Vater
Gegen fünf Uhr morgens wurde der junge Halbdämon von seinem Handy geweckt. Irritiert nahm er es Außer Kikyou und Kagome hatte doch niemand diese Nummer? Werbung? So meldete er sich nur: „Ja?“
„Kannst du auf die Straße kommen, Inu Yasha?“ fragte die tiefe Stimme des Herrn der Hunde: „Es ist sehr wichtig.“
Nur fünf Minuten später stand der Junge vor dem Schrein am Straßenrand, kaum überrascht, den Sportwagen und seinen Fahrer zu sehen: „Oyakata-sama….“
Der sah ihn an: „Du wolltest deinen Vater kennen lernen.“
Inu Yasha rang unwillkürlich nach Atem. So schnell? „Sie…Sie haben ihn…?“ Wie sollte er ihm denn gegenübertreten? Dem Mann, der seine Mutter....
Der Taishou hatte mit dieser Frage gerechnet und formulierte vorsichtig: „Ich habe einen Zeugen. Erwarte nicht zu viel.“
„Ja, schon klar…..Ich soll um sieben im Hotel sein.“
„Steig ein. Wenn es länger dauert, werde ich Herrn Shima persönlich Bescheid geben.“
„Äh, ja, danke….“ Der etwas geschockte Halbdämon gehorchte.
Erst, als er bemerkte, dass sie in ein Industriegebiet am Stadtrand fuhren, begann er, seine etwas verworrenen Gedanken beiseite schiebend: „Ich möchte nicht unhöflich sein…“
„Ich bringe dich an einen Ort, an dem du mehr erfahren wirst. Auch, wenn es dir ungewöhnlich vorkommt.“
Inu Yasha atmete tief ein: „Sie…Sie klingen so seltsam.“ Kannte der Taishou etwa seinen Vater?
„Es ist auch für mich eine schwierige Situation. Ich war noch nie in einer solchen.“ Und das war, das wussten die Götter, nicht gelogen: „Ich muss dich bitten mir zu vertrauen.“
„Das mache ich ja….“ So nett, ja, persönlich, war in seinem gesamten Leben kein Mann zu ihm gewesen.
„Wir werden sehen.“ Der Taishou hielt an: „Komm, wir gehen hier in das Haus.“
Der Halbdämon gehorchte und folgte dem Herrn der Hunde in ein Büro. Dieser zog einen Stuhl an eine Art Fenster, das mit einem Rollo verschlossen war:
„Das hier ist gewöhnlich das Büro der Aufsicht. Jetzt ist hier alles ruhig. Wir haben noch über eine Stunde Zeit. Setz dich. – Wenn ich das Rollo öffne, wirst du in die Halle unten sehen können. Und du kannst dann zuhören, was dort gesprochen wird, denn ich vermute, dass deine Ohren besser als die eines Menschen sind.“
„Ja, doch…“ Inu Yasha nahm Platz und rückte den Stuhl so, dass er wohl zusehen konnte.
„Gut. Jetzt höre mir genau zu. Das wird eine sehr schwierige Lage für dich und ich weiß auch nicht, was er alles erzählen wird. Mir ist nur eines äußerst wichtig: weder er noch sonst jemand soll wissen, wer du bist und dass du hier bist. Da ich annehme, dass dich seine Aussage sehr aufregen wird, möchte ich dich an diesen Stuhl binden. Zu deinem eigenen Schutz. Erlaubst du mir das?“
Der Junge starrte den Taishou an. Damit hatte er nie gerechnet. Plötzlich stiegen ihm wieder die Gerüchte in den Kopf: Verbrechen. Morde….aber. was hatte er denn damit zu tun? Warum sollte der Herr der Familie ihn umbringen wollen? Er war so nett zu ihm gewesen. Und da war auch zuvor die Bitte um Vertrauen.. .Er sah in die Augen, die den seinen so ähnlich waren, und las darin nur einen Wunsch: dass er ihm glauben würde
„Na ja…“ murmelte er: „Wenn Sie meinen?“
„Danke, mein Junge. Und ich bin mir sicher…“ Er band die Hände des Halbdämonen an den Stuhl: „Du weißt auch, dass du diesen Sitz zertrümmern kannst….Es soll ja nur eine Erinnerung sein…Zeig nicht, wer du bist.“
Das stimmte, dachte Inu Yasha. Er konnte den Stuhl zerfetzen. Daran hatte er gar nicht gedacht. Irgendwie war er doch sehr aufgeregt: „Und ich...ich soll auch nichts sagen?“
„Nein. Oder soll ich dich auch noch knebeln?“
Seltsamerweise wusste der Junge, dass das ein Scherz sein sollte, ein verzweifelter Scherz. Warum nur war der Herr der Hunde so an dieser Situation beteiligt? „Wenn es wirklich so aufregend wird, ja, “ erklärte er ehrlich: „Ich konnte noch nie ruhig bleiben.“
„Ich weiß nicht, was er sagen wird. Hier. Nehmen wir das.“ Er zog aus seinem Mantel ein Stück roten Stoff: „Der Rest Feuerrattenhaar. Es ist recht stabil. Ich jagte sie vor langer Zeit einmal…“
„Oh, darüber.., ich meine, erzählen Sie mir davon?“
„Wenn du es möchtest.“ Er band es um den Kopf des Halbdämons: „Wie gesagt, ich vermute, dass du diese Fesseln lösen kannst, nun, ich fürchte sogar ein Mensch wäre dazu im Stande. Nur, was auch immer du hören wirst, was auch immer du dir denkst – warte mit Reden oder Auf-Dich-aufmerksam-Machen bis ich wieder bei dir bin.“ Er öffnete das Rollo.
Dahinter zeigte sich eine dunkle Scheibe, von der Inu Yasha begriff, dass sie nur einseitig durchsichtig war. So würde ihn niemand erkennen und er zusehen können. Unter ihm lag eine Lagerhalle. Stapelweise reihten sich Kisten in Regalen aneinander. Direkt vor ihm befand sich jedoch ein Stuhl, der dort sicher nicht hingehörte. Daran gefesselt saß ein Mann, ein Mensch, wie er zu seiner Verwunderung feststellte. Was hatte der mit seinem Vater zu tun? Und warum war der gefesselt und von zwei Hundedämonen bewacht, die mittelalterliche Kleidung und Schwerter trugen? Dann erst erkannte der Halbdämon in dem Gefangenen den Chauffeur des Taishou, ohne dass das zu seinem Verständnis beitrug.
Der Herr der Hunde hatte unterdessen eine zweite Tür aus dem Büro geöffnet und hinter sich zugezogen und schritt über die Stahltreppe in die Halle hinunter. Kam es Inu Yasha nur so vor oder schienen sich die beiden Dämonen kleiner zu machen? Wären sie wirklich Hunde gewesen, hätten sie wohl die Schwänze eingezogen.
„Wartet draußen“, befahl der Anführer der Familie knapp.
In seiner Stimme lag eine Kälte, wie sie der Junge nie zuvor vernommen hatte, und ihm wurde klar, dass das Eigenartige, was er nun spürte, wohl die gewöhnlich verborgene dämonische Energie des Taishou war – und damit dessen Macht. Kein Wunder vermutlich, dass seine Männer unverzüglich gehorchten.
„Ich habe einige Fragen an dich, Takemaru.“ Die Stimme klang klar und deutlich zu dem Zuhörer.
Der Chauffeur warf einen unwillkürlichen Blick zu den beiden Dämonen, die soeben die Halle verließen: „Ich...ich verstehe nicht, Oyakata-sama.“
„Ich denke, du verstehst durchaus. Du bist ein Mensch, aber du hast dich vor achtzehn Jahren zur Familie bekannt und allen ihren Regeln unterworfen, als wärst du ein Dämon. Du solltest wissen, dass es gewisse Dinge gibt, die nicht toleriert werden. Unter uns zählt Verrat zu den schlimmsten Verbrechen, die man begehen kann. – Was hast du Izayoi erzählt, dass sie mich verließ?“
Izayoi? Ihn verlassen? Inu Yasha dachte im ersten Moment sich verhört zu haben. Jetzt verstand er auch die Vorsichtsmaßnahmen. Was hatte der Taishou denn mit seiner Mutter zu schaffen?
Takemaru lächelte fast ein wenig triumphierend: „Sie hat Sie verlassen, ja. Und ich habe sie gerettet.“
„Gerettet?“ wiederholte der Herr der Hunde hörbar irritiert: „Was hast du Narr getan?“
Takemaru sah seinen Arbeitgeber an: „Ich habe Izayoi-sama stets auf das Höchste verehrt, seit ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Sie war so schön, so warmherzig…Und Sie hatten sie verhext, verzaubert, so dass sie nicht einmal mehr mitbekam, dass sie mit einem Tiergeist, einem Ungeheuer zusammen war. Jedes Mal, wenn ich Sie zu ihr fahren musste, draußen warten musste, konnte ich kaum die Bilder verdrängen, wie Sie sie beschliefen. Ich musste sie retten.“
Inu Yasha rang nach Atem. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hinuntergelaufen. Nur die Sorge, die Geschichte dann nicht bis zum Ende hören zu können, hielt ihn davon ab. Mutter war einmal mit dem Taishou zusammen gewesen? War der darum so erschüttert, als er hörte, dass sein Vater sie vergewaltigt hatte und so interessiert an ihm selbst?
Der Herr der Hunde musste seine Hand gewaltsam entspannen: „Was hast du ihr erzählt?“
„Es war ganz einfach. Sie kannte mich ja als Ihren Mitarbeiter und ihr war klar, dass praktisch nur ich von ihr wusste. Ich behauptete, ich käme in Ihrem Namen. Sie seien ihrer überdrüssig und stellten sie vor die Wahl... Ich legte ihr Hunderttausend hin. Dies oder….Ich sagte nicht mehr, aber ich zeigte ihr meine Pistole. Nun, sie entsann sich dann durchaus Ihres Rufes und wählte das Geld. Sie war gerettet. Sicher lebt sie heute zufrieden mit einem netten Menschenmann in einer kleinen Stadt, hat Kinder…Ich wollte sie nicht für mich. Nur sie retten.“
„Sie ist tot“, erklärte der Taishou bitter: „Du jämmerlicher Abschaum. Hast du nie daran gedacht, dass sie leiden würde? - Woher hast du das viele Geld gehabt?“
Takemaru senkte den Kopf: „Nach achtzehn Jahren kommen Sie mit dieser alten Geschichte daher.“
„Achtzehn Jahre habe ich mich gefragt, warum sie verschwand. Achtzehn lange Jahre kam ich nicht auf die Idee, dass jemand, dem ich vertraute, mich verraten hatte. Höllischer Undank! Ich habe dich aufgenommen, dir den Schutz und den Halt gegeben, um die du mich auf Knien angebettelt hast. Und du hast meine Frau dazu gebracht mich zu verlassen. – Wer gab dir das Geld?“
Seine Frau? Inu Yasha hätte sich fast an seiner eigenen Zunge verschluckt. Er spürte nicht, dass er schon längst die Fessel um seine Handgelenke zerrissen hatte, seine eiskalt gewordenen Hände im Schoss rieb.
Takemaru schwieg einen Moment, aber ihm war nur zu bewusst, dass der Herr der Hunde auf Antwort bestehen würde. Er hatte diese alte Geschichte längst vergessen, nur manchmal sich noch in dem Gefühl gewogen, Izayoi-sama gerettet zu haben. Für einen Menschen waren achtzehn Jahre eine lange Zeit – für einen Dämon weniger. Und wenn er nicht redete… nun, so oder so würde er sterben müssen. Das Wie hing von dem erbitterten Mann vor ihm ab: „Ich traf einen Dämon in einem Lokal. Er war sehr nett und ich erzählte ihm mein Problem. Natürlich ohne Namensnennung. Er besorgte mir später das Geld um mir zu helfen. Ab und an haben wir uns dann noch, wenn ich hier im Urlaub war, getroffen, auch, als Sie hierher zurück wollten. Und als er jetzt der Berater des Anführers des Clans wurde, gab er mir auch immer wieder Geld, gegen nur kleinere Auskünfte.“
Der Taishou atmete sichtbar durch: „Naraku.“ Der war sicher kein Narr und hatte sofort schon vor achtzehn Jahren in seinem Chauffeur eine Chance erkannt.
„Ja.“
„Du hast ihm auch gesagt, dass ich vorgestern ins Casino fuhr, sowie gestern zu Toutousai.“
„Ja. Mehr wollte er ja nie…“
„Das genügt auch um einen Mordanschlag zu planen. – Du bist ein verdammter Narr, Takemaru, und ich habe es nicht erkannt. Kleine Gefälligkeiten, oh ja. Nichts, was dir ein schlechtes Gewissen machen würde – und doch überaus hilfreich für einen Gegner. Das ist Verrat an der Familie, daraus folgt die Todesstrafe. Und wenn ich dazu rechne, dass eine Frau, meine Frau, bis zu ihrem Tode glaubte ich hätte sie hintergangen, dass ein Kind ohne Vater aufwuchs…Ich wollte dich eigentlich eigenhändig umbringen. Aber jetzt habe ich nur mehr das Gefühl, mir nicht meine Klauen schmutzig machen zu wollen.“ Er rief zwei Namen und die Dämonen kamen zurück.
Den darauf folgenden Befehl verstand Inu Yasha nicht mehr. Gefühle überschwemmten ihn, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Er riss sich das Tuch vom trocken gewordenen Mund und stand auf, ohne zu merken, dass er den Stuhl umwarf.
Meine Frau...
Ein Kind ohne Vater…
Die sichtbare Überraschung des Taishou, als er selbst von Vergewaltigung sprach…
Das Interesse des so mächtigen Dämons an ihm….
Die langen Jahre als vaterloses Kind, verlacht als Halbdämon…
Die Tür wurde geöffnet und der Herr der Hunde trat ein, angespannt wie selten in seinem Leben. Mit einem Blick registrierte er, dass der Junge vor ihm begriffen hatte – nur, was nun?Sollte er es ihm noch einmal direkt sagen? Oder schweigen und warten?
Inu Yasha starrte ihn mit Tränen in den Augen an, ehe er hervorbrachte: „Mein…Vater? Otou-san?“
Da gab es nur eine Antwort: „Ja.“
Der Halbdämon schoss förmlich auf ihn zu, schlug mit beiden Fäusten auf seine Brust, seine Schultern ein. Der Taishou nahm die Schläge widerstandslos entgegen, legte nur seine Arme um ihn, bis Inu Yasha schließlich in Tränen ausbrach und sich an ihn schmiegte.
„Es tut mir Leid, mein Junge“, flüsterte er in eines der Hundeöhrchen: „Aber weine nur. Das ist etwas, das Dämonen versagt ist.“
Mein Junge. Das hatte er zuvor auch schon immer gesagt, aber er selbst hatte nicht begriffen, nicht begreifen können, wie ernst das gemeint war. Nein, er konnte ihm nicht böse sein. Als der ach so mächtige Herr der Hunde den Verdacht bekommen hatte, dieser zufällig getroffene Halbdämon könnte sein Sohn sein, hatte er alles unternommen, sich mit ihm bekannt zu machen, vorsichtig auf ihn zuzugehen. Und erst jetzt hatte er erfahren, warum Mutter ihn damals verlassen hatte.
Dieser Takemaru hatte seine Eltern getrennt, ihn selbst ohne Vater aufwachsen lassen…. Er richtete sich etwas auf und fühlte sich sofort freigegeben. „Was…was passiert mit ihm?“ fragte er, ehe er ein wenig ungeschickt nach einem Taschentuch suchte.
„Ich wollte ihn töten. Aber nun verschicke ich ihn als Paket. Ryuukossei wird sich wenig darüber freuen, seinen Tippgeber verloren zu haben. Er schätzt Verrat nicht den Verräter. Aber vielleicht lässt er ihn leben, war er doch nützlich.“
„Ryuukossei…..der war doch im Casino.“
„Ja. Er ist der Herr des Spinnenclans. – Komm, gehen wir. Die Arbeiter werden bald kommen. Und wir beide reden noch etwas allein. Oberhalb der Stadt gibt es einen schönen Ausblick.“
„Ja, aber ich muss um sieben im Hotel sein…“
„Ja. Aber zum einen ist noch Zeit und zum zweiten…Glaubst du wirklich, dass Shima-san meinem Sohn ein Praktikumszeugnis verweigert?“
„Das….das wollen Sie ihm sagen?“ Sein Vater wollte wirklich öffentlich zu ihm stehen?
„Sesshoumaru weiß es bereits. Ich habe keine Geheimnisse vor meinen Söhnen.“ Wie sich das anhörte, dachte er. Meine Söhne. Nun, wenn er seinen Ältesten richtig kannte und dessen Ansichten, würden sie kaum je wirkliche Brüder werden, zusammenhalten. Aber Sesshoumaru würde sich seiner Entscheidung zumindest soweit beugen Inu Yasha nicht umzubringen. Mehr konnte er von ihm nicht verlangen.
„Und…was sagt er?“
„Was meinst du?“ Der Welpe war klüger als gedacht.
„Er mag mich nicht.“
„Er mag keine Kontakte zu Menschen und ein Halbdämon deutet nun einmal auf…recht intensiven Kontakt. Aber er wird dir nichts tun.“ Nun, nicht, solange er selbst am Leben war. Danach wäre sein Ältester der Taishou. Aber bis dahin würde gewiss noch eine Menge passieren, wozu den erschütterten Jungen jetzt auf mögliche Gefahren hinweisen. Der hatte genug durchgemacht. Es wurde Zeit, dass er lernte, wie sich Dämonen untereinander verhielten, die Regeln dieser strengen Gesellschaft auch zu schätzen lernte. Er hatte nie Schutz genossen und würde wohl darin einen Vorteil sehen.
Oberhalb der Stadt stieg der Taishou aus und nahm auf einer Bank Platz: „Komm her, Inu Yasha....“
Dieser tat es und setzte sich schweigend daneben, ließ die Hände zwischen seinen Knien baumeln. Sein Leben lang hatte er seinen Vater etwas fragen wollen, oh, so viel fragen wollen, und plötzlich war alles weg, alles ganz anders...
Der Herr der Hunde blickte ihn an. Der Junge war verwirrt, verstört, gefühlsmäßig aufgewühlt – und doch blieb er relativ ruhig. War das doch die dämonische Seite an ihm? Was an ihm war Mensch, was Dämon oder war er wirklich beides? Sie mussten noch viel übereinander lernen. „Inu Yasha....“
„Ja?“
„Darf ich....ich möchte dich umarmen.“ Sesshoumaru würde das niemals dulden. Aber der Junge starrte ihn nur kurz an, ehe er den Kopf an seinem Schulterfell barg und er den Arm um ihn legen konnte. Der arme Welpe. Sie hatten so viel Zeit versäumt. Und auch er und Izayoi.
Inu Yasha schmiegte sich an ihn Nie zuvor in seinem ganzen Leben hatte ihn ein Mann umarmt, und jetzt auch noch dieser – sein Vater. Alles war ein furchtbares Missverständnis gewesen und er hoffte nur, dass Mutter das endlich wusste, wo auch immer sie nun war.
Schweigend blieben sie beieinander sitzen, ehe endlich eine Unterhaltung aufkam.
Nachdem der Herr der Hunde seinen neu gefundenen Sohn pünktlich im Hotel abgeliefert hatte, fuhr er zu dem kleinen Schrein. Die Priesterin, die sich fünf Jahre um den Welpen gekümmert hatte, sollte wissen, was geschehen war und nun geschehen würde.
Er fand sie in der Küche: „Guten Morgen, Kikyou-sama.“
Sie drehte sich um: „Guten Morgen, Taishou-sama. Nein, Oyakata-sama, nennt man Sie ja. Haben Sie Inu Yashas Vater gefunden?“
„Ja.“
„Weiß er es schon?“
„Inu Yasha weiß nun, dass er mein Sohn ist.“
Kikyou stutzte für einen Moment, ehe sie die regungslosen Gesichtszüge ihres Gegenübers genau betrachtete: „Sie meinen das nicht im übertragenen Sinn.“
„Nein. Izayoi Kamui war meine Frau.“
„Ich dachte…“Sie brach ab. Izayoi hatte gesagt, sie sei von dem Dämon ausgenutzt worden. Und doch gab er sich Mühe um Inu Yasha?
„Es war eine Intrige. Jeder von uns dachte, der andere habe ihn im Stich gelassen und betrogen, “ erklärte er daher eilig: „Ich fand es erst gestern heraus, als Sie mir sagten, wie Izayoi das Ganze gesehen hatte. Man hatte sie angelogen, in meinem Namen mit dem Tod bedroht, wenn sie mich nicht verlassen würde. Als Alternative bot man ihr Geld an.“
„Was sie sehr verletzte.“
„Sie. Und mich, denn ich dachte, sie hätte mich ohne Grund wortlos verlassen und suchte in all den Jahren nach meiner Schuld.“
Sie würde nicht fragen, was aus dem Intriganten geworden war: „Aber…Sie waren verheiratet?“ vergewisserte sie sich.
„Nach Dämonenrecht ja. Und an dem Tag, an dem ich sie fragen wollte, ob wir das auch nach menschlichem Recht tun, war sie verschwunden.“
„Also ist Inu Yasha…“
„Er ist nach dämonischem Recht mein Sohn und untersteht damit nach den Verträgen meiner Vormundschaft.“ Er sah durchaus das jähe Gefühl, das über ihr Gesicht zuckte: „Sie haben sich bislang um ihn gekümmert. Und ich würde gern sehen, dass er zumindest bis zu seinen Abschlussprüfungen auch bei Ihnen wohnen bleibt. Es gibt genug Veränderungen in seinem Leben.“
„Ja, das ist wahr…“ Unwillkürlich atmete sie auf. Für einen Dämon verstand er menschliche Gefühle wirklich sehr gut. Izayoi-samas Verdienst? Dann war dieses Ende der Beziehung umso tragischer. „Wie hat er es aufgenommen?“
„Nun, es war zu erwarten, dass er sehr gefühlsbetont reagiert. Er ist sich noch nicht aller Auswirkungen bewusst, die das auf sein Leben haben wird, aber er hatte sich gefangen, als ich ihn im Hotel absetzte. Er wollte unbedingt in die Arbeit.“
„Ja. Er träumt von einem Leben im Hotel. Aber das wird wohl kaum mehr in Betracht kommen.“
„Wir werden sehen. Die Familie besitzt viele Hotels und jemand muss sie kontrollieren.“
„Darf ich Sie noch etwas fragen? Sie sagten, nach Dämonenrecht verheiratet. Ich hörte davon nichts oder sah noch nie ein Bild von einer Dämonenhochzeit in der Zeitung…“
Über seine Züge huschte ein fast schelmisches Lächeln und sie verstand Izayoi, warum sie diesem Dämon vertraut hatte: „Ein Foto wäre wohl auch ein wenig unangenehm. – Es gibt keine Feier. Wenn sich zwei Dämonen einig sind, ihr Leben miteinander verbringen zu können und das auch körperlich besiegelt haben, sind sie gebunden.“
„Und man kann sich trennen.“
„Ja. Wie Sie wohl wissen, hat sich meine erste Frau von mir getrennt. Auch dies ist nur eine Absprache zwischen beiden. In der Zeit dazwischen gilt allerdings Treue.“
Woher hatte er gewusst, dass es sie interessiert hatte, ob Izayoi der Grund für die Scheidung gewesen war? „Danke. Wann kommt Inu Yasha zurück?“
„Um ehrlich zu sein, das weiß ich nicht. Ich habe heute und morgen noch einige Termine. Er sagte mir nur Donnerstag habe er eine Verabredung.“Und keine Zeit für ihn
„Mit einer Schulfreundin, ja.“
„Nur eine Schulfreundin? Er klang aufgeregt.“
„Er würde es sich wohl mehr wünschen, aber das…“ Sie brach ab. Es war wohl ungeschickt, das jemandem zu sagen, der selbst anscheinend keine Bedenken hatte, die unsichtbaren Schranken zwischen den Arten niederzureißen. So korrigierte sie sich: „Es ist das erste Mal.“
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In seinem Bemühen alles richtig zu machen hat der Taishou einige Fehler begangen. Im nächsten Kapitel werden Ryuukossei und Naraku sie aufspüren...
bye
hotep