snowbird von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: ----------- An einem regnerischen und trüben Morgen inmitten der Regenzeit saß Katsuya gelangweilt auf einer der zahlreichen Bänke auf der abgelegensten Veranda der Fazenda. Nachdem es ihm nun mit dem Versteck der Gästezimmerveranda gelungen war, einige Tage erfolgreich nirgendwo in den weitläufigen Hallen oder den Gärten auf Seto zu treffen und er nun endlich auch den momentan ständig wechselnden Launen Serenitys entkommen war, konnte er sich nun erstmals seit langem wieder entspannen. Da er in seinem Versteck nichts zu tun hatte, begann er sich all die seltsamen Orte, von denen er in den zahlreichen Büchern der Bibliothek gelesen hatte. Vor allem die Vorstellung des Schwefelheilbads in Sao Paolo, wo lauter fette Leute ihre kranken Lebern mit einem Glas Schwefelwasser nach dem anderen durchspülten und auf Linderung ihrer Qualen hofften, brachte ihn zum Lachen. Hastig sah er sich um, ob ihn durch das verräterische Geräusch nun vielleicht Serenity oder noch schlimmer Seto gefunden hätte, aber er konnte erleichtert aufatmen, war er immer noch alleine. Er atmete tief durch und schloss die Augen, um sich den Platz vorzustellen, an dem der Kaiser von Brasilien die Unabhängigkeit von Portugal ausgerufen hatte. Auf dem Platz würde sicher ein prachtvoller Springbrunnen stehen, wo die Leute täglich ihr Wasser holten und dankbar zu einer goldenen Statue des Kaisers aufsahen. Er versuchte sich die Statue vorzustellen, aber statt des Kaisers tauchte vor seinem inneren Auge immer wieder das Bild prächtige von Seto auf seinem, sich aufbäumenden Rappenhengst auf. Seine Lippen begannen zu zittern und er ballte seine Hände hilflos zu Fäusten, wollten sie ihm doch nicht gehorchen. „Stimmt etwas nicht, Katsuya?“, erschrocken hob der blonde Junge den Kopf und begegnete den kalten Saphiraugen, die bis in sein Herz zu sehen schienen, „Ich möchte etwas…etwas von Brasilien sehen…“ Katsuya wusste nicht, warum er das gesagt hatte, es war ihm einfach herausgerutscht und nun war es zu spät daran noch etwas zu ändern. Setos Augen funkelten amüsiert, als der Junge den Wunsch äußerte, aber er nickte dennoch, „Wenn du es wünschst, kann ich dich hinbringen. Sei in einer halben Stunde fertig.“ „Ja, Seto…“, Katsuyas Stimme war leise und zitterte, aber Seto reagierte nicht, sondern verschwand bereits in Richtung der Pferdeställe. Er sah, wie der Graf einem Indianermädchen einen Korb abnahm und zögerte nun näher zu treten. Seto hatte ihn aber schon gesehen und trat nun auf ihn zu, „Wartest du auf die Kutsche, Katsuya?“ Der Junge nickte und Seto lächelte süffisant, „Du wirst mir wohl deine Reitkünste präsentieren müssen, die Wege sind zu eng für die Kutsche.“ Seto strich seinem schwarzen Hengst, der beim Klang seines Namens wieherte und mit den Hufen scharrte, durch die dichte Mähne, „Wir nehmen Black Dragon.“ „Wenn wir reiten, dann will ich mein eigenes Pferd.“, Katsuya ballte die Fäuste und sah den Älteren herausfordernd an, „Ich bin kein Sack Ihrer Kaffeebohnen, den man vor sich aufs Pferd zieht.“ „Oh, das kleine Hündchen kann kläffen.“, Seto klang amüsiert, nickte aber und wand sich an einen der Stallburschen. Nach einem schnellen Wortwechsel auf Portugiesisch, von dem Katsuya nicht einmal jedes dritte Wort verstand, brachte der Bursche eine kleine weiße Mauleselstute und verbeugte sich vor Katsuya. „Ihr Name ist Tea.“, informierte Seto ihn noch kurzangebunden, bevor er sich in einer geschmeidigen Bewegung auf den Hengst schwang, „Nun komm.“ Der blonde Junge biss wütend auf seiner Lippe herum, entschloss sich dann aber doch dem jungen Grafen nicht die Genugtuung zu gönnen und auf den Maulesel zu steigen. Das Tier blieb, egal wie sehr er ihn auch antrieb störrisch auf seinem Platz stehen und erst als Seto sich zu einem der weichen großen Ohren herabbeugte und etwas hineinflüsterte, setzte sich das Tier langsam in Bewegung. Langsam und mit gesenktem Kopf trottend, folgte die kleine Stute dem größeren Hengst. Bald hatten sie den wilden Urwald hinter sich gelassen und die Hufschläge ihrer Reittiere hallten über einen gepflasterten Weg, der sich durch die Berge zog. Lange Zeit waren sie alleine auf dem Weg, aber schließlich trafen sie endlich auf eine kleine Menschengruppe, die ihnen respektvoll Platz machten. Seto brach, nachdem sie die Menschen überholt hatten, die Stille und berichtete dem Jungen, dass es sich hierbei um Pilger handeln würde, die ein Heiligtum in den Bergen besuchen wollten. Als die Sonne gegen Mittag am höchsten stand, lenkte Seto seinen Hengst an den Wegesrand und stieg ab. Die Stute folgte dem Hengst brav und während der Graf den Boden ihres Rastplatzes prüfte, stieg auch Katsuya von seinem Reittier. „Wir können hier rasten. Bist du hungrig, Kläffer?“ Der Jüngere knirschte wütend mit den Zähnen, was Seto nicht zu interessieren schien. Der junge Graf zog eine Decke aus seinen Satteltaschen und breitete sie auf der Erde aus, bevor er Katsuya bedeutete sich zu setzen, „Nach dem Essen kannst du den Weg hoch wandern, es ist nicht mehr weit bis zum Heiligtum.“ „Werden Sie mich denn nicht begleiten?“, erstaunt hob Katsuya bei den Worten des Grafen den Kopf, aber Seto lachte nur, „Ich werde hier mit den beiden Tieren warten. Trödel aber trotzdem nicht, sonst komme ich und werde dich finden.“ Der Blonde würdigte seinen Begleiter keines Blickes mehr, sondern stolzierte mit hocherhobenem Kopf an dem arroganten Grafen vorbei. Erst, als er hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden war, erlaubte er sich wieder tief durch zu atmen und frustriert die Fäuste zu ballen. Aber, bald gewann seine Neugier die Oberhand und der blonde Junge eilte den steilen Berg empor. Seto hatte ihm ein bisschen über das Heiligtum erzählt und so war Katsuya nicht überrascht, als er auf dem steinernen Altar Tausende von Körperteilen, die aus Ton gefertigt worden waren, erblickte. Die Gläubigen beteten, so hatte Seto es ausgedrückt, hier für ein Wunder und er, so wurde dem blonden Amerikaner nun plötzlich klar, als er sich zwischen die Pilger kniete, war nun einer von ihnen. „Bitte nicht er…Bitte nicht er…“, der böige Wind riss das Gebet von seinen Lippen und trug die hervorgestoßenen Silben gen Himmel. Dennoch fühlte Katsuya keinen Frieden in sich. Wann immer er die Augen schloss, sah er den jungen Grafen vor sich und sein Herz begann schneller zu schlagen. „Wir müssen zurück, Kläffer.“, in der kalten Stimme des Grafen klang nicht der Hauch einer Entschuldigung mit, als er Katsuya nun einfach unterbrach, „Es wird bereits dunkel.“ Verwirrt blickten die honigfarbenen Augen des Jungen zu Seto auf, der tief seufzte, „Soll ich dich etwa schon wieder tragen?“ Wieder wartete er keine Antwort ab, sondern hob den vor Kälte zitternden Jungen auf seine Arme und trug ihn zu ihren Reittieren. Erst dort ließ er ihn wieder hinunter und befreite die Zügel beider Tiere, „Hast du auch für dich selbst gebetet, Katsuya?“ Der angesprochene Junge ließ sich schwer in den Sattel der Mauleselin fallen und schnaubte, „Habe ich das denn nötig, wenn mich der große und mutige Graf von Pindamonhangaba beschützt?“ Wortlos trieb Seto den Rappen an und ließ ihn in einen leichten Galopp fallen. Den raumgreifenden Schritten des Hengstes konnte die Mauleselstute nicht folgen, so dass sich der Blonde schließlich alleine auf dem, immer dunkler werdenden, abschüssigen Weg wiederfand. Katsuyas Portugiesischkenntnisse mochten gering sein, aber es hatte Yugi durchaus Spaß bereitet, seinem Herren das eine oder andere Schimpfwort beizubringen. Und jedes Schimpfwort an das er sich nun erinnerte, wurde in Zusammenhang mit dem Grafen von Pindamonhangaba benutzt. „Mergulhão!“, fluchte der Blondschopf gerade herzhaft, als plötzlich irgendwo in der Dunkelheit neben ihm Setos amüsierte Stimme erklang, „Und gerade hatte ich mich entschlossen dich doch nicht hier in der Wildnis auszusetzen…“ Eine Laterne wurde entzündet und erleichtert stellte Katsuya fest, dass der arrogante Graf am Fuße des Berges auf ihn gewartet hatte. Und nicht nur das, neben Seto warteten noch vier Gauchos, die sie den ganzen Weg zurück zur Fazenda begleiteten. „Kläffer, nicht einschlafen.“, starke Hände griffen nach dem Blonden und noch bevor er sich versah, saß er schon vor Seto im Sattel des Rappens und klammerte sich erschrocken keuchend am Horn des Sattels fest. „Na na, nicht so schreckhaft, aber wenn du von einem Maultier fällst, kannst du mir sicherlich nicht beweisen, wie gut du reiten kannst.“, Setos Griff um seine Taille verstärkte sich und zog den Jüngeren an die Brust des Grafen. Der starke Herzschlag war einlullend und so fielen dem erschöpften Jungen die Augen zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)