122 Tage... von abgemeldet (122 Tage, die alles zerstörten.) ================================================================================ Kapitel 18 ---------- Tag 83 T.O.P “… unbedingt auf das Oktoberfest! Da kaufen wir uns dann Lederhosen und fahren so lange Kettenkarussell, bis uns schlecht wird!” Lachend hebst du die Hand und lässt sie in kreisenden Bewegungen über deinem Kopf, den du im Takt dazu ebenfalls drehst, kreisen. Deine Wangen sind leicht gerötet und deine Augen haben einen verträumten Ausdruck. Ich unterdrücke das Bedürfnis, dir durch die Haare zu wuscheln, um deine Konzentration nicht zu stören. Warum musst du beschwippst auch so verdammt süß sein? “Und nach Italien müssen wir auch. Und dann essen wir da eine riiiiiiesengroße Pizza und klettern auf den Eiffelturm und leihen uns so ein Tretboot, mit dem wir dann auf dem Meer herumpaddeln können…” Ich spare mir den Einwand, dass der Eiffelturm sich nicht in Italien befindet und nicke nur amüsiert. Wahrscheinlich würdest du dich morgen sowieso nicht mehr daran erinnern. Und selbst wenn: Es gibt wahrlich Schlimmeres für mich, als den Gedanken, einige Wochen einfach abzuschalten, mit dir gemeinsam durch Europa zu reisen und all die Orte zu besuchen, die ich bisher nur aus Zeitschriften und den Nachrichten kenne. Noch immer lächelst du selig und wirkst völlig zufrieden mit dir und der gesamten Welt, während du versuchst, mit einer gleitenden Handbewegung die Wellen nachzuahmen, die du im italienischen Meer vermutest. Erst, als du husten musst, stellst du die Bewegung ein, um dir die Hand vor den Mund zu halten. Schon während dem Essen bist du mehrmals aufgestanden, um dir die Nase zu putzen, hoffentlich hast du dir keine Erkältung zugezogen. “Na los, du kannst mir morgen die restliche Urlaubsplanung erzählen… Jetzt ist erst einmal Zeit, ins Bett zu gehen. Komm, ich helf’ dir hoch…” Obwohl dir die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben steht, wischst du dir noch aus Höflichkeit die Hand, in die du gehustet hast, an deiner Hose ab, ehe du damit meine ergreifst und dich vom Sofa ziehen lässt. Leicht schwerfällig bewegst du dich ins Schlafzimmer und lässt dich mitten das Bett fallen. Gott sei Dank bist du ein wahres Fliegengewicht. Selbst, wenn du einschlafen solltest, ehe ich mich umgezogen habe, wäre es kein Problem, dich aus eigener Kraft ein wenig zur Seite zu schieben. Während ich die Jeans ausziehe und das Hemd, das ich extra angezogen habe, um bei dem Psychologen einen guten Eindruck zu hinterlassen, gegen ein T-Shirt austausche, höre ich, wie du dich von alleine auf deine Seite des Bettes rollst und leise gähnst. Auf dem Weg zum Bett stelle ich noch den Wecker ab. Für morgen sind mir keine Termine bekannt und dir würde es sicher auch gut tun, wenn du ausschlafen kannst. “Schläfst du schon…? Ji-Yong…?” Du antwortest nicht und hast die Augen geschlossen. Leicht zusammengerollt liegst du auf deiner Seite, deinen Kopf tief ins Kissen vergraben und noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Ob ich dich wohl zudecken soll? Oder würde es dir dann zu heiß werden? Schließlich hast du einen dicken Pullover und eine lange Hose an. Andererseits macht mir deine laufende Nase und der Husten Sorgen. Eine dünne Decke würde sicher nicht schaden und wenn du dennoch aufwachst, weil dir zu heiß ist, könntest du dich immer noch aufdecken. Behutsam breite ich die Tagesdecke über dir aus, ehe ich mich in meine eigene Decke wickle und das Licht lösche. Tag 84 T.O.P Ein schrilles Klingeln reißt mich unsanft aus meinen Träumen. Verschlafen blicke auf den Wecker, der völlig friedlich auf dem Nachttischchen steht und keinen Ton von sich gibt. Warum sollte er auch? Ich habe ihn schließlich extra abgestellt und selbst wenn nicht, wäre es jetzt noch viel zu früh. Dennoch ertönt noch immer das laute Geräusch. Erst nach einigen Sekunden dämmert es mir, dass es sich hierbei nur um das Telefon handeln kann. Wer ruft denn bitte an einem Samstag um kurz nach sechs Uhr andere Leute an? “Hmm… Was’n los?” “Bleib liegen, ist nur das Telefon. Ich geh ran! Schlaf du einfach weiter!” “Is’ gut…” Du hustest kurz, ehe du dir die Decke über den Kopf ziehst und versuchst, wieder einzuschlafen. Missmutig rolle ich mich aus dem Bett und begebe mich in Richtung Telefon. Hoffentlich ist es wenigstens wichtig, wenn ich dafür extra aufstehe. Wenn es wieder Seungri ist, der bis jetzt gefeiert hat und nun jemanden braucht, der ihn nach Hause fährt, hacke ich ihm eigenhändig den Kopf ab, ehe ich ihn in zwei Teilen vor seiner Wohnung absetze. “Ja, hallo?” “Kwon Ji-Yong? Spreche ich mit Kwon Ji-Yong, dem Bandleader von ‘Big Bang’? Ich arbeite für YG und müsste etwas mit Ihnen besprechen wegen dem morgig-…” “Ähm, tut mir Leid… Ji-Yong schläft noch. Kann ich ihm vielleicht etwas ausrichten? Ich gehöre auch zur Band.” Einen Moment ist es still in der Leitung. Im Hintergrund höre ich leise Stimmen, wahrscheinlich erkundigt sie sich bei einem Vorgesetzten, ob es ihr gestattet ist, die Nachricht auch jemand anderem zu übermitteln. Nach einigen Sekunden ertönt ein leises Räuspern auf der anderen Seite der Leitung. “Richten Sie ihm bitte aus, dass der Veranstalter sich wünscht, dass ‘Lucifer’ performt wird. Da SHINee leider verhindert sind, wird es an Ihnen liegen, diesem Wunsch nachzukommen. Um Ihnen die Möglichkeit zu geben, ausgiebig zu trainieren, haben wir von sieben bis zwölf Uhr die Trainingshalle für Sie reserviert. Haben Sie alles verstanden?” Ich muss die vielen Sätze, die auf mich niedergeprasselt sind, erst einige Sekunden auf mich wirken lassen. Ji-Yong hat mir erzählt, dass wir morgen SHINee vertreten werden, aber dass wir einen fremden Song singen sollen, ist mir neu. Wir haben ihn doch noch gar nicht geübt. Und ist ‘Lucifer’ nicht dieser Song mit dem extrem aufwendigen Tanz? Wie sollen wir diesen in wenigen Stunden einstudieren? “Das ist doch nicht möglich… Das ist viel zu wenig Zeit…?” “Dann hören Sie auf, Ihre kostbare Zeit mit Jammern zu verschwenden. Rufen Sie die Band zusammen und beginnen Sie mit den Proben. Auf Wiederhören!” Irritiert lasse ich das Telefon sinken. Was für eine unfreundliche Person. Missmutig gehe ich zurück in das Schlafzimmer, in welchem du inzwischen erneut friedlich zu schlafen scheinst. Vorsichtig lasse ich mich neben dir auf der Matratze sinken und streiche mit meiner Hand über deinen Kopf. Ein Jammer, dass ich dich wecken muss, schlafend siehst du einfach unheimlich süß aus. Zart streichle ich mit einem Finger über deine Wange und ziehe die Hand sofort erschrocken zurück. “Ich glaube, du hast Fieber… Geht’s dir gut?” Langsam öffnest du die Augen, scheinst kurz zu überlegen und schüttelst anschließend mit deinem Kopf. Vorsichtig befühlst du deine Wangen und deine Stirn mit deiner Hand, ehe du deinen Kopf auf meinen Schoß sinken lässt und meine kühle Hand auf deiner heißen Stirn ablegst. Ein schwaches Lächeln huscht über dein Gesicht, welches jedoch bereits nach wenigen Sekunden einem Hustenanfall weicht. Anschließend räusperst du dich und bemühst dich erneut um ein zuversichtliches Lächeln. “… nur ‘ne kleine Erkältung. Ist bis morgen auf jeden Fall weg, ich kurier mich heute einfach aus!” “Ich fürchte, daraus wird nichts…” Eilig erzähle ich dir, was die Dame am Telefon eben zu mir gesagt hat. Du bemühst dich um einen neutralen Gesichtsausdruck, doch ich sehe dir dennoch an, wie wenig begeistert du bist. Dennoch machst du gute Mine zum bösen Spiel und stehst langsam auf. Lustlos ziehst du dir einen dicken Pullover an und steigst in deine Turnschuhe. Die Jogginghose, die du zum Schlafen getragen hast, lässt du einfach an. “Na los, die Zeit läuft… Ich ruf schnell die anderen an und sag ihnen Bescheid, dass wir sie gleich abholen. Kannst du schnell den Songtext von ‘Lucifer’ im Internet suchen und ausdrucken?” Ohne eine Antwort abzuwarten, verlässt du das Zimmer und bereits einige Sekunden später höre ich dich telefonieren. Während ich darauf warte, dass der Laptop hochgefahren ist, ziehe ich mir ebenfalls Sportklamotten an und gähne herzhaft. Es ist noch viel zu früh. Warum haben sie die Halle nicht für den Nachmittag gemietet? Tag 84 G-Dragon “Nareul mukkgo gadundamyeon saranghae muk-…“ „Sarangdo! Es heißt SA-RANG-DO! Los, von vorne!“ Eilig murmle ich eine Entschuldigung, während ich mich in die Startposition bringe. Seungri hinter mir stöhnt genervt auf und auch der Trainer wirft mir, obwohl ich mich entschuldigt habe, noch immer einen bösen Blick zu. Wahrscheinlich vergeht ihm langsam aber sicher die Lust daran, immer und immer wieder die selbe Passage zu üben. Ich versteh ja selbst nicht, warum ich mir den Text einfach nicht merken kann. Mein Kopf ist einfach total leer. „Was soll das denn? Wie kann man nur so unfähig sein?!“ Grob packt der Tanzlehrer meinen Arm und zieht mich näher an den Spiegel. Sofort willst du protestieren, doch ich winke beschwichtigend ab, während der Trainer versucht, mir erneut zu zeigen, wie der Tanz aussehen sollte. In die Hocke, die Arme drehen, die Hände zu einer Treppe formen, in die Hocke gehen, die Arme seitlich vom Körper strecken… Ich sehe die Bewegungen aber irgendwie bleiben sie nicht in meinem Gedächtnis. Von mir selbst genervt seufze ich auf und gehe erneut zurück in meine Startposition. „Ji-Yong, setz dich einen Moment hin, trink etwas und ruh dich au-…“ „Ja, genau! Am besten, du gönnst dir eine kühle Cola, schläfst ein paar Stunden und stopfst dir als Belohnung für diese miserable Leistung auch noch einen Schokoriegel in den Mund. Sagt mal, spinnt ihr?!“ Die Stimme des Trainers trieft vor Ironie und unterdrückter Wut, während er dich unsanft von mir wegschiebt und mit dem Kopf schüttelt. Eigentlich wollte ich deinen Vorschlag gerade dankbar annehmen und mir eine kurze Pause gönnen, doch nun verharre ich lieber auf meinem Platz und warte erneut auf meinen Einsatz. Als erstes eine kreisende Bewegung mit den Händen… kreisende Bewegung, kreisende Bewegung. Eine Welle der Erleichterung durchströmt meinen Körper, als ich meinen Einsatz nicht vergeige und der Trainer seinen grimmigen Blick endlich abwendet. In meinem Hals kribbelt es verdächtig. Bloß nicht husten und erneut die Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Ich halte es zurück und warte, bis die letzten Töne des Liedes verklungen sind, ehe ich dem Drang nachgebe. „Oje, das klingt aber nicht gut…?“ „Hast du dich erkältet?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, drückt Taeyang mir seine Hand auf die Stirn und sieht mich mit einem skeptischen Blick an. Auch Daesung blickt mich mitleidig an und wartet auf das Ergebnis von Taeyangs Temperaturmessung. Gerade, als dieser zu einer Antwort ansetzen will, scheucht der Tanzlehrer uns auseinander und klatscht in die Hände. „Los, weiter! Das war gerade mal ein kleiner Teil der Choreographie…“ „Können wir eine kurze Pause einlegen? Ich glaube, wir sind alle ziemlich erschöpft.“ Obwohl dir klar ist, dass du mit dieser Frage sicher die Wut des Trainers auf dich ziehen wirst, trittst du keinen Zentimeter zurück und hältst seinem Blick stand. Erneut schleicht dieses kratzende Gefühl meinen Hals empor. Während du erneut auf eine kurze Pause bestehst, trete ich einige Schritte zurück, um zu husten. Als ich endlich aufhören kann, bleibt ein dumpfer Schmerz in meinem Hals zurück. „Du siehst schlecht aus… Mach eine Pause. Ist doch egal, ob es dem Trainer passt oder nicht!“ Während ich mir die Nase putze, trittst du näher heran, wartest, bis ich das Taschentuch wieder in meiner Hosentasche verstaut habe und nimmst mich in den Arm. Obwohl dein Körper von der Anstrengung sicher erhitzt ist, fühlt er sich kühl an, als ich meinen Kopf an deine Brust drücke. Auch du scheinst meine erhöhte Temperatur zu bemerken, denn deine Hand wandert auf meine Stirn. „Nein, ist schon okay…“ „Los, vom Rumstehen wird euer Herumgehampel auch nicht besser!“ „So ein verda-…“ „Schht…“ Ich ziehe dich am Arm zurück vor den Spiegel und bemühe mich, dem Tanzlehrer ein freundliches Lächeln zu schenken, obwohl auch ich sein Verhalten demütigend und herablassend finde. Sieht er nicht, dass wir uns alle Mühe geben? Die ersten Takte des Liedes erklingen. Der Beat dröhnt in meinem Kopf und meine Nase läuft. Ob ich wohl noch genug Zeit habe, vor meinem Einsatz meine Nase zu putzen? Eilig wühle ich in meiner Hosentasche und ziehe das Tuch heraus. Noch mit dem Tuch in der Hand vollführe ich die ersten Bewegungen. Erst, als die Choreographie eine kurze Pause bietet, stecke ich das Tuch zurück, huste kurz und konzentriere mich anschließend wieder auf den Tanz. Obwohl ich das Gefühl habe, dass allmählich alle Kraft meinen Körper verlassen hat, reiße ich mich zusammen. Erst, als der letzte Takt verklingt, lasse ich mich auf den Boden sinken, schließe die Augen und atme tief durch. “Alles in Ordnung?” “Naja…” “Komm, ich helfe dir auf… Dann gehst du auf die Bank, trinkst etwas und ich telefonier solange mit YG. Es hat doch keinen Zweck…” Ohne zu fragen, was du mit deinen letzten Sätzen meinst, lasse ich mir aufhelfen und zu den Bänken begleiten. Du drückst mir eine Wasserflasche in die Hand und suchst dein Handy. Während ich mir die Flasche, statt aus ihr zu trinken, gegen die Stirn drücke, verlässt du mit dem Telefon am Ohr die Halle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)