und seine Gefühle in diesen einen, lang gezogenen Verzweiflungsschrei.

Die Luft begann zu vibrieren. Der Dicke taumelte zurück und hielt sich die Ohren zu. Was ihm natürlich nicht im Mindesten half. Er stieß gegen eine Wand, ihm wurde schlecht, er fiel hin. Er konnte nicht sagen, wo oben und wo unten, wo rechts und wo links waren – er verlor sich in diesem Schrei. Der Lange wurde immer lauter; dunkles Blut quoll aus seinem Mund. Und er stand da und projezierte seinen ganzen Willen, alle Gedanken, Hoffnungen und Träume auf einen einzigen Wunsch – den Dicken zu vernichten, ihn vollends zu zerstören und seine Asche in alle Winde zu zerstreuen. Er schrie, schrie, schrie seinen Hass und all seine Verachtung in die Welt hinaus, minutenlang, wurde immer lauter. Edward versuchte sein Schwert aufzuheben, aber er konnte seinen Arm nicht weit genug heben und fiel wieder hin. Er hatte nicht einmal genug Kraft um sich die Ohren weiter zuzuhalten. Feiner Staub und Gesteinsbröckchen lösten sich von der Decke und rieselten auf den Dicken herab. Risse überzogen die Wände und nun fielen vereinzelt auch größere Steine herunter.

Der Lange stand einfach da, blutete immer heftiger und wusste, dass er sterben würde. Der Schrei hatte auch auf seinen eigenen Körper , der schon lange seine eigenen Grenzen überschritten hatte, Wirkung: Seine Wunden rissen weiter auf, Blut und Tränen rannen über sein Gesicht. Wie hatte alles nur so schief gehen können?

Sein Leben zog an ihm vorbei. Wie in einem Film erlebte er alles noch einmal – verschwommene Bilder aus seiner Kindheit, seine Aufnahme bei der Kirche, seine Nachforschungen, sein Ergebnis, dass der König zu unzuverlässig und beeinflussbar war, seine Kontaktaufnahme mit dem Widerstand – und wie er zum Schluss seinen eigenen Namen verkauft hatte, um stärker zu werden. Seine Reue nach dieser Entscheidung. Seine Stunden voll Einsamkeit und Trauer.

Und der Mann, der ihn aus der Hölle geholt hatte.

Er hörte auf zu schreien. Irgendwo in ihm regte sich ein letzter Funken Lebenswillen.

Er sah auf. Vor ihm, halb gegen die Wand gelehnt, lag Sir Edward, mit Blut und Schutt bedeckt und sein Schwert neben sich auf dem Boden. Vor ihm lag ein großer, sicher an die zwei Zentner schwerer Gesteinsbrocken. Er war blutig.

Traurig schüttelte er den Kopf, als sich der Dicke zu bewegen begann.

„Du vertraust ihm immer noch, oder?“, fragte Edward leise, aber erstaunlich gelassen.

Er antwortete nicht. Ein paar Augenblicke verstrichen.

„Du glaubst an ihn! Für dich war er doch immer der große Held, der dich gerettet hat. DU BEWUNDERST DIESEN ABSCHAUM DOCH! DIESEN VERRÄTER!“ Die letzten Worte schrie er laut, trotz seinem Zustand.

Der lange antwortete auch dieses mal nicht sofort. Dann entgegnete er leise: „Sir Ellbow hat mehr für die Kirche getan, als es Ray, Valentine oder Serpentin getan haben. ER hat dieses Land geeint, nicht sie.“ Damit wandte er sich ab. Er hatte nichts mehr zu sagen. Er wusste, dass er sterben würde.

Er wandte sich dem Fluss zu. Die Außenmauer war zum Großteil zerstört, so dass er das andere Ufer sah.

Er wandte sich Flussabwärts, schließlich brauchte er sein Kreuz. Sein Kreuz. Plötzlich kam ihm eine Idee.

Wenn er es schaffte, sein Kreuz wieder zu bekommen, konnte er sich vielleicht heilen. Neue Entschlossenheit durchströmte ihn und gab ihm Kraft. Er setzte sich in Bewegung.

In der Nähe hörte er Rüstungen klappern.
 

Etwa zur gleichen Zeit ein paar Straßen weiter
 

Bill und Jack sprangen von Dach zu Dach. Die Häuser in dieser Gegend waren nur notdürftige, kleine Hütten, die nur wenige Zentimeter auseinanderlagen. Dies ermöglichte eine schnelle Flucht, war aber sehr viel auffälliger als bei den mehrstöckigen Häusern vorher, weswegen ihnen bereits jetzt mehrere gepanzerte Soldaten auf der Straße folgten.

Bill warf einen hastigen Blick zurück. Drei Wachen rannten die Straße hinab; zwei trugen nur Kettenhemden, leichte Lederpanzer und einhändige Langschwerter, der dritte folgte ihnen in voller Rüstung und mit einer wuchtigen, schwarzen Streitaxt über dem Rücken, aber alle hielten sie mühelos mit ihnen Schritt. Es war wie verhext: selbst der mit der Rüstung – und es war keine Leichte! - rannte genauso schnell wie sie, rannte sogar schneller als die beiden anderen.

„Sie verfolgen uns!“ rief Bill. Jack nickte nur. Und lief schneller.

Die Wachen kamen immer näher, und je näher sie kamen, desto mehr häuften sich Bills Zweifel, dass es sich wirklich um ganz normale Stadtwachen handelte. Die beiden mit den Kettenhemden trugen eindeutig elfische Langschwerter, und die Rüstung des Großen schimmerte silbern. Es schienen Paladine zu sein, doch was machten so viele Paladine um diese Zeit in einer so unbedeutenden Kleinstadt wie Yenis?

Und dann lief Bill in eine Wand. Das heißt, er glaubte, in eine Wand zu laufen, bis er merkte, dass es ein Mensch war, der wie sie über die Dächer geflohen war. Er prallte zurück und verlor das Gleichgewicht. Er fiel. Er rollte sich ab. Und knallte mit dem Kopf frontal gegen den Griff einer Streitaxt. Stöhnend wälzte er sich herum, den Tränen nahe. Wie konnte ein einzelner Mensch an einem einzigen Abend nur so viel Pech haben?

Er blutete heftig. Die Axt hatte ihn frontal erwischt: auf seiner Stirn prangte eine heftig blutende Platzwunde. Blinzelnd wollte er sich aufrichten, als etwas hart gegen seine Rippen prallte und ihn in hohem Bogen vom Dach katapultierte. Er landete kopfüber in einem Komposthaufen und blieb dort besinnungslos liegen.

„Was fällt dir eigentlich ein?“ schrie der Mann, in den er hineingelaufen war, empört. „Ich bin gerade vor ein paar Wachen geflohen, als -“

Er stoppte, als er merkte, dass die von ihm genannten Wachen – fünf an der Zahl, allesamt mit den gleichen dünnen Lederpanzerungen und Elfenschwertern wie die zwei, die sie verfolgt hatten – hinter ihm Aufstellung bezogen hatten. Jack war verschwunden.

„Verdammt“, sagte der Fremde grinsend und zückte einen kleinen, silbernen Revolver. Bill hatte sich unterdessen befreit und musterte den Neuankömmling entsetzt.

Er trug eine leichte, hellbraune Stoffjacke (obwohl mittlerweile Herbst war!“), die vorne offen war, eine dunkelbraune Lederhose, die von einem breiten Gürtel gehalten wurde, spitze Lederstiefel von der gleichen Farbe, die an den Absätzen kleine Silbersporen hatten, und einen dunkelbrauner Hut.Er hatte blaue Augen und schien sehr jung zu sein, irgendwo zwischen 20 und 25 Jahre. Aber am meisten erschreckten Bill seine Haare: sie waren auch dunkelbraun mit hellbraunen Strähnen. Alles in allem sah er aus wie ein Cowboy, fand Bill.

Dann legte er los. Wie auf ein geheimes Kommando zückten alle Schwertkämpfer ihre dünnen, silbernen Klingen und griffen noch im selben Atemzug an. Der Cowboy lies sich nach hinten fallen, drehte den Oberkörper und feuerte zwei Kugeln aus seinem kleinen Revolver ab, was ihm zusätzlichen Schwung verlieh.

Alle fünf Klingen schlugen ins Leere, wobei sich einige so verkanteten, dass sie aus der Hand ihrer Besitzer gerissen wurden. Der Fremde indes kickte einem der Paladine aus der Drehung so hart gegen die Brust, dass er förmlich nach hinten flog und dabei einen seiner Kollegen mitriss. Noch bevor der Rest reagieren konnte riss der Cowboy eines der Elfenschwerter vom Boden und führte einen diagonalen hieb von unten gegen die drei restlichen Soldaten, von denen zwei wie vom Blitz gefällt umfielen und ihre Hände gegen ihre Wunden pressten. Nur der Dritte schaffte es, den wuchtigen Schlag mit seiner eigenen Klinge abzufangen, doch noch ehe er Zeit hatte, zu realisieren, was vor sich ging, lies der Fremde seine eigene Waffe los und brach mit der bloßen Hand durch die Deckung des Paladins und riss seinen Kopf nach hinten. Noch ehe er am Boden aufkam, sah sich der Fremde um, erblickte Bill und sprang zu ihm. Dieser wollte schon entsetzt aufschreien, aber der Fremde presste ihm eine Hand auf den Mund, klemmte ihn sich unter den Arm und versteckte sich zusammen mit Bill hinter einem kleinen Karren. Gerade noch rechtzeitig.

Schon brach die massige Gestalt des Gepanzerten durch die immer dichter werdende Menschenmenge (es schien so, als hätte niemand etwas von dem kurzen Kampf auf dem Dach mitgekriegt), sah sich kurz um und lief dann weiter. Kurz darauf folgten die zwei Anderen, sprangen aufs Dach und begannen sofort, sich um die Verletzten zu kümmern. Glücklicherweise standen sie unter Schock und konnten ihnen daher die Richtung, in die die Diebe geflohen waren, nicht verraten.

Bill atmete auf, und als gerade kein Paladin hinsah, huschten zwei Gestalten hinter dem Karren eines einfachen Gemüsehändlers hervor und schlüpften durch die Menschenmasse davon.

Noch mehr gestörte Charaktere!

Jack spähte die Straße entlang.

Bei ihrer Flucht über die Häuser hatte er Bill verloren und es erst gemerkt, als er sich nach ihren Verfolgern umsah. Nur der mit der Axt verfolgte ihn immer noch, wo der Rest war, konnte er nicht sagen.

Nun stand er zwischen zwei einfachen Holzhütten am Rand der Stadt und beobachtete den letzten Paladin. Dieser hatte anscheinend sofort gemerkt, dass sein Opfer noch in der Nähe war, denn als Jack vor wenigen Sekunden anhielt, mit der Absicht, den Paladin einfach an sich vorbei rennen zu lassen, hielt auch dieser an, und nun schritt er langsam die Straße ab.

Jack verfolgte jede seiner Bewegungen, die unnatürlich geschmeidig wirkten, obwohl er eine sehr klobige Rüstung trug, und wartete auf eine Gelegenheit zu fliehen. Der Gepanzerte jedoch ließ sich sehr viel Zeit. Mit merkwürdig flüssigen Bewegungen schlenderte er die Straße entlang und hielt seinen Kopf in die Luft. Jack hielt den Atem an. Er musste weg, so viel war ihm klar. Vorsichtig setzte er einen Fuß zurück – und stieß prompt mit dem Fuß gegen eine auf dem Boden liegende Bratpfanne. Er fluchte derb und rannte los. Hinter ihm erklang ein seltsam triumphierend klingendes Schnaufen und kurz darauf das klappernde Geräusch, das gegeneinander stoßende Stahlplatten erzeugen. Er drehte sich nicht um sondern sprintete einfach geradeaus. Der Paladin war ihm dicht auf den Fersen und kam ihm langsam aber stetig näher. Da sah er den Fluss.

Am Ende der schmalen Seitenstraße lag ein morscher Landungssteg, der nur durch drei dünne Pfosten gehalten wurde. Rechts davon befand sich der nächste Steg, der jedoch viel neuer und stabiler aussah. Da hatte er eine Idee.

Jack beschleunigte und hielt auf das Ufer zu. Noch fünf Meter.

Der Paladin zog nach, hatte ihn schon fast. Noch vier Meter.

Jack verfing sich in einem Fischernetz, strauchelte und fing sich wieder. Noch drei Meter.

Der Paladin setzte zum Sprung an und kreischte wütend. Ein unheimliches Geräusch. Noch zwei Meter.

Jack und der Paladin sprangen gleichzeitig. Noch ein Meter.

Der Paladin bekam Jacks Fuß zu fassen und zog mit der rechten Hand seine Axt vom Rücken. Sie befanden sich jetzt über dem Steg.

Jack drehte sich in der Luft und grinste den Paladin an. Die Zeit schien Still zu stehen. Verwirrt sah der Paladin ihn an. Warum grinste der Bengel nur so siegessicher? Er trug schließlich eine 300 – Kilo Rüstung.

Da hob Jack seinen rechten Fuß hoch und trat den Paladin mit der Ferse gegen den Helm. Und der ließ ihn los.

Dann krachte der Gepanzerte durch das morsche Holz und versank im schlammigen Wasser. Jack rettete sich auf einen anderen Steg und blieb auf dem Rücken liegen. Ihm wurde schwarz vor Augen. Das letzte was er sah, war eine schwarze Streitaxt auf dem Wasser. Er kam nicht mehr dazu, diesen Anblick zu Hinterfragen.
 

Irgendwo anders
 

Bill saß auf einem Stuhl.

Der Cowboy zündete eine Öllampe an. Er hatte Bill mit in ein ziemlich schlimmes Viertel der Stadt genommen, in dem sich alle Diebe, Räuber, Mörder, Betrüger und angeblich sogar Piraten in der Nacht trafen und tranken. Der Fremde hatte ihn in eine verqualmte, übel riechende Kneipe gebracht und sich bei dem etwas rundlichen, glatzköpfigen Wirt, den er scheinbar gut kannte, ein Zimmer und eine Flasche Rum geben lassen. Dann waren sie gleich nach oben in eine kleine Abstellkammer gegangen, die der Fremde als Zimmer bezeichnete, gegangen.

Nun setzte dieser sich auf das dürftige Klappbett, da Bill auf dem einzigen vorhandenen Stuhl saß, und sagte: „Ich heiße Wayne. Wie du sicher gemerkt hast, bin ich zur Zeit Dieb. Da du auch über die Dächer geflohen bist, nehme ich an-“

„Ich bin nicht geflohen. Wir waren nur unterwegs frische Luft schnappen.“

„Schon klar.“ Wayne hob die Rumflasche und nahm einen kräftigen Schluck. „Deswegen warst du ja auch auf dem Dach.“

„Die Luft da oben ist eben besser als auf den Straßen.“

Wayne wollte auflachen, verschluckte sich, klopfte sich mit der Faust gegen die Brust und prustete: „Mit sechs Paladinen hinter dir?“

„Zufall.“

„Alle Kampfbereit?“

„Kann schon sein.“

Wayne ließ sich zurücksinken. Er hatte seinen Lachkrampf soweit unter Kontrolle und erwiederte: „Also eins muss ich dir lassen: Lügen kannst du. Also, wenn ich es mir Recht überlege, ist es ja auch egal, wer oder was du bist. Aber nach der Nummer heute müssen wir aus der Stadt raus. Und deinen Kumpel müssen wir auch suchen.“

„Woher weißt du- ?“

„Du hast vorhin davon gesprochen, dass „Ihr“ geflohen seit. Das heißt da muss noch mindestens einer sein. Und da ich deine Freunde bestimmt gesehen hätte, wären es mehrere gewesen, schließe ich auf genau einen. Und anscheinend habe ich recht.“

Bill biss sich auf die Zunge. „Dann müssen wir jetzt los.“

Wayne lächelte unter seinem Hut.

„So sieht's aus.“
 

Zur gleichen Zeit, im Ratshaus
 

Edward lag da. Er hatte nicht genug Kraft um aufzustehen. Und er würde verbluten, wenn es so weiter ginge. Aber er konnte nur dasitzen und zusehen, wie die schwarzen Punkte, die er überall sah, sich langsam verbanden.

Ein Lufthauch strich von der zerstörten Wand her über sein Gesicht. Der Sterbende hob den Kopf.

In der Öffnung in der Wand standen zwei Gestalten. Die eine, groß und dürr, mit glänzenden Haaren und einem langen, weißen Gewand, das über und über mit Silbereinlagen verziert war und die andere, klein, vermummt und unheimlich. Der Kleine wirkte irgendwie aufgeplustert, und selbst auf diese Distanz und ohne Licht sah Edward das linke Auge der unheimlichen Figur aufblitzen.

Der Lange ging auf ihn zu; schon längst hatte er den verletzten Paladin erkannt – und dieser ihn. Er beugte sich zu ihm herunter und fragte: „Was ist hier geschehen?“ Seine Stimme klang alles andere als nett. Edward wollte antworten, doch er konnte nicht. Seine blutenden Lippen öffneten und schlossen sich mehrmals, doch es drang allein ein jämmerliches Röcheln aus seinem Mund. Genervt stand der Lange auf und drehte sich um.

„Varon! Heilen! SOFORT!“

Der Kleine schwieg, sprang dann aber mit einem Satz die drei Meter zu Edward hin. Federleicht glitt er durch die Luft und erst jetzt erkannte Edward, dass seine Haare wie Stacheln durch seine Kapuze drangen, die aus mehreren um seinen Kopf gewickelten Bändern bestehen zu schien. Obwohl sie sehr lang wahren, etwa 30 Zentimeter, standen sie schnurgerade in alle erdenklichen Richtungen ab, immer mehrere zu einem Stachel geformt. Für so was braucht man tonnenweise Haargel, dachte Edward.

Der Vermummte landete vor ihm. Federleicht kam er auf, ohne auch nur das leiseste Geräusch zu verursachen. Edward erkannte, dass er viel kleiner war als es auf den ersten Blick ausgesehen hatte; er befand sich, ohne sich zu bücken, genau auf seiner Augenhöhe. Er hob den rechten Arm, der in einem viel zu langen Ärmel steckte, vor die Brust des Paladins. Sein Auge blitzte hell auf und urplötzlich wurde Edward von einer Hitzewelle erfasst. Ungläubig riss er die Augen auf. Seine Schmerzen waren verschwunden und er konnte wieder klar sehen.

Der Lange lächelte zufrieden.

„Also noch einmal: Was ist hier passiert?“

Edward schaute zu ihm hoch.

„Nur, was sie erwartet hatten, Sir Valentine.“
 

Kurze Zeit später
 

Jack spuckte Wasser aus und keuchte. Neben ihm saß Bill und hielt ihn fest, während ein merkwürdiger Cowboy neben den zwei hockte und zum Aufbruch drängte. Auf seinen fragenden Blick hin erklärte Bill ihm, dass sie fliehen müssten, weil immer noch Paladine hinter ihnen her waren. Aber für weitere Erklärungen war später auch noch Zeit.

„Kannst du laufen?“ fragte Mister Pseudo – Cowboy.

Er verzog den Mund, nickte aber.

Als ihm Bill aufgeholfen hatte, sah sich der Cowboy noch einmal um - und erstarrte plötzlich.

„Lauft. JETZT.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2010-11-08T08:58:38+00:00 08.11.2010 09:58
Hi^^

Wow wirklich cool und lustig und wieder sehr spannend geschrieben.
Irgendwie freue ich mich jetzt schon auf diesen Sir Ellbow XD

Also wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann sind Jack und sein Kumpel Bill Diebe und die anderen Zwei sind Paladine der Kirche??
Wirklich strange O.o
Nun gut da diese Kapitel auch nicht sooooo lang war, bleibt mir an dieser Stelle nicht mehr zu sagen als das, ich hoffe das du bald weiter schreibst und mir vllt eine Ens schickst wenn das neue Kapitel hochgeladen ist^^

Monkey
Von: abgemeldet
2010-11-08T08:47:44+00:00 08.11.2010 09:47
Hi^^

Cooler und vor allem spannender Prolog^^
Zwar etwas kurz aber dennoch ziemlich gut geschrieben, hier und da sind zwar noch ein paar Rechtschreibfehler aber die kann man ganze einfach beseitigen.

So dann werd ich mir jetzt mal das erste Kapitel durchlesen^^

Monkey



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