Eins plus eins macht drei! von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 36: Shikamarus Krise ---------------------------- Ein herzliches Dankeschön für eure Kommentare! :) Was die Länge der Geschichte betrifft, seid ihr nicht gerade geteilter Meinung, und ich habe auch nicht vor, innerhalb der nächsten zehn Kapitel Schluss zu machen (das wäre inhaltlich gar nicht möglich – momentan bin ich in der groben Planung so bei 55 Kapitel), allerdings wird sich das Baby genauso wenig in nächster Zeit die Ehre geben. Wenn ihr deswegen nicht mehr weiterlesen möchtet, kann ich es sehr gut nachvollziehen – mir gefallen die Ausmaße, die diese Fanfic inzwischen angenommen hat, auch nur bedingt, aber ich möchte jetzt auch nicht alles schnell abarbeiten und einiges, das ich noch vorhabe, verwerfen. Das käme mir so lieblos vor und würde die zweieinhalb Jahre, die ich bisher in diese Geschichte hineingesteckt habe, sinnlos erscheinen lassen. Ich wünsche (trotz jeglicher Langatmigkeit) viel Spaß beim Lesen! ════════════════════════════════════════════════════ Kapitel 36: Shikamarus Krise „Guten Morgen!“ Unsanft wurde Shikamaru aus dem Schlaf gerissen. „Wie spät ist es?“, murmelte er. „Halb acht.“ „Dann gute Nacht!“ Er zog sich die Decke über den Kopf, um weiterzuschlafen. Temari zerrte sie ein Stück zurück und sagte: „Du hast genug gepennt! Zeit, um dich seelisch auf das Training vorzubereiten.“ „Noch vorbereiteter kann meine Seele nicht sein“, erwiderte er und dachte: Im Gegensatz zu anderen Dingen zumindest. „Weck mich um halb zehn wieder. Frühestens.“ „Ohne vernünftiges Frühstück kommst du mir aber nicht aus der Wohnung.“ „Weil?“ „… du sonst absolut nicht zu gebrauchen bist!“, vollendete sie. „Du sollst Shuiro schließlich nicht zeigen, wie man den Tag auf ’ner Wiese verpennt, weil du nicht mal genug Energie hast, um dich wach zu halten.“ „Gut, ich ess nachher was, wenn du mich jetzt noch eineinhalb Stunden in Ruhe schlafen lässt. Ich hab letzte Nacht kaum ein Auge zugekriegt.“ „Ja, weil du gestern drei Stunden auf einer Wiese verschlafen hast.“ „Und?“ „Du hast Shuiro damit stinksauer gemacht! Er kam zu mir und wollte, dass ich ihm einen zuverlässigeren Sensei zuteile.“ „Hast du?“ „Selbstverständlich nicht.“ Irgendwie schade … Der Junge machte nämlich einen sehr anspruchsvollen Eindruck auf ihn – so anspruchsvoll wie einer dieser hyperaktiven Border Collies, die man den ganzen Tag über beschäftigen musste. „Vielmehr stört mich aber an deinem ausgiebigen Nickerchen, dass es drei Stunden waren, die dein Kind und ich unnötig auf dich verzichten mussten.“ Schon verflüchtigte sich Shikamarus Müdigkeit. Seine Krise hatte ihm mit einer deftigen Ohrfeige einen wunderschönen guten Morgen gewünscht und mit einem Arschtritt in die harte Realität zurückbefördert. „Okay“, murmelte er. „Ich steh auf.“ „Ach, Quatsch, das brauchst du nicht“, wehrte Temari ab. „Das war doch eben nur so dahergefaselt. Du kannst ruhig noch schlafen und die verlorenen Stunden ein anderes Mal nachholen.“ Sie küsste ihm auf die Schläfe, stand vom Bett auf und ging in die Küche. Verlorene Stunden … Davon schien er bald eine ganze Menge zu haben. Als er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, überkam ihn ein solches Ekelgefühl, dass er eine Gänsehaut bekam. Nur ein widerlicher Mistkerl bezeichnete die gemeinsame Zeit mit seiner Familie als verloren. --- Shuiro wartete am Eingang des Hokageturms, tippte nervös mit den Füßen auf und ab und starrte auf die Uhr. Es war zwar erst zwanzig vor zehn und somit zwanzig Minuten vor Trainingsbeginn, doch er hatte das Bedürfnis, seiner Wut freien Lauf zu lassen, wenn sein neuer Sensei nicht innerhalb der nächsten zweihundertvierzig Sekunden aufkreuzte. Und der Typ war augenscheinlich von der Sorte, die gerne mal zu spät kam. Shit, warum hatte er nicht versucht, sich mit Genma-senseis Trainingsmethoden anzufreunden? Tja, das hatte er nun davon. Er war von der Gurke zur Zucchini weitergereicht worden – beides grün und fad im Geschmack. Ein Prüfungsteilnehmer und sein Sensei – der nebenbei bemerkt einen starken Eindruck machte – kamen aus dem Gebäude und schlenderten nah an ihm vorbei. Shuiros Blick verdunkelte sich und er spürte den blanken Neid in sich aufsteigen. Womit hatte er es verdient, nur an Flaschen zu geraten? „Du solltest anderen lieber nicht neidisch hinterher gucken, sondern um dich selbst kümmern.“ Der Junge wandte sich hektisch zur Seite und entdeckte seinen Ich-bin-selbst-fast-noch-grün-hinter-den-Ohren-Lehrer. Aber grün oder nicht: Das plötzliche Auftauchen beeindruckte ihn ein wenig. „Schleichen Sie sich nicht so an!“, erwiderte er und erinnerte sich an gestern, als er sich geschworen hatte, diesem Kerl gegenüber niemals höflich zu sein. „Ich meine, schleich dich nicht so an!“ Unter normalen Umständen hätte Shikamaru wahrscheinlich geschmunzelt, aber danach war ihm wirklich nicht zumute. „Wenn du so kopflos in einen Kampf gehst, wird es auch für den dümmsten Gegner kein Problem sein, dich zu töten“, sagte er. „Außerdem steh ich hier schon seit zehn Minuten. Von Anschleichen kann also keine Rede sein.“ Shuiro blickte ihn sprachlos an. „Ich hatte also gut tausend Gelegenheiten, dir die Kehle aufzuschneiden, wenn ich gewollt hätte.“ Der Junge starrte weiter. Diese Direktheit beeindruckte ihn wirklich. All seine vorigeren Lehrer – Temari-sensei inbegriffen – hatten sich immer eher durch die Blume ausgedrückt. Nicht, dass das etwas Schlimmes war, aber in diesem Moment fühlte sich Shuiro irgendwie mehr respektiert und weniger wie ein kleines Kind behandelt. „Wir sind doch mitten im Dorf“, antwortete er langsam. „Die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemand ausgerechnet mich angreift, ist doch verschwindend gering.“ „Aber sie ist vorhanden“, sagte Shikamaru. „Und momentan sind viele Leute verschiedener Länder hier. Und man weiß nie, ob sich jeder an das Friedensabkommen halten wird.“ „Dann darf ich dir genauso wenig vertrauen.“ „Doch, vor mir hast du nichts zu befürchten.“ „Warum sollte ich das glauben?“ „Ich hänge an meinem Leben“, erwiderte er. „Und wenn ich dir etwas tue, bringt Temari mich um.“ Shuiro gelang es nicht ganz, sich das Lachen zu verkneifen und schnaubte belustigt. Seinen Ärger hatte er vorübergehend vergessen. „Hast du bei deiner Einstellung denn generell keine Angst, dass sie dich nachts im Schlaf erwürgt oder so?“ „Manchmal schon, generell nicht.“ Shikamaru rang sich ein kleines Lächeln ab und wartete auf die Reaktion des Jungen. Diesmal prustete er laut los. „Temari-sensei kann manchmal wirklich zum Fürchten sein“, japste Shuiro, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Dann fragte er: „Gehen wir dann jetzt trainieren?“ „Wie du willst.“ Sehr viel zuversichtlicher als noch vor ein paar Minuten folgte er seinem neuen Sensei. --- Das Kagenui schloss sich um Shuiros Hand- und Fußgelenke und machte ihn bewegungsunfähig. „Das war’s dann wohl“, bemerkte Shikamaru. Frustriert entspannte der Junge seine Muskeln und die Schattennähte zogen sich zurück. Selbst Genma-sensei hatte eine Viertelstunde gebraucht, um ihn in die Ecke zu drängen, und der war immerhin Jounin. Und nun besiegte ihn ein Konoha-Chuunin in weniger als fünf Minuten? Wie peinlich war das denn? „Du bist gar nicht schlecht“, fuhr sein Lehrer fort. „Nur ein bisschen nachlässig, was deine Deckung betrifft. Und du musst den Gegner genauer beobachten.“ „Ich hab’s ja versucht, aber wenn man nicht weiß, was der Gegner so kann, ist es echt schwierig.“ „Man weiß im Normalfall nicht, was der Feind an Techniken beherrscht. Deswegen beobachtet man ihn.“ Dieses Neunmalkluge ging Shuiro gehörig gegen den Strich. Er hatte zwar Recht, keine Frage, aber die Art und Weise, ihm diese Erkenntnis aufs Brot zu schmieren, war zu viel des Guten. „Ha ha“, machte der Junge sarkastisch. „Auf den Sinn und Zweck des Beobachtens wäre ich nie gekommen.“ Ja, das war eindeutig Temaris Schüler … „Mime nicht die Zicke. Frauen machen uns Männer mit ihrem Gezicke das Leben schon schwer genug, da musst du nicht auch noch damit anfangen“, erwiderte Shikamaru. „Ich meine es nur gut mit dir. Oder legst du es drauf an, in einem Kampf den Löffel abzugeben? Wenn ja, kannst du dich gleich verziehen, denn dann brauche ich meine wertvolle Zeit nicht mit dir verschwenden.“ Shuiro war erneut sprachlos und imponiert. Der Typ steckte irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn … „Nein, nein …“, nuschelte er schließlich. „Sorry, ich –“ Ja, was war mit ihm eigentlich? So bescheuert hatte er sich sonst nie aufgeführt. Oder versuchte er ihm den Job zu vermiesen, weil … „Du bist sauer, weil Temari dich nicht trainieren kann und ich derjenige bin, der dafür verantwortlich ist, stimmt’s?“, sprach Shikamaru seinen Gedankengang laut aus. „Nein, ich bin doch nicht nachtragend wie Koniro!“, stritt er sofort ab. „Ich bin doch kein dummes kleines Kind mehr.“ Bingo, ein Volltreffer ins Schwarze! „Trotzdem scheinst du irgendein Problem mit mir zu haben“, fuhr er sachlich fort. „Ist es mein Alter?“ Erneut zuckte Shuiro leicht zusammen und bestätigte seine zweite Vermutung. „Ich hab mir mein Alter nicht ausgesucht“, sagte er. „Aber wenn du wirklich Chuunin werden willst, musst du wohl oder übel über deinen Schatten springen und das, was dir an mir nicht passt, ausblenden.“ „Ich hab aber keine Pro–“ Der eindringliche Blick seines Sensei ließ ihn verstummen. Es war sinnlos, das Gegenteil zu behaupten. Er hatte einfach eine viel zu gute Auffassungsgabe, um auf so dumme Art und Weise hinters Licht geführt zu werden. Shikamaru lehnte sich gegen den nächsten Baumstamm und sah nach oben, auf der Suche nach einer Wolke. Fehlanzeige. „Warum willst du überhaupt Chuunin werden?“, fragte er anschließend. „Soll das ein Witz sein?“, entgegnete Shuiro. „Natürlich damit ich auf bessere und spannendere Missionen gehen kann! Entlaufene Haustiere fangen und eskortieren ist stinklangweilig!“ Okay, der Junge war gerade erst dreizehn Jahre alt – Teenager in dem Alter sahen die Dinge eben noch etwas anders und das konnte er ihm nicht verübeln –, doch diese Einstellung hatte absolut nichts mit einem ausgeprägten und gesunden Menschenverstand oder Intelligenz zu tun, dem seine Freundin ihrem ehemaligen Schüler zugesprochen hatte. „Gut“, begann Shikamaru, „dann sind wir hier fertig. Geh nach Hause!“ Shuiro klappte vor Empörung der Mund auf. „Was?“ „Du hast mich schon richtig verstanden.“ „Aber du bist mein Sensei!“, protestierte er. „Du wirst dafür bezahlt, mich zu trainieren.“ „Von den paar mickrigen Ryo mehr kann ich mir nicht mal ein Eis leisten“, gab er zurück. „Wenn ich dich weiter trainieren soll, überlege, warum du wirklich Chuunin werden möchtest. Shinobisein ist kein spaßiges Abenteuer, sondern bitterer Ernst.“ Er drehte sich um und hielt auf den Wald zu. „Warte!“, rief der Junge ihm nach. „Kannst du mir nicht wenigstens einen kleinen Tipp geben?“ „Nein, nicht solange du dich wie ein Kleinkind benimmst“, antwortete Shikamaru und setzte provozierend hinzu: „Sogar mein Patenkind ist vernünftiger als du und das ist noch nicht mal drei Jahre alt!“ Dann verschluckten ihn die Schatten der Bäume. Shuiro sah ihm einen Moment hinterher und brach vor Wut in Tränen aus. --- Izumo winkte Shikamaru zu sich heran, als er das Haupttor passierte. „Na, wie gefällt dir dein neuer Job?“, fragte er neugierig. „Wie soll das Training mit einem kleinen aufmüpfigen Bengel schon sein?“ „Seh’s doch einfach als kleine Übung für später an. Dein Kind wird auch irgendwann mal dreizehn Jahre alt werden.“ „Zum Glück wird es ein Mädchen und bis es soweit ist, vergehen noch mehr als dreizehn Jahre.“ „Bei der Mutter wird es bestimmt eine kleine Zicke“, flachste Izumo. „Temari war als junge Teenagerin garantiert nicht ohne.“ „So schlimm wie Ino kann sie nicht gewesen sein.“ „Unsere Dorfoberzicke ist wirklich unschlagbar!“, pflichtete der ältere Chuunin ihm bei und brach in schallendes Gelächter aus. Shikamaru bemühte sich, ebenfalls ein wenig amüsiert auszusehen. Anderen etwas vorzumachen hatte ihm noch nie viel Spaß gemacht … „Ist der Junge vorhin hier vorbei gekommen?“, unterbrach er Izumos Lachanfall. Der Angesprochene hustete und rieb sich den Bauch, da sein Zwerchfell ganze Arbeit geleistet hatte. „Ja, vor einer guten halben Stunde“, sagte er. „Sah ganz schön verschwitzt aus. Du hast ihn wohl ordentlich durch die Mangel genommen, was?“ Dann hatte er wohl auf eigene Faust weitertrainiert … „Es ist Training, kein Waldspaziergang.“ „Ich hätte nicht gedacht, dass du mal so reden würdest. Das baldige Vatersein scheint dir wohl gut zu tun.“ Oh ja, besser ging es nicht … „Ich bekomme ’ne Sonderzahlung, wenn der Junge Chuunin wird“, meinte Shikamaru. „Das ist genug Anreiz und hat mit momentanen und zukünftigen Umständen nichts zu tun.“ „Verstehe. Ein bisschen zusätzliche Kohle kann man gebrauchen, wenn man sich ’ne überteuerte Baby-Erstausstattung zulegen muss“, sagte Izumo. „Ich hab’s ja vor ein paar Jahren bei meiner älteren Schwester gesehen. Die Preise … Meine Fresse, alle frischgebackenen Eltern müssen pleite sein!“ Sein größtes Problem auf einem Silbertablett präsentiert … Was könnte schöner sein? „Hast du Kurenai schon mal gefragt, ob sie vielleicht ein paar Sachen an euch abtreten würde?“, plapperte er munter weiter. „Ich meine, einen Wickeltisch und Babybett wird sie in nächster Zeit nicht mehr brauchen und nach weiteren Nachwuchs sieht es bei ihr ja auch erstmal nicht aus.“ „Nein, aber so sehr eilt das noch nicht.“ „Sag das mal nicht. Frühgeburten sind von Temaris Seite aus nicht ausgeschlossen.“ „Sie kam aber sogar fünf Tage später auf die Welt als errechnet. Sagt sie zumindest.“ „Dann nimm Kazekage-sama! Er kam viel zu früh. Im siebten Monat, hab ich gelesen … War nicht viel größer als ’ne Handvoll.“ „Hör bloß auf, diese dämlichen Klatschzeitschriften zu lesen. Da steht zu neunundneunzig Prozent nur Müll drin.“ „Hey, das hat mir meine Schwester erzählt“, verteidigte sich Izumo. „Ich les doch nicht freiwillig Die Lunte und wie diese anderen Schundblätter so heißen.“ „Sagtest du nicht: Im siebten Monat, hast du gelesen …?“ „Okay, okay. Ich hab mich aufm Klo gelangweilt.“ „Dann guck nächstes Mal lieber aus dem Fenster und beobachte ein paar Wolken“, sagte Shikamaru. „Glaub mir, davon hast du viel mehr als von Schweinejournalismus.“ Der Chuunin grinste bedummdusselt – um es mit Annie Wilkes Lieblingswort auszudrücken – und sagte: „Ich nehm es dir übrigens ein bisschen übel, dass sie Kotetsu wegen dir vom Wachdienst abgezogen haben. Jetzt muss ich drei Wochen lang alleine das Tor hüten und mit mir selbst Maumau spielen.“ „Bedank dich bei Temari. Es war ihre Idee.“ Izumo schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Gentleman“, meinte er. „Außerdem ist sie schwanger.“ „Das heißt nicht, dass sie keine Kritik mehr verträgt.“ „Nein, das ist trotzdem nicht mein Stil …“ „Ja, das ist gar kein Stil“, legte Shikamaru fest. „Weißt du was? Ich richte ihr deine Beschwerde einfach aus.“ „Nein, nein, nein!“, winkte er ab. „So schlimm ist es auch wieder nicht.“ --- „Du musst ja ein Intensivtraining veranstaltet haben, wenn du neun Stunden unterwegs warst!“, meinte Temari begeistert. Ihr Freund wunderte sich über diese Äußerung. Er hatte hundertprozentig damit gerechnet, dass Shuiro zu ihr gehen und von dem – zumindest aus seiner Sicht – Debakel berichten würde. Umso besser, wenn sie nicht wusste, dass er den Jungen gegen halb drei nachmittags wegen Naivität zurück zu seinen Kameraden geschickt und die restlichen vier Stunden im Wald vertrödelt hatte. „Nicht so intensiv, wie du denkst“, erwiderte er. Sie lachte. „Und wie macht er sich so?“ „Wenn man mal davon absieht, dass er völlig falsche Vorstellungen vom Shinobisein hat, recht gut.“ „Falsche Vorstellungen?“ „Er glaubt, als Chuunin erlebt man spannende, ungefährliche Abenteuer.“ „Na ja, er ist ja fast noch ein Kind. Wäre doch traurig, wenn er alles nüchtern wie ein Erwachsener sehen würde.“ „Zum Träumen hatte er genug Zeit“, sagte Shikamaru trocken. „Wenn er das zumindest in dem Punkt nicht sehr bald aufgibt, hoffe ich, dass er für die nächsten Jahre Genin bleibt.“ Temaris Lächeln verschwand. „Das ist aber hart von dir.“ „Warum? Weil ich keine toten Halbwüchsigen sehen möchte, die eine Mission zur sehr auf die leichte Schulter genommen haben?!“, fragte er. „Ich bilde doch nicht jemanden aus, nur damit er ein paar Wochen später aus Leichtsinnigkeit draufgeht.“ „Aber –“ „Ich geh duschen!“, unterbrach er sie und griff nach seinem Duschtuch, das zum Trocknen über dem Heizkörper im Wohnzimmer hing. „Soll ich irgendwas zu essen machen?“ „Nicht nötig. Chouji hat mir erst vor einer halben Stunde eine Portion Ramen spendiert“, log er, ging ins Bad und schloss die Tür hinter sich. --- Temari lag auf der Couch und las einen weiteren Horror-Roman, der als Bücherei-Leihgabe schon ein wenig abgegriffen war. „Und hattest du schon Albträume?“, fragte Shikamaru, der sich gerade die Haare trocken rubbelte. Sie sah auf und schmunzelte. „Schön, dass du deine schlechte Laune mit der Dusche den Ausguss heruntergespült hast.“ Dann antwortete sie: „Nein, über die paranoide Phase bin ich endlich hinaus.“ Er hängte sein Handtuch über die Stuhllehne und bemühte sich, ein normales Gespräch zu beginnen. „Ist es interessant?“ „Das kann man wohl sagen. Interessant ist der perfekte Ausdruck dafür, wie dieser Leland Gaunt die Stadtbewohner gegeneinander ausspielt und dazu anstachelt, sich gegenseitig umzubringen“, sagte sie. „Das Buch gefällt mir auf jeden Fall schon mal besser als The Shining.“ Sie lachte und setzte nach: „Liegt aber nicht nur an der Geschichte an sich, sondern vielleicht auch an der guten Rechtschreibung.“ Shikamaru biss sich auf die Unterlippe und zwang sich zu einem Lächeln. Er kam sich total dämlich vor und fragte sich, ob er auch so aussah. Da seine Freundin sich allerdings nichts anmerken ließ, musste er wohl überzeugend genug gewesen sein. Etwas, das ihm momentan wirklich nicht leicht fiel. Temari klappte das Buch zu und setzte sich auf, um Platz für ihn zu machen. „Du kannst ruhig liegenbleiben!“, warf er ein. „Ich hab den halben Tag schon gelegen. Jetzt hab ich keine Lust mehr.“ Sie gähnte und beim Strecken knackte ihr Nacken gefährlich. „Hörst du, ich roste langsam schon ein.“ „Dann solltest du dich bei der nächsten Generalüberholung mal richtig ölen lassen.“ Gott, wie versaut klang das denn? „Na, du weißt schon“, setzte er nach, in der Hoffnung, so seinen Satz zu entschärfen. Seine Freundin kicherte über seine Bemerkung, ging aber nicht darauf ein. „Eine Generalüberholung ist bei mir zwecklos“, sagte sie und scherzte: „Der Alterungsprozess schreitet bei mir fort und ist nicht aufzuhalten. In spätestens zehn Jahren geh ich am Stock!“ Da er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte, zuckte er mit den Schultern. „Danke, dass du immer ein paar aufmunternde Worte parat hast“, meinte Temari in einem Anflug Ironie. Ein erneutes Achselzucken. „Gern geschehen.“ Shikamaru setzte sich neben sie auf die Couch. „Schon einen Plan für den angebrochenen Abend?“, fragte sie dann. „Wie wär’s mit entspannen?“ Eigentlich legte er es gar nicht darauf an, den Rest des Tages stumpf vor der Glotze zu verbringen – er war für alles dankbar, das ihn von seinen Problemen ablenkte –, aber im Moment war es wohl am Besten, wenn er einfach wie er selbst klang. Und der alte Shikamaru begnügte sich nun mal mit Herumgammeln und Nichtstun. „Ist genehmigt. Das hast du dir heute auch redlich verdient!“ Dies war einer der Augenblicke, der ihm ins Gedächtnis zurückrief, warum er sich in sie verliebt hatte. Diesmal fühlte es sich aber irgendwie falsch an. „Fernsehen?“ Er nickte. --- „Das ist mit Abstand der schlechteste Film, den ich je gesehen habe“, meinte Temari in der dritten Werbepause. „Dann kennst du Ghosts of Mars noch nicht.“ „Wenn der noch schlechter ist, hab ich wohl nichts verpasst. Nächstes Mal guck ich mir lieber die x-te Wiederholung von Scrubs oder so an. Das ist im Gegensatz zu diesem vorpubertären Humor wenigstens lustig.“ Sie zappte durch die Programme und schaltete den Fernseher schließlich auf lautlos. „Ich hab dir übrigens noch gar nicht richtig dafür gedankt, dass du Shuiros Training übernimmst“, sagte sie. „Auch wenn es sich vorhin vielleicht nicht so angehört hat, geb ich dir natürlich Recht. Ich möchte genauso wenig, dass Shuiro, Midori oder Koniro während einer Mission sterben müssen, nur weil ein unfähiger Dilettant sie trainiert hat. Die Drei sind mir echt wichtig.“ Temari drückte ihm einen Kuss auf. „Genau deswegen hab ich dich und Genma ausgewählt.“ Genma war tatsächlich einer der fähigsten Jounin, die er kannte. Aber dass seine Freundin von ihm selbst auch solch große Stücke hielt, war das größte Kompliment – mit Abstand das Größte –, das sie ihm je gemacht hatte. Freuen konnte sich trotzdem nicht darüber. „Kein Problem“, erwiderte er. „Das Überwachen der Genin hab ich ohnehin gehasst.“ „Mir egal. Ich danke dir trotzdem.“ Sie lächelte und setzte nach: „Und wenn ich richtig sage, meine ich auch richtig.“ Sie drückte rasch die Austaste der Fernbedienung, löste das Band ihres neuen Morgenmantels, schwang sich auf seinen Schoß und küsste ihn abermals. Spontaner Sex war nach drei Jahren Beziehung nichts Überraschendes – besonders, wenn man mit einer durchgeknallten Schwangeren zusammen war –, doch er fühlte sich völlig überrumpelt. Die Plötzlichkeit war nicht das Problem, doch da er im Kopf nicht bei der Sache war – was sich in den nächsten fünf Minuten auch nicht ändern würde –, endete es bloß in einer großen Enttäuschung. Darauf hatte er gerade noch weniger Lust als auf Sex. Shikamaru löste sich aus seiner Erstarrung und tastete sich zu ihren Schultern hoch. Er stellte fest, dass sie außer ihrem Morgenmantel nichts weiter trug. Von wegen spontan … Sanft drückte er sie von sich weg. „Wirklich, keine große Sache“, sagte er nachdrücklich und in der Hoffnung, dem bevorstehendem Unglück zu entgehen. „Für mich schon“, hauchte sie ihm zu und entwand sich seinem Griff, um dort weiterzumachen, wo er sie unterbrochen hatte. Er kam sich gerade genauso hilflos vor wie Dexter, als seine Freundin Rita das erste Mal über ihn herfallen wollte. Und Shikamaru wollte wie er im Moment einfach nur weg. Nur wie brachte er das Temari bei, ohne dass sie beleidigt war oder etwas Komisches darin hineininterpretierte? Erneut schob er sie ein wenig von sich weg. Nur so weit, dass ihre Lippen ihn nicht mehr erreichen konnten. Entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, dass etwas nicht stimmte, sagte er: „Es war ein langer Tag und ich bin echt todmüde.“ Sie lächelte ihm zu und er bekam den Eindruck, dass sie diesmal Verständnis für ihn hatte. Falsch gedacht. „Ich hatte auch einen langen Tag voller Langeweile“, erwiderte sie, „und erwarte doch nicht zu viel, wenn ich dich für ein Viertelstündchen für mich haben möchte, oder? Das macht gerade mal ein Sechsundneunzigstel vom Tag aus.“ Wohl eher ein Sechzigstel des Tages, denn schlafen und essen musste man ja auch noch. Normalerweise gab er spätestens jetzt nach – ihm ein schlechtes Gewissen zu machen, weil sie sich vernachlässigt fühlte, klappte immer –, aber dieses eine Mal wollte er standhaft bleiben. Er seufzte. „Ich muss morgen wieder früh raus und brauche jede Minute Schlaf.“ „Es ist doch nur ’ne Viertelstunde.“ „Nächstes Mal bekommst du von mir aus eine ganze Stunde, aber –“ Ihr Blick ließ ihn verstummen. „Okay, ich versteh schon“, murmelte sie. „Ich wusste, dass es irgendwann so weit kommen würde.“ Sie strich flüchtig über ihren Bauch und rutschte von seinem Schoß herunter. „Ich geh dann schon mal vor. Gute Nacht!“ Mit wehendem Mantel rauschte sie an ihm vorbei zum Bett herüber. Er starrte einige Sekunden vor sich hin. Großartig, jetzt glaubte sie, dass er sie nicht mehr attraktiv fand. Dabei war das aber gerade nicht der Grund. Warum war es für sie nur so schwer zu glauben, dass er tatsächlich müde war? Okay, das war wirklich gelogen, aber immer noch besser als ein Ich habe keine Lust auf Sex, weil ich wegen dir eine persönliche Krise durchlebe. So ein verdammter Mist aber auch! Er drehte sich um. Sie stand vor dem Bett und war dabei, sich ihr Nachthemd überzustreifen. „Temari“ – er sprang auf und er und ging zu ihr herüber – „vergiss das Teil!“ Er nahm es ihr ab, griff ihre Handgelenke und stieß sie behutsam aufs Bett. Dann beugte er sich über sie und begann, sie zu küssen. Die Stimme in seinem Hinterkopf protestierte gegen sein Tun. Er missachtete sie, auch wenn er wusste, dass es seiner Freundin gegenüber nicht fair war, ihr etwas vorzumachen. Manchmal musste man eben Opfer bringen, um die vorgetäuschte Harmonie zu wahren. ════════════════════════════════════════════════════ Erwähnenswerte Anspielungen: Die Lunte – Parodie auf eine sehr ähnlich klingende, belanglose Klatschzeitschrift Annie Wilkes – Hauptprotagonistin, Fanatikerin und irre Krankenschwester aus King’s Roman »Misery« Leland Gaunt – Charmanter Antagonist und Teufel in Menschengestalt aus King’s Roman »Needful Things« Ghosts of Mars – Ein wirklich grottenschlechter Science-Fiction-Horrorfilm Dexter [Morgan] – Hauptcharakter, Serienkiller und Blutspritzeranalyst bei der Miami Metro Police aus der gleichnamigen US-Serie (absolute Guckempfehlung! – natürlich vorausgesetzt, dass ihr auch volljährig seid ;D) Danke fürs Lesen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)