Someone To Save You [Xanxus X Reader] von gluecklich (Leben für Anfänger) ================================================================================ Kapitel 2: Xanxus ----------------- Deine eigenen Augen starren dir entgegen und du hast sie noch nie so hässlich gefunden wie in diesem Moment. Sie sehen müde und alt aus, wie von jemand anderem, nur nicht von dir. Unter dem rechten ist die Haut noch immer blasslila verfärbt, das macht es nur noch schlimmer. So siehst du doch nicht aus. Eigentlich. So hast du früher nie ausgesehen, so hast du nicht ausgesehen, als du noch du selbst warst. Was ist nur passiert? Du lässt das Handtuch zu Boden fallen und siehst an dir hinab, und jeder Blick frustriert dich, also quälst du dich langsam wieder in deine Klamotten. Überall sind diese Hämatome, überall sieht man seine Rückstände, und überall sind sie falsch. Alles an dir ist falsch, aber wenigstens ist alles um dich herum endlich mal wieder halbwegs richtig. So wirkt es zumindest. »Du kannst von mir aus heiß duschen oder baden gehen, wenn du willst«, hat Xanxus gesagt, »aber wenn ich dich dann mit aufgeschlitzten Pulsadern finde, gibt’s Ärger.« Du warst ein braves Mädchen und hast dir nichts angetan. Du willst nicht mehr sterben. Jetzt, wo du hier bist, ist dir klar, dass es eigentlich genau das hier war, was du in Wirklichkeit wolltest: dass dich jemand findet und dir hilft. Fein säuberlich hängst du das Handtuch wieder auf, sorgst dafür, dass deine Haare wenigstens ein bisschen ordentlich aussehen und schleichst dich dann auf Zehenspitzen aus dem Bad. Du weißt nicht, warum du der Meinung bist, dass du dich so leise fortbewegen musst. Du willst hier einfach nicht laut sein, nicht viel Aufruhr machen und von so wenigen Leuten wie möglich bemerkt werden. Jemand hat dich gefunden, eine Person hat beschlossen, dir zu helfen, und das ist gut, das ist viel besser, als du jemals erwartet hast, aber das soll reichen. Die Aufmerksamkeit ist dir jetzt schon unangenehm, du zwingst dich dazu, sie zu ertragen, weil du weißt, dass es nötig ist. Weil du weißt, dass du diese Hilfe brauchst. Weil du raus willst und es allein nicht kannst. Das Bad grenzt an Xanxus‘ Zimmer. Du schließt die Tür hinter dir und stellst fest, dass er auf dem Bett sitzt und dich beobachtet. Augenblicklich wirst du rot und weißt nicht, wieso. »So«, sagt Xanxus leise, geduldig, »jetzt setzt du dich hierher und erzählst mir, was zur Hölle du da getrieben hast.« Du senkst den Blick, schluckst den widerlichen Kloß in deinem Hals herunter und lässt dich steif neben Xanxus aufs Bett sinken. Bevor du überhaupt Luft holen kannst, unterbricht er dich schon. »Und erzähl mir keinen Scheiß. Dass du dich umbringen wolltest, ist mir schon klar. Ich will wissen, wie du auf den Blödsinn gekommen bist.« »Das will ich auch wissen«, flüsterst du, und als dir gerade erst klar wird, dass das eben deine eigenen Worte waren, fragst du dich, was du damit sagen willst. Xanxus scheint es klar zu sein. »Bist also noch nicht so weit«, sagt er nur trocken. Er lehnt sich ein Stück zurück, stützt die Handflächen auf seiner weichen Matratze auf und du drehst den Kopf etwas über die Schulter, um ihn vorsichtig weiter ansehen zu können. »Ich bin ehrlich zu dir, hab ich beschlossen. Ich weiß, wer du bist. Ich weiß, mit wem du liiert bist. Verlobt, richtig?« Du verziehst die Mundwinkel, dir wird schlecht, du nickst. Verlobt. Richtig. »Na ja«, sagt Xanxus, legt den Kopf auf die Seite und überkreuzt seine Beine, betrachtet mit hochgezogenen Brauen seine Socken, als erteile er ihnen eine Lektion und nicht dir. »Wenn ich mit de Tomaso verlobt wäre, würd ich mich auch umbringen wollen.« Du siehst ihn überrascht an und er grinst zurück. Du hast ja keine Ahnung, wie selten dieses Phänomen bald sein wird. Dass er Bescheid weiß über dich und deine Verlobung, wundert dich nicht. Du weißt ja auch, wer er ist. Jeder in dieser Gegend und vor allem in deiner Generation weiß, wer Xanxus ist. Und wer in Italien lebt und nicht weiß, wer die Vongola ist, der gehört für seine Dummheit bestraft. Die Vongola ist Italien. Die Vongola leitet Italien, die Vongola verwaltet Italien, die Vongola schmiert und bezahlt alles und jeden, der in Italien irgendetwas zu sagen hat. Italiens Politik wäre nichts ohne diese Familie. Die Vongola ist Italien. Und Timoteo ist die Vongola. Noch. Aber bald wird Xanxus die Vongola sein, der Junge mit den roten Augen, der Junge, den alle fürchten, weil er einen mit einem einzigen Blick lähmen kann. Der Junge, der bereits mit sechzehn die Varia übernommen hat, nachdem ein vierzehnjähriger Superbia Squalo den Schwertkaiser getötet hat. Ja, du weißt sehr gut, mit wem du es hier zu tun hast. Irgendwo in dir drin fühlt es sich an wie der Weltuntergang. Aber wenn das der gottverfluchte Weltuntergang ist, denkst du, dann ist der gottverfluchte Weltuntergang ein gottverfluchter Segen. »Er schlägt dich«, stellt Xanxus ruhig fest. Du willst weinen, schaffst es aber nicht. Vielleicht ist das besser so, immerhin sitzt du auf Xanxus‘ Bett. Hier weint man nicht. Du nickst. »Du bist mit ‘nem Kerl verlobt, der dich schlägt, und das einzige, was dir einfällt, ist, dich vom Pellegrino zu werfen?« Aus dem Augenwinkel schielst du zu ihm, betrachtest für einen Moment sein abstehendes schwarzes Haar und diese seltsam geformten Augenbrauen, dann blickst du zurück zu euren Füßen und atmest zittrig aus. »Hast doch gemeint, du würdest dasselbe tun«, murmelst du dumpf. »Seh ich aus, als hätt ich das ernst gemeint?«, antwortet Xanxus schroff und du schließt die Augen. Wie ein Luftballon, aus dem langsam die Luft gelassen wird, schrumpft dein Mut wieder. Niemand wird dich verstehen, denkst du. Niemand weiß, wie das ist, und niemandem wirst du deine Gedanken mitteilen können, ohne wie eine Idiotin dazustehen, weil niemand da war, als alles angefangen hat. Alle werden dich nur für das dumme Mädchen halten, das zulässt, dass ihr Typ sie verprügelt, weil es zu dämlich ist, um abzuhauen. Xanxus‘ Leben muss das genaue Gegenteil von deinem sein, wieso sollte er kapieren können, was in dir vorgeht? Wieso sollte er dir helfen können? Du hörst ihn hinter dir seufzen und dann setzt er sich wieder auf und ihr seid euch so nahe, dass du verkrampfst. Zaghaft öffnest du die Augen wieder, starrst weiterhin zu Boden, kannst aber aus dem Augenwinkel erkennen, dass er dich anblickt. »Hör zu«, sagt er und du hörst zu. »Ich bin keine verfickte Mutter Theresa. Du und ich, wir wissen ganz gut, wer ich bin. Ich hab dich da nicht weggeholt, weil ich heute früh aufgestanden bin und Lust hatte, Leben zu retten. Ich hab dich da weggeholt, weil du Teil eines Ganzen bist, mit dem ich noch nicht ganz fertig bin, und deshalb hast du dich noch nicht aus diesem Ganzen zu verpissen. Ist mir egal, ob du das verstehst oder nicht, das sind die Fakten. Wenn du dich in ein paar Monaten immer noch umbringen willst, halt ich dich nicht mehr davon ab, dann geht mir das am Arsch vorbei, aber jetzt bleibst du schön am Leben.« Er macht eine Pause, du reagierst nicht, nicht ein winziges Bisschen, er beobachtet dich, ihr sitzt still, dann spricht er weiter. »Du kannst hier vorerst nicht bleiben. Du musst zu ihm zurückgehen, sonst bricht hier früher die Hölle los, als ich es gebrauchen kann. Ich muss dich also nachher rauswerfen und dann gehst du wieder und hältst ihm die andere Backe hin. Ich geh davon aus, dass du selbst schlau genug bist, ihm nichts hiervon zu erzählen.« Xanxus wendet seinen Blick von dir ab, und jetzt sitzt ihr beide auf einem Bett und starrt eure Füße an, wie zwei alte Partner, die irgendetwas falsch gemacht haben. »Der Unterschied zu vorher ist, dass du hierher zurückkommen kannst. Wann du willst. Ich bin nicht immer da und wir sind kein Hotel, wir können dich nicht bis an dein Lebensende von ihm fernhalten. Das ist nicht unsere Aufgabe, meine schon gar nicht. Aber ich hab dafür gesorgt, dass unsere Türen für dich offen stehen, es wird niemand fragen, wenn du jetzt öfter hier bist. Also bevor du dich wieder von irgendwelchen Klippen stürzt, wenn du es nicht mehr aushältst, komm hierher. Kapiert?« »Kapiert«, sagst du nur und lächelst schwach, was nicht einmal die Hälfte von dem ist, was du eigentlich ausdrücken willst. In deinem Inneren hat es sich schon lang nicht mehr so warm angefühlt und es ist wohl einer der groteskesten Gedanken der Welt, dass du ausgerechnet einer Person wie Xanxus jetzt um den Hals fallen und ihn nicht mehr loslassen willst. »Gut«, sagt Xanxus, als hättet ihr gerade irgendein Geschäft abgewickelt. Er hebt den Kopf und sieht zur Tür, und wie gut, dass du sein schmales Grinsen nicht siehst, denn es ist so schief, dass es dir nun Angst gemacht hätte. »In seinem Leben wird sich bald einiges verändern, weißt du. In deinem deshalb vielleicht auch. Aber vorrangig geht es darum, dass er zugrunde geht. Dürfte ja auch in deinem Interesse sein. Ich wollte dich nur vorgewarnt haben: Ab heute wird nichts mehr so wie vorher. Und jetzt hau ab, und wehe, ich finde dich noch einmal vor irgendeinem Abgrund.« Du gehst. Vor deiner Dusche hast du noch einen warmen Tee bekommen, etwas essen wolltest du nicht und auch jetzt hast du noch keinen Hunger. Aber du fühlst dich gut. Zumindest halbwegs gut, und es ist das Maß an Gut, was man in deiner Verfassung eben erreichen kann. Das ist ein Anfang. Den Weg vom Vongola-Anwesen zurück zu dem Ort, der dein Zuhause sein sollte und es schon lange nicht mehr ist, findest du problemlos. Das ist gut, denn du wirst ihn jetzt öfter gehen. Das weißt du jetzt schon und es ist nichts als die Wahrheit. Xanxus war so, wie Xanxus eben ist. Ruppig und unhöflich und er hat Dinge ausgesprochen, die man eigentlich nicht gern hört. Für dich aber war jedes einzelne Wort wie ein sanftes Kompliment, wie ein Netz, das dich auffängt und behutsam zurück auf die Erde stellt, unversehrt, und vielleicht ein kleines Bisschen geheilt. Ein Xanxus ist nicht nett. Ein Xanxus handelt nur für sein eigenes Wohl. Ein Xanxus schert sich nicht um das Leben anderer Leute. Aber ein Xanxus lügt auch nicht. Ein Xanxus ist immer ehrlich. Und es ist genau das, was dir das Gefühl gibt, dass er Recht hatte, dass ab jetzt alles anders wird, dass du eine Grenze überschritten hast, hinter der nur noch Aufschwung und Aufschwung und Aufschwung kommt. Es ist so unglaublich lang her, dass jemand ehrlich zu dir war. Und es waren zwar nicht unbedingt nette oder erfreuliche Dinge, die Xanxus zu dir gesagt hat, aber es waren wahre Dinge, es waren Tatsachen, die du nicht anzweifeln musst, weil sie stimmen. Du kannst ihm glauben, weil er nicht lügt. Du kannst dich auf ihn verlassen. Es klingt merkwürdig, weil er nicht der Typ Mensch ist, auf den man sich eigentlich verlässt, aber in deiner Welt voller Lügner und Heuchler ist er der einzige, der ausspricht, was stimmt. Der einzige, auf den du dich verlassen kannst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)