122 Tage... von abgemeldet (122 Tage, die alles zerstörten.) ================================================================================ Kapitel 32 ---------- Tag 89 T.O.P „… und ich hab einfach das Gefühl, dass ich gar nichts dagegen machen kann. Alles, was ich tue, fühlt sich falsch an. Wenn ich ihn umarme, denke ich, dass ihm diese Nähe unangenehm ist aber wenn ich versuche, ihm nicht zu nahe zu kommen, habe ich das Gefühl, ihn noch mehr zu verlieren. Verstehst du das?“ „Nicht wirklich. Wo ist das Problem? Umarm ihn einfach - wenn es ihm nicht passt, wird er es schon sagen!“ Resigniert rolle ich mit den Augen, während Kevin mir erklärt, dass ich mir weniger Gedanken darum machen soll, was du willst, da es schließlich für mich am Wichtigsten sein sollte, dass ich zufrieden bin. Wie konnte ich nur für einen Moment glauben, dass er - ausgerechnet der größte Weiberheld - mir einen guten Ratschlag geben könnte? Bisher hat er jedenfalls nur Schwachsinn von sich gegeben. „Na ganz toll… Kein Wunder, dass deine Beziehungen nie länger als eine Nacht halten…“ „Na und? Immer noch besser als eure Beziehung. Willst du für immer mit ihm zusammen sein, ohne ihn zu berühren, ihn zu küssen oder so? Nur, weil du Angst hast, ihn zu verlieren?“ Nachdenklich nippe ich an meiner Cola, während ich mir seine letzten Worte durch den Kopf gehen lasse. Will ich das? Will ich wirklich den Rest meines Lebens an deiner Seite verbringen, ohne zu wissen, ob du das auch willst? Will ich wirklich jeden Morgen neben dir aufwachen, dir beim Schlafen zusehen und hoffen, dass du noch lange schläfst, da diese Zeit des Tages die Einzige ist, in der es mir möglich ist, dich anzusehen, mich ganz nahe an dich zu kuscheln und deinen Duft einzuatmen, ohne das Gefühl zu haben, dich zu sehr zu bedrängen? Aber ist es nicht immer noch besser, aneinander vorbei zu leben, als komplett getrennt zu sein? „Sag mal, träumst du?“ „Hm…? Oh, nein. Ich hab nur… ich war in Gedanken, sorry…“ „Wie wäre es, wenn du mir noch ein Bier bestellst? Dann wäre ich wenigstens beschäftigt, während du dir deinen Kopf zerbrichst.“ Obwohl ich der Meinung bin, dass drei Flaschen eigentlich ausreichen sollten - besonders, da gerade erst Mittag ist, winke ich den Barkeeper heran und bestelle ihm das gewünschte Getränk. Schließlich habe ich ihm versprochen, ihn auf ein paar Bier einzuladen, wenn er mir ein wenig zuhört und außerdem bin ich nicht sein Kindermädchen. Während er einen großen Schluck aus seiner Flasche nimmt, überlege ich mir, ob ich langsam nach Hause gehen sollte. Aber ich weiß noch immer nicht, wie ich mich verhalten soll. Irgendwie hatte ich mir von diesem Gespräch mehr erhofft, auch, wenn ich tief in meinem Inneren schon befürchtet hatte, dass Kevin nicht der richtige Ansprechpartner ist. „Und du? Willst du den ganze Zeit an einem Glas Cola nippen?“ „Ja, ist wahrscheinlich besser…“ „Oh man. Mit dir möchte ich wirklich nicht tauschen. Kein Alkohol, keine Partys und zu Hause wartet der Freund, von dem man nicht einmal weiß, ob er überhaupt noch der Freund ist... Echt übel!“ Während Kevin ausschweifend erzählt, warum mein Leben für ihn absolut bemitleidenswert ist, seufze ich laut hörbar auf und leere anschließend mein Glas. Ich denke nicht, dass es viel Sinn macht, es noch länger herauszuzögern. Das Einzige, das ich damit erreichen werde, wenn ich noch länger hier sitze und mir sein nutzloses Gerede anhöre, ist, dass du dir erneut Sorgen machst und mich wieder so verletzt ansiehst, sobald ich die Wohnung betrete. Ob dir wohl schon aufgefallen ist, dass ich unmöglich so lange für den Weg brauchen kann? Was denkst du wohl, was ich gerade mache? „Seung-Hyun?! Also heute bist du wirklich nicht ganz bei der Sache oder?“ „Wie…? Ach, tut mir Leid… Was hast du gesagt?“ „Eigentlich nur, dass dein Handy klingelt. Bist du taub?“ Verwirrt greife ich in meine Jackentasche. Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass ich nicht einmal gehört hab, dass es geklingelt hat. Du wirst doch nicht…? Erleichtert seufze ich auf, als ich ‚Taeyang‘ auf dem Display aufleuchten sehe. Tag 89 G-Dragon „Alles in Ordnung… Vielleicht war es einfach in bisschen zu viel Stress…“ „Stress? Wir hatten in letzter Zeit doch fast keine Auftritte… Oder arbeitest du schon wieder an neuen Songtexten und Choreographien?“ Für einen kurzen Moment überlege ich, ob ich seine Frage bejahen soll, ehe mir bewusst wird, dass er dann sicher einen Blick auf die neuen Texte werfen möchte. Das Problem an der Sache ist jedoch, dass ich in den letzten Wochen nichts Neues geschrieben habe. Ich wusste einfach nicht, worüber. Für fröhliche Lieder fehlt mir die richtige Stimmung und wenn ich einen traurigen Liedtext verfassen würde, hätte ich das Gefühl, als würde ich damit alles nur noch negativer wirken lassen. Also schüttle ich mit dem Kopf. „Vielleicht hast du dich bei unserem letzten Album auch einfach verausgabt? Das hört man doch von ganz vielen Stars…“ „Ja, kann sein…“ „Dann mach doch einfach Urlaub! Morgen geben wir noch ein paar Autogramme und dann haben wir eh wieder ein paar Tage frei. Buch irgendeinen Kurztrip, schnapp dir Seung-Hyun und lass den ganzen Stress hinter dir!“ Wenn ich Taeyang so enthusiastisch reden höre, weiß ich gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Er strahlt mich an, erwartet wahrscheinlich, dass ich begeistert in die Hände klatsche und seinen Vorschlag lobe, doch ich kann nicht. Diese Idee ist einfach total absurd. Soll ich einfach ein Flugticket auf dein Kopfkissen legen, ein paar deiner Klamotten in meinen Koffer packen und dich praktisch dazu zwingen, mich auf eine Reise zu begleiten? Und dann? Sollen wir mehrere Tage nebeneinander auf einem Handtuch liegen und uns gegenseitig ignorieren? Toller Urlaub. Da wäre Stress mehr oder weniger vorprogrammiert. „Keine gute Idee…?“ „Doch, schon. Vielleicht… ja, vielleicht frage ich Seung-Hyun… später…“ „… wo bleibt der überhaupt?“ Noch während ich versuche, mir auf die Schnelle eine plausible Erklärung für dein Fehlen einfallen zu lassen, kramt Taeyang in seiner Hosentasche nach seinem Handy. Mit einigen flinken Bewegungen zieht er es erneut hervor und scheint eine Nummer einzutippen. Eilig führe ich meine Kaffeetasse an den Mund, um beschäftigt zu wirken. Wer weiß, ob der Trick von eben noch einmal klappen würde. Doch statt mir das Mobiltelefon zu reichen, hält er es sich dieses mal selber ans Ohr. „… ja, hey! Taeyang hier! Wo bist du denn? Ich sitz schon seit Stunden bei euch zu Hause rum und warte auf dich… Ja, natürlich ist der auch hier, wo soll er denn sonst sein?“ Seufzend schüttle ich ein wenig mit dem Kopf. Bestimmt denkst du jetzt, dass ich Taeyang dazu angestiftet habe, dich auszuspionieren. Ganz toll, wirklich. Ich weiß ja, dass der Ältere mir nur helfen will, aber momentan habe ich das Gefühl, als würde er einfach nur alles noch viel schlimmer machen. Bestimmt kommst du jetzt noch später nach Hause, weil du denkst, dass ich schon wieder total hysterisch bin. Am liebsten würde ich meine Tasse gegen die Wand werfen und laut aufschreien, doch ich reiße mich zusammen, lächle Taeyang an und versuche, interessiert zu wirken. „Jetzt? Es ist doch gerade erst kurz nach Mittag… Was macht man denn bitte mittags in einer Bar?“ Ohne es verhindern zu können, merke ich, wie mein Lächeln verblasst und einem erschrockenen Gesichtsausdruck weicht. Darum bemüht, meine Gesichtszüge wieder einigermaßen unter Kontrolle zu kriegen, nehme ich einen Schluck aus der Tasse. Obwohl sich meine Finger geradezu in das kühle Porzellan krallen, merke ich, dass meine Hände zittern. Bestimmt ist es nur eine Frage der Zeit, bis es auch Taeyang auffällt. Eilig stehe ich auf und gehe in Richtung Spülbecken. „Oh, achso… Ach, Kevin ist auch dabei? Kommt ihr dann gleich bei-… hey, alles in Ordnung? Hä? Nein, nicht du… Moment mal kurz, ja? Ich ruf dich gleich noch mal an!“ Es dauert einen Moment, ehe ich das Gefühl habe, zumindest wieder einigermaßen die Kontrolle über meinen Körper zu haben. Eilig gehe ich in die Knie und versuche, die größten Scherben mit den Händen einzusammeln, doch sie fallen immer wieder zu Boden. Ich kann es einfach nicht fassen, dass du dich erneut mit diesen Jungs triffst. Die Eifersucht, die Angst und diesen unbeholfene Umgang miteinander - all diese Dinge haben diese Idioten zwischen uns gebracht und du hast nichts besseres zu tun, als sie erneut in dein Leben zu lassen? „Lass sie einfach liegen… Ich mach sie weg. Beweg dich einfach nicht, damit du dich nicht schneidest, okay?“ „Sch-schon gut… Ich… ich mach das schon… Ich… ich…“ „Quatsch, ich mach das schon. Schau doch mal, wie deine Hände zittern, du könntest sie sowieso nicht einsammeln… Sag mir lieber, was auf einmal los ist? Und komm mir bloß nicht mit Stress - du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen…“ Was los ist? Ich stehe mitten in einem riesigen Scherbenhaufen - sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinne, habe wahnsinnige Angst vor dem, was passieren könnte, sobald du nach Hause kommst und spüre zu allem Übel auch noch, wie mir langsam Tränen in die Augen steigen - und das vor Taeyang. „Hey, nicht… Nicht weinen! Ist doch gar nichts Schlimmes passiert. War doch nur eine blöde Tasse!“ „Aber… aber Seung-Hyun… Er… Ich hab… Ich hab Angst, dass… dass er… Ach, vergiss es…“ Ein Blick in Taeyangs Gesicht lässt all den Mut verschwinden, den ich soeben verspürt habe. Hatte ich noch vor wenigen Sekunden vorgehabt, ihm alles zu erzählen, so lässt das irritierte Grinsen, dass dessen Gesicht schmückt, mich nun verstummen. Wie konnte ich nur für einen Moment glauben, dass ich mich einfach hinstellen, ihn mit verheulten Augen ansehen und ihm erzählen kann, dass ich beinahe vor Angst davor, dass du erneut handgreiflich werden könntest, wahnsinnig werde? Schließlich ist er auch dein Freund. Er kennt dich - allerdings nicht so, wie ich dich kenne. Er weiß, dass du auf Partys gerne hin und wieder ein Glas zu viel trinkst - allerdings weiß er nicht, was dieses eine Glas aus dir machen kann. Er hat auch schon miterlebt, wie gewalttätig du handeln kannst, wenn du in Rage bist - allerdings war er noch nie selbst das Opfer eines solchen Wutanfalls. Warum also sollte er mir glauben? Als würde er die Tatsache, dass er mir keinen Glauben schenkt, bestätigen wollen, schüttelt Taeyang belustigt mit dem Kopf, während er die letzten Scherben aufsammelt. „Jetzt sei doch nicht albern. Als ob der sich wie ein Wahnsinniger aufführen, alles kurz und klein schlagen und dich bei Brot und Wasser im Keller einsperren würde, nur, weil du eine Tasse zerbrochen hast… Das passiert doch jedem mal…“ „Kannst du… Bleibst du hier…? Also bis er kommt? … bitte!“ Tag 89 T.O.P „… ja, hey! Taeyang hier! Wo bist du denn?“ „In der Innenstadt, wieso?“ „Ich sitz schon seit Stunden bei euch zu Hause rum und warte auf dich…“ Ich muss mein zweites Ohr mit der freien Hand abdecken, um überhaupt zu verstehen, was Taeyang antwortet. Hat er gerade wirklich gesagt, dass er bei uns zu Hause ist und auf mich wartet? Warum denn das? Du hast mir gar nicht erzählt, dass du ihn eingeladen hast, sonst wäre ich natürlich eher nach Hause gekommen. Auf der anderen Seite ist es eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass du mir nicht Bescheid gegeben hast. Ich habe dir schließlich nicht gerade das Gefühl vermittelt, als hätte ich allzu großes Interesse an dir. Vielleicht wolltest du allerdings auch gar nicht, dass ich dabei bin. Vielleicht hast du jemandem zum Reden gebraucht - genau so, wie ich, als ich Kevin darum gebeten habe, mir zuzuhören? Aber warum sollte Taeyang dann auf mich warten? „Du bist bei uns in der Wohnung? Achso, ich wusste nicht, dass du kommst… Ist Ji-Yong auch da? Oder wartest du ganz alleine?“ „Ja, natürlich ist der auch hier, wo soll er denn sonst sein?“ „Ja, klar… Wo sonst…“ Ich schlucke einen ironischen Kommentar herunter, schließlich ist es ganz sicher nicht seine Schuld, dass zur Zeit alles schief läuft. Am anderen Ende der Leitung herrscht Stille, vielleicht erzählt Taeyang dir gerade, dass ich noch in der Stadt bin, vielleicht ist ihm allerdings auch einfach nur der missmutige Tonfall aufgefallen und er weiß nicht, was er darauf erwidern soll. Eilig räuspere ich mich und versuche, die Stimmung wieder umzuschwenken. „Hör mal, ich bin jetzt gerade noch in einer Bar… Aber ich gehe jetzt sofort los, dann bin ich so in etwa fünf bis zehn Minuten bei euch, okay?“ „Jetzt? Es ist doch gerade erst kurz nach Mittag… Was macht man denn bitte mittags in einer Bar?“ „Auf jeden Fall nicht das, was du sicher denkst… Ich hab nichts getrunken. Hab mich nur unterhalten.“ „Oh, achso…“ Ohne das Handy abzusetzen, lege ich einen Geldschein auf den Tresen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass der Wirt in seiner Kasse nach Wechselgeld sucht, winke lächelnd ab und mache eine einladende Geste in Richtung Kevin. Wenn ich ihn schon darum bitte, sich mein Gejammer anzuhören und ihn dann auch noch einfach alleine sitzen lasse, ist es wohl das Mindeste, ihm noch ein oder zwei Getränke auszugeben. Mit einigen entschuldigenden Worten erhebe ich mich vom Barhocker und eile durch die stickige Bar in Richtung Ausgang. „Sorry, ich war gerade ein bisschen abgelenkt… Ich hab nur kurz mit Kevin geredet, aber jetzt bin ich auf dem Weg, ja?“ „Ach, Kevin ist auch dabei? Kommt ihr dann gleich bei-… hey, alles in Ordnung?“ „Hm?! Wie?“ Was meint er? Was sollte nicht in Ordnung sein? Ich habe doch gerade gesagt, dass ich keinen Tropfen Alkohol zu mir genommen habe - dann werde ich es ja wohl gerade noch so schaffen, ohne größere Probleme den Weg nach Hause zu finden. Und was war das für ein komisches Geräusch im Hintergrund? Hat er nicht gesagt, dass er bei uns zu Hause wäre? Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal solch ein schepperndes Geräusch vernommen zu haben. Und es ist auch eigentlich gar nicht deine Art, den Fernseher laufen zu lassen, wenn du Gäste hast. Instinktiv steigere ich mein Tempo. „Hä? Nein, nicht du… Moment mal kurz, ja? Ich ruf dich gleich noch mal an!“ „Aber…? Hey!“ Irritiert nehme ich das Handy vom Ohr und starre auf das Display, das in leuchtenden Schriftzeichen anzeigt, dass der Anrufer das Gespräch beendet hat. Eilig durchblättere ich das Nummernverzeichnis nach Taeyangs Nummer, doch auch nach mehreren Minuten nimmt keiner ab. Seine Stimme hat so erschrocken geklungen. Was ist passiert? So sehr ich auch überlege, ich kann keine schlimme Situation mit dem merkwürdigen, klirrenden Geräusch in Verbindung bringen. Hey, alles in Ordnung? Noch immer hallt dieser Satz wie in einer Dauerschleife in meinem Ohr. Wenn er nicht mich damit gemeint hat, kann dieser Satz eigentlich nur auf dich bezogen sein. Aber hast du mir nicht noch heute morgen erzählt, dass es dir gut gehen würde? Du wirst dich doch wohl nicht sofort wieder überanstrengt haben? Ein beklemmendes Gefühl macht sich in mir breit. Erneut tippe ich Taeyangs Nummer ein, doch auch dieses mal nimmt er nicht ab. Fluchend eile ich die Straße entlang. Hosted by Animexx e.V. 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