Das Tiefe an stillen Wassern von Hotepneith (Lord Sesshoumarus sechzehnter Fall) ================================================================================ Kapitel 8: Auflösung -------------------- Burgvogt Matsui stellte sich ein wenig aufrechter hin, wartete jedoch höflich auf die Erklärung des Hundeprinzen, wer nun schuld am Todes Kisho Tamadas hatte, ohne die Augen auf dessen Gesicht zu richten. Sesshoumaru warf einen raschen Blick seitwärts, wo der Gärtner und der Heiler noch immer wohlweislich im Gemüsegarten auf seine Erlaubnis zum Gehen warteten, ehe er meinte: „Daiki Kawagushi trägt keine Schuld am Tode Tamadas. Er kannte sich in diesem Schloss nicht aus und konnte nicht wissen, dass Majolica hier verborgen im Gemüsebeet wächst. Nyoko Tamada, die diesbezüglich als Informantin noch in Betracht käme, geht gewiss ebenfalls nicht in diesen Garten. Mir stellt sich der Ablauf anders dar. Wie jeden Tag stand der Korb außerhalb des Gartens, damit der Gärtner den Salat frisch für die Küche ernten konnte. Als der Koch noch kurzfristig zusätzlich Petersilie verlangte, war Junichi verärgert. Um seinen eigenen Status zu wahren, schickte er seinen Schüler Yasu. Dieser hatte eigentlich bereits frei, zudem stand seine zukünftige Frau schon außerhalb des Gartens. So war er in Eile und zusätzlich abgelenkt – und pflückte Majolica statt der Petersilie. Schon Kawaguchi erwähnte, dass er das eigentlich für Petersilie oder ein anderes Küchenkraut hielt. Diese Verwechslung konnte nur Menschen passieren, jeder Dämon hätte den unterschiedlichen Geruch erkannt.“ Dazu schwieg Matsui wohlweislich. Der Hundeprinz fuhr fort: „Junichi überprüfte nicht, was sein Schüler gepflückt hatte. Der ließ die Pflanze in den Korb fallen und wusch sich die Hände – was ihn vor der Giftwirkung bewahrte. Der Kochlehrling holte den Korb und brachte ihm Ono, dem Koch. Der überprüfte nur die Frische des Salates, von der Ähnlichkeit des Majolicas mit Petersilie hatte er wohl keine Ahnung. Sein Schüler wusch den Salat – und schützte sich dadurch unbewusst gegen das Gift, ehe der Koch die Pflanzen schnitt. Bereits kurz darauf klagte er über Kribbeln, ja, Lähmungserscheinungen. Heute ist er nicht zur Arbeit erschienen. Das Gift wirkte auch bei ihm, wenn auch nur über die Haut, deutliches Indiz dafür, dass er sich des Risikos nicht bewusst war. Übrigens konnte niemand der Familie wissen, dass der Koch kurzfristig Petersilie zum Salat wünschte, ein deutlicher Hinweis darauf, dass sie alle als Tatverdächtige ausscheiden. Hätte ihm das jemand anbefohlen, hätte es das andere Küchenpersonal gewusst, da diese recht vertraut miteinander umgehen. Zum Dritten wäre es selbst dem Gärtner aufgefallen, wenn jemand in diesem Moment durch seinen Garten gelaufen wäre, der dort gewöhnlich nichts verloren hat, und frisch etwas pflückt. Getrocknetes Majolica hätte der Koch, der ja die Frische stets prüfte, aussortiert. Der Diener kam und trug den angerichteten Salat hinüber – und Kisho Tamada aß ihn, da Kawagushi unter Tags zu fasten pflegt. Atsudo, der Heiler, erkannte später die Reste der Giftpflanze. Man kann sagen, der Heiler hat Schuld am Tode seines Herrn, weil er wissentlich eine äußerst giftige Pflanze hier im Garten wachsen und sich vermehren ließ, der Gärtner, weil er seinen Lehrling anscheinend nicht hinreichend über Majolica und die Verwechslungsgefahr aufgeklärt hat, obwohl er wusste, dass sich dieser immer wieder im Gemüsegarten ausbreitete, Yasu, weil er in Eile und Aufregung nicht seinen Lehrer prüfen ließ, was er da gepflückt hat, der Koch, weil er anscheinend ebenfalls keine Ahnung von möglichen Verwechslungen hatte....“ Kurz, entweder würde der Daimyo das als bedauerlichen Unfall buchen oder eine Massenhinrichtung veranstalten. Aber brauchte ihn nicht mehr zu interessieren. Und in Anbetracht des wahren Heilergenies, das hier herumlief, war auch erklärlich, warum der Koch wohl eher zu seinem Priester im Heimatdorf gegangen war, als sich Atsudo auszusetzen. Der Burgvogt nickte ein wenig: „Euer Schluss ist logisch, Lord Sesshoumaru. Und erklärt auch alle die Aussagen, die ich in der letzten Zeit mitanhören durfte. Ich werde meinen Herrn, Fürst Yano, davon in Kenntnis setzen. Er wird entscheiden ob und wie diese Männer bestraft werden sollen. - Wünscht Ihr Kawagushi selbst von seiner Unschuld in Kenntnis zu setzen?“ „Nein.“ Nein, niemand würde ihn noch einmal in dieses übelriechende Gefängnis bringen. Es wurde Zeit, dieses Schloss und seine verrückten Menschen zu verlassen. „Wie es Euch beliebt.“ Matsui wartete das kaum bemerkbare Kopfnicken ab, das ihm zeigte, dass er entlassen war, ehe er sich nochmals tief verneigte und sich abwandte. Sesshoumaru sah hinunter: „Wir gehen.“ Sakura stand sofort auf und folgte ihm, ein wenig überrascht, dass er kein Wort über die mutmaßliche Arsenvergiftung Tamadas vor einem Jahr verloren hatte. Aber sie war nicht so unklug ihn darauf anzusprechen, sondern folgte ihm schweigend durch die Wälder in Richtung Westen. Bei Anbeginn der Dämmerung erreichten sie eine Straße, an der entfernt ein Haus stand, aus dem Stimmengewirr drang. Der Hundedämon blieb stehen: „Ein Teehaus?“ Es roch zumindest nach Tee und Alkohol, womit sich diese jämmerlichen Geschöpfe ja vergnügten. „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Dann sollte er sich das ansehen: „Warte hier.“ Er wollte sich ein Teehaus ansehen? Seit wann war er neugierig auf Menschenwerk? Und vor allem – wie, glaubte er, dass die Menschen auf seinen Anblick reagieren würden? Aber das ging sie nichts an. Der Befehl war klar gewesen und sie sollte sich besser nicht vom Fleck bewegen. Wieder dachte sie an seine Falllösung. Er wusste, musste wissen, dass Hide versucht hatte, ihren angeheirateten Onkel mit Arsen umzubringen. Aber er hatte gegenüber dem Burgvogt des Daimyo kein Wort darüber verloren. War es ihm wirklich so gleich? Ja, beschloss sie. Mitleid gegenüber der jungen Frau war auszuschließen. „Der, der vollendet tötet“ kannte keines. Sein Vater hatte ihm den Auftrag gegeben, Daiki Kawagushi vom Verdacht des Mordes zu befreien und genau das hatte er getan. Mehr würde er sich nie um Menschen und ihre Belange kümmern. Schade, eigentlich. Nun, sie konnte sich nicht beschweren. Von Strafen abgesehen, wenn sie einen Fehler beging, war er eigentlich recht umgänglich im Verhältnis zu ihr. Sie war noch immer am Leben, obwohl sie schon viele Tage und Nächte in seiner unmittelbaren Nähe verbracht hatte. Und er schien ihr, zumindest, was Menschenbelange betraf, gewisses Vertrauen entgegen zu bringen. Mehr konnte, durfte sie nicht erwarten. Er war ein hochrangiger, mächtiger Dämon und sie nur ein Menschenmädchen. Wenn er nur nicht so gut aussehen würde.... Nun, Heilerin, dachte sie: heile dich selbst. Liebeskrankheit war allerdings kaum heilbar. Aber ihr war klar, dass sie alles tun würde, nur, um in seiner Nähe bleiben zu dürfen,mit ihm ermitteln zu dürfen. Und genau darum durfte er nie erfahren, was sie empfand. Was sollte er auch mit einem verliebten Menschenmädchen, er, für den Gefühle nur irritierende Gedanken darstellten. Sie beobachtete ihn, wie er sich dem Teehaus näherte. Anscheinend hatte ihn dort noch niemand bemerkt – oder zumindest nicht als Dämon identifiziert, da keine Warnrufe zu hören waren, keiner floh. Nun gut, er trug eine Rüstung und wenn man von den weißen Haaren absah, war es durchaus möglich, in ihm einen menschlichen Krieger zu vermuten. Hoffentlich ging das alles gut, denn wenn ihn jemand falsch ansprach, würde es Tote geben. Aber er schien auch gar nicht hineingehen zu wollen, denn er wandte sich bereits wieder um. Vielleicht hatte der Geruch aus dem Teehaus seiner Nase schon verraten, was er dort wissen wollte. Ein Blick durch das Fenster auf einen angetrunkenen Mann mit zwei kichernden Frauen im Arm hatten in der Tat dem Dämonenprinzen genügt, seine sowieso schon geringe Meinung über die menschliche Spezies um einige Grade nach unten zu senken. Keine Selbstbeherrschung, keine Reinlichkeit, mehr als unpassendes, ja, dummes Verhalten.....Er hatte noch keinen Menschen getroffen, der anders war. Sein Blick fiel auf Sakura. Nun, fast keinen. Manche schienen doch brauchbar, aber anscheinend nur die weiblichen Exemplare dieser Gattung. Man sollte die Erde von den menschlichen Männern befreien. Er würde es tun, wenn jemand dumm genug war, ihm in die Quere zu kommen und ihn nicht Vaters anderweitige Wünsche daran hinderten. Er ging wortlos an ihr vorbei, sicher, dass sie sich ihm gehorsam anschließen würde. In der Tat. Sie mitzunehmen, sie nicht im Takaeda-Schloss hinrichten zu lassen, war eine ganz sinnvolle Idee seinerseits gewesen. Sakura fand die nächtliche Wanderung anstrengend. Nicht, dass sie Sorge gehabt hätte, ein Tier oder Dämon würde sie überfallen – nicht in dieser Begleitung. Aber anscheinend konnte ein Hundedämon im Dunkel der Nacht weit besser sehen als ein Mensch. Sie hielt sich eng hinter Lord Sesshoumaru, um anhand seiner weißen Haare und des Schulterfelles etwas Orientierung im Wald zu haben, aber sie stolperte immer wieder über Wurzeln oder Steine. „Du bist müde.“ Diese Feststellung ließ sie erstaunt sagen: „Nein, Lord Sesshoumaru.“ Seit wann kümmerte er sich um ihre Befindlichkeit? Schon im Haus der Tamadas hatte er sie mit neuer Rücksicht in die Küche geschickt, um sich Essen und Trinken zu besorgen: „Ich...“ Er blieb stehen und sie brach eilig ab. Auf ungefragte Antworten reagierte er schmerzhaft. „Nun?“ Sie betrachtete seinen Hinterkopf: „Es ist mir leider nicht möglich, im Dunkeln etwas zu erkennen.“ Noch ein Punkt, den er Menschen auf ihre Liste der Unfähigkeiten setzen konnte. Also blieb nur sie zu tragen oder hier zu übernachten. Beides nichts, das er schätzte. Das nächste Mal sollte er zusehen, dass er einen Reitdrachen mitnahm. Zu allem Überfluss waren sie bereits so weit gegangen, dass die Schaffung eines Dimensionsportales bis zum Schloss reine Energieverschwendung gewesen wäre. Ohne ein Wort packte er sie um die Taille, um sie unter seinen Arm zu klemmen. Sakura wagte aus gutem Grund nicht, gegen die unbequeme Haltung ein Wort zu sagen. Immerhin musste sie nicht mehr durch den nächtlichen Wald laufen, vielmehr stolpern, und wurde von einem Dämonenprinzen getragen, durfte ihr Gesicht an sein weiches Fell legen - nur ein äußerst unkluger Mensch hätte sich da beschwert. Ein lebensmüder, unkluger Mensch. Die Wachen am Schlosstor schwiegen wohlweislich, auch, wenn sie sich ein wenig wunderten – und sich ihren Teil dachten. Kein menschliches Wesen war je so nahe an den Prinzen herangekommen – nun ja, Sakura eben. Der Inu no Taishou, der soeben über den Hof von seiner abendlichen Go-stunde mit Neigi zurückkehrte, dachte sich ebenfalls seinen Teil, als er sah, wie nachlässig sein Sohn die Heilerschülerin absetzte, die sich mühsam abfing, eilig verbeugte und einen Dank aussprach. Hatte der sie schon wieder vernachlässigt, in die Erschöpfung getrieben? Dann würde es diesmal nicht bei Zimmerarrest bleiben. „So erschöpft, Sakura?“ erkundigte er sich. Sowohl Seine Lordschaft als auch Sakura verneigten sich höflich vor dem Hausherrn, ersterer durchaus unangenehm berührt, da er den Gedankengang seines Vaters nachvollziehen konnte. Hoffentlich sagte sie jetzt nichts Falsches – obwohl, sie log nie. „Nein, danke, mein Herr,“ erwiderte sie auch unverzüglich: „Leider waren meine schlechten menschlichen Augen bei der nächtlichen Waldwanderung ein großes Hindernis. Lord Sesshoumaru erwies mir daher die Gnade, mich zu tragen.“ Der Inu no Taishou war beruhigt und erstaunt zugleich, ohne beides freilich zu zeigen: „Du darfst gehen. - Sesshoumaru, ich ließ ein Bad einheizen. Komm mit. Und dabei kannst du mir in Ruhe Bericht erstatten.“ Die Aussicht auf ein heißes Bad ließ alle Unannehmlichkeiten vergessen, zumal er einen Erfolg vermelden konnte: „Ja, verehrter Vater.“ ** Der Krimi ist beendet, die Geschichte geht weiter. Als kleines Dankeschön, dass ihr den mittlerweile 16. Krimi dieser Serie mitverfolgt habt, kommt nun eine kleine Kurzgeschichte über einen (fast) gewöhnlichen Tag im Schloss über Sesshoumaru und Sakura: zwei Kapitel Bonus bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)