Die Vergessenen Wächter von caramel-bonbon ((KaRe) Der Zauber einer anderen Welt) ================================================================================ Kapitel 11: Feuer im Himmel --------------------------- Gebannt starrte Kai auf den Horizont. Die Sterne funkelten in der klaren, eisigen Nacht zu Abermillionen, so deutlich, wie er es noch nie gesehen hatte. Sie spiegelten sich im schwarzen Meer, das sich hie und da kräuselte und gegen die Brandung aus Eis rauschte. Seine Hand lag noch immer auf Reis Arm, der zuerst ihn fragend ansah, dann seinem Blick folgte, als Kai keine Anstalten machte, sich zu ihm umzudrehen. Überrascht weiteten sich seine Augen. Sein Mund öffnete sich. „Rei, warum ist der Himmel grün?“, fragte Kai leise. „Eigentlich dürfte das gar nicht sein, wir sind hier viel zu weit südlich. Außer“, flüsterte Rei ehrfurchtsvoll, zog plötzlich scharf die Luft ein und riss den Russen zu sich herum, „das ist wegen dir!“ Entsetzt blinzelte Kai und sah ihn an, als wäre er nicht mehr ganz richtig im Kopf. „Überleg mal, was du da sagst. Du weißt zwar wirklich viel, aber das ist völlig unmöglich. Hat es dir einen Teil von deinem Gehirn abgefroren?“ Als Antwort erntete er einen bösen Blick und einen Faustschlag auf den Arm. „Natürlich nicht“, fauchte er, „und natürlich weiß ich, wovon ich rede, ich bin nicht blöd. Ich weiß nämlich so Einiges und was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass das da völlig unmöglich sein sollte.“ Er zeigte in den Himmel, wo Bänder aus Licht in sämtlichen Grüntönen ihre geschwungenen Linien zogen. Es sah aus, als ob sich das tägliche Meer im Himmel spiegeln würde. Nachdenklich legte Rei eine Hand an seine Schläfe und nuschelte in seinen felligen Kragen. „Der Zyklus ist noch nicht vorbei. Der letzte Ausbruch fand erst vor acht Jahren statt.“ „Was für ein Ausbruch?“, unterbrach Kai seine Gedankengänge, worauf er ihn wieder ernst anschaute. „Hier am Südpol ist diese Erscheinung äußerst selten. Nur etwa alle dreizehn Jahre, wenn die Sonnenaktivität unnormal hoch ist und die Solarwinde die Erde besonders stark treffen, kann es sein, dass sie auftreten. Seit dem letzten Sonnenausbruch sind erst acht Jahre vergangen, deshalb kann es nicht eine normale zyklische Aktivität sein.“ „Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Kai trocken, von der wissenschaftlichen Rede etwas verwirrt. Rei sah ihn mit einem spitzen Lächeln von der Seite her an. Für ihn war es höchst amüsant zu sehen, wie der stattliche Krieger mit seiner Naivität kämpfte und es offensichtlich nur schwer verdaute, dass er mit diesen Informationen nichts anzufangen wusste. Er gluckste. „Deine pure Anwesenheit scheint eine Art Solarwind ausgelöst zu haben.“ „Wie soll das denn gehen?“ Ein Lachen ertönte. Der Chinese zog die Beine an sich und stütze den Kopf auf den Knien ab, sah ihm von unten in die Augen, die belustigt glitzerten. „Die Sonne ist ein Feuerball, Kai. Und du bist der Wächter des Feuers. Da du deine Energie aber noch nicht im Griff hast, ist es nicht verwunderlich, dass ihr die gleichen Eigenschaften aufweist.“ Langsam dämmerte es dem Russen und er dachte an die Sonne, die tagsüber hoch über ihnen stand und ihnen Wärme und Licht spende. Ein Grinsen verzog seine Mundwinkel. „Du meinst“, schlussfolgerte er und lehnte sich zu Rei hinunter, „wir sind beide heiß?“ Reis Wangen verfärbten sich durch die Überraschung von Kais Direktheit leicht rötlich. Um es vor Kai zu verstecken, drehte er den Kopf nach vorne und starrte in den Himmel. „Das hast du gesagt. Aber rein objektiv und physisch betrachtet, ja.“ „Komm schon, du findest mich doch auch rein subjektiv ziemlich heiß, gib es zu“, wollte er das partout nicht auf sich sitzen lassen und grinste schelmisch. Reis Gesicht verfärbte sich noch dunkler und verärgert stieß er Kai von sich, der ihm immer näher gekommen war. „Träum weiter, du Idiot!“, keifte er, verschränkte die Arme vor der Brust. Kai lachte, der Anblick war einfach zu köstlich. „Dein Körper verrät dich, Rei“, drängte er weiter. Ohne Vorwarnung erhob sich der Chinese blitzartig und er baute sich vor ihm auf, die Arme vor der Brust verschränkt. „Red nicht so einen Stumpfsinn! Hat deine Selbstverliebtheit dir etwa das Hirn verbrannt? Mach so weiter und ich schmeiße dich in den arktischen Ozean!“, fauchte er den etwas perplexen Russen angesäuert an. „Kein Grund gleich so auszurasten, ich hab es doch nicht so gemeint. Nicht böse sein, Rei. Es sah gerade eben nur so“, er suchte nach dem richtigen Wort, „einladend aus.“ Kai hielt ihn am Arm fest und zog ihn mit sanfter Gewalt zu sich nach unten, um ihm einen Arm um die Schulter zu legen. Doch Rei riss sich los und setzte sich stattdessen wieder auf die Decke. Er seufzte. „Na vielen Dank auch“, murmelte er und fuhr sich durch die Haare. Seine Wangen waren noch immer gerötet und trotz der Eiseskälte war ihm warm geworden. Denn obwohl er es niemals laut zugeben würde, was der Russe sagte, entsprach absolut der Wahrheit. „Wie heißen diese Lichtschnüre überhaupt?“, störte ihn Kai bei seinem insgeheimen Selbstgeständnis. „Das sind Polarlichter“, antwortete er kurz angebunden und blickte stur gerade aus. So bemerkte er nicht, wie der Russe ihn aufmerksam musterte. „Hm, schön“, murmelte er, worauf Rei nickte. Eine Weile saßen sie auf dem Schlitten, Byakko dösend zu Reis Füßen, und schwiegen sich an. Beide hingen ihren eigenen Gedanken und Vorstellungen nach, bis Rei unterbrochen wurde. Soeben hatte er einen Lichtschweif über den Himmel huschen entdeckt. Er wusste, dass diese Sternschnuppe das Zeichen war, auf das sie warteten. „Komm Kai, wir gehen weiter!“ Er wandte sich zu ihm um und blickte geradewegs in rote Augen, die ihn etwas aus der Fassung brachten. Eine unfreiwillige Pause entstand, während der Byakko den Kopf hob und sie gespannt beobachtete. „Wir müssen da lang“, fuhr Rei in eine Richtung zeigend fort, eine leichte Unsicherheit in der Stimme beherbergend. Kai nickte und erhob sich, um den Schlitten startklar zu machen, während Rei sich erst einmal fassen musste. Dann begann er das Proviant zu verpacken. Sie waren viel zu müde um zu stehen und so drängten sie sich sitzend dicht aneinander, um nicht von der Schlittenfläche zu fallen. Der Fahrtwind stach Rei wie kleine Nadeln in das Gesicht und er zitterte am ganzen Leib. Es war viel kälter als den Tag über, da brachte alle Konzentration und Meditation nichts. Kai bemerkte das schnell und zog ihn an sich, drängte ihn zwischen seine Beine und legte die Arme um ihn. Rei ließ es wortlos zu, er war ihm in diesem Moment sehr dankbar. Er kuschelte sich an den warmen Körper, legte sein Gesicht an Kais Brust und glitt mit den Fingern unter sein Hemd, worauf der Russe leicht zusammenzuckte. Rei blickte hoch und wollte die Hände wieder zurückziehen, doch er wurde noch fester in die Umarmung gezogen. „Ist in Ordnung, war gerade nur ein bisschen kalt“, murmelte Kai. Rei zog einen Mundwinkel nach oben und schloss die Augen. Die Wärme lullte ihn ein und ließ ihn in einen wohligen leichten Schlaf fallen. Es blieb nicht unbemerkt und sanft blickte Kai auf ihn hinunter. Jetzt, wo er ihn so sah, wurde ihm bewusst, dass er nie erlebt hatte, dass der Chinese geschlafen hatte. Er war wach, wenn Kai aufstand und wenn er zu Bett ging, blieb er noch länger auf. Und jedes Mal, wenn er in der Nacht wach wurde, fand er ihn auf der Terrasse auf dem Bergtempel vor. Sähe er es jetzt nicht mit eigenen Augen, würde er denken, dass der Heiler niemals schlief. Er musterte sein Gesicht. Schwarze Strähnen fielen ihm vor die Augen und verdeckten sie. Doch er konnte die Lippen sehen, auf denen ein seliges Lächeln lag. Er mochte diesen Mund. Alleine der Anblick ließ ihm einen Schauer den Rücken hinunter jagen und sein Herz schneller schlagen. Er wusste, irgendwann einmal würde er seine Selbstbeherrschung einfach fallen lassen und sich diesen Mund nehmen. Doch er wollte, dass der Chinese einverstanden damit war. Niemals würde er ihm einen Kuss aufdrängen. Dafür sah er in diesem Augenblick zu unschuldig aus. Plötzlich drängte sich ein Gedanke in den Vordergrund und Kai fragte sich, ob der Heiler überhaupt schon einmal körperlichen Kontakt zu jemandem gehabt hatte. Vor seinem geistigen Auge nahm eine gewisse Szene ihre Formen an. Rei stützte sich schwer atmend mit beiden Armen vom Boden ab, kleine Schweißperlen bahnten sich ihren Weg über seine nackten muskulösen Gliedmaßen und er stöhnte bei jedem Stoß. Enorme Hitze breitete sich urplötzlich in Kais Lendengegend aus und er versuchte hastig, diese Bilder aus seinem Kopf zu schütteln. Er musste seine Atmung und sein Herzschlag regulieren, ansonsten würde er dem Chinesen Verbrennungen zufügen. Gerade dieser bewegte sich ein wenig und öffnete leicht den Mund. Ein leises Seufzen entwich seinen Lippen. Kai hielt mit angestrengter Mine die Luft an und konzentrierte sich darauf, seine Körpertemperatur zu senken. Würde Rei sich nicht zwischen seinen Beinen bewegen und seine Finger in seine Haut graben, hätte er keine großen Schwierigkeiten gehabt. Aber unter diesen Umständen musste er sich hart am Riemen reißen. Doch es klappte. Er merkte, wie seine Körpertemperatur wieder seinen ganz persönlichen Normalzustand erreichte. Rei wurde ruhiger und Kai konnte nicht anders, als seine Hand in diese seidigen schwarzen Haare zu vergraben und seinen Kopf an seine Brust zu drücken. Lautes Geschnatter drang an Kais Ohren und eine feuchte Schnauze stupste ihm in das Gesicht, um ihn zu wecken. Stöhnend richtete er sich auf. Sein Hintern schmerzte und seine Gliedmaßen waren steif. Gähnend wollte er sich strecken, da fiel ihm auf, dass Rei nicht mehr da war. Hastig blickte er um sich und registrierte seine momentane Situation. Es war Tag. Byakko war aus seinem Geschirr losgebunden und hockte neben ihm im Schnee, folglich fuhren sie nicht mehr. Und Rei war aus seinen Armen verschwunden. Stattdessen fand er sich in der Nähe einer gigantischen Pinguinherde wider, die ohrenbetäubend laut schnatterte. Große Pinguine fütterten ihre Jungen, kamen gerade von der Jagd mit einem Fisch im Schnabel oder machten sich watschelnd auf den Weg zum Wasser. Über ihnen zogen Schneesturmvögel ihre Runden, beobachteten von oben das Geschehen und stürzten sich gelegentlich kreischend auf ein Stück liegengebliebenen Fisch. Einer der Vögel nahm geradewegs Kurs auf den Russen und kam im Sturzflug auf ihn zugeschossen, den Schnabel weit nach vorne gestreckt. Kai wollte schon ausweichen, als ein lautes Brüllen seitens Byakko den Vogel dermaßen erschreckte, dass er wild mit den Flügeln um sich schlagend mitten in der Luft kehrt machte und dabei einige Meter in die Tiefe sackte. Kai grinste und tätschelte den Tiger auf den Kopf. „Gut gemacht! Aber wo ist denn Rei schon wieder?“, fragte er an ihn gewandt. Byakko ging ihm voraus und bahnte eine Schneise durch die dicht beieinander stehenden Pinguine. Es herrschte ein reges Treiben und oftmals musste Kai einen Schritt zur Seite machen, um nicht mit einem der stolzen Tiere zusammenzustoßen. Mitten im schwarzweißen Gewusel stand Rei bei einem Jungen, piekste es in den grauen Flaum und lachte herzhaft. Freudig wedelte der kleine Pinguin mit seinen kurzen Flügelchen und schnatterte. Es war offensichtlich, dass er einen Narren an dem Chinesen gefressen hatte, denn er ließ sich keineswegs von Kai oder Byakko einschüchtern, als sie zu den beiden herantraten. Eher freute es sich über die zusätzliche Gesellschaft und anscheinend besonders über Kais Anwesenheit. Es hüpfte auf und ab und drängte gegen seine Beine. „Liebe auf den ersten Blick“, flötete Rei und grinste schief. Kai verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die unmissverständlich zeigte, dass dies keinesfalls auf Gegenseitigkeit beruhte. „Das Fellknäuel stinkt“, bemerkte er und rümpfte die Nase. Reis Augen begannen hinterhältig zu glitzern. Er bückte sich und hob etwas vom Boden auf. „Kai, fang auf“, rief er und warf eben Aufgehobenes dem Russen zu. Reflexartig hob er die Hand und fing es geschickt auf. Allerdings zappelte es wild und flutschte ihm aus den Fingern. Er versuchte, es mit der anderen Hand aufzufangen, doch der Fisch landete auf dem Boden und der Nachwuchspinguin stürzte sich gierig darauf um ihn auf der Stelle zu verschlingen. Geschockt stand Kai an Ort und Stelle. Langsam besah er sich seine Hände. Er schnupperte daran und verzog augenblicklich den Mund, ein Geräusch puren Ekels drang aus seiner Kehle. „Das ist widerlich!“, murrte er und versuchte mit Hilfe von Schnee den Geruch wegzuwaschen. Rei krümmte sich vor Lachen und der kleine flaumige Pinguin watschelte hopsend zwischen den beiden hin und her und gackerte freudig. „Na warte, Rei, das wirst du mir büßen!“ Mit ausgebreiteten Armen stürmte Kai auf den Chinesen zu, der mit Lachtränen in den Augen versuchte wegzulaufen und sich dabei immer wieder umdrehte. Er kam nicht weit. Kai stürzte sich mit einem Angriffsschrei auf ihn und riss ihn zu Boden. „Jetzt kannst du was erleben!“, drohte er und riss dem Chinesen die Jacke auf. Rittlings auf ihm hockend begann er ihn auszukitzeln. Rei versuchte vergebens sich zu wehren und klammerte sich an seinen Armen fest um sie wegzuschieben. Eigentlich war er nicht kitzelig, aber da er bereits am Lachen war, konnte er nichts dagegen tun. „Nein!“, stieß er zwischen zwei Versuchen, Luft zu holen, hervor, „hör auf, bitte, ich tu alles!“ „Vergiss es“, feixte Kai und machte erbarmungslos weiter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)