Bloodstains on pure white von ElliotAlderson ================================================================================ Kapitel 1: ----------- “Friede sei mit dir, Altaïr.” Stechende Augen folgten dem Assassinen im Bureau, der von sanften Mondstrahlen erhellt wurde, die sich durch die engmaschigen Gitter des Daches kämpften und sein Gewand wie ein Sternenschleier erstrahlen ließen. Argwöhnisch sah Malik zu, wie Altaïr grinsend seinen Kopf zu ihm wand, ehe er aus seinem Blickwinkel verschwand, um sich von den Strapazen des vergangenen Tages zu erholen. Manchmal fragte er sich ob es einen noch arroganteren Menschen gab, als seinen Ordensbruder, doch wenn er recht überlegte, war dies kaum mehr möglich. Oft überkam ihm das Gefühl einfach mit der Faust auszuholen und dieses selbstverliebte Feixen aus seinem Gesicht zu wischen. Maliks Blick wandte sich langsam einem verblichenem Pergament zu, welches er vor sich liegen hatte. Müde Augen huschten über das Blatt, es war viel zu spät und seine Konzentration ließ deutlich zu wünschen übrig. Seine braunen Iriden huschten zu der Stelle, an der Altaïr zuletzt gestanden hatte. Er ertrug kaum seine Anwesenheit, wenn er da war, kamen die alten Erinnerungen hoch, jedes Mal aufs Neue. Er versuchte sie auszublenden, doch sie kamen immer wieder zu ihm zurück. Kadars fröhliches Lachen hallte in dem Raum wieder, nur noch ein schwacher Schatten von dem, was es einmal gewesen war und doch musste Malik leicht lächeln. Es war kein Lächeln, dass Freude ausdrückte, es war von Schmerz und Trauer gezeichnet und gequält zogen sich die Mundwinkel wieder nach unten. Die Zeit verstrich, die Arbeit lenkte ihn nicht ab und so war er in Gedanken stets bei Kadar und gezwungenermaßen auch bei Altaïr. Als er das nächste Mal aufblickte, konnte er sehen wie es langsam schon hell wurde. Malik ließ seine Augen einen Moment ausruhen, als er von der Zeichnung, über die er gebrütet hatte, abließ und dann urplötzlich seine Hand zur Faust ballte. Es konnte nicht so weitergehen, er konnte nicht so tun, als wäre nichts passiert. Altaïr mochte seine Strafe für seinen Fehltritt erhalten haben, er war degradiert worden, doch nur um ihn daraufhin Stück für Stück wieder aufsteigen zu sehen. Malik hatte seinen Arm verloren, seinen Bruder und somit sein Leben, es war einfach nicht fair. Er registrierte es kaum, da hatte sich seine Hand ausgestreckt, griff nach kaltem Stahl und kaum hatte er geblinzelt, da war er in den nächsten Raum gegangen. Die kleinen Brunnen zu beiden Seiten plätscherten leise vor sich hin, glitzerndes Wasser ergoss sich in ihren Becken. Helle Sonnenstrahlen fielen durch das halb offene Dach und brachten die bestickten Kissen auf dem steinernen Boden in allen Farben zum Leuchten. Die weiße Kapuze tief ins Gesicht gezogen, um den kitzelndem Licht zu entgehen, lag Altaïr auf den weichen Polstern, sanfte Atemzüge entwichen seinem Mund. Malik beobachtete die fast harmonische Szene und seine Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie. Dunkle Augen huschten zu der makellosen weißen Feder, die er sich in seinen Gürtel gesteckt hatte und seine Brauen kräuselten sich in Argwohn. Verkrampfte Finger verfestigten ihren Griff um das silberne kurze Schwert, welches kleine schillernde Lichter an die Wände warf und in dem reinen Weiß von Altaïrs Mantel besonders strahlte. Doch Altaïrs Weste war längst nicht mehr weiß. Sie war besudelt mit unsichtbarem Blut, von Sündern, von Unschuldigen…von Kadar. Sein Bruder hatte sterben müssen, weil sein bester Freund zu arrogant war, zu übereilt und zu unbedacht. Schmerzlich kehrten die Bilder abermals zurück und die Erinnerungen ließen Maliks Muskeln erzittern. Seine Knöchel wurden weiß, so krampfhaft hielt er den ledernen Griff der Waffe umklammert, doch es linderte den Schmerz nicht. Er wusste, er konnte es nicht. Nicht so. Malik ertrug den Anblick kaum länger, wie friedlich der Assassine schlief, so unschuldig und ahnungslos. Nein, dies stimmte nicht. Altaïr hatte seine Unschuld schon lange Zeit abgelegt. Malik schluckte. Er wandte sich ab, der Hass brodelte stärker den je in ihm und für einen kurzen Moment fragte er sich, warum er Altaïr mit der Klinge nicht schon längst gerichtet hatte. Vielleicht war er es um ihrer alten zerbrochenen Freundschaft Willen schuldig, ihm dabei in die Augen zu sehen, den letzten Moment, ehe er sein Leben endgültig aushauchte. Er konnte kaum atmen, sein Körper bebte, sein Kopf war gefüllt mir rasenden Gedanken, jeder Einzelne zu schnell um ihn zu fassen oder gar zu begreifen. Ihm war schlecht. Warum war es soweit gekommen? Warum hatte er es nicht aufhalten können? Er war töricht gewesen und er hasste sich dafür. Doch dies genügte nicht, nicht um seinen Groll zu stillen. Viel zu lange hatte er versucht die Fehler bei sich selbst zu sehen, doch die Schuld galt Altaïr, ebenso der brodelnde Hass, der in ihm wohnte. „Malik?“ Die trügerisch beruhigende Stille war urplötzlich unterbrochen und die Stimme ließ Maliks Innereien wie zu Eis erstarren. Er brauchte ein Ende, für seinen Hass, seiner Trauer, seiner Rache. Vielleicht hatte Altaïr es nicht kommen sehen, vielleicht aber wollte er sich nicht wehren, Malik war es gleich. Er dachte nicht nach, sein Körper bewegte sich einfach, wie automatisch drehte er sich herum, tat einen schnellen Schritt nach vorne und stieß die blitzende Klinge tief in Altaïrs Fleisch. Sauber durchtrennte er den abgenutzten Ledergürtel, das rote Tuch, das sich um Altaïrs Hüfte legte, sowie der blütenweiße Stoff der Assassinenrobe, bis er in sein Fleisch vordrang, es durchbohrte, als wäre es nichts. Selbst durch die dunklen Schatten, die über Altaïrs Augen lagen, konnte er den leicht überraschten Ausdruck in seinem Gesicht erkennen, der erstickte Laut aus seiner Kehle war ganz nah an seinem Ohr, als er sein Gegenüber gegen die Wand drückte und das Schwert mit einem Ruck herumdrehte. Einen kurzen Moment verharrten sie so, der wie eine Ewigkeit schien, nur das kratzende Geräusch der Klinge, die an der sandigen Mauer schabte und ihrer beider unregelmäßigen Atemzüge unterbrachen die Stille. „…es…tut mir Leid.“ Maliks Hand erzitterte und der eiserne Griff lockerte sich. Wusste Altaïr was ihn dazu trieb? Natürlich wusste er es, der Assassine mochte einen schier unbändigen Stolz besitzen, doch er war nicht auf den Kopf gefallen. Malik presste die Lippen zusammen, als er das Schwert aus Altaïrs Körper zog und dann einfach fallen ließ, wie ein heißes Stück Eisen. Dumpf landete es auf den samtenen Kissen, die das Blut, welches an der Klinge klebte, gierig aufsogen. Altaïr lehnte nach vorne, seine Hände suchten instinktiv Halt und fanden ihn schließlich an Maliks Arm, seine Finger umklammerten den dunklen Stoff des Ärmels und Malik ließ ihn gewähren. Blut landete geräuschlos auf dem Boden, zeitgleich mit den ersten trägen Regentropfen, die sanft an ihnen abperlten. Wieso spürte er nicht so etwas wie Freude? Ein wenig Genugtuung oder wenigstens Milderung seiner Trauer? Doch der Schmerz blieb und wurde nur noch größer. „Nein Altaïr…mir tut es Leid.“ Seine Stimme war kaum ein Flüstern. Beide sanken in die Knie, so sanft wie es ihm mit einem Arm möglich war, ließ Malik sein Gegenüber zu Boden gleiten, gebettet auf den farbenprächtigen Polstern, die bald schon von Blut getränkt waren. Malik lauschte den schnellen, unkontrollierten Atemzügen, die zwischen zusammengebissenen Zähnen leise pfiffen, spürte wie der Körper neben ihm krampfte und sich gegen den nahenden Tod wehrte. Altaïrs Robe, sonst so blütenrein, hatte sich tiefrot verfärbt, Stück für Stück sog der Stoff die Flüssigkeit auf und mit ihr das Leben. „Ma…lik…“ Stoßweise erreichten die kurzen Silben Malik, fast schon gehetzt, als wollte er noch etwas loswerden, doch schon nahm der Druck an seinem Arm ab, bevor er völlig versiegte und ein letzter erschöpfter Atemzug die blassen Lippen streifte. Malik schloss einen Moment lang die Augen. Er konnte ihm verzeihen, wenn auch viel zu spät. Nun konnten sie ruhen, die alten Erinnerungen, ihre alte Freundschaft, der alte Hass. Maliks Finger strichen über Altaïrs Lider und schlossen seine Augen...für immer. Mit einem geübten Handgriff nahm Malik die Feder zur Hand und zog sie durch das Blut. Die Sonne schien nicht mehr, die harmonische Szene hatte sich aufgelöst, Rot befleckte das pure Weiß und der Regen vermischte sich mit Tränen, die schwer zu Boden fielen. „Friede sei mit dir…mein Freund.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)