Someone To Save You [Xanxus X Reader] von gluecklich (Leben für Anfänger) ================================================================================ Kapitel 5: Fahrtwind -------------------- Es ist Sonntagnachmittag. Fabio hat heute den ganzen Tag über nicht gearbeitet, was bedeutet, dass du anstrengende Stunden hinter dir hast. Am Morgen bist du so lang wie möglich im Bett liegen geblieben, sogar länger als er selbst, aber irgendwann hast du das Nichtstun nicht mehr ausgehalten und bist aufgestanden. Davon abgesehen hattest du Hunger. Fabio hatte schon gegessen. Du hast dir allein in der Küche einen Toast geschmiert und warst danach satt. Still hast du dich zurück ins Schlafzimmer verzogen, um dort zu lesen, bist aber nur wenige Seiten weitergekommen, bis Fabio im Türrahmen stand. Er hat gefragt, ob ihr nicht etwas zusammen machen wollt. Du warst überrascht, dann misstrauisch, dann hast du so getan, als würdest du dich darüber freuen. Als du genauer nachgefragt hast, wusste er selbst nicht, was ihr denn zusammen machen wollt, und am Ende habt ihr euch einfach zu zweit vor den Fernseher gesetzt. Zwanzig Minuten lang ging es gut, dann fing er an, zu lamentieren, ihm sei langweilig. Erst sagtest du nichts, immerhin hatte er mit dem Fernseher eigentlich etwas zu tun, aber dann begann er einmal mehr, sich aufzuregen. Um Schlimmeres zu verhindern gabst du dein Bestes, ihm alle möglichen Beschäftigungen aufzuzählen, aber wie üblich konnte ihn keine davon begeistern. Und dann, mitten in der Diskussion, vibrierte das Handy in deiner Hosentasche. Dein Herz setzte einen Schlag aus. Du hattest auf einmal alle Hände voll damit zu tun, dir nichts anmerken zu lassen und einfach weiterzusprechen, ohne knallrot zu werden. Eine SMS. Es hatte nur einmal vibriert, also war es eine SMS. Fabio schien es nicht bemerkt zu haben, das war gut. Denn es gibt niemanden, der dir eine SMS schreiben würde. Deine Eltern rufen an und Freunde hast du dank Fabio nicht mehr. Es gibt niemanden, auf dessen SMS du warten könntest – außer einen. Fabio nannte dich ein nutzloses Weib, bevor er sich schnaubend aus dem Wohnzimmer verzog. Wenige Sekunden später hörtest du sein Handy klingeln, er antwortete dem Anrufer einsilbig und dann konntest du dabei zusehen, wie er seine Waffe und Munition einsteckte und ohne ein weiteres Wort aus dem Haus verschwand. Und hier sitzt du nun. Müde von einem Sonntagnachmittag, an dem du nichts gemacht hast, außer vergeblich zu versuchen, Stress zu umgehen. Im Hintergrund läuft noch immer sinnlos der Fernseher und du denkst bitter, dass du wohl froh sein kannst, nirgends zu bluten, als dir wieder einfällt, dass ja eine SMS auf dich wartet. Während dein Herz vorher ausgesetzt hat, schlägt es nun mit beeindruckender Geschwindigkeit weiter. Xanxus ist der einzige, der dir SMS schreibt. Sie kann nur von ihm sein, und egal, was er schreibt, es wird dich freuen, dessen bist du dir sicher. Es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, wenn sich dein Optimismus endlich einmal bestätigt. »Ich warte an eurem Gartentor auf dich.«, steht auf dem Display. Das Blut pulsiert in deinen Ohren. Du springst auf, stopfst das Handy zurück in deine Hosentasche, schaltest im Vorbeigehen den Fernseher aus und stellst wohl einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord im Schuhebinden auf. Du verlässt das Anwesen durch die Hintertür und betrittst den gigantischen Garten – und kannst es schon hören. Ein lautes, tiefes Geräusch, das du im ersten Moment als Knattern abstempelst, weil es nach einem Motor klingt. Doch als du genauer hinhörst, bezeichnest du es lieber als Schnurren. Neugierig durchquerst du den gepflegten Garten, und als du durch das riesige, schwarze Gartentor auf den Bürgersteig trittst, empfängt dich der wohl attraktivste Anblick, den du jemals gesehen hast. Am Straßenrand steht eine mattschwarze Harley Davidson. Ihr Motor ist an und schnurrt vor sich hin. Auf dem schwarzen Ledersitz sitzt, die Füße in abgewetzten Stiefeln auf den Boden gestellt, Xanxus. Er trägt ein lockeres, schwarzes Hemd, diesmal ohne Krawatte, und hält einen Helm in seinen Händen, den er dir mit einem schmalen Grinsen zuwirft. Du bist selbst ein bisschen überrascht, dass du ihn fangen kannst, obwohl es dir noch schwer fällt, klare Gedanken zu fassen. »Oh Gott«, hörst du dich sagen. Xanxus gluckst. »Spring auf«, sagt er. »Wir fahren eine Runde.« Du rührst dich keinen Zentimeter; dein Mund steht offen, in den Händen hältst du noch immer den Helm, unfähig, ihn aufzusetzen, oder auch nur den Blick abzuwenden von diesem hochgewachsenen jungen Mann, der zurückgelehnt auf einem Motorrad sitzt und dich angrinst. »Darfst du sowas überhaupt fahren…?«, hörst du dich langsam fragen, obwohl du dich im selben Moment daran erinnerst, dass er dich vor Wochen auch ganz souverän mit dem Auto vom Monte Pellegrino weggefahren hat. Xanxus zuckt mit den Schultern. »Theoretisch nicht«, sagt er. »Aber praktisch bin ich angehender Vongola-Boss und darf somit alles.« Das ist natürlich ein Argument, und langsam – ganz langsam – gewinnst du deine Fassung zurück und näherst dich mit vorsichtigen Schritten der großen, lauten Maschine. »Und… Und wo fahren wir hin?« »Mal sehen«, sagt Xanxus und beobachtet dich. Das Grinsen ist deutlich blasser geworden und du versuchst, dir Schuldgefühle einzureden, weil du ihn so viel attraktiver findest als deinen Verlobten, hast damit aber überhaupt keinen Erfolg. »Ich wäre mit dir einfach ein paar Landstraßen entlang gebrettert. Wenn du irgendetwas siehst, kannst du mir von mir aus Bescheid geben und wir halten dort an, für eine Weile. Und dann fahren wir weiter. Irgendwohin.« Eine Spritztour. Einfach so. Mit Xanxus. Auf einer schwarzen Harley. Du zögerst für zwei oder drei Sekunden. Fabio ist nicht da, und davon abgesehen ist Fabio zu einem Arschloch geworden, Fabio schlägt dich und Xanxus steht Sonntagnachmittags mit einem Motorrad vor deinem Gartentor. Ist doch klar, wem du folgst. Ist doch klar. »Warum…?«, fragst du trotzdem. Für dich ist klar, was du nun tust und warum du es tust. Wieso Xanxus dir aber überhaupt die Möglichkeit dazu gibt, ist dir schleierhaft. Er legt den Kopf schief und der Gedanke, dass er fürchterlich anziehend ist, will dich nicht mehr verlassen. »Willst du nun den ganzen Abend Fragen stellen, oder willst du lieber mitfahren?« Du musst glucksen, und mit einem Lächeln schweigst du einfach, kletterst etwas umständlich auf den kleineren, zweiten Sitz hinter Xanxus und zwängst den Helm über deinen Kopf. Xanxus greift den eigenen Helm vom Lenker des Motorrads und zieht ihn sich ebenfalls über, bevor er sich nochmal zu dir dreht. »Halt dich am besten an meinem Gürtel fest«, sagt er – und dann treffen sich eure Augen und er senkt die Stimme. »Und lass das Visier offen. Du wirst bald wissen, wieso.« Also nickst du klamm, lässt die Finger von deinem Helmvisier und schließt sie stattdessen so fest wie möglich um Xanxus‘ Gürtel. Er dreht sich wieder nach vorn, legt die großen Hände an den großen Lenker, und du drückst nervös deine Schuhsohlen auf die kleinen Fußrasten unter dir. Mit einem Krachen wird der erste Gang eingelegt, der Motor schnurrt noch lauter, du hältst dich fest, er fährt los. Er beschleunigt schnell, du spürst einen kurzen, sanften Ruck, jedes Mal, wenn er einen Gang höher schaltet, ihr verlasst die Straße eures Anwesens rasant, Bäume und Alleen fliegen an dir vorbei, er nimmt eine völlig leere Auffahrt, Landluft schlägt dir entgegen, und plötzlich weißt du, wovon er gesprochen hat. Du schließt die Augen. Ganz leicht legst du den Kopf zurück, um deine Lippen spielt ein schmales, kaum merkliches Lächeln. Der Fahrtwind reißt an deinen Klamotten, lässt deine Finger erkalten und deine Ohren nur noch stetes Flattern wahrnehmen, er peitscht dir ins Gesicht und macht es schwer, einfach weiterzuatmen, und doch… Und doch ist es das Schönste, was du nach einer langen Zeit gespürt hast. Der Fahrtwind rüttelt dich wach, aus einer langen Starre, aus einem ungesunden Schlaf, einem Koma. Plötzlich kannst du dir nicht erklären, was du in letzter Zeit alles getan hast. Plötzlich kannst du dir nicht erklären, wieso du sterben wolltest. Der Fahrtwind lässt dich spüren, wie lebendig du tatsächlich noch bist. Und er lässt dich spüren, was für ein unglaublich schönes Gefühl das ist. Du sagst Xanxus nicht ein einziges Mal, dass er anhalten soll. Ihr sprecht überhaupt nicht, aber das wäre über den lauten Motor hinweg ohnehin schwer gewesen. Er fährt mit dir durch Ortschaften, die um diese Zeit nur noch halb am Leben sind, über völlig ausgestorbene Landstraßen, zwischendurch holpert ihr sogar kurz über einen Feldweg, er nimmt scheinbar gänzlich willkürliche Abzweigungen kreuz und quer, ihr kommt durch Orte, die du überhaupt nicht kennst, während am Horizont, der euch immer näherkommt und doch immer in der Ferne bleibt, langsam die Sonne untergeht. Und du willst nicht, dass ihr jemals wieder anhaltet. Deine Finger sind kalt, deine Augen trocken, deine Beine werden langsam taub, aber das ist dir unglaublich egal. Du bekommst nicht genug von diesem Gefühl der Freiheit, diesem Gefühl, dass du gehen kannst, wohin du möchtest, dass du dich vom Wind leiten lassen kannst, und dass es dieses Leben einfach verdammt nochmal wert ist, gelebt zu werden. Die Sonne ist kaum noch zu sehen, der Himmel ist in rosarotes Licht getaucht und selbst die Luft um euch herum scheint blassgelb bis orange zu schimmern, nur noch ein paar Minuten lang, bis es dunkel wird. Die Sommerluft ist im voranschreitenden Abend kühl geworden, aber das fällt dir kaum auf, da deine Finger und dein Gesicht ohnehin noch gebeutelt von der Fahrt sind. Ein weiteres Mal schließt du die Augen, während Xanxus immer langsamer wird, du genießt das leichte Vibrieren des Motors unter dir, sein kontinuierliches Knattern und Schnurren, während Xanxus weiter herunterschaltet und in eine Einfahrt einbiegt – und dann kommt dir der Gedanke, dass ihr nicht in der Gegend von Fabios Anwesen seid. Blinzelnd öffnest du die Augen – und findest dich auf dem Grundstück der Vongola-Residenz wieder. Die Maschine hält an, Xanxus schiebt mit der Fußspitze den Seitenständer raus und dreht sich auf seinem Sitz, sodass er seitlich da sitzt, während er sich den Helm vom Kopf zieht. Sein Haar ist durcheinander. Das ist das erste, was du denkst. Und, dass es toll aussieht. »Wir sind jetzt soweit«, sagt er mit ernstem Blick und erinnert dich wieder daran, dass du nicht weißt, wieso er dich nicht nach Hause gefahren hat. Noch immer mit dem engen Helm auf dem Kopf siehst du ihn an. Du sprichst nicht, du glaubst, dass du heiser bist, und blinzelst nur ratlos. »Du musst nicht mehr zu ihm zurück«, sagt Xanxus. Seine roten Augen bohren sich in deine. Andere Menschen lähmt dieser Blick. Dich erfüllt er, ganz plötzlich, irrational, mit Wärme. »Einer meiner Leute kann noch heute Nacht deine wichtigsten Sachen abholen. Und du kannst fürs Erste hier einziehen und sicher vor ihm sein.« Du öffnest den Mund und bringst noch immer kein Wort heraus. Während du ihn anstarrst, zieht sich ein dümmliches Lächeln über dein Gesicht. Du weißt noch immer nicht, wieso – aber Xanxus hat dich nach Hause gebracht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)