Fragmente von Hikato (Wintergrauen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Die ganze Welt war eingehüllt von einem dicken weißen Mantel. Tsirin, ein kleines Dorf in der Nähe der Stadt Stra, lag unter einer hohen Schneedecke begraben. Es war so unsagbar kalt, dass sich kaum ein Mensch nach draußen verirrte. Doch nicht allein die Kälte war der Grund, weshalb sich, unabhängig voneinander, lediglich zwei Personen mühevoll Gassen durch den weißen Fluch bahnten. Eine kam gerade nach einem langen Arbeitstag heim, die andere ging hinaus. Sie sahen sich nicht, obwohl sie im gleichen Haus lebten. Eine fast schon unheimliche Stille hüllte das Dorf ein, jedes Geräusch wurde geschluckt von den dicken weißen Flocken, die unablässig vom Himmel schwebten. Dunkle Wolken hingen am Himmel und ließen nur selten einen kleinen Teil eines der beiden Monde, die gerade aufgingen, zwischen sich hindurch schimmern. Nicht einmal der Schrei eines Drachen, der sonst meilenweit zu hören war, vermochte diese unnatürliche Stille zu durchdringen. Es war, als wäre die Welt in Finsternis versunken und verstummt. Salia warf sich ihren Wintermantel über, schnappte sich einen Korb, den sie mit Futter füllte, und zündete eine Lampe an. Sobald sie die Haustür öffnete, rieselten ihr die Schneeflocken entgegen, blieben kurz an ihr haften und schmolzen dann. Allein hatten sie keine Chance gegen die Wärme von Haut und Lampe, doch zusammengerauft zu einer dichten Schneedecke machte es ihnen nichts aus. Mühevoll musste Salia sich ihren Weg durch den hohen Schnee bahnen. Am Morgen war sie diesen Weg schon einmal gegangen, hatte sich eine Gasse durch die weiße Pracht gebahnt, jetzt war nur noch eine blasse Erinnerung daran übrig, alles war wieder zugeschneit. Das Mädchen war völlig außer Atem und fror, als es endlich den Stall erreichte. Nur die Lampe wärmte seine Hand ein wenig. Salia öffnete die Stalltür und trat ein. Sogleich drängten sich Schafe und Ziegen um sie, mähten und bähten hungrig und zupften ungeduldig an ihrem Mantelsaum. Oh, sie liebte die Tiere. Salia lachte und schob ihre Köpfe von sich. Dann stellte sie die Lampe auf den Boden und begann, das wenige Futter an die mageren Geschöpfe zu verteilen. Sie würden nicht satt werden, aber die Menge reichte, um sie am Leben zu erhalten. Salia ließ ihren Blick schweifen, betrachtete jedes einzelne Tier sorgfältig. Arc hatte gesagt, dass sie bald mindestens eines von ihnen schlachten müssten, damit das Futter für die anderen reichte. Außerdem brauchten sie das Fleisch, um sich selbst zu ernähren. Dieser verfluchte Winter dauerte bereits viel zu lange und machte Menschen und Tieren gleichermaßen zu schaffen. Alle litten Hunger, viele wurden krank. Alle im Dorf setzten ihre Hoffnungen in Arc, dass er sie irgendwie durch diese harte Zeit bringen und sie alle retten würde. Aber auch ihm machte die Kälte zu schaffen, seit einigen Tagen wirkte der alte Mann ungewohnt schwach und er hustete und spuckte Schleim. Das war nicht gut, besonders, weil er trotz seiner Verfassung versuchte, den Vorstellungen seiner Leute gerecht zu werden. Arc führte sie seit vielen Generationen, er war ein weiser Mann und älter als jeder andere im Dorf. Er hatte schon viele Frauen geehelicht und überlebt, nur mit Kindern war er nie gesegnet worden. Vielleicht war das auch der Grund gewesen, weshalb er Salia damals bei sich aufgenommen hatte, nachdem das Blaue Fieber sie ihrer Familie beraubt hatte. Er war einsam, obwohl jeder ihn mochte. Seine Gutherzigkeit wurde stets gelobt, von vielen sogar verehrt. Er kannte einige Heilmittel gegen verschiedenste Leiden, wenn es eine Missernte gab, teilte er großzügig, auch wenn er dann dafür den Gürtel enger schnallen musste, wenn eine Tiermutter Probleme mit der Geburt hatte, war er stets zur Stelle und er half, wenn es etwas zu reparieren galt. Ja, alle im Dorf liebten ihn, doch jetzt, wo es ihm schlecht ging, half ihm niemand. Salia sah auf und verscheuchte die Ziege, die erneut an ihrem Mantel knabberte. Alles Futter war verteilt, ihre Arbeit hier war getan. Lächelnd streichelte sie die Tiere, dann hob sie die Lampe auf und verließ den Stall wieder. Kurz betrachtete sie ihren Pfad. In wenigen Stunden würde er wieder unter einer neuen, frischen Schneeschicht verschwunden sein. Dann sah sie zum Haus. Sie hatte, als sie gegangen war, die Lampe drinnen gelöscht, doch jetzt brannte sie wieder. Das hieß, Arc war nach Hause gekommen. Endlich! Freudig eilte sie hin, riss die Haustür auf und sprang ins Warme. Arc hatte ihr den Rücken zugewandt. Er hockte auf einem Stuhl vor dem Kamin, eingehüllt in mehrere Decken. Salia dachte sich nichts dabei, er war gewiss stundenlang durch die Kälte gelaufen, immer von Haus zu Haus. Sie blies ihre Lampe aus und stellte sie zur Seite, hängte ihren Mantel weg, dann eilte sie zum brodelnden Topf in der Kochnische. Kurz warf sie einen Blick hinein und rührte die Brühe darin um. Geschäftig eilte sie umher, stellte zwei Tonschalen und Löffel hin und nahm dann, als die Suppe fertig gekocht war, den gusseisernen Kessel von der Feuerstelle herunter. Den Inhalt füllte sie in die beiden Schalen, eine davon brachte sie dem Mann, der noch immer unbewegt auf seinem Stuhl saß. „Schön, dass du wieder –“ In diesem Moment sah sie sein Gesicht und stieß einen spitzen Schrei aus, beinahe hätte sie die Schale fallen gelassen. „Oh, bei den Göttern, Arc! Nein!“, rief sie entsetzt aus. Schnell wurde die Suppe zur Seite gestellt. Salias Hände tasteten über seine Hand und sein Gesicht. Er war ganz kalt, kälter als er hätte sein dürfen, und seine Lippen waren bereits blau. Fast dachte sie schon, er sei tot, denn er regte sich nicht, doch er atmete noch. Zum Glück. Und trotzdem stand es schlecht um ihn. Salia hatte gehofft, dass er nur eine normale Erkältung hatte und sich mit etwas Wärme und Ruhe schnell wieder erholen würde, wie sonst auch, wenn er krank war. Aber das… „Arc! Oh bitte Arc, wach schon auf!“ Aufgeregt tätschelte sie sein Gesicht und tatsächlich regte er sich schließlich und öffnete langsam die Augen. Er blickte in das erschrockene Gesicht seines Mündels und wunderte sich, was denn los war. Eigentlich war er nach dem langen Arbeitstag zu müde, um noch lange wach zu bleiben, aber er musste wohl essen. Außerdem freute sich Salia sicherlich, ihn endlich wiederzusehen, immerhin hatte er heute bereits so früh das Haus verlassen, dass sie nicht einmal gemeinsam hatten frühstücken können. Er fröstelte. „Arc, oh nein, das darf nicht sein! Das darf einfach nicht sein!“ Ihre Stimme war panisch, so hatte er sie noch nie erlebt. Der alte Mann blinzelte müde. „Was ist denn, Salia mein Schatz?“, fragte er heiser. Er hatte Mühe, auch nur einen Ton herauszubringen. „Es ist… Du hast das Blaue Fieber! Aber wie kann es schon so weit sein? Gestern ging es dir doch noch gut! Gestern hattest du nur Husten, gestern hattest du noch keinen Frost!“ Frost. So nannten sie das Abkühlen und Erfrieren des Körpers im Verlauf der Krankheit. Krankheit? Nein, das Blaue Fieber war eine Seuche, eine Plage. Aber ja, das würde auch erklären, warum ihm trotz der Decken und des Feuers so fürchterlich kalt war. „Wie weit ist es schon?“, fragte er, seine Stimme spiegelte keine Gefühlsregung wieder. Insgeheim hatte er darauf gewartet, dass es ihn auch traf, sodass er die Nachricht jetzt, wo es soweit war, relativ nüchtern aufnahm. Ja, er hatte so viele behandelt, die diese Krankheit hatten, dass er sich nur hatte anstecken können. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. „Es… es ist schon in deinen Augen.“ Salias Stimme zitterte heftig, als sie gegen die Tränen ankämpfte. Arc legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Schhht“, machte er. „Lass es mich sehen, bring mir meine Spiegelscherbe.“ Spiegel waren ein Luxusgut, das sich hier in Tsirin niemand leisten konnte. Deshalb war diese Scherbe auch Arcs größter Schatz, den er vor allen anderen geheim hielt. Nur Salia wusste davon. Der alte Mann hatte das kostbare Stück einmal zufällig gefunden, als sie in die Stadt gegangen waren. Vermutlich war einem Händler ein Spiegel von seinem Karren gefallen und zersprungen. Und Arc hatte ein Stück davon gefunden und mitgenommen. Man wusste schließlich nie, für was man so ein Spiegelstück nicht noch gebrauchen konnte. Salia huschte davon und holte die Scherbe. Sie hielt sie ihm vor das Gesicht, sodass er seine Augen darin betrachten konnte. Tatsächlich, seine Augen waren jetzt blau. Eines der charakteristischen Symptome für das Blaue Fieber. In den vergangenen Tagen hatte er das schon oft gesehen. Ähnlich einer gewöhnlichen Erkältung begann diese Krankheit mit Husten und leichtem Frösteln. Das Kältegefühl nahm dann in den folgenden Tagen zu, der Erkrankte fror ständig, auch wenn es um ihn herum warm war. Das Abkühlen des Körpers erfolgte aufsteigend: Erst wurden die Füße kalt, dann folgten Beine und Oberkörper und am Schluss sah man es dann auch im Gesicht. Die Lippen wurden blau vor Kälte. Bei manchen Erkrankten begann sich nun der Körper gegen die Infektion zu wehren, was sich in einem starken Fieber äußerte. Jedoch dauerte diese Phase nicht lange an, bei den meisten fiel die Temperatur nach ein bis drei Tagen wieder rapide. Und dann wurden die Augen blau. Kein Mensch der bekannten Welt hatte blaue Augen. Die meisten hatten braune Augen, manche auch grüne oder eine Mischung aus braun und grün, aber es gab keine Menschen mit blauen Augen. Wer blaue Augen hatte, war entweder krank oder kein reinrassiger oder gar kein Mensch. Blaue Augen waren ein unheimlicher Anblick, besonders an sich selbst, stellte der alte Mann fest. Wenn die Augen erst diese Farbe angenommen hatten, dann ließ das Ende, der Tod, nicht mehr lange auf sich warten. Arc seufzte schwer bei diesem Gedanken. „Arc, bitte! Du darfst nicht sterben! Du darfst mich nicht allein lassen!“, flehte Salia ihn an, ihre Hände waren zu Fäusten geballt und sie kämpfte noch immer gegen die Tränen. „Mein Kind, beruhige dich doch. Ich habe so lange gelebt, es wird allmählich Zeit für mich.“ Innerlich hatte er längst mit der Welt abgeschlossen, schon in dem Augenblick, als sie ihm gesagt hatte, dass er krank war. „Nein, sag sowas nicht! Du hast immer allen im Dorf geholfen, dein ganzes Leben lang! Du kannst jetzt nicht einfach sterben! Das erlaube ich nicht!“ „Für jeden kommt einmal die Zeit, sogar Drachen und Magier sterben irgendwann. Warum sollte ich dann ewig leben?“ Er schloss die Augen und Salia quietschte schon vor Protest, da fragte er plötzlich: „In wie vielen Häusern brennt noch Licht?“ „Wie? Soll ich gehen und Hilfe holen?“, fragte sie hoffnungsvoll, doch Arc schüttelte langsam den Kopf. „Nein, sag es mir einfach nur“, bat er. Salia verließ ihn nur ungern, aber sie ging zur Tür, trat hinaus in die Nacht und schaute sich um. Dann kam sie zurück. „In dreien.“ „Drei? So wenige…“ „Die anderen schlafen alle schon.“ „Nein. Oder ja… Die anderen schlafen den ewigen Schlaf.“ „Den ewigen Schlaf?“ „Ja. Das Blaue Fieber holt sie alle, einen nach dem anderen. Gestern habe ich noch acht Leute behandelt, und heute… ja, wie viele waren es heute? Ich war bei Karl, bei Sibill, bei Lemis, dann wieder bei Karl, dann bei Ord, dann wieder bei Lemis, dann bei Ord, nein, bei Karl, ach nein, da war ich schon vorher, bei Sibill war ich danach, aber vorher war ich noch bei Heinko, glaube ich.“ Verzweifelt fasste er sich an den Kopf. „Ich fühle mich so müde, ich kann gar nicht richtig denken. Bei wie vielen war ich jetzt?“ „Bei fünfen. Aber…“ „Die anderen sind über Nacht gestorben.“ „Am Blauen Fieber? Alle?“ Salia sah ihn bestürzt an. „Und was ist mit Jumina und Lidanria?“ „Deine Freundinnen sind schon seit fast einer Woche tot“, murmelte er leise. Nun schlug sie die Hände vors Gesicht und sank schluchzend auf die Knie. „Nein… wieso… wieso hast du nie…“ „Damit du nicht traurig bist.“ „Und… aber…“ „Mein Schatz, du hättest nur Angst bekommen, wenn ich dir gesagt hätte, wer schon alles krank ist. Und als dann die ersten gestorben sind, da habe ich gehofft, dass sich dann keiner mehr ansteckt und es endlich aufhört, so wie damals. Aber es hat nicht aufgehört, ich habe jeden Tag alle besucht um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist, aber alle sind krank geworden, nur mir ging es noch gut. Und jetzt…“ „Du hättest es mir sagen sollen“, schluchzte sie anklagend. „Ja, vielleicht hätte ich das tun sollen.“ Salia hatte wegen der Kälte und weil Arc es so gewollt hatte das Haus kaum noch verlassen, nur um die Tiere zu füttern war sie hinaus gegangen, den kurzen Weg zum Stall und zurück. Mit niemandem außer Arc hatte sie Kontakt gehabt und jetzt hatte sie das Gefühl, von ihm hintergangen worden zu sein. Er hatte ihr etwas derart wichtiges verschwiegen! Ja, er hatte ihr verboten, zu den anderen zu gehen, damit sie sich nicht ansteckte oder zusehen musste, wie ihre liebsten Freundinnen starben, aber es war trotzdem nicht rechtens, dass er ihr das alles und noch mehr einfach nicht erzählt hatte. Es war so gemein und doch wusste sie ja, dass er es getan hatte, weil er sie liebte und beschützen wollte. Sie sah zu ihm auf, beobachtete, wie er die Decken zitternd enger um sich schlang. Nein, sie sollte ihm jetzt nicht böse sein, wo es ihm so schlecht ging. Rasch wischte sie sich die Tränen weg, erhob sich und machte ihm ein heißes Fußbad. Dann brachte sie ihm neue, warme Suppe, denn die in den Schalen war längst kalt geworden. „Hier, damit dir warm wird.“ Sie stellte seine Füße ins Wasser und reichte ihm die Schale. Langsam und mit zitternden Händen löffelte er die Suppe. Es war mehr Wasser als alles andere, sie hatten einfach nichts mehr, was sie hineingeben konnten. Aber wenigstens schaffte es die Suppe, seinen Hals zu erwärmen, sodass ihm das Sprechen leichter fiel. Und bald breitete sich die Wärme auch in seinem Bauch aus und seine Füße kribbelten und wurden warm. Salia fragte ihn nicht, was jetzt auch ihnen werden sollte. Vermutlich war sie auch schon krank und morgen würde es sich zeigen. Und dann würde sie sterben, alleine, einsam, wie alle anderen hier im Dorf. Sie wollte die Zeit, die ihr noch mit Arc blieb, nutzen, mit ihm zusammen sein und nicht an den Tod denken. Mehrmals füllte sie ihm seine Suppe nach und schon bald zeigte die Wärme ihre Wirkung. Sein Frösteln ließ nach und seine Lippen bekamen ein wenig Farbe. Während des Essens schien er angestrengt nachzudenken. „Mein Kind“, begann er schließlich, „du musst weg von hier. Alle anderen sind tot oder liegen im Sterben, aber du bist noch gesund. Wenn du weg gehst von diesem verfluchten Ort, dann schaffst du es vielleicht, dann überlebst du. Ja, du musst fort von hier. Tsirin hat keine Zukunft mehr.“ „Aber… Ich kann dich doch nicht alleine lassen! Und wohin soll ich denn gehen? Draußen fressen mich die Wölfe oder ich verlaufe mich und erfriere.“ Beruhigend legte er seine Hand auf ihre, seine Stimme war beruhigend und zuversichtlich. Er lächelte sie an. „Keine Angst. Ich werde mit dir kommen, solange ich kann. Mindestens eine Nacht und ein Tag bleiben mir noch. Das sollte reichen, um dich nach Stra zu bringen oder zumindest so nahe heran, dass du den Rest des Weges alleine schaffst. Aber wir können nicht zu Fuß gehen. Und von Schnee allein können wir nicht leben. Bring mir unser Stroh her und eines unserer Tiere. Das, was noch am besten im Futter ist. Und bring mir das große Messer.“ Sie ahnte, was er vorhatte, nein, sie wusste es. Es wäre er lieber gewesen, wenn er keines ihrer Tiere hätte schlachten müssen, denn sie waren Salia ans Herz gewachsen. Aber es half nichts. Sie machte sich auf den Weg und brachte ihm, was er verlangt hatte. Anschließend suchte sie persönliche Gegenstände, die ihr wichtig waren und ihre letzten Essensreste zusammen. „Gut, aber jetzt brauchen wir noch etwas, das uns trägt. Durchsuch die Ställe, wir brauchen zwei Pferde. Hier hat ohnehin niemand Verwendung mehr für sie, da können wir uns ebenso gut einfach welche nehmen.“ Das Mädchen ging erneut hinaus in die Nacht und kämpfte sich durch den Schnee. Wenigstens hatte es aufgehört zu schneien und die beiden Monde leuchteten trüb durch einige Wolkenfetzen. Salia suchte mehrere Ställe ab und kehrte schließlich zu einem zurück, in dem die noch am kräftigsten aussehendsten Pferde standen. Ihr taten die Tiere leid, die sie hier zurücklassen würden. Für sie gab es nur drei Optionen, die alle auf das gleiche Ende hinausliefen, den Tod: Entweder, sie würden erfrieren, verhungern oder von wilden Tieren gefressen werden. Zumindest würden dann die Raubtiere nach langer Zeit einmal wieder satt werden. Während Salia die Pferde losband, fragte sie sich, ob die Dorfbewohner, bei denen noch Licht brannte, noch lebten. Es konnte schließlich auch sein, dass sie längst gestorben waren und jetzt die Kerzen an ihren Betten hinunter brannten, bis sie erloschen und alles der Finsternis überließen. Es erschien ihr ziemlich unheimlich, durch ein Dorf voller Toter zu gehen. In ihrer kindlichen Angst glaubte sie sogar, die Toten könnten auferstehen und sie angreifen, weil sie vor ihnen zu fliehen versuchte. Diese Gedanken und die Furcht, Arc könne während ihrer Abwesenheit sterben, trieben sie an, rasch heim zu gehen. Wer wusste schließlich schon genau, wie viel Zeit dem alten Mann noch blieb? Wieder daheim angekommen, band Salia die beiden Pferde an und ging ins Haus zu Arc. Bis jetzt hatte er sie nie dabei zusehen lassen, wie er ein Tier schlachtete. Sie vermutete, dass er dabei irgendein Geheimnis hatte, denn er zerlegte die Tiere so sauber in sämtliche Einzelteile und ließ alles, was er nicht brauchte, so schnell verschwinden, dass sie nicht einmal wusste, wohin er den Anfall gebracht haben könnte. Auch von dem Schaf, das sie ihm vorhin gebracht hatte, war nichts mehr übrig. Nur die Wolle lag noch herum. Das Fleisch hatte Arc anscheinend schon verstaut, alles andere war spurlos verschwunden. Einmal hatte der alte Mann behauptet, er könne zaubern und deshalb so präzise arbeiten, aber das glaubte sie ihm nicht. Das hätte doch jeder gewusst, wenn er ein Magier wäre! Dann hätte man ihn als Dorfmagier verehrt, nicht als Dorfältesten. Sie sah zu ihm. Er stopfte sich gerade die Kleidung mit Wolle und Stroh aus, ein Schutz gegen die Kälte. Dann zog er sich noch ein weiteres Hemd an, darüber eine Felljacke und darüber legte er einen Umhang. „Salia, komm her.“ Er winkte sie zu sich und half ihr dann dabei, sich für die Reise durch die Kälte zu wappnen. „Hast du gute Pferde gefunden?“ „Ja. Ich glaube, sie können uns noch tragen. Hast du auch Futter für sie mitgenommen?“ „Natürlich.“ „Wie geht es dir?“, fragte sie nun besorgt, denn er zitterte wieder. „Mir ist kalt und ich habe das Gefühl, jeden Moment erfrieren zu müssen, aber ganz ehrlich, das ist mir lieber als Fieberwahn. Dann könnte ich dir nämlich garantiert nicht helfen. So, nun komm.“ Sie nahmen zwei kleine Taschen, in denen sie alles verstaut hatten, was sie unbedingt mitnehmen mussten. Zusätzlich suchten sie noch alles, was sie an Decken besaßen, zusammen und bedeckten die Rücken der Pferde damit, um sie wenigstens etwas vor der Kälte zu schützen und sie warm zu halten. Bevor sie endgültig aufbrachen, gab ihnen der alte Mann noch etwas Futter, dann hob er Salia auf eines der Pferde und gab ihr eine der Taschen. Schließlich kletterte er selbst auf den Rücken des anderen Pferdes und ritt voran. Salia folgte ihm. Weit kamen sie allerdings nicht, jemand stellte sich ihnen in den Weg. Es war Karl, der Salias Treiben von seinem Fenster aus beobachtet hatte. Jetzt stand er vor den beiden, bibbernd, mit blauen Lippen und blauen Augen, eine Mistgabel fest mit beiden Händen umklammernd. „Arcana!“, schrie er. „Du Bastard! Du hast uns alle ermordet und jetzt rennst du weg, du feiger Hund!“ Der alte Mann sah ihn mitleidig an. „Karl… Verzeih mir, dass ich nichts für Lauria und deine Kinder tun konnte. Ich –“ Doch Karl unterbrach ihn wütend, seine Stimme war hasserfüllt und überschlug sich vor Zorn. „Halt’s Maul! DU hast doch diese Seuche gebracht! Du hast diesen Winter gemacht! Du wolltest uns von Anfang an alle umbringen! Du bist ein Bote des Teufels!“ „Wirklich Karl, ich habe getan, was ich tun konnte, für jeden von euch. Aber ich kann gegen diese Krankheit nichts tun, sie ist unaufhaltsam. Ich kann selbst mir nicht helfen. Sieh! Ich bin selber krank geworden.“ Doch das Mondlicht genügte nicht, es war nicht hell genug, damit Karl die Zeichen sehen konnte, die blauen Augen. Aber er wollte es auch gar nicht sehen oder wissen. Für ihn war der alte Mann die Ursache allen Übels und musste getötet werden. „Du bist nichts als ein widerlicher Lügner, du Sohn einer dreckigen Hure! Du mit deinem Hexenkind! Dir zeig ich es! Ich spieß‘ dich auf! Stirb!“, brüllte er und warf sich Arc mit einem wilden Schrei entgegen. Salia kreischte vor Entsetzen, aber der alte Mann ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er streckte dem Angreifer eine Hand entgegen und murmelte leise Worte. Karls Augen weiteten sich vor Angst, aber es war ohnehin zu spät, um noch abzubremsen. Außerdem würde er diesen Mistkerl durchbohrt haben, ehe er seinen schändlichen Zauber ausgesprochen haben würde. Wie sehr er sich da täuschte, denn kurz bevor die Mistgabel Arc traf, wurde Karl zurückgeworfen. Im Dunkeln der Nacht war nicht zu erkennen, was es gewesen war, aber es fegte den Bauern von den Beinen und schleuderte die Mistgabel von ihm fort, sodass er sie nicht gleich wieder ergreifen konnte, Dann wandte Arc den Blick von ihm ab. „Leb wohl, Karl. Salia, los jetzt.“ Mit diesen Worten trieb er sein Pferd an und das Mädchen folgte ihm, wirkte allerdings stark verunsichert. Was war das eben gewesen? War das wirklich Magie gewesen? Sie schaute kurz nach hinten, wo Karl sich wieder aufrappelte, die Fäuste schüttelte und ihnen wüste Beschimpfungen hinterher brüllte. In seiner Wut und Verzweiflung steckte er sogar, nachdem sie in der Nacht verschwunden waren, das Haus der beiden in Brand, auch, wenn diese Tat nun niemandem mehr half oder in irgendeiner Weise interessierte. Das Feuer hielt auch nicht die wilden Tiere davon ab, dem Dorf einen Besuch abzustatten. Sie und das Blaue Fieber taten rasch ihr Werk und als der nächste Morgen anbrach, war der Schnee im Dorf so rot wie die aufgehende Sonne. Alles Leben in Tsirin war in dieser Nacht erloschen. „Was hast du getan? Wie hast du das gemacht? Wieso ist Karl plötzlich umgefallen?“, löcherte Salia ihren Ziehvater, nachdem sie das Dorf hinter sich gelassen hatten. „Das war Magie. Ich habe dir doch gesagt, dass ich zaubern kann.“ „Aber… aber… du hast sonst nie… wieso? Damit hättest du doch bestimmt alle retten können!“ Arc schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, das hätte ich nicht. Ich bin kein Heiler, ich beherrsche nicht viele Zauber. Und solche mächtigen erstrecht nicht. Es reicht für kleine Tricks, mehr nicht. Aber… womöglich hat Karl recht. Womöglich habe ich das Fieber über uns gebracht. Was, wenn diese Magie, die ich habe, Schwarze Magie ist, böse Zauberei, Hexenkünste? Was, wenn die Götter mich und alle anderen im Dorf bestrafen wollten dafür, dass ich solch finstere Kräfte anwende.“ „Nein, sowas darfst du nicht sagen! Du kannst nicht böse sein und deine Magie auch nicht! Dafür bist du immer viel zu lieb!“, protestierte Salia. „Tja, wer weiß, mein Kind, wer weiß…“ „Nein, du kannst nicht böse sein.“ „Weißt du, vielleicht war ich früher einmal ein böser Mensch. Ich bin ja nicht in Tsirin aufgewachsen, aber ich weiß auch nicht, was vorher gewesen ist. Ich bin einfach eines Tages auf einer der Wiesen aufgewacht und wusste nichts mehr.“ Das reden tat gut, es lenkte sie beide von der Kälte ab – und von dem Gedanken daran, dass Arcana bald sterben und Salia allein zurücklassen würde. „Ja, ich kann mich noch ganz genau erinnern. Es war ein wunderschöner, warmer Tag und ich war dreckig von Kopf bis Fuß. Und ich kannte nicht einmal mehr meinen Namen, gar nichts wusste ich mehr, nicht einmal wie ich auf diese Wiese gekommen bin. Naja, jedenfalls haben mich natürlich alle gleich für einen Viehdieb gehalten, aber der Schmied hat mich dann bei sich aufgenommen. Ich war so froh, wirklich! Ein paar wollten mich nämlich wegjagen, aber die Schmieds haben mich aufgepäppelt. Besonders Ellizia hat dabei geholfen. Oh, so ein nettes Mädchen, damals schon. Sie war eine der Töchter des Schmiedes, weißt du? Eine ganz liebe.“ Er lächelte glücklich bei der Erinnerung an sie und Salia legte den Kopf schief. „Hast du sie geheiratet?“ „Ja, aber erst viele Jahre später. Damals war sie noch zu jung. Erst hat mich der Schmied, Martin, adoptiert und versucht, mir wie allen seinen Söhnen sein Handwerk beizubringen. Aber irgendwie wollte das nicht so recht klappen, ich habe einfach keine Muskeln bekommen und ich war dermaßen unbegabt, dass er es irgendwann aufgegeben hat.“ Arc lachte. „Er war ganz frustriert. Aber ich war schon immer so ein klappriges dürres Gestell wie ich jetzt noch bin.“ „Du bist doch nicht klapprig und dürr.“ Aber der alte Mann ignorierte ihren Einwand und fuhr fort: „Ich habe dann angefangen, für die Nachbarn zu arbeiten. Die hatten Kühe und ich durfte immer beim Melken helfen, weil die Frau zu der Zeit schwanger war und ihr Mann hatte auch andere Sachen zu tun, deshalb kam ihnen meine Hilfe ganz recht. Und ich hatte nichts anderes zu tun, meine Ziehbrüder sind fast alle in die Städte hinausgezogen, um Arbeit zu finden, und meine Ziehschwestern waren fast alle verheiratet. Davor haben wir oft alle zusammen Karten gespielt oder irgendwas unternommen, aber da waren wir nur noch vier. Und mein ältester Bruder hat dann Martins Arbeit übernommen, weil der Gute einfach zu alt geworden ist. Tja, und dann hatte ich da noch zwei unverheiratete Mädchen am Hals, da war ich wirklich froh, dass ich tagsüber arbeiten konnte. Ich war einfach zu unreif zu dieser Zeit.“ Vergnügt kicherte der alte Mann und Salia fragte sich, woran er jetzt schon wieder dachte. „Es hat noch eine Weile gedauert, bis ich angefangen habe, in Ellizia mehr zu sehen als nur ein nerviges Gör. Ich wollte sie heiraten, aber Martin verlangte von mir, dass ich erst mein eigenes Brot verdienen musste, damit ich sie auch versorgen kann. Schließlich sollten wir ja nicht auf ewig unserem lieben Bruder auf der Tasche liegen. Ich habe mir dann eine eigene Schafsherde aufgebaut.“ „Oh, das ist schön. Du kannst ja echt gut mit Tieren umgehen.“ Far lächelte. „Ja, da habe ich Talent für. Damals auch schon, ich hatte immer viele gesunde und kräftige Lämmer. Naja, jedenfalls habe ich mir nach und nach ein eigenes Leben aufgebaut. Ich hatte ein eigenes Einkommen und ein eigenes Haus. Und dann durften wir endlich heiraten! Oh, Ellizia, sie war so bezaubernd! Hätten wir doch nur Kinder gehabt, dann wäre unser Glück perfekt gewesen. Aber es sollte nicht sein. Es sollte einfach nicht sein…“ „Du hast nie Kinder gehabt, oder? Aber du hast doch mehrmals geheiratet.“ „Ja, aber nie ist eine meiner Frauen jemals schwanger geworden. Vielleicht bin ich wirklich verflucht, vielleicht verwehren es mir die Götter, Nachkommen zeugen zu können, damit nicht noch mehr wie ich auf diese Welt kommen.“ „Arc! Du bist nicht böse!“ „Ich wünschte, ich könnte mir da so sicher sein…“ „Arc…“ „Jaja, was auch immer.“ Er wollte nicht von ihr bemitleidet werden oder sich von ihr anhören müssen, dass er ja immer so lieb war. Schließlich wusste er, dass er nicht immer so perfekt und liebenswert war, wie es den Anschein hatte. Da war dieser Zorn in ihm, eine leicht cholerische Ader, die dann und wann mal hervortrat. Arc sah zum Himmel empor, die Wolkendecke war nun endgültig aufgerissen und die zwei Monde schienen hell auf die Ebene herab, ließen den Schnee glitzern und funkeln wie abertausende Diamanten. „Wie gesagt, wir hatten nie Kinder. Aber es kam noch schlimmer. Während Ellizia immer älter wurde und schließlich gestorben ist, blieb ich jung. Die Leute redeten über uns, bezichtigten mich, mit den dunklen Göttern im Bunde zu sein und mich von Ellizias Lebensenergie zu ernähren. Es wurde immer schlimmer, ich konnte mich kaum noch aus dem Haus wagen.“ „Aber sie haben dir nichts getan, sonst wärst du jetzt nicht hier. Konntest du damals schon zaubern?“ „Nein, konnte ich nicht. Das habe ich erst gelernt, als zu genau dieser Zeit zwei Magier nach Tsirin gekommen sind. Natürlich haben die anderen ihnen von mir und meinen schrecklichen Gräueltaten erzählt. Ich glaube, sie hatten Angst vor mir, deshalb hatten sie mir bis dahin noch nichts getan. Jedenfalls kamen die Magier dann zu mir und ließen mich die Dinge aus meiner Sicht schildern, weil sich zu dem Zeitpunkt im Dorf schon die wildesten Gerüchte über mich ausgebreitet hatten. Jedenfalls erhärtete sich bei den Magiern schnell der Verdacht, dass ich entweder kein reinblütiger Mensch sein konnte oder magisch begabt sein musste. Also haben sie mich getestet und festgestellt, dass ich tatsächlich ein Magier bin. Du weißt ja, Menschen, die dazu geboren wurden, Magie zu beherrschen, altern meist sehr viel langsamer als normale Menschen, weil diese unbeschreibliche magische Kraft deine Lebensspanne irgendwie verlängert. Für mich war das jedenfalls ein Schock. Niemand aus Tsirin hat je Magie beherrscht und jetzt sollte ausgerechnet ich ein Magier sein! Naja, ich bin ja nicht im Dorf geboren, von daher war es nicht ganz so überraschend, aber trotzdem. Diese beiden anderen Magier haben dann die Leute bei uns aufgeklärt, was mit mir los war, aber es hat noch eine ganze Zeit gedauert, bis sie mir auch alle wieder vertraut haben. Ich habe auch von den Magiern das Angebot bekommen, mit ihnen zu gehen und zu lernen, aber ich wollte nicht aus Tsirin weg. Also haben sie mir ein bisschen was beigebracht und sind dann gegangen. Und ich wurde vom Hassobjekt zum gefeierten Helden.“ Arc lachte und Salia stimmte mit ein. „Die sind manchmal ganz schön komisch!“, meinte sie. „Ja, aber so sind glaube ich alle Menschen.“ „Und wie ging es dann weiter?“ „Als sie gemerkt haben, dass das, was ich an Magie gelernt hatte, nicht unbedingt sehr nützlich war, wurde es ihnen ziemlich schnell egal. Sie waren zwar stolz auf „ihren“ Dorfmagier, aber es hatte hat im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung verloren. Ich kann schließlich keinen Regen rufen, kein Gewitter abwenden oder das Korn besser gedeihen lassen. Aber ich habe über die lange Zeit, die ich dort gelebt und gearbeitet habe, viele Erfahrungen sammel können und von denen profitieren sie heute noch. Oder besser gesagt, sie profitierten.“ Er seufzte schwer und blickte über seine Schulter. In der Ferne konnte er einen schwachen roten Schimmer sehen. Tsirin brannte. War das Karl gewesen oder war irgendwo eine Kerze umgefallen und niemand hatte sie löschen können? Nun, er würde es wohl nie erfahren. Salia wurde allmählich müde und Arc hielt sich ohnehin nur durch reine Willenskraft im Sattel. Trotz allem ritten sie aber noch eine ganze Weile weiter, auf der Suche nach einem Unterschlupf. Hier draußen auf offenem Feld würden sie erfrieren! Und so irrten sie durch die Nacht, bis sie eine geschützte Stelle in einem kleinen Wäldchen fanden. Arc behagte es nicht, zu rasten, denn er hatte in der Ferne Wolfsgeheul vernommen, doch sie konnten einfach nicht mehr weiterreiten. Sie hatten ihre Grenze erreicht. Die Pferde waren froh, als sie noch etwas Futter bekamen, Salia und Arcana teilten sich etwas von dem Lammfleisch. Zum Schlafen kuschelten sich die beiden an ihre Reittiere. Allerdings wurde es eine ziemlich unruhige Nacht. Wilde Tiere und Salias Angst, Arc könne womöglich sterben, während sie friedlich schlief, hielten die beiden viele Stunden wach. Erst gegen Morgen bekamen die beiden noch ein wenig Ruhe und ihre Körper konnten sich endlich ein wenig erholen. Doch nach nur wenigen Stunden des Schlafens machten sie sich wieder auf den Weg. Sie hatten noch ein ganzes Stück an Weg vor sich, die Hälfte war aber geschafft, das Schlimmste überstanden. Jedenfalls glaubte das Arc. Die Stadt war nicht mehr weit entfernt und wenn sie sich jetzt beeilten, würden sie es noch vor Einbruch der Nacht schaffen. Vorausgesetzt, sie ritten jetzt ohne Pause oder trieben die Pferde zur Eile an. Arcana entschied sich für letzteres, immerhin konnten sie jetzt besser sehen, wohin sie reiten mussten und keine Raubtiere lauerten ihnen auf. Heute war es ein schöner Tag, kalt, aber die Sonne schien vom Himmel auf sie herab und linderte ein wenig Arcanas Leiden. Dennoch hatte er zeitweilig das Gefühl, dass seine Glieder so steif wurden, dass er sie nicht mehr bewegen konnte. Seine Zeit lief ab, er musste sich beeilen. Während die Pferde durch den Schnee galoppierten, hingen ihre Reiter ihren eigenen Gedanken nach. Gegen Mittag legten sie eine kurze Pause zum Essen ein. Vor ihnen lag ein weites offenes Feld, dann folgte eine leicht hügelige, bewaldete Landschaft. Dahinter, das wusste auch Salia, lag Stra. Oh, sie hoffte so sehr, dass Arc es bis dorthin schaffte. Aber trotz der wärmenden Sonne schien er schwächer zu werden. Nein, er musste einfach durchhalten! In der Stadt gab es gewiss jemanden, der ihm helfen konnte! Es musste einfach so sein! Dann endlich ritten sie weiter, trieben die Pferde zur Eile an und hofften, dass sie bald ankommen würden. Doch die beiden Menschen sollten die Stadt nicht gemeinsam erreichen. Ein Schatten glitt über sie hinweg. Salia dachte, es sei nur ein Vogel, Arcana aber wusste es besser. Er sah nach oben, doch das Biest schwebte direkt vor der Sonne. Mit einem lauten Schrei trieb der Magier die Pferde an, Angst war in sein Gesicht geschrieben. Salia sah ihn verwirrt an, als er eine solche Panik machte, doch er rief nur „Drache!“ und alles war klar. Die Pferde stürzten los, auch sie spürten die Gefahr, die am Himmel lauerte. Dann war er hinter ihnen. Sie konnten seine Flügelschläge hören. Arcana blickte sich um und sah die ausgehungerte Bestie immer näher kommen. Noch bevor er Salia zurufen konnte, dass sie sich trennen mussten, damit der Drache sie nicht beide erwischte, holte dieser tief Luft. Ab diesem Moment schien die Zeit für Arcana beinahe still zu stehen. Diese Sekunden wurden die längsten seines Lebens, so kam es ihm jedenfalls vor. Die Feuersbrunst fegte über ihn hinweg. Er hörte Salia kreischen, die Pferde wiehern, aber die Hitze spürte er nicht. Sein Pferd wollte sich aufbäumen, als der Drache seine Krallen schon hineinschlug. Arcana sah Salia auf ihrem panischen Pferd davonreiten, ihr Mantel brannte nur ein bisschen, doch das Flämmchen erlosch rasch. Dann verlor er das Bewusstsein. Hosted by Animexx e.V. 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