Love, Hate and Other Disastres von ann-pon ================================================================================ Prolog: Prologue ---------------- Die Jungfrau der Schrift stand an der Quelle und beobachtete den einsamen Kanarienvogel in der Baumkrone, die früher von so vielen Kreaturen bevölkert gewesen war. Allein. Jetzt war sie wirklich allein. Bis vor wenigen Stunden hatte sie wenigstens ihre Tochter gehabt, die in einem ewigen Schlaf geruht hatte – über sie verhängt von ihrer eigenen Mutter, zum Schutz vor der grausamen Wirklichkeit. Payne war eine stumme Zuhörerin gewesen, gewiss, aber sie hatte sicher sein können, dass sie immer da sein und ihre Entscheidungen niemals mit Hass, Verachtung oder Kritik quittieren würde. Doch nun, da sie auch ihre Tochter in die Freiheit entlassen hatte, würde sie sich nur mit dem Vögelchen unterhalten können… Ein leises Tschilpen riss sie aus ihren Gedanken. Der gelbe Kanarienvogel, den ihr Sohn ihr gebracht hatte, sah sie fragend an. Er schien wirklich wissen zu wollen was sie bewegte, und würde nicht nur stumme Anteilnahme zeigen wie die Vögel, die sie für V’s Glück geopfert hatte. Ein frecher kleiner Zeitgenosse, der schon durch seine Farbe in ihrem in jeder Hinsicht gemäßigten und gedämpften Reich auffiel. Aber sie würden sich gut verstehen. Und diese Gewissheit deutete die Jungfrau als gutes Omen für die Zukunft- die ihres Sohnes genauso wie die ihrer Tochter… Kapitel 1: First Impressions ---------------------------- „Verdammt, was sollen wir hier? Sind nicht andere Idioten dafür zuständig, hier die Lesser zu jagen? Müssen wir uns das wirklich auch noch aufladen?“ Vishous war schlecht gelaunt. Sehr schlecht sogar. Vor kurzem erst hatte er seine totgeglaubte Shellan zurückbekommen, und schon mussten sie ins gottverdammte London abreisen. Und so stand er sich jetzt – anstatt das ZeroSum zu frequentieren, sich einen schönen Abend mit Jane zu machen oder in seiner Heimatstadt ein paar Lesser zu töten – in einem Außenbezirk Londons neben einem längst nicht mehr benutzten Lagerhaus die Beine in den Bauch. Natürlich fing es auch noch an zu schütten. Das Leben war einfach nicht fair. „Tja V, einer muss diesen Scheiß ja erledigen. Warum Wrath ausgerechnet uns auf eine…wie sagte er noch? Forschungsmission schickt, ist mir allerdings auch schleierhaft…“ Sein momentaner Leidensgefährte Rhage grinste ihn an. „…ich hasse England…“ *** Knapp 40 Meilen entfernt starrte ein gut gekleideter Mann im mittleren bis gehobenen Alter die junge Frau an, aus deren Mund ebenfalls gemurmelte Flüche und Drohungen erklangen. Doch sowohl die Tatsache, dass ihr für dieses Verhalten quer durch den U-Bahnwaggon tadelnde Blicke zugeworfen wurden als auch der Fakt, dass ihre schwarze Kleidung vollkommen durchnässt an ihr klebte, schienen ihr egal zu sein. Denn ehrlich gesagt gehörte die Schwarzhaarige, immerhin Vampirin, Trägerin zweier Doppelschwerter und diverser anderer Waffen bzw. Wäffchen, und führende Jägerin der improvisierten Lesser-Vernichtungsgesellschaft Londons, schon längst nicht mehr zu den Personen, die sich groß um den Eindruck scherten, den sie auf andere machten. Gedankenverloren griff sie zu ihrem Handy und scrollte durch das mit Namen und Telefonnummern gespickte Adressbuch. Einige der Namen blitzten dabei in ihrem Gedächtnis auf, schienen so ihre Wichtigkeit für den Verlauf des Lebens der jungen Frau betonen zu wollen. Blaze… die Erinnerung war irgendwie verschwommen. Nicht das Bild der Person an sich, wie könnte sie auch das Gesicht ihrer besten auch einzigen Freundin vergessen, sondern die Bilder ihrer ersten Begegnung, die eigentlich keine Bilder waren sondern eher Fragmente, einzelne Eindrücke, Gefühle, Laute. Eine verregnete Nacht, neblig. Eine kleine Gasse, die Pflastersteine teilweise eingesunken, zersprungen, vom Zahn der Zeit zernagt. Das Bellen eines Hundes, weit in der Ferne. Kälte, die über die Steine durch ihre Kleidung kroch. Einsamkeit und das Gefühl, etwas verloren zu haben. Etwas, das sie finden musste. Und dann…zwei dunkelgrüne Augen, die sie später so oft mit Jade, Nadelwäldern, Efeu vergleichen würde. Dazu eine Stimme, irgendwie besorgt und eindeutig fragend. Silence… Diese Erinnerung war um einiges deutlicher, als hätte ihr Gehirn sich in der kruzen Zeit zwischen den beiden Begegnungen daran gewöhnt, vollständige Gedanken zu speichern. Er war es gewesen, der sie schließlich zum Reden brachte. Mit Geduld und dafür ohne ständiges erneutes Nachbohren. Ihm hatte sie sofort vertrauen können, ihm in der völlig heruntergekommenen Lagerhalle, in die Blaze sie gebracht hatte, gestanden, dass sie keinerlei Erinnerungen besaß. Nicht an ihre Eltern, nicht an Freunde, nicht an einen Wohnort oder ihr Alter. Nur ein einziges Wort, dass in ihren Gedanken stand wie ein einzelner Pfeiler in einer Halle: Payne. Er hatte schließlich beschlossen, dass Payne ihr Name sein würde, bis sie sich an etwas anderes erinnern würde können und sie wie eine Tochter oder jüngere Schwester aufgenommen. Er hatte ihr zusammen mit Blaze ihre Umgebung erklärt, die ihr wie eine völlig fremde Welt erschien. Sie erinnerte sich an Sommernächte, in denen die Sterne vom Himmel leuchteten und selbst die finstersten Londoner Gassen erhellten, ebenso wie an ihre erste Winternacht mit Schnee, in der sie ungläubig staunend nach draußen gegangen war, daran zweifelnd dass ein Anblick von solcher Schönheit, wie ihn die durcheinander wirbelnden Flocken boten, etwas anderes als ein Traum sein konnte. Außerdem lehrte er sie den Umgang mit Schwertern, Wurfsternen, Dolchen und diverse Nahkampftechniken und erklärte ihr die Verschiedenheiten der Gesellschaften der Menschen, Lesser und Vampire, als er bemerkte, dass sie über schier unerschöpfliche Energie zu verfügen schien und oft gelangweilt war. Dieses Wissen hatte ihr inzwischen so viele Male das Leben gerettet, seit sie aktiv gegen die Lesser kämpfte… Dann Rafe… er war einer der besten Krieger in ihrer recht kleinen Gemeinschaft, ein guter Kumpel zum Trainieren, Actionfilme gucken und sich betrinken. Sie hatten einander öfter den Rücken gedeckt als sie zählen konnte, standen sich aber sonst nicht sonderlich nahe. Hier und da eine durchzechte Nacht und die gemeinsamen Trainingseinheiten und Übungskämpfe, eine eher lockere Bindung, die aber seit Jahren hielt. Phreak… bei ihm war der Name Programm. Als Kämpfer nicht zu gebrauchen, war er den meisten Kriegern aber eindeutig geistig überlegen. Ein kleines Computergenie und Fertiger der meisten Waffen, die sie benutzten. Auch ihre geliebten Doppelschwerter hatte er geschmiedet und sie ihr an ihrem ersten „Jahrestag“ als Mitglied der Gruppe feierlich überreicht. Und noch immer waren diese perfekt ausbalanciert und hatten sie nie im Stich gelassen. Und schließlich Craven. Einer der schwarzen Punkte ihres Lebens. Genauer gesagt war er der eine Punkt, den sie am liebsten vergessen würde, ohne es zu können. Oder besser noch, ihn komplett ausradieren. Mit einer Stange Dynamit zum Beispiel, einer netten kleinen Autobombe oder gleich einer gottverdammten Rakete!! Grrr… Fantastisch. Ihre Laune war soeben noch ein Stückchen gesunken. Auch wenn sie nicht gedacht hätte, dass das noch möglich gewesen wäre. Kurz gesagt, ihre Nacht war schon unglaublich mies gestartet. Sie hatte ganze zwanzig Minuten mit einer Grundsatzdiskussion mit Craven vergeudet (an das Thema konnte sie sich nicht mal mehr erinnern), dann hatten sich an ihrem Lieblingsmantel gleich zwei Knöpfe selbstständig gemacht und vor zwanzig Minuten hatte man ihr telefonisch mitgeteilt, dass sich in Whitechapel Lesser herumtrieben – in einer Gegend, die nur von Menschen bewohnt und genutzt wurde, also ein perfektes Versteck für eine ihrer Kommandozentralen oder einen Rekrutentreffpunkt, an dem sich die Lesser mit potentiellen neuen Omega-Anhängern trafen, um sie dann aus der Stadt zu schaffen und irgendwo an einem abgelegenen Ort in Lesser zu verwandeln. Also würde sie wieder einmal ziellos durch die Straßen laufen, in der Hoffnung, den typischen Talkumgeruch einzufangen und den einen oder anderen Lesser zu erledigen, und dabei wahrscheinlich die komplette Begrüßung und eine erste Besprechung mit diesen beiden Superkriegern verpassen, die heute ankommen sollten und ihnen mit ihrem „kleinen Problem“ helfen würden- hoffentlich. Das spöttische Schnauben konnte sie nicht gänzlich unterdrücken, sodass sich wieder einige Blicke auf sie richteten. Craven war vehement gegen diese Idee gewesen. Er weigerte sich zu glauben, dass die Gruppe Hilfe von außerhalb benötigte. Er hatte noch nie sonderlich gut eine Schwäche eingestehen können. Typisch Mann eben. Craven…jemand, der in seinem ganzen Leben nicht öfter als ein dutzend Mal aktiv im Außendienst gewesen war und obendrein mit seiner Ansicht hausieren ging, dass Frauen einfach nicht logisch denken könnten und sie, Payne, deshalb nicht in der Lage sei, Entscheidungen zu treffen. Wahrscheinlich erzählte er den beiden Kriegern in diesem Moment von seinen letzten Versuchen, die Gleichberechtigung zwischen männlichen und weiblichen Vampiren zu untergraben… Aber sie würde sich jetzt nicht weiter innerlich aufregen („Ruhe und Beherrschung, denk an Ruhe und Beherrschung!!“ war der Beitrag ihrer inneren Stimme) sondern sich auf ihre Mission konzentrieren. *** Rhage langweilte sich zutiefst. Nach anderthalb Stunden Wartezeit hatte man sie endlich von dieser Ruine einer Lagerhalle abgeholt und in das eigentliche Hauptquartier der hiesigen Bruderschaft gebracht. Obwohl man bei diesem kleinen Häuflein nicht wirklich von Bruderschaft sprechen konnte. Er wurde das finstere Gefühl einfach nicht los, dass dieser bunt zusammengewürfelte Haufen noch nie wirklich eine Chance gegen die Lesser gehabt hatte und wirklich dringend Hilfe brauchte. Und nun waren sie gezwungen, den wirklich sehr, sehr sehr ausschweifenden Erläuterungen dieses Waschlappens zu lauschen, der sie begrüßt hatte und offenbar irgendeinen Anführerstatus innehatte. Rhage konnte nicht anders als die übrigen Jäger der Gruppe zu bemitleiden, wenn sie diesen Typen wirklich jede Nacht am Hals hatten. Das war ja schlimmer als auf ewig mit Wrath Monopoly spielen zu müssen…. Also konzentrierte er sich lieber auf die Umgebung und blendete das Gequatsche so weit aus, dass nur hin und wieder ein Satz zu ihm durchdrang. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sein Bruder dasselbe tat. Diese ehemalige Fabrik war als Hauptquartier gar nicht mal zu verachten. Perfekt geschützt durch modernste und einfallsreiche technische Spielereien, funktionell und doch irgendwie gemütlich eingerichtet, mit einem kleinen Labor, einem abgetrennten wohnzimmerähnlichem Raum mit Sesseln, Bücherregalen, Fernseher und Billardtisch, Küche und einem Trainingsraum, der durchaus seinem Geschmack entsprach. „Kämpfen bei euch eigentlich auch Frauen in der Bruderschaft?“ Diese Frage riss ihn etwas aus seinen stummen Betrachtungen und er wollte gerade anfangen, dem Idioten zu erklären, dass die Bruderschaft natürlich „Bruderschaft“ hieß, weil sie Schwestern beinhaltete – oder auch nicht! – als sich die Tür zum Trainingsraum mit einem Quietschen öffnete. Herein trat eine Vampirin, deren Aura und Erscheinungsbild wenig mit „schwachem Geschlecht“ zu tun hatte. Sie trug locker sitzende schwarze Hosen, die in kniehohe Springerstiefel gestopft waren, ein enges schwarzes T-Shirt und einen schwarzen Mantel. Alles war komplett durchnässt und verbarg so nicht viel von ihrer Figur, die eher sportlich-knabenhaft als weiblich war: Flacher Bauch, leicht durchtrainiert, aber kaum Hüften oder Oberweite. Der kämpferische Eindruck wurde noch verstärkt durch zwei Schwerter, die an ihrem Gürtel hingen, und das leicht bedrohliche Funkeln in ihren Augen, die Rhage durch die langen pechschwarzen Ponyfransen und andere Strähnen, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten, eher erahnte als wirklich sah. Okay, dies war wirklich keine Bruderschaft. Vielleicht sollte er sich einen Begriff wie „Gruppierung“ oder so angewöhnen. „Weißt du, Craven…irgendjemand wird sich schon was dabei gedacht haben als er die Bruderschaft der Black Dagger „Bruderschaft“ nannte.“ wandte sie sich auch sofort mit leichtem Spott in der Stimme an ihren Führer, um gleich darauf ihm und Vishous leicht zuzulächeln. „Ich bin Payne“ – oh, ja, DAS konnte er sich vorstellen. Mit ihr zu streiten wäre wahrscheinlich ungefähr so angenehm wie sich in einem Kaktusfeld zu wälzen – „und ich war auch diejenige, die Euch ursprünglich hätte abholen sollen. Entschuldigt die Verspätung.“ Immerhin war sie nicht so eine Labertasche wie dieser Craven, allerdings war es aber ihre Schuld, dass sie anderthalb Stunden gewartet hatten. Rhage konnte nicht umhin, sich ihre Reaktion vorzustellen, sollte er für diesen Umstand eine ganz spezielle…Wiedergutmachung fordern. Würde sie ihn anschreien? Darauf eingehen? Oder seelenruhig lächelnd wie Freddy Kruger auf ihn losgehen und versuchen, ihn aufzuschlitzen? Schon öffnete er den Mund, um sein Glück zu versuchen, als er von Vishous einen nicht ganz sanften Rippenstoß erhielt. „Rhage. Das ist mein Bruder Vishous. Ist schon in Ordnung, ich bin sicher, du hattest gute Gründe.“ Charmantes Lächeln, die erste. „Ich darf doch „du“ sagen, oder? Es gibt keinen Grund für uns zwei Hübschen so förmlich sein…“ Okay, möglicherweise war das gerade ein Fehler gewesen. Nach diesem Spruch, der seiner Erfahrung nach die meisten Frauen auftaute, sah sie ihn ungefähr so an, wie V’s Shellan Jane immer eine Spinne ansah: Angeekelt, wütend („Wie können diese Mistviecher es wagen, sich ständig in meinem Zimmer einzunisten?!“) und definitiv bereit zum Töten. Wäre er ein gewöhnlicher Vampir, hätte er jetzt einen guten Grund, Angst zu haben. Aber als Mitglied der Bruderschaft…na ja, er hatte gewissermaßen einen Ruf zu verlieren und außerdem fand er sie schon deswegen sympathisch, weil sie eben nicht auf seine Anmache einging, sondern ihn mit Blicken röstete. *** „Kämpfen bei euch eigentlich auch Frauen in der Bruderschaft?“ Natürlich. Hatte sie es nicht gewusst? Verdammt, sie kannte Craven sogar schon so gut, dass sie sein Verhalten vorhersehen konnte. Okay, Payne, die nächste Zeit halten wir uns von ihm fern…sonst färbt sein Verhalten noch auf dich ab… Sie gruselte sich bereits bei dem Gedanken daran und beschloss, dass sie Cravens Frage sozusagen als Stichwort für ihr Erscheinen ansehen würde. Es gab doch nichts Schöneres als seinem Todfeind vor einigen Unbeteiligten ein bisschen zum Deppen zu machen… Nur kurze Zeit später korrigierte sie diese Aussage: Es würde eindeutig etwas Schöneres geben, und zwar, diesem blonden Prachtexemplar von einem Vampir nachdrücklich zu beweisen, dass sie niveaulose Anmachen nicht ausstehen konnte. Und mit „nachdrücklich“ meinte sie „handgreiflich“. Verdammt, sie hatte sich sogar für die Verspätung entschuldigt, da ihr die Predigt von Blaze noch im Ohr klang: „Payne, Süße, wir sitzen echt in der Scheiße. Lass uns hoffen und zur Jungfrau beten, dass diese Typen ne Ahnung haben, was abgeht. Also benimm dich und versuch, niemanden vor den Kopf zu stoßen…“ Und was durfte sie sich anhören? Macho-Allüren. Toll. Hoffentlich war der andere, dieser Vishous, nicht genauso drauf. Sonst würden diese Besprechungen nicht sehr produktiv werden. Sie bemühte sich, wahrscheinlich erfolglos, aber immerhin, sich ihre Gedanken nicht anmerken zu lassen, und ging dann einfach zum Hauptthema über, das Craven bislang wahrscheinlich kunstvoll vermieden hatte. „Also, was hat der König euch über die Lage erzählt?“ Anmerkung des Autors: Ja, ich habe Craven aus „Underworld“ entwendet. Ich fand ihn da schon unglaublich unsympathisch, und konnte mich beim Schreiben irgendwie nicht von dieser Figur loslösen… Kapitel 2: If looks could kill ------------------------------ 48 Stunden vorher in Caldwell, New York: „Also, ich hab letzte Nacht eine recht beunruhigende Mail aus London gekriegt. Anscheinend haben sich die Lesser dort verändert, sie lassen sich nicht mehr mit einem Stich ins Herz töten, wie hier bei uns…“ Bei dieser Ankündigung Wraths zogen sich einige interessante Flüche durch den Raum. „Das könnte erklären, warum sie sich in letzter Zeit so ruhig verhalten haben. Ich mein, die haben schon fast zwei, drei Wochen lang nicht mehr versucht, uns umzubringen!“ Vishous konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Es war anscheinend schon einige Zeit her, dass Rhage einen vernünftigen Kampf gehabt hatte. Kein Wunder, dass der so rumhibbelte… „Das muss aber nichts heißen. Vielleicht formieren sie sich hier nur neu, oder wir haben sie so stark dezimiert, dass sie sich darauf konzentrieren, Nachschub zu produzieren…“ „…oder die Mistkerle haben sich entschieden, alle Hippies zu werden und nie wieder Gewalt anzuwenden. Könnte ja auch sein.“ Wrath unterbrach Vishous’ Ausführungen mit einem Anflug trockenen Humors. Wieder grinste Vishous. Diese Vorstellung war nicht ohne Reiz, bunte Blumenketten und Batikklamotten würden die Jagd auf Lesser um einiges abwechslungsreicher gestalten. „Ich will kein Risiko eingehen. V und Rhage, ihr bewegt morgen Nacht eure Ärsche nach London und findet raus, was da abgeht. Und macht euch bei der Gelegenheit auch gleich n Bild davon, wie stark die Bruderschaft da ist. Tretet sie bei Bedarf ruhig ordentlich in den Hintern…" „Okay, dann wisst ihr im Prinzip schon das, was wir auch wissen. Nicht besonders viel, aber unser kleines Genie Phreak hier hat zumindest ne Theorie: Er ist sich ziemlich sicher, dass sich ihr Gencode verändert. Die DNA weist einige Stränge auf, die eher Vampir-DNA als der eines Menschen ähnelt - “ „Warte mal, du meinst ihr habt wirklich die DNA von denen untersucht? Wozu?“ Und wieder mal latschte Hollywood voll ins Fettnäpfchen. Vishous verspürte einen Anflug von Schadenfreude, als er bemerkte, wie die Vampirin zusehends gereizter wurde. Sie war schon angespannt gewesen, seit sie vom Trainingsraum wieder zurück zum Wohnzimmerverschnitt gegangen waren, aber jetzt begann sie mit dem Fuß zu wippen und ihre linke Hand ballte sich im Abstand von ca. 10 Sekunden leicht zur Faust. „Meine Güte, was hättet ihr denn gemacht, wenn ihr mit einem Mal feststellt: ‚Ach wie blöd, der Lesser will einfach nicht abkratzen…’ Einfach mal weiter draufhauen? Haben wir auch versucht, funktionierte genauso wenig, sie haben nämlich ihre Selbstheilungskräfte irgendwie verstärkt. Es scheint zumindest, dass die Stichwunde im Herzen zu schnell verheilt, als dass sie wirken könnte. Also versuchen wir jetzt rauszukriegen, ob es nicht irgendeine Substanz gibt, die sie erledigt…“ „Also im Prinzip wie Wolverine in ‚X-Men’.“ Langsam hatte V das Gefühl, dass Rhage sich mit Absicht dämlich stellte, um die Vampirin zu nerven. Dann würde er wohl besser den Friedensapostel spielen und ein mögliches Massaker verhindern. „Halt die Klappe, Hollywood. Ist das bei allen Lessern hier in der Gegend so? In New York sind unsere nämlich noch ganz normal.“ „Nein, nur bei den jüngeren, wahrscheinlich den neuesten Mitgliedern. Deswegen haben wir auch noch nicht sooo viele Probleme…“ „Dann könnte es auch eine Veränderung in ihrer Erweckungszeremonie sein, die sie stärkt. Vielleicht haben sie angefangen, die Herzen in den Kanopen anders einzulegen.“ V atmete innerlich tief durch. So weit, so gut. Anscheinend war Rhage doch klar, dass sie nicht zum Spielen hier waren, denn dies war sein erster konstruktiver Beitrag der Nacht gewesen. Yippie. Rhage konnte einfach nicht anders. Es machte einfach zu viel Spaß, ihre Knöpfe zu drücken. Sie reagierte dann genau wie V, mit einem leichten Zucken in der Kinnmuskulatur und dem rhythmischen Ballen der Faust. Außerdem fand er es faszinierend, wie schnell sie nach einem spöttischen Seitenhieb wieder in ihren dozierenden Tonfall zurückfand… Aber er konnte ihre Schmerzgrenze erahnen, wusste, wenn er sie noch weiter ärgerte, würde sie ihn wahrscheinlich zum Kampf fordern oder so. Nicht, dass er Angst hatte, aber er schlug sich nicht mit Frauen. Aus Prinzip nicht. Also würde er sich bemühen, seine Bemerkungen für sich zu behalten und sich damit zu begnügen, sie genau zu beobachten. Er wurde die dunkle Ahnung nicht los, dass er sie von irgendwo her kannte… *** Als Craven und sie die beiden Krieger zu ihren Räumen im ersten Stock brachten, waren ihre Nerven wie Drahtseile gespannt. Aber irgendwie war Payne auch stolz auf sich. Sie hatte niemanden ernstlich beleidigt und man hatte ihr ihre Gereiztheit hoffentlich nicht zu deutlich angesehen. Wenn jetzt auch Craven den Bogen nicht überspannte, wäre es eine relativ friedliche Nacht, aber dem Ausdruck seiner Augen nach, würde sie sich einen Vortrag anhören müssen. „Hättest du dich nicht ein bisschen…zurechtmachen können, bevor du dazu gestoßen bist? Zumindest die nassen Klamotten ausziehen, vielleicht ein Kleid an, die Haare kämmen, ein bisschen Make-up…Ist das wirklich zu viel verlangt?“ Begleitet wurde diese Äußerung von einem vorwurfsvollen Blick und dem Tonfall, als spräche er mit einer Sechzehnjährigen, die mit löchrigen Jeans Verwandte besuchen wollte. „Jetzt haben die den Eindruck, wir hätten überhaupt kein Benehmen und noch weniger Geschmack, wenn unsere Frauen hier so rumlaufen!“ Ganz ruhig, tief durchatmen…werd nicht unverschämt und/oder handgreiflich, sonst lässt er dich die nächsten Nächte wieder in irgendeinem Kaff Wache stehen… „Weißt du, Craven…Ich wollte einfach sofort klarstellen, dass wir Frauen hier ebenso kämpfen wie Männer. Nicht dass da irgendwo der Anschein aufkommt, wir wären hier mit Kochen beschäftigt oder so.“ Innerlich gratulierte sie sich für diesen dezenten Hinweis darauf, dass ihr sehr wohl klar war, dass Craven versucht hatte sie genau so darzustellen. Und seine Reaktion bestätigte die Wahrheit ihrer Worte, denn Craven ging sofort in die Offensive: „Du könntest so ein schönes ruhiges Leben haben, weißt du? Das ist der Vorteil bei euch Mädels. Ihr kommt durchs Leben mit ein bisschen Haushalt und den Rest erledigen wir. Und eigentlich bist du auch viel zu hübsch für das Leben, das du führst. Der Sohn meines Bruders würde über deinen…merkwürdigen Charakter hinwegsehen, wenn - “ „Bitte, versuch das nicht schon wieder. Ich werde mich ganz bestimmt weder an deinen Neffen noch einen Geschäftspartner noch sonst jemanden verschachern lassen! Wozu haben wir Frauen denn jahrzehntelang denn um unsere Rechte gekämpft, wenn wir uns weiterhin so bevormunden lassen?!“ Aber der würde nicht aufgeben. Wahrscheinlich ließe er ihr noch auf von jenseits des Schleiers Partnervorschläge, Drohungen bei Nichtannahme ebenjener Vorschläge und Anträge auf psychologische Gutachten, um sie für unmündig erklären zu lassen, zukommen. Letzteres hatte er wirklich einmal versucht. Er hatte allen Ernstes einen Psychologen bestellt und versucht, sie dazu zu bringen, bei diesem Test durchzufallen… Mit Mühe jedwede Beschimpfungen für sich behaltend ließ sie ihn stehen und marschierte den Flur hinunter in Richtung ihres einzigen Zufluchtsortes, ihrem Bett. Craven starrte der Vampirin lautlos fluchend nach, als sie sich einfach umwandte und davonging. Er verfluchte den Tag, an dem sie Blaze näher kennengelernt hatte. Von dem Tag an hatte sie jede Zurückhaltung abgeworfen und stolzierte durch das Hauptquartier, als sei sie ein Mitglied der königlichen Familie. Dieses Weib hatte einfach keinen Respekt. Eines Tages würde sie dafür einen hohen Preis zahlen, dessen war er sich sicher. Vishous ließ sich auf das Bett fallen, dass er soeben zu seiner Schlafstatt erkoren hatte. „Und, was denkst du?“ Rhage grinste ihn unverschämt an und verschwand Richtung Bad. „Sie ist heiß. Und erinnert mich an irgendwen…“ „Verdammt noch mal, ich rede nicht von Payne. Im Ernst jetzt. Denkst du, das hier wird ein Problem?“ „Abwarten. Ich will erst mal so nem Super-Lesser gegenüber stehen und sehen, was die wirklich draufhaben. Aber wenn die wirklich so gut sind, wie die Kleine behauptet hat, sollten wir dringend nach ner Lösung suchen. Havers und Jane könnten vielleicht helfen. Wenn wir DNA-Proben besorgen und die zwei mal nen Blick drauf werfen lassen…“ „Kann nicht schaden. Dann sind wir nicht nur auf die Ergebnisse von diesem Phreak angewiesen…Naja, lass uns jetzt endlich ne Mütze voll Schlaf kriegen. Morgen reden wir weiter…“ Rhage kam aus dem angrenzenden Bad und löschte das Licht. Der Raum lag in tiefer Dunkelheit. „Noch was, Mann. Schlag sie dir aus dem Kopf. Eher kastriert die dich als dass sie dich ranlässt…“ „Klappe, V. Ich steh nun mal auf Herausforderungen.“ In der Dunkelheit gestattete sich Rhage ein leises Lächeln. Wart’s nur ab, Kleine. Unser Spielchen ist noch nicht mal annährend gelaufen… A.N.: Da ich momentan ziemlich busy bin, werde ich eher unregelmäßig updaten. aber wenn ihr wollt, schick ich euch bei neuen kapiteln ne nachricht. lasst es mich einfach wissen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)