La tragedia de una vida irrescatable (Die Tragödie eines unrettbar verlorenen Lebens) von P3rs3phon3 (El juego peligroso con la obscuridad (Das gefährliche Spiel mit der Dunkelheit)) ================================================================================ Kapitel 2: La Bella Durmiente (Dornröschen) ------------------------------------------- Für eine endlose Sekunde schien die Zeit wie stillzustehen. "ELIZAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!" Ein Raunen und Getuschel ging durch die Menge, als Faust in Richtung des Schusses davoneilte als ahnte er was geschehen war - sein Schrei ging jedem einzelnen durch Mark und Bein, wie gelähmt verfolgten wir die Szene und befürchteten das Schlimmste. Wie grausam schien jetzt die kurze Erinnerung an ihr Gelächter! Als hätte jemand alles Glück in ihm erstickt und durch unheilvolles Schweigen ersetzt. Niemand wagte sich auch nur zu rühren. "Eliza! Sie ist tot! Sie wurde erschossen!", rief ein kleiner Junge, der verstört aus Richtung des Schusses gelaufen kam, gefolgt von einem unförmigen Schatten, der erst bei näherem Hinsehen seine wahre Form preisgab. Rot verschmiert war sein einst weißer Kittel als er schweren Schrittes die leblose Eliza mit gesenktem Haupt in seinen Armen trug. Wie eine Feder wirkte sie - vorsichtig getragen wie ein zerbrechliches Kind. Das Blond ihres Haars getüncht in tiefstem Rot - es war unübersehbar wo die Kugel sie tödlich getroffen hatte. Wie die Glieder einer Puppe hingen ihre unbewegt und kraftlos der Erde entgegen. Je näher er kam, desto stärker wankte er, als ob sein Körper das grausame Unglück nicht länger zu tragen vermochten. Sein Schluchzen wurde vernehmbar als er auf die Knie sank und seine Liebste so fest er konnte an sich drückte. "Eliza! Meine liebste Eliza!" Ein paar wagten sich näher an ihn in seinem Elend heran, doch er scheuchte sie fort. Seine Stimme klang verzerrt und unwirklich. "VERSCHWINDET! ALLE! SOFORT! Seht ihr nicht, dass meine Elisa Ruhe braucht? Sie, sie ist sicher nur ohnmächtig, sie kommt sicher bald wieder zu sich, nicht wahr, Eliza? Sag ihnen, dass es dir gut geht... SAG ES!" Seine Hand umfasste sanft ihre Wange und hob ihr blutüberströmtes Gesicht zu ihm auf. "Sag es..." Seine Stimme war nur noch ein klägliches Flüstern. Er wollte und konnte es nicht wahr haben. Alles in seinem Unterbewusstsein schien verdrängen zu wollen was der Arzt in ihm längst festgestellt hatte. Eliza war tot und niemals wieder sollte sie ihm antworten können. Weinend vergrub er sein Gesicht in ihrer Brust, in der kein Herz mehr für ihn schlug. "ELIZAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!" Sein verzweifelter Ruf nach ihr, fast erstickt von seinen Tränen. So klingt es, wenn ein Leben abrupt endet - ohne dass der Körper stirbt. Wenn eine Seele in den Abgrund des Todes zu rutschen scheint, lang bevor ihre Zeit gekommen ist. Wenn die Leere in den Körper fließt und sie zu ersetzen kommt. Der qualvollste Ton, den die Tiefen der Erde kennen und der älteste der Zeit. Woher ich das weiß? Nun, ich selbst musste ihn einmal von mir geben. Und er ist ebenso schmerzvoll zu erzeugen wie mitanzuhören. Meine kleine Schwester verließ mich gleichsam unerwartet, als der Tod sie mir aus meinen Kinderarmen riss. Sie ist der Grund weshalb ich das Geheimnis seiner Familie brauchte und ich war mir sicher, das Eliza seiner sein würde. Jeder, der versuchte ihn zu trösten wurde mit wilden Hieben und Worten der Verzweiflung davongetrieben, als wollte er nicht getröstet werden. Als wüsste er, dass es niemand außer Elisa jemals gekonnt hätte... Als wollte er mit ihr untergehen ohne das Meer des Todes je gesehen zu haben. In solch einer Situation kann einem niemand helfen. Niemand versteht es - wie auch? Jeder Verlust ist anders, niemand fühlt den gleichen Schmerz... Ich selbst kann nur erahnen was er wirklich fühlte... Aber ich hörte in seinen Schreien, dass es der größte Verlust in seinem jungen Leben gewesen sein musste. "Was redet ihr da? Verschwindet doch! Ich brauche euch und euer Mitleid nicht! Sie ist nicht tot! Lasst uns allein! Sie braucht Ruhe! Ihr werde sie sofort untersuchen... Ich werde sie retten! Ihr, ihr werdet schon sehen! ALLE!" Als hätte die Trauer ihm neue Kraft gegeben fand er den Weg auf die Beine, ohne seine Liebste auch nur einmal loszulassen. Er trug sie ins Krankenhaus zurück und die schweren Türen schlugen hinter ihm zu. Der Tod ist grausam, doch grausamer ist nur noch der Mensch selbst. "Der ist doch wahnsinnig!" "Undankbar!" "Und von dem wollten wir uns untersuchen lassen! Komm, Junge, wir gehen!" "Ich wusste immer *hust*, dass er meinem Kind nur Unglück bringen wird! Hätte ich ihn doch von vorneherein *hust* aus dem Haus gejagt!" Jeder um mich herum warf ihm ein böses Wort hinterher als er ging - vom Milchmädchen bis zur Schwiegermutter, kalt als hätte es niemanden getroffen. Der Platz vor dem Hügel leerte sich und das rote Band flatterte im Wind davon. Faust hatte Recht - nichts von ihrem Mitleid schien echt gewesen zu sein. Diese Stadt war ein egoistischer Haufen ohne jegliches Verständnis. Nun waren alle Märchenschwärmereien vergessen, man hörte "Sonderlinge" und "schlechter Einfluss", dass es hätte so kommen müssen. "Mein armer Junge...", flüsterte es neben mir als alle anderen fort waren. Eine Frau, Mitte sechzig vielleicht, war wie in Tränen aufgelöst. "Sie waren doch so glücklich gewesen! Was muss das nur für ein Gott sein, der soetwas zulässt??!" Ich erfuhr von ihr, dass sie seine Pflegemutter sei, die ihn aufgenommen hatte, nachdem ein Hausbrand ihn früh zum Waisen gemacht hatte. Sie wüsste nicht was sie mehr erschütterte - der Tod seiner jungen Frau oder seine tiefe Verzweiflung, die ihr das Herz brach. "Wenn man jemanden solange bei sich hat, ist es wie ein eigenes Kind. Ich fühle wie seine Mutter...auch sie war wie eine Tochter für mich. Wie kann soetwas Schreckliches nur passieren?" Die Trauer in ihrer zitternden Stimme wechselte mit einer tiefsitzenden Wut. "Und diese verlogene Brut hat nichts Besseres zu tun als sich in ihrem gekränkten Stolz zu winden! Ihre Mutter hat nicht eine Träne verloren! Dieses gefühllose alte Weib!" Ich bat ihr meine Dienste als Arzt an, falls sie etwas zur Beruhigung brauchen sollte, um ein wenig des Schocks zu überwinden. Sie lehnte dankend ab und setzte sich unter eine alten Weide. "Meine Zeit kommt noch früh genug - ich werde darüber hinwegkommen. Aber kümmer dich um ihn. Es sollen schon Menschen an gebrochenem Herzen gestorben sein. Johann ist der einzige, dem soetwas in einer solch herzlosen Stadt passieren könnte..." Ich beherzigte den Wunsch der weisen, alten Dame und empfahl mich. Auf dem Hügel angekommen, schlich ich um das verriegelte Krankenhaus. Es musste doch einen Weg hinein geben... Ich spitzte den Ohren, um heraus zu bekommen wo sie waren, bis ich ein offenes Fenster fand. "Es wird alles wieder gut, Eliza... Es ist nur eine kleine Wunde..." Faust saß weinend an einem Krankenbett und hielt ihre Hand. Er hatte Eliza vom Blut gesäubert und ihre Wunde versorgt. So wie sie nun dalag, hätte man denken können, dass sie lediglich schlief. "Es ist wie früher, nicht wahr? Ich sitze am Bett und warte, dass du wieder gesund wirst... Ich hab dir doch versprochen immer für dich da zu sein, Elisa... Immer... Du solltest nie mehr allein sein... Das hab ich dir damals geschworen, weißt du noch?" Seine Stimme war höher und seine Worte vom Schluchzen verzerrt. "Deine Mutter wollte nie, dass ich bei dir war... Du wärest krank und ich würde es nur schlimmer machen... Aber ich wollte doch Arzt werden... Ich wollte dir um jeden Preis helfen... Ich...ich habe Buch um Buch gelesen...doch nichts konnte ich darin finden..." Ein Lächeln flog über sein Gesicht. "Ich bin immer zum Fenster hereingeklettert, wenn deine Mutter mich nicht hereinließ... Das Fenster, an dem ich dich zum ersten Mal sah... Wie schön du warst! Wie ein Engel..." Seine Wand strich über ihre blasse Wange. "Der bist du heute noch... Mein Engel... Einmal warst du eingeschlafen, als ich die ein Märchen gegen deine Alpträume vorgelesen hatte... "Dornröschen", erinnerst du dich? Vielleicht wachst du ja auf, wenn ich dich küsse?" Sein Blick verriet wie nahe er dem Wahnsinn mittlerweile war. Der Tod hatte zwar Dornen, die einer Rosenhecke gleichkamen, sein Duft war jedoch schwerer als der jeder Blume. "Wollen wir es versuchen, mein Herz?" Er näherte sich ihren selbst im Tod noch rosigen Lippen, doch sie schlug ihre Augen nicht auf. Das Leben war grausamer als jedes Märchen. Schläft man für 100 Jahre, wacht man nie mehr auf. Man wird nur einmal vom Wolf gefressen. Und das Schlimmste ist, dass die Bösen IMMER gewinnen. Ob nun Hexe, Gnom oder Schwarzer Mann - wer dich holt hat dich für immer. Letzteres gilt auch für den Tod (?). "Warum schaust du mich nicht an, Prinzessin? Soll ich am Ende nicht der echte Prinz sein? Wenn das so ist, so will ich mich neben dich legen... Und mit dir warten..." Mit diesen Worten zog ein Messer hervor und legte es sich an den Hals. "Rosenrot wie du es warst will ich dir in die Traumwelt folgen, in die du gegangen bist..." Ich erschrak aus meiner Regungslosigkeit, rief ihm zu er solle aufhören und gab mich zu erkennen. Mit Mühe kam ich durch das Fenster. Faust jedoch lächelte nur und zog das Messer seines Weges. "Niemand hält mich auf, meinem Dornröschen dorthin zu folgen wohin es gehen möchte! Sieh nur Eliza! Ich gebe dir die Rosen, die du mir wert bist, meine Liebe!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)