Q: Are we not strange? von Mimmy-chan (Bronzeshipping, Sickleshipping, Tendershipping) ================================================================================ Kapitel 29: Zweiter Akt ----------------------- 28. Kapitel: Zweiter Akt ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ RYOU Hektisches Treiben bestimmen das Klima des heutigen Abends. Die Leute um mich herum scheinen ganz kopflos zu sein, da die Panik, irgendetwas würde schief gehen, ihnen jeglichen Nerv raubt. Es wird nach fehlenden Requisiten und Beleuchtungseinstellungen geschrien, doch anstatt, dass diese Probleme gelöst werde, gesellen sich immer mehr hinzu. Am liebsten würde ich ja helfen, doch unsere Stylistin hat mich gerade erst unter ihre Fittiche genommen und würde mir sicherlich den Kopf abschlagen, falls ich es wagen sollte, mich auch nur einen Millimeter von dem kleinen Tisch weg zu bewegen. Leise seufze ich. Ach, wäre meine Zwillingsschwester, Amane, nur nicht die Treppe herunter gefallen, dann hätte sie nun kein gebrochenes Bein und könnte ganz frech und fröhlich ihr heiß geliebtes Theaterstück aufführen. In dem Falle würde ich nun unten bei den Gästen sitzen und darauf warten, dass meine Kleine auf die Bühne tritt. Aber nein … keine Chance. Die Realität sieht so aus, dass mir an ihrer Stelle gerade Makeup aufs Gesicht gekleistert wird. Und das alles nur, weil Amane meint in ihren Zustand nicht auftreten zu können. Doch nicht nur das. Zu allem Überfluss hat sie auch noch ganz viele Eintrittskarten verschenkt, sodass etwa 500 Leute kommen werden um ihrem Stück beizuwohnen. Darunter ist natürlich ihr über alles geliebter Marik … und wo der ist, da ist Bakura nicht weit. Ich möchte weinen bei dem Gedanken, dass mich mein Schwarm so sieht. In Frauenkleidern! Wie kann der Himmel nur so sehr gegen mich sein? Aus Trostlosigkeit würde ich am liebsten das Gesicht in den Händen vergraben, doch bereits das erste Zucken in die Richtung wird mir vom strengen Blick Teas verboten. „Wag es nicht Ryou-chan.“ Hilflos nicke ich mit dem Kopf, woraufhin sich die Brünette wieder an die Arbeit macht. Hinter ihrem Rücken kommt mein Freund Yugi vorbei, der mir fröhlich zuwinkt, dabei aber eher das Mädchen anstarrt, was gerade einen schwarzen Stift in die Hand genommen hat. Damit malt sie mir einen Lidstrich unter das rechte Auge. Zwar weiß ich nicht, wofür das gut sein soll, aber ich habe nie behauptet ein Frauenkenner zu sein. „Noch zwanzig Minuten“, ruft unser Regisseur. Allmählich macht sich auch bei mir ein flaues Gefühl im Magen breit. „Ganz ruhig. Du schaffst das schon“, feuert der kleine Punk mich an, der ein weiteres Mal vorbei kommt, um einen Stein aus Styropor zur Bühne zu tragen. Dankbar nicke ich mit dem Kopf. Das hätte ich jedoch besser nicht machen sollen, denn nun hat Tea sich vermahlt und muss nochmal neu mit den Augen anfangen. In ihrer Frustration tadelt sie mich ohne Punkt und Komma. Ich seufze abermals auf. … Das kann ja was werden, heute. MARIKU Schlecht gelaunt stelle ich den Motor meiner Harley-Davidson ab, als ich nach ewig langem Suchen endlich eine Parklücke gefunden habe. Der Helm wird unter dem Sitz verstaut, ehe ich den Schlüssel abziehe und ihn in meiner Jackentasche verschwinden lasse. Mit langsamen Schritten bewege ich mich auf den Haupteingang unser Uni zu. Die Nachtluft pustet mir provozierend in den Nacken als ich mich in Bewegung setze. Kurzerhand ziehe ich meine Kapuze über den perfekt gestylten Kopf. Ha, jetzt kann mich der blöde Wind mal kreuzweise! In meiner heutigen Nachhilfestunde hat mir Marik einen Lernplan präsentiert, nach welchem wir von nun an vorgehen werden. Nebst diversen Treffen ist auch eine Unmenge an Selbststudium eingetragen, welches ich betreiben soll. Doch darüber kann ich nur lachen. Wieso in Teufelsnamen sollte ich so eine Kinderkacke machen? Pah! Da kennt er mich echt schlecht etwas Derartiges zu erwarten. Vor allem, weil ich immer noch stinksauer auf ihn bin, nachdem er meinen Kuss als ‚Fehler‘ bezeichnet hat. Zu allem Überfluss hat mir die blonde Stechmücke zum Schluss unserer mehr als langweiligen Verabredung/Lehrstunde ein Ticket für ein Theaterstück unseres Instituts angedreht. ‚Damit du verstehst, was Kultur ist. ‘ ZÄH! Das ich nicht lache! Kultur? Folter trifft es besser!!! ‚Ich erwarte, dass du dich heute Abend dort einfinden wirst. Ansonsten muss ich mich mit dem Direktor unterhalten. ‘ Während ich an diese Worte denke, komme ich nicht drum herum mit meiner linken Hand einen Entenschnabel zu formen, der munter vor sich her schnattert. ‚Tu dies Ishtar. Tu das. ‘ Boah, das geht mir dermaßen auf den Sack, dass ich bereits anfange mir vorzustellen wie ich meinem ‚Nachhilfelehrer‘ den Hals umdrehen könnte. Sein Glück, dass er mich verhext hat, sodass ich nicht in der Lage bin ihm etwas anzutun, ohne mir selbst dabei zu schaden. Als ich in gerade in der großen Aula ankomme, schließt sich plötzlich ein vorwitziger Arm um meine Schultern. „Hime-chan. Du auch hier?“, schnurrt mir Kuras Stimme ins linke Ohr. Ein Kribbeln macht sich in meinem Gehörgang breit, sodass ich darin herum bohren muss, damit das Gefühl wieder verschwindet. Ganz nebenbei schüttle ich die lästige Gliedmaße von mir herunter. „Wie man sehen kann. Marik fand‘, dass es mich kulturell bilden müsste“, brumme ich vor mich hin und schaue dann zu dem schier stets gut gelaunten Zottelkopf, der gerade dabei ist, sich seiner roten Jacke zu entledigen. Gemeinsam trödeln wir an den Stuhlreihen entlang. Auf meinem Zettel steht irgendwas mit Platz 17, darum halte ich genau danach Ausschau. Derweil faselt man mich von der Seite zu. „Marik ist also wieder einmal der Übeltäter. Naja es war klar, dass Amane ihn einlädt. – Doch dass er gerade dich mitnehmen will, hm~m. Irgendwo fehlt mir da die Logik.“ Abrupt bleibe ich stehen. „Amane?“ Wie von ganz alleine spannt sich mein gesamter Körper an. Die Hände ballen sich zu Fäusten, da mir allein schon dieser Name reicht um rot zu sehen. Dieses Flittchen hat es doch tatsächlich gewagt meinen Marik eine Liebeserklärung zu machen. Und nun meint sie ihm zu einem weiteren Date ausführen zu können? GRRRR!!!! Das wird sie büßen – und das Objekt meiner Begierde ebenso, denn es hat nicht sofort ‚nein‘ geschrienen. Im Gegenteil! Um den ganzen eine Krone zu verpassen, schleppt es mich auch noch mit, nur, um mir zu zeigen wie glücklich es mit der Tussi ist. Na wartet! Euch krieg‘ ich dran – und dann werdet ihr euch wünschen nie geboren worden zu sein!!! Mein Blick schweift durch den Raum, doch er braucht nicht lang um die beiden ausfindig zu machen. Sogleich setzte ich meinen Marsch fort und steuere auf die zwei zu, die sich ganz vertraulich nebeneinander gesetzt haben. Kura weiß gar nicht was los ist, doch er folgt mir einfach mal. Wie so oft. Kaum, dass ich mein Ziel erreicht habe, packe ich mir den Weißschopf am Kragen. „Du elende Schlampe! Was fällt dir ein dich kaum einen Tag später –“, setzte ich an, doch bevor ich meinen Satz beenden kann, hat sich bereits eine bleiche Faust in meine Fresse verfangen. „Wen nennst du hier Schlampe?“, zischt Bakura aufgebracht, woraufhin ich ihn sofort wieder los lasse. So ‘ne Scheiße, dass die Leute auf dieser Uni aber auch alle gleich aussehen müssen. Tsss. Und da behauptet man Albinos seinen eine Seltenheit! Wenn es nach mir geht ist hier irgendwo ein Nest von den Viechern. „Bakura beruhige dich, bitte. Sonst gibt es wieder unnötig Zoff“, seufzt Marik und massiert sich dabei die Schläfen. Doch sein Freund scheint ganz und gar nicht von dieser Idee angetan zu sein. Dennoch bleibt er tatsächlich still. Von mir wendet er seine Aufmerksamkeit nun dem Kerl zu, der sich gerade mal einen Platz von ihm entfernt fallen lässt. „Hey ihr zwei“, grüßt Kura mit einem etwas dümmlich-lächelnden Gesicht seine Sitznachbarn. Daraufhin wendet sich Bakura sofort ab und verschränkt missgünstig die Arme vor der Brust. – Wenn ich mich nicht irre, dann beißt er sich gerade auf die Unterlippe, doch das ist nur eine Vermutung. Naja, was soll’s. Mein Interesse liegt sowieso eher bei Marik, der während er den Größten unter uns begrüßt, auf den Stuhl direkt neben seinen Freund verweist. Murrend nehme ich darauf Platz, obwohl es mir gar nicht in den Kram passt eine Mauer zwischen uns vor zu finden. „Marik stimmt es, dass du die Karten für den Rotz hier, von Amane hast?“, komme ich gleich zum Punkt. Mich beschäftigt die Sache viel zu sehr, als dass ich sie vergessen könnte. Überrascht zieht mein ‚Nachhilfelehrer‘ die Augenbrauen nach oben. „Ja, habe ich. Woher weißt du das?“ „Warum hast du sie angenommen?“, umgehe ich seine Frage mit einer Weiteren. Kurz muss Marik über seine Antwort nachdenken, doch in dem Moment, in welchem er sie mir präsentieren will, hält er inne. Seine Augen huschen für einen Augenblick zu dem Wischmobkopf. Als dieser den Kopf schüttelt, überlegt Marik noch ein Stück länger bis er dann meint: „Weil es mich interessiert was Amane in ihrer Freizeit macht. Letztendlich hat sie mir ihre Liebe gestanden, dass macht einen natürlich neugierig was für ein Mensch sie nun ist.“ – Das ist gelogen. Ich weiß zwar nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund bin ich mir 100%tig sicher, dass er diese Ausrede erfunden hat. Darum rege ich mich auch gar nicht auf. Viel mehr wandert mein Augenmerk auf den Trottel zwischen uns, der den Hauch eines Grinsens auf den Lippen trägt. – Ha! Wusste ich es doch, dass da was faul ist. Bakura muss meinen Marik manipulieren, damit dieser solch abartige Lügen verbreitet. Aber so nicht ihr Zwei. Keine Chance. Mich schreckt ihr damit nicht ab. „So, so“, grinse ich selbstsicher und lehne mich dann gelassen zurück. Wie erwartet verwirrt Marik meine Geste. Sein hilfloser Blick in die Richtung seines Freundes verrät sein eigentliches Motiv nur zu gut. Bei Bakura entdecke ich jedoch keine Regung. Anscheinend hat er ein richtiges Pokerface. – Dennoch hab‘ gewonnen und fertig. Haha! Durch den kleinen Sieg nebenbei steigt meine Laune um ein vielfaches, so stört es mich nicht einmal als Kura mich wieder von der Seite anquatscht. Schon rein aus Gewohnheit ist er mir verdächtig dicht auf die Pelle gerückt. Man könnte glatt meinen, dass er halb auf meinem Stuhl mit sitzt, so weit wie er sich in meine Richtung beugt um irgendwas Unwichtiges in mein Ohr zu flüstern. Ungewollt macht sich eine Gänsehaut in meinem Nacken breit, doch es würde ihm sicher nur noch mehr erfreuen, wenn ich es zugeben würde, indem ich ihn zu mehr Abstand zwinge, als wenn ich keine Reaktion zeige. Deshalb entscheide ich mich für letzteres. Ich bemerke dabei keinen der stechenden Blicke, die mir von der anderen Seite zugeworfen werden. Lediglich das leise Knacksen von Fingerknöcheln dringt an mein Ohr, doch bevor ich nachschauen kann, wo genau es herkommt, ertönt lauter Applaus und läutet damit den Beginn des Stücks ein. Der Raum wird dunkler. Lediglich eine einzelne Lichtquelle bleibt übrig. Es handelt sich dabei um einen Scheinwerfer und dieser richtet sich nun auf die Mitte der Bühne. RYOU Meine Knie zittern heftig, als mir unser Regisseur das Zeichen für den Beginn des ersten Akts gibt. Der Vorhang wird zur Seite gezogen. Ungewollt, verkrampft sich meine rechte Hand im weichen Stoff des blau, weißen Kleides. Sogleich fangen die anderen Schauspieler am Rand der Bühne an, heftig mit den Armen zu wedeln, damit ich die mehr als unpassende Geste unterlasse. Im restlichen Saal ist es stockdunkel, weshalb ich nicht einmal das Publikum sehen kann. Das erleichtert mich ein bisschen von der Angst in das entsetzte Gesicht meines Schwarmes sehen zu müssen. Gesetzt dem Fall Bakura erkennt mich überhaupt. So gesehen wäre das nämlich gar nicht so einfach, da ich mit der angezimmerter Lockenmähne, dem Makeup, dem Korsett und dem Fummel am Leib ganz genauso wie meine Schwester aussehe. Allein meine Stimme wäre ein Indiz, doch viel Text habe ich so oder so nicht, da meist ein Erzähler das Sprechen für die Charaktere übernimmt. „Wir schreiben das Jahr 1967. Sakura ist ein glückliches Mädchen von gerade einmal 17 Jahren. Sie wird von ihren vermögenden Eltern geliebt und kann sich auch sonst nicht großartig beklagen. Bis zu ihrer Hochzeit sind es nur noch ein paar kurze Tage, doch je näher das Ereignis rückt, desto unsicherer wirkt die junge Frau. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen an ihrem ach so perfektem Leben…“ „Es ist nicht perfekt“, murmle ich in mein Mikro und hebe dann den Kopf so an, dass er nicht länger gen Boden gerichtet ist. „Sakura?“ „ES IST NICHT PERFEKT!“, wiederhole ich meine Aussage in einer wesentlich lauteren Tonlage und balle dabei die Hände zu Fäusten. Mit zügigen Schritten gehe ich auf das nicht sichtbare Publikum zu und drehe mich dann um mich selbst, als ob ich die Stimme suchen würde, die gerade noch über das Leben von Sakura geurteilt hat. „Wer bist du, dass du weißt, was ich als perfekt empfinde?“ „Sakura! Mit wem sprichst du?“, ruft auf einmal die ‚Mutter‘ und eilt zu mir auf die Bühne. Noch immer fixiere ich einen nicht definierbaren Punkt im Raum und starre ihn geistesabwesend an. Auch als sich die zarten Hände von Tea auf meine Schultern legen, ändere ich nichts daran. „Niemanden, Mutter. Niemanden…“ […] Dieses Stück, welches meine Schwester geschrieben hat, erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die mit Albinismus auf die Welt kommt. Aus Angst, dass ihre Tochter aufgrund ihres abnormalen Äußeren keinen Mann findet, engagieren die besorgten Eltern eine Hochzeit mit einem Edelmann. Die zukünftigen Eheleute kennen sich nicht, doch das spielt zu dieser Zeit sowieso keine große Rolle. Darum ist es auch gar nicht erstaunlich, dass die junge Frau ohne jegliches Wiederwort dem Eheversprechen zustimmt. Jedoch glaubt Sakura beim ersten Treffen mit ihrem Verlobten, eine böse Aura um ihn herum wahr zu nehmen und beginnt deshalb sich vor ihm zu fürchten. Aus dem anfänglichen Unbehagen entwickelt sich mit der Zeit eine regelrechte Panik, die damit endet, dass das Mädchen physischen Schäden wie das Hören von nicht existenten Stimmen und die Ausbildung einer anderen Persönlichkeit davon trägt. Mithilfe ihrer anderen Persönlichkeit, die sie Yami Sakura nennt, tötet sie schließlich ihren Ehepartner und wird dann in eine Klinik eingeliefert. … Meiner Meinung nach ist das Stück furchtbar, doch Schwesterchen Amane besteht darauf, dass es eine großartige Leistung ist, die sich mit Problemen wie Albinismus, Mobbing, engagierte Hochzeiten und vor allem Stress auseinander setzt. Naja, ich will ihr einfach mal den Glauben lassen. Immerhin könnte es auch sein, dass ich im Unrecht bin. Doch wenn man sich alte Bestseller her nimmt und hiermit vergleicht, ist es auffällig, dass es hier zu viele Problemschwerpunkte gibt. … Aber wie auch immer. Momentan sind wir kurz vor dem Ende, des ersten Aktes, welchem eine Pause von 30 Minuten und dann der zweite Akt folgen werden. Froh, dass ich nun schon fast die Hälfte hinter mir habe, ohne einen Hänger fabriziert oder Bakura entdeckt zu haben, lege ich mich richtig ins Zeug, um den Streit zwischen Sakura und ihrem herrischen Vater realistisch rüber zu bringen. Energisch rüttle ich an den Ärmeln meines Schauspielkollegen, während mir heiße Tränen über die Wangen laufen. … Das ich auf Kopfdruck mit heulen anfangen kann, wusste ich noch nicht einmal. Allerdings glaube ich nicht, dass mir diese… ‚Fähigkeit‘ weiter helfen wird. Weder im späteren Berufsleben noch bei einem gewissen Stinkstiefel, von dessen Herz anscheinend nichts mehr übrig ist, nachdem seine erste Beziehung in die Brüche ging. „Nein, ich will Satoshi nicht heiraten! Er ist böse Vater! BÖSE“ „Sakura beruhig dich!“, zischt man mir entgegen, woraufhin ich hilflos aufsehe. „Aber … ABER!“ „Du bringst Schande über die Familie, wenn du weiterhin ein derartiges Verhalten an den Tag legst. So, und nun will ich keines deiner Lügenmärchen mehr hören!“, setzt der Vater seinen Standpunkt fest, und stößt mich dann von sich. Wir haben das hier gefühlte tausend Mal geübt, sodass ich genau weiß wie ich fallen muss, damit ich mich nicht verletze. Doch jetzt, in dem Augenblick, wo es darauf ankommt, bemerke ich erst viel zu spät wie dicht ich am Bühnenrand stehe. Noch im Taumeln, versuche ich mit dem Armen zu rudern, um nicht von der Anhöhe zu fallen, doch es hilft leider nichts mehr. Ganz dem Gesetz der Schwerkraft ausgeliefert, verlieren meine Füße den Halt. Ich kann direkt hören wie das Publikum Luft zwischen den Zähnen einsaugt. Wahrscheinlich glaubt es, mein Stunt würde zum Stück gehören. „Sakura!“, ruft mein Kollege noch entsetzt und will nach meinem Handgelenk greifen, schafft es aber nicht. Ach verdammt! Wieso bin ich auch so ein Tollpatsch? Ich habe mich schon fast mit dem Gedanken an eine harte Landung abgefunden – immerhin bin ich nicht aus Zuckerwatte, da darf ich nicht wegen ein paar blauen Flecken anfangen zu jammern – da fängt mich jemand auf. Ein Keuchen ist zu hören, als mein Fänger das ganze Gewicht zu spüren bekommt, doch die starken Arme geben nicht nach. Verwirrt schaue ich auf und blicke in das sichtlich entsetzt wirkend Gesicht meines Cousins. Er scheint ebenso überrumpelt wie ich zu sein, sodass es zu einer kurzen, ungeplanten Pause kommt, in der alles und jeder Mucksmäuschen still ist. Das Einzige, was mir laut erscheint, ist das wilde Schlagen meines Herzens. „Mensch Kleines, was machst du denn für Sachen?“, flüstert der andere Weißschopf tadelnd. Ich schlucke hart, doch das fällige ‚Danke‘ will selbst danach nicht aus meiner Kehle klettern. Stattdessen verschanzt es sich noch fester im Hals und droht mir fast die Luft abzuschnüren. Nun bleibt nur noch der höchst überrascht, wenn auch peinlich berührter Gesichtsausdruck. Eventuell könnte er meinem Fänger verraten, dass ich mit der momentanen Situation hemmungslos überfordert bin. Die mattvioletten Augen des anderen mustern mich vorwurfsvoll. Ich versuche den Blick zu meiden, doch das ist gar nicht so leicht bei einer dominanten Person wie ihm. „Akefia…“, bringe ich letztendlich zumindest seinen Namen über die Lippen. Das könnte man vielleicht noch als Einleitung für die erwünschte Danksagen verstehen, doch zu weiteren Worten komme ich leider nicht. „Gehört das hier etwa zu eurer Einlage? Wenn ja, ist es selten schlecht einstudiert. Gut, ich weiß nicht ob sich Sakura im Stück das Rückrrad brechen soll, aber selbst in dem Falle ist eure Darstellung ein wenig ZU realistisch.“ Ohne es kontrollieren zu können, kräuseln sich meine Mundwinkel nach oben. Akefia ist wirklich ein blöder Kerl. Immer muss er alles ins Lächerliche ziehen, so als ob es gar nichts mehr gebe, weshalb man sich Sorgen machen müsste. In Situationen wie jetzt ist das vielleicht auch gut so, doch manchmal befürchte ich, dass er sich mit seiner Leichtherzigkeit, die erst nach seiner Wiederkehr aus Okinawa in dem übergroßen Maße mitgebracht hat, des Öfteren selbst etwas vormacht. „Baka“, nuschle ich beschämt und ziehe dabei leicht an dem zotteligen, weißen Haarschopf. Gespielt jault Akefia auf, als ob ich ihm ernsthaft Schmerzen zugeführt hätte. „Au, au, au, quäl mich nicht auch noch. Sagt man so etwa ‚danke‘ zu seinem – “ „BRUDER!“, wirft plötzlich eine andere Stimme in das intime Getuschel zwischen mir und meinem Cousin. Verwirrt blicken wir auf zur Bühne, wo immer noch die Figur von Sakuras Vater steht. Der verkleidete, junge Mann scheint uns beide mit seinen Blicken geradezu anzuflehen, auf das Spiel einzugehen. Es ist schon fast erschreckend, dass mir erst in dem Moment klar ist, dass uns eine große Menschenmenge mit Adleraugen betrachtet. In meiner Panik schaue ich kurz zu Akefia, der nur knapp nickt, um sein Einverständnis eine kurze Rolle in unserem Stück zu übernehmen bekundet. „Ach mein Bruder, was habe ich dich vermisst“, fange nun auch ich an zu improvisieren und schlinge dabei fest meine Arme um den Nacken des Größeren, der sich mit mir auf dem Arm nun langsam zur Treppe am rechten Rand der Bühne begibt. „Wo warst du die letzten Wochen?“ Von meiner Position aus, habe ich nun einen knappen Blick auf das Publikum, das uns gebannt betrachtet. Doch unter all den begeisterten Blicken, … von denen besonders der von Marik mir Angst machen, da er sich übertrieben in die ‚ergreifende‘ Handlung hinein steigert, … sticht einer noch krasser heraus. Wie ein Keil durchteilt er die positive Stimmung und füllt den breiten Riss mit einer beinahe schon greifbar, schwarzen Aura. Wie betäubt starre ich zurück und ziehe dabei mehr und mehr meinen Kopf ein, damit er von der Nase ab hinter Akefias breiten Schultern verschwindet. Dennoch kann ich dem Schwall aus Wut nicht entkommen, der von Bakura bis zu mir herüber schwappt. Den Anblick nicht ertragend, beiße ich mir auf die Unterlippe. Was habe ich um Gotteswillen nun jetzt schon wieder falschgemacht, dass er mich so ansieht? Währenddessen improvisiert auch unser Erzähler, der eine haarsträubende Geschichte um den Soldaten Akefia spinnt, welcher nach seiner Flucht aus dem Militär endlich in sein Heimatdorf zurück gekehrt ist, um der Hochzeit seiner Schwester beizuwohnen. „Und nun bin ich hier“, verkündet unser neuer Schauspieler als abschließende Worte und packt mich dann an der Hüfte. Beinahe geräuschlos setzt er mich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ab. Das ich momentan aber viel zu geknickt bin, weil Bakura mich wieder einmal grundlos zu verachten scheint, reagiere ich nicht wirklich. Weiterhin halte ich den Kopf gesenkt und starre das Holz unter meinen Füßen an. „Dann kommst du zur richtigen Zeit. Überzeuge deine Schwester von der Richtigkeit ihrer Ehe.“ „Nein, das werde ich nicht!“, erwidert mein ‚Bruder‘ knurrend und schlingt dann seinen Arm um meinen Körper. Ganz von dem Elan erstaunt wie sehr sich der Größere in seine Rolle hineinsteigert, sehe ich erstaunt zu ihm rüber. Ein merkwürdig wütender Blick liegt auf seinen Zügen als er den ‚Pseudo-Vater‘ verächtlich anstarrt. Sein Gegenüber unterdessen muss sich heftig zusammen reißen, um nicht vor Angst davon zu laufen, so real wirkt der gespielte Gefühlsausbruch. „Du kannst niemanden etwas vorschreiben, was er aus tiefsten Herzen nicht will! Es sind Sakuras Gefühle und wenn sie sich dafür entschieden hat, dieser Ehe nicht zuzustimmen, dann werde ich sie dabei unterstützen!“ Akefias Griff um meinen Körper wird genau in dem Moment unglaublich schmerzhaft, so sehr krallt sich der sonst so gelassene Tagträumer mit den Fingern in meine Haut. „Das werden wir ja noch sehen“, entgegnet der ‚Vater‘ ein letztes Mal, bevor fürs Erste der Vorhang fällt. Tosender Applaus und wahre Jubelrufe sind von der anderen Seite des Samtstoffes zu hören, als meine Kollegen und ich erst einmal alle ti~ief Luft holen. Die Soundkulisse, die uns umgibt, scheint jegliche Panik, die innerhalb des Stückes bestand, von uns zu blasen, sodass hier und da sogar jemand zu lachen anfängt. Nach den ersten Schrecksekunden haben sich dann auch weitestgehend alle beruhigt und klopfen sich nun freudestrahlend gegenseitig auf die Schultern. „Oh wow, das hast du toll vorgetragen Yugi!“, jauchzt Tea ausgelassen und knuddelt unseren kleinen Erzähler dabei heftig durch. Dass dieser dabei fast vor Herzklopfen explodiert, … zumindest weist sein Tomatenkopf darauf hin, … bemerkt sie leider nicht. Doch im Gegensatz zu unseren Brünetten, die offensichtlich nur Augen für Yugi hat, bin ich ganz auf Akefia konzentriert, der, … seitdem sich unser Schauspieler für den ‚Vater‘ entfernt hat, … immer noch auf die nun leere Stelle am Boden starrt. Mit den Gedanken ist er anscheinend ewig weit weg. Seine Mimik verrät mir nichts von den Hirngespinsten, die er mit sich trägt, jedoch besorgt es mich zunehmend, dass er mir fast den Arm zerquetscht. „Akefia?“, frage ich zögerlich und lege ihm dabei meine freie bewegliche Hand auf seine Wange. Er zuckt daraufhin so heftig zusammen, dass ich mindestens genauso erschrocken die Luft anhalte wie er die seine. Einen Augenblick starren wir uns entsetzt an, bis mein Cousin als Erster wieder nach Atem ringt. Nur allmählich schleicht sich ein Grinsen auf seine Lippen. Doch seine Augen strafen das Lächeln eine Lüge. „Na, war ich gut?“ „Also…“ „Gut? Du hast uns gerettet“, fährt mir eine Stimme kurzerhand dazwischen. Murrend drehe ich den Kopf zur Seite um letztendlich Yami zu entdecken. Er ist der Regisseur unseres Stückes und damit maßgeblich an allem beteiligt. Eigentlich habe ich nichts gegen ihn. Dafür aber mein Freund Yugi, der mit dem Frauenschwarm einfach nichts anfangen kann. Irgendwo ist das natürlich verständlich, immerhin ist Tea gerade in diesen Schönling verliebt. Aber wie auch immer. Momentan bin ich trotz meiner friedlichen Stellung nun sauer auf den Ägypter, weil er meine wichtige Frage unterbrochen hat. Im Gegensatz dazu scheint sich mein Cousin über die neue Gesellschaft richtig zu freuen. In einer geschmeidigen Bewegung lässt er von mir ab und versteckt seine Hände, dann in den Taschen seiner Hose. „Ach ja?“ Mittlerweile ist der Spross aus dem Hause Atemu bis an uns heran getreten. Die Jacke, welche er dich um die Schultern gehängt hat, wirkt fast wie ein kurzer, schwarzer Mantel und lenkt in gewisser Weise den Blick auf die Katzenhaften Augen, die ihr Gegenüber neugierig mustern. … Fast schon zügellos, wenn ich das so anmerken darf. „Ich wusste gar nicht, dass du schauspielern kannst.“ Lässig zuckt der Angesprochene mit den Schultern. „Tja, man lernt eben nie aus. Aber sag - was suchst du hier, Pharao?“ Mit einem vielsagenden Lächeln, deutet der Kleinere der beiden auf das Skript in seiner Hand. Große Buchstaben zieren das häufig genutzte Heft. „Ich leite das Ganze hier ein bisschen.“ ‚Ein bisschen‘? Was für eine hemmungslose Untertreibung. Atemu hat sich sehr tief in dieses Stück hineingekniet und Hand in Hand mit Amane gearbeitet, damit ihre Vorstellungen von der Geschichte wahr werden konnten. Merkwürdig … das sieht dem großen Idol Yami doch gar nicht ähnlich sich kleiner zu machen als er ist. Ob das an Akefia liegt? Nachdenklich mustere ich die Züge des Regisseurs und tatsächlich… wie den großen Weißschopf anschaut, wie er sich bewegt, die verlegene und doch gezielte Handbewegung… Ich schlucke. Oh Mann. Wer hätte das denn geahnt. Yami ist in Akefia verliebt. Das gibt es doch nicht! So ein … so ein Frauenmagnet soll… nein, das ist unmöglich. Ob Bakura das weiß? Stutzig halte ich meine eigenen Gedanken an. Moment … wieso landen alle meine Spekulationen immer wieder bei diesem Wildfang? Damit hat er nun wirklich nichts zu tun. … Okay er mag der Ex von einem der beiden sein, jedoch ist das doch schon lange her. … Auch wenn ich den Eindruck habe, dass noch ein dunkler Schatten dieser Zeit über Bakuras Kopf schwebt. … Hm… von da her müsste ich Yami eigentlich unterstützen, damit Akefia endlich wieder vergeben ist. Dann würde vielleicht selbst Bakura einsehen wie bescheuert es ist, sich da noch an alte Gefühle zu klammern. … Ohne dass ich es bemerke verdüstern diese kalten, egoistischen Gedanken meinen Blick. Genau. Wenn ich auch nur den Ansatz einer Chance bei Bakura haben will, muss ich Akefia aus dem Weg räumen. Fragt sich nur wie ich das am besten anstelle. Also zum einen bietet sich Yami anscheinend gerade so dazu an. Und zum anderen .. hm… wen gäbe es da noch…? MARIKU „Das ist ‘n furchtbares Stück!“, jaule ich und schlage mir dabei mit der flachen Hand gegen die Stirn. Von all diesen ekelhaft kitschigen und megamäßig unrealistischen Rede bluten mir schon förmlich die Ohren, doch trotz meiner bisherigen Versuche von hier weg zu kommen, ist es Marik bis jetzt immer wieder gelungen ein Gegenargument für meine Ausreden zu finden. Darum bin ich immer noch hier – und leide! Erschöpft lass ich mich noch tiefer in den Stuhl sinken. Jetzt ist nicht einmal mehr Kura da, mit dem ich mich unterhalten könnte. Nur noch mein Süßer und – der Keil zwischen uns. Aus feinseligen Augen starre ich zu dem Wischmopp herüber, der ebenso schlecht gelaunt zu sein scheint wie ich. Wenn nicht sogar noch eine Ecke schlimmer. Aus einem mir nicht bekannten Grund malträtiert er den teuren Stoff seines Stuhles mit den Fingernägeln. Doch das juckt mich nicht – meine Stimmung geht vor seine zickigen Launen, weshalb mein Problem auch vi ~iel bedeutender ist, als seines. Nur leider scheint Marik das anders zu sehen. Ihm fällt nicht auf das sich um uns beide eine dicke Wolke aus Wut gebildet hat. Er redet einfach unermüdlich weiter. Er schwärmt und schwärmt und schwärmt von diesem Scheißstück als ob Mozart selbst es geschrieben hätte. „Das was hier gezeigt wird hat so viel Tiefe! Da kommt man richtig ins Grübeln, wie wertlos die modernen Wertevorstellungen doch sind!“ „Hn.“ Zugegeben – es sieht schon nicht schlecht aus, wie er so vor sich hin schwärmt. Besonders das Leuchten in seinen Augen gefällt mir, aber warum hat er den Gegenstand seines Schmachtens so blöde gewählt? Ich wäre viel besser dafür geeignet. Mich könnte er Tag und Nacht anbeten. Da würde ich ihm nicht reinreden. Aber das hier jetzt – ist einfach nur lächerlich! „Ich bin wirklich überrascht wie philosophisch Amane veranlagt ist. …“ Nun doch etwas ausgepowert von seinem Monolog, fährt sich mein zukünftiger Fang durch das blonde Haar. „Aber apropos ‚überrascht‘… hat einer von euch gewusst, dass Kura mitspielt?“ Nachdenklich ziehe ich die Stirn in Falten. „Ne. Er hat ja noch nich‘ mal erwähnt, dass er heute her kommen muss.“ Bakura schweigt sich indessen weiter dazu aus. Die einzige Reaktion, die er zeigt, ist ein Verschränken seiner Arme vor dem sich unnatürlich langsam heben- und senkendem Brustkorb. „Ich fand das toll. So wie er Ryou aufgefangen hat, sah das schon fast feierlich aus.“ „Feierlich? Tss. Sag bloß du stehst auf so einen Rotz.“ Kurz weitet Marik die Augen und schüttelt dann heftig den Kopf. „Wie ICH? Nein! Romantik ist etwas für Frauen. Dennoch …“ Sein Blick gleitet etwas von meinem mürrischen Gesicht ab und visiert einen nicht definierten Punkt oben rechts an. Auf den Lippen zeigt sich ein leichtes Lächeln. „…den Kern der Stimmung hat er getroffen. Ich glaube, wenn der Bruder Sakura in dem Moment gefragt hätte, ob sie mit ihm weglaufen wollen würde, hätte sie nicht nein sagen können.“ – Gibt’s ja nicht! Marik fährt also echt auf so ‘nen Zirkus ab. Da will wohl jemand umworben – Moment! In meinem Hinterstübchen arbeitet es auf Hochtouren und es beschleicht mich eine Ahnung wie ich meinen Schatz für mich gewinnen kann. Natürlich! Es bring mir nichts nur gewisse Andeutungen zu machen. Marik will erobert werden! Alles klar! Dann muss ich meine Strategie ändern! Ab dem Punkt bin ich nur noch mit meinen Gedanken beschäftigt und achte nicht mehr darauf was sonst so um mich herum passiert. Die halbe Stunde Pause zieht schier unbemerkt an mir vorbei bis es dann plötzlich wieder dunkler wird im Saal. Erst da richte ich den Blick wieder auf die Bühne und tue mir dann schließlich noch die zweite Hälfte des Affentheaters an, die nebenbei gesagt, doch etwas interessanter ist als die Erste. Nachdem die Sakura-Schlampe dazu verdonnert wurde diesen Knilch zu heiraten, dreht sie total durch. Hört Stimmen und so’n Zeugs. Besonders geil finde ich den Moment, indem sie ihre Zimmerwände mit einer blutigen Nachricht beschmiert. Und sogar Kura kriegt ‘nen weiteren Auftritt. Er streitet sich ein zweites Mal mit dem Vater, jedoch geht das Ganze gewaltsam aus, sodass der Blödmann tatsächlich Tod umfällt. Um mich herum sind die Zuschauer geschockt, doch ich kann es mir einfach nicht verkneifen ein: „Na endlich! Wurde aber auch Zeit!“, hinein zu rufen. Dafür werden mir danach zahlreiche Dinge an den Kopf geworfen, doch das schert mich reichlich wenig. Vergnügt verschränke ich meine Arme hinter dem Kopf als Marik plötzlich mit Bakura die Plätze tauscht. Zwar wert sich der Albino zu Anfang noch dagegen, doch nach ein paar Wortwechseln, steigt mein ‚Lehrer‘ als Sieger aus dem Ring. Nun sitzt er neben mir und starrt mich finster an. Aus einem Augenwinkel sehe ich zu ihm herüber. Noch immer ziert ein freches Grinsen meine Lippen. Daraufhin kneift Marik mir bösartig in den Schritt. Nur mit wahnsinnig viel Selbstbeherrschung schreie ich nicht auf, sondern beiße die Zähne fest zusammen. OH SCHEIßE TUT DAS WEH! Augenblicklich löse ich meine Arme aus ihrer lockeren Haltung und zerre an Mariks Händen. Doch es ist gar nicht so einfach die von mir weg zu bewegen, dafür bin ich viel zu sehr darauf konzentriert eben nicht in Tränen auszubrechen. „Ich hab gesagt, du sollst dich benehmen“, zischt Marik leise und dreht seine Hand ein wenig. Ich keuche schmerzhaft auf. Eigentlich bin ich ja ein wenig masochistisch veranlagt, aber das hier geht echt zu weit. Da kann echt kein Mann geil von werden, wenn man ihm fast den Schwanz abreißt! „Lass los!“, knurre ich ihn an, doch alles was ich dafür bekomme ist ein strenger Blick. „Wirst du dich zusammen reißen?“ Meine Augen werden bereits feucht, doch noch kann ich dem Drang unterdrücken. Verdammt! Wenn ich jetzt nachgebe bin ich in meinem Stolz verletzt – tue ich es nicht, hat Marik mich gleich kastriert. Stolz – Eier – Stolz – Eiiiiiiiiiiiiiii– Trotz der Schwere dieser Wahl nickte ich knapp mit dem Kopf, woraufhin er mich auch endlich wieder loslässt. Dennoch spüre ich den Schmerz noch immer und versuche deshalb mich irgendwie bequemer hinzusetzen. Marik – so ein Teufel! Den mach ich fertig, ich schwör’s . Mich derart zu foltern, dass – Ungewollt schleicht sich ein Grinsen auf meine Lippen. Mit aller Macht versuche ich es zu unterdrücken, doch es haftet sich unnachgiebig auf meinem Gesicht fest. Tja, ich kann nichts dagegen machen, dass ich darauf abfahre, wenn er mich zu Recht weist. Wie sich das wohl zeigen wird, wenn er dann mir gehört? Kurz nachdem er auf der Bühne qualvoll verreckt ist, huscht Kura auch schon wieder durch die Zuschauerreihen und lässt sich wieder neben mir fallen. Etwas kurzatmig fährt er sich durch das strubbelige Haar. Es dauert ein paar Sekunden bis er bemerkt, dass ich ihn belustigt mustere. „Da sind ja selbst die Schwalben von Fußballspielern glaubwürdiger als deine erbärmliche Darbietung.“ Grinsend haut er mir auf den Hinterkopf. „Schnauze, du Kritiker. Versuche es erst einmal besser hinzubekommen.“ „Ne. Ich brauche keine Scheinwerfer um im Mittelpunkt zu stehen.“ Wieso auch? Jemand mit meinem Aussehen hat es nicht nötig ein großes Tamtam um sich zu machen. Er fällt einfach so auf und manchmal sogar, wenn er es gar nicht darauf absieht. Hach gut auszusehen ist wirklich eine Bürde. „Ah jetzt verstehe ich. Du willst es dir einfach nicht vorstellen, dass ich eines Tages sterben könnte und kaufst mir mein Spiel deshalb nicht ab.“ „Nein, ich habe bereits viel realistischere Szenarien im Kopf, darum bin ich mit deiner Leistung nicht zufrieden.“ „Natürlich, Hime-chan.“ „Jepp.“ MARIK Ich habe befürchtet, dass er sich nicht beherrschen kann. Um ehrlich zu sein, bin ich noch nicht einmal wirklich wütend, auch wenn sein Verhalten mehr als unpassend war. Schon komisch. Ratlos sehe ich auf meine rechte Hand, die nun brav auf dem Stoff der dunklen Jeans lauert. Ich… ich habe Ishtar einfach so in den Schritt gegriffen… Ohne etwas dagegen tun zu können, werden mir die Wangen heiß. Was habe ich mir dabei nur gedacht? Da fasst man doch nicht einfach hin! Nur Asoziale und Perverse springen einfach über den imaginären Radius um die Hüfte herum und grabschen dort wo es ihnen passt. Wieso also lasse ich mich dazu hinreißen? Unruhig kaue ich auf meiner Unterlippe herum. Niemals hätte ich so etwas von mir gedacht. Ob es an Ishtars Einfluss liegt, dass sich meine Scharmgrenze so weit nach unten verschoben hat, oder… liegt das an etwas anderem? Meine nervösen Hände kneten sich in einem ständigen Kampf, während ich versuche mich auf die Handlung des Stückes zu konzentrieren. Jedoch kreisen meine Gedanken nur noch um Ishtar und die Frage inwieweit er einen Einfluss auf mich hat. Viele Möglichkeiten für das Warum gibt es ja nicht. Entweder ist es eine Art Schutz Reflex vor seinen Übergriffen oder … es gefällt mir. Ein lautstarkes Schlucken ist zu hören, als ich merke wie mir die zweite Variante Herzrasen rast. Nein, nein, nein, nein, nein! Habe ich mit Bakura nicht extra besprochen, dass diese Gefühle pure Verschwendung sind? Ja, habe ich. Entschlossen schließe ich die Augen. ‚Ich gebe nicht klein bei. Ich gebe nicht klein bei! Ich…‘, wiederhole ich meinen Leitspruch geistig. Als ich beinahe das Gefühl habe, dass meine Finger durch das Kneten schon pochen, schnappt sich jemand die linke von beiden und platziert sie auf der Armlehne zwischen uns. „Hör auf damit. Du machst mich noch wahnsinnig mit deinem Gezappel“, murmelt Bakuras Stimme leise. Murrend sehe ich zu ihm herüber. „Du bist doch jetzt schon megaschlecht gelaunt, was soll man daran noch schlimmer machen?“ Meine zynische Gegenfrage stößt dabei an den wunden Punkt. Ein wütender Blick trifft mich daraufhin. „Was? Es stimmt doch“, erwidere ich unbeeindruckt und schaue dann wieder nach vorne. Ich werde mich nicht von meinem Kumpel ärgern lassen. Wenn ihn etwas stört, dann soll er doch einfach gehen, anstatt hier Streit zu verzapfen. Wir sind nun fast am Ende des Theaterstückes angelangt. Es liegt förmlich in der Luft wie alles nur noch auf die große Explosion der Gefühle hinarbeitet. Gerade sieht man wie Ryou in der Mitte des Zimmers sitzt. Das weiße Hochzeitsgewand ist kunstvoll um ihn herum ausgebreitet. Nur der Kopfschmuck fehlt noch. Irre kichernd zeichnet Sakura erneut Zeichen auf den Boden. Es herrscht Stille. „Was ich da male? Akefia!“, flötet er übertrieben vergnügt und schaut dabei kurz über ihre Schulter als stünde dort jemand. Stille. „Er tötet den Dämon für mich. Dann muss ich ihn nicht heiraten und alles wird wieder gut.“ Stille. „Ja ich weiß. Aber vielleicht kommt er von den Toten zurück. Er muss, sonst…“ Kurz hält sie inne, um dann, mit einem begeisterten und doch höchst seltsamen Lächeln, nach hinten zu sehen und auf einen imaginären Punkt zu starren. „Ja stimmt! Du hast Recht! Wieso sollte ich einen anderen vorschicken, wenn…“ Vor Aufregung klatscht die dargestellte Figur in die Hände. Just, in dem Moment springt ein weiterer Scheinwerfer an und beleuchtet den vermeidlichen Verlobten. Er ist ein unsympathischer und herrschsüchtiger Mann, doch wirklich böse würde man ihn nicht nennen können. In ein traditionell japanisches Hochzeitsgewand gekleidet, schreitet er auf seine Braut zu, während der Erzähler kurz berichtet, dass die Zeremonie gleich beginnen wird. „Komm Sakura, alle warten.“ Auffordernd hält er ihr seine Hand hin. Daraufhin sieht Sakura kurz zu dieser, lächelt und nimmt das Angebot an. Ihr Kimono raschelt, als sie sich erhebt. „Ich wusste, dass du zur Vernunft kommen würdest“, grinst Satoshi und zieht die junge Frau dabei ganz dicht an sich heran, die ihn weiterhin stumm anlächelt. Seinem Übermut erlegen drückt Satoshi ihr dann einen Intensiven Kuss auf die Lippen. „GN?“ Entsetzt stemmt Sakura ihre Hände gegen die breiten Schultern des anderen, doch sie schafft es nicht so weit genug weg zu drücken. Die Wiederworte werden von dem aufdringlichen Kuss erstickt. Verwundert über diese Szene lege ich den Kopf schief. Ich hätte nicht erwartet, dass Ryou sich so sehr in die Bresche wirft, dass ihn ein anderer Schauspieler küssen darf. Auch wenn er seine Schwester liebt und deshalb diese Rolle annimmt, irgendwo ist schließlich eine Grenze zu setzen. Gerade bei jemandem wie Ryou. Mehr und mehr am Zweifeln, zupfe ich unauffällig an Bakuras Shirt. Als ich seine Aufmerksamkeit habe, beuge ich mich etwas zu ihm rüber, um hinter vorgehaltener Hand tuscheln zu können. „Du, ist es nicht seltsam, dass Ryou sich auf so eine Szene eingelassen hat? Er scheint mir niemand zu sein, der einfach so jemanden küsst, weil er gerade Lust und Laune hat.“ Aus einem Augenwinkel sehe ich zu meinem Kumpel, der ebenso entsetzt zu sein scheint wie ich. Es ist selten, dass er derart deutlich zeigt wie sehr ihn etwas aufwühlt. Beinahe meine ich zu hören wie es in seinem Hinterkopf rattert. „Er – wird das wohl für Amane machen.“ „Das glaube ich kaum. Überleg doch mal wie scheu Ryou ist. Es wäre geradezu ein Wunder, wenn er überhaupt schon mal jemanden geküsst hätte.“ „Hat er“, kommt es beinahe gleichzeitig aus drei Ecken. Nun erst recht irritiert, schaue ich mich um und bekomme dabei erst mit, dass die Aufmerksamkeit von Ishtar, Bakura und sogar Kura auf mir ruht. „Kura?“ „Ich wollte mir den Rest des Stückes auch ansehen, darum sitze ich schon seit einer Weile wieder hier. Du hast es nicht mitbekommen, weil du so in das Stück vertieft warst“, folgt prompt die Antwort auf meine nicht gestellte Frage. „Ach so.“ Unglaublich. Ich sollte wirklich aufmerksamer sein. „… Also? Wie kommt ihr drei darauf?“ „Ich habe ihr erst letzten Montag einen Kuss geraubt“, verkündet Ishtar stolz und verfällt dann urplötzlich von einem siegreichen in einen geschockten Blick. Auf sich selbst wütend, beißt er sich auf die Unterlippe und wendet dann den Blick ab, so als ob er etwas gesagt hätte, dass er besser nicht erwähnt hätte. Aus einem mir unerfindlichen Grund, stimmte ich ihm dabei sogar zu, da ich nun wirklich nichts von den Affären des Stinktieres wissen will. So ein elender, lüsterner Sack, dass … Arg! Wieso bindet er es mir auf die Nase, dass er Ryou geküsst hat? … Oh Bakura hat so recht. Ishtar sammelt die Kerben an seinem Bett bestimmt mit größter Freude. Für so jemanden darf ich keine Gefühle entwickeln. Grrrr!!!! – Nein! Ich werde mich da jetzt nicht hinein steigern. „Und du, Bakura?“, lenkte ich deshalb rasch ein, um meine Gedanken wieder frei zu haben. „Dass –“ „Ryou hatte bereits eine feste Freundin als er in der Highschool war. Es ist anzunehmen, dass sie sich zumindest geküsst haben“, unterbricht Kura seinen Halbbruder, woraufhin Bakura zuerst regungslos verweilt – und dann heftig mit dem Kopf nickt. „Genau! Daran dachte ich auch.“ „Dafür wirkst du reichlich durch den Wind“, wirft Ishtar belustigt ein und kassiert dafür einen Schlag mit dem Programmheft. „Klappe!“ „Ah, du willst Kloppe? Na dann komm her!“, fordert mein Nachhilfeschüler. Wie auf Kommando will Bakura auch gleich aufspringen, doch es gelingt mir noch gerade so, ihn, an der hintersten Schlaufe seines Gürtelbund, die direkt über seinem Hintern prangt, wieder herunter zu ziehen. „Nicht Bakura, “, zische ich leise, “die gucken schon alle!“ „Lass mich.“ Mit einem kräftigen Ruck, zerrt sich der Wirbelwind aus meinem Griff, doch als er gerade an mir vorbei gehen will, um sich vor Ishtars Stuhl aufzubauen, nehme ich meine letzten Chance war und schnappe mir meinen Freund an der Hüfte. Fest schlingen sich meine Arme um seine Taille, um dann den ganzen Körper zu mir zu ziehen. Das Resultat meiner ‚geistreichen Idee‘, zeigt, dass Bakura nun auf meinem Schoß sitzt. Er knurrt. Das Stinktier indessen mustert uns entsetzt. „Gehst du da augenblicklich runter, du Schwanzlutscher?“, zischt er aufgebracht und funkelt Bakura dabei wütend an. Auf den Lippen des Albinos macht sich ein Grinsen breit. Gelassen lehnt er sich zu mir nach hinten, lässt den Blondschopf zu meiner linken dabei aber nicht aus den Augen. „Nein.“ RYOU Das kann doch wohl nicht wahr sein! Was fällt Alex ein? Im Skript steht nichts von einem Kuss und auch in den Proben fiel kein Wort darüber! Mehr und mehr verärgert, verfestige ich meinen Griff um die Schultern, des blonden Schauspielers, der meinen Verlobten mimt. Ich stemme mich mit aller Kraft gegen den fremden Körper, allerdings lässt der andere immer noch nicht ab. „Nun sei nicht so unprofessionell“, flüstert mir sein warmer Atem gegen die Lippen, bevor er sie wieder in Beschlag nimmt. „GNNNN!“ Jetzt reicht es mir! Ohne weiter darüber nachzudenken, beiße ich meinem Partner fest in die Unterlippe. Tropfen süßen Blutes fallen auf meine Zunge, doch den ekligen Geschmack würge ich achtlos herunter. Von meiner Reaktion entsetzt, stößt Alex sich von mir weg. Seine blauen Augen funkeln mich wütend an. Die Hände sind zu Fäusten geballt. „Schlampe!“, zischt er. „Du vergisst deine gute Erziehung, Satoshi“, erwidere ich mit einem sarkastischen Lächeln auf den Lippen. Nebenbei ziehe ich provokativ meinen Kimono an einer Seite hoch, sodass das rechte Bein fast ganz frei liegt. Um den hellen Oberschenkel ist ein Lederband gefunden, indem ein Theatermesser steckt. Eigentlich sollte ich es Sakuras Verlobten heimlich von hinten in den Rücken stechen, während dieser mich umarmt, doch das hat mein Kollege ja vereitelt. Nun müssen wir wieder improvisieren. … Jedoch bin ich mir nicht sicher, inwiefern der aufgewühlte Alex noch in der Lage ist Spiel und Realität auseinander zu halten. Mit drohenden Schritten kommt der Bräutigam wieder auf mich zu. „Und du deinen Stand, Weib!“ Grob packt er meinen Arm. „Werfe das Messer weg, sonst wirst du die sein, welche es zu spüren bekommt!“ „Lieber sterbe ich durch die Schärfe der Schneide als durch ein Zusammensein mit dir.“ „Du wagst es…?“ Auf der Stirn meines Gegenübers tritt eine Wut Ader hervor. Gerade will er mit der flachen Hand nach mir ausholen, da stecke ich ihm das Theatermesser unter den linken Arm. Das ist das Zeichen für seinen Tod. „Wir sehen uns in der Hölle“, murmle ich siegreich. Alex Augen verengen sich zu Schlitzen und noch während er gespielt langsam in sich zusammen sackt, beendet er doch noch seine angefangene Tat und verpasst mir eine Ohrfeige. Ein Schmerz macht sich auf meiner Wange breit, den ich dadurch zu lindern versuche, dass ich meine Hand darauf lege. Dennoch hört das Pochen nicht auf. Au. Nach dieser Szene ist der Rest des Stückes auch bald bestritten. Gleich nach der Beerdigung des Bräutigams weisen die entsetzen Eltern Sakura in eine Klinik ein, wo sie den Rest ihrer Tage damit verbringt die Wände anzumalen und dabei ein japanisches Wiegenlied zu summen. Dann endlich fällt der Vorhang erneut. Von der ganzen Aufregung ganz ausgelaugt, schließe ich todmüde meine Augen. Normalerweise müsste ich jetzt aufstehen und mich noch tausende Male vor dem applaudierenden Publikum verbeugen, doch dafür habe ich nun wirklich keine Nerven mehr. Stattdessen fahre ich mir mit den Handflächen über das mit Makeup bemalte Gesicht und seufze leise. Ich will gerade nur noch ins Bett und diesen furchtbaren Abend vergessen. Doch dieser Wunsch wird mir nicht erfüllt. Kaum, dass ich durchatmen konnte, dringt auch schon die tadelnde Stimme meiner Schwester an mich heran. Träge schaue ich hinauf. „Onii-chan! Was machst du denn da? Dein Publikum wartet. Nachdem du so eine tolle Leistung gezeigt hast, musst du dafür doch auch das Lob einstecken.“ Hilfsbereit hält sie mir beide Hände entgegen, um mich hochziehen zu können. „Komm schon Onii-chan. Das ist dein Applaus – genieße ihn.“ „Ich mag aber nicht, Amane“, maule ich und ergreife dabei doch ihre zierlichen Finger. Trotz dessen, dass ich nicht besonders schwer bin, schnauft meine Schwester ganz schön, als sie mich auf die Beine bringen will. Aus Mitleid helfe ich ihr sogar ein bisschen. „Heia, du wiegst zu viel“, tadelt sie mich und richtet dabei die Lockenmähne auf meinem Kopf. „Akefia meint immer, ich wiege zu wenig.“ „Ach das sagst er nur, weil er selbst so ein Koloss ist.“ „Koloss?“, wiederhole ich belustigt, während mich meine Schwester in Richtung Rampenlicht schiebt. „Unser Cousin hat einen herrlichen Körperbau. Durchtrainiert, … groß ….“ „Da steht aber nicht jeder drauf. Die meisten Mädchen mögen eher Jungs, die nur leicht muskulös sind.“ „So wie Marik?“ „Genau! So wie… ähm… Onii-chan!“ Mit hochrotem Kopf, kneift mir die Kleine in die Seite. „Böser Onii-chan. Und nun raus mit dir.“ Und mit diesen Worten scheucht sie mich hinaus auf die Bühne, wo ich von Applaus begrüßt werde. Gerührt sehe ich über die Menschenmasse, die teilweise sogar aufgestanden ist, um uns laut zu zujubeln. Ich hebe zögerlich die Hand um zumindest zu winken, doch anstatt die Studenten damit zu beruhigen, werden sie nur noch lauter mit ihren Zurufen. Vor Scharm erhitzen sich meine Wangen. Ich kann einfach nicht glauben, dass unser Spiel den Leuten so sehr gefallen hat. Am liebsten würde ich laut ‚Danke!‘ hinaus schreien, aber weil es im Lärm untergehen würde, verbeuge ich mich lediglich. Danach reihe ich mich in die Reihe meiner Kollegen mit ein und dann verbeugen wir uns alle noch einmal. Eine halbe Stunde später ist der Saal leer. Nur eine Reinigungskraft geht zwischen den Reihen umher und sammelt Bonbonpapier auf, das übermütige Zuschauer liegen lassen haben. Zu diesem Zeitpunkt stehe ich im Umkleideraum und ziehe mir zwei kleine Schleifen aus dem Haar. Die anderen Kostüme waren allesamt nicht so detailreich wie meines, sodass die Schauspieler bereits gehen konnten. Selbst mein Zwilling hat sich bereits verabschiedet, weil sie noch einmal mit Marik reden wollte. Nun bin ich ganz allein in dem kleinen Raum. Sorgsam lege ich die letzten Spangen zu den restlichen Kostümbestandteilen und blicke dann in den Spiegel vor mir. Jetzt, da das Make-up weg ist, kann man die blauen Ringe unter meinen müden Augen gut erkennen. Die schweren Lider kann ich kaum oben halten und ganz ehrlich, … wenn ich könnte, würde ich augenblicklich einschlafen. Doch das wäre recht unpraktisch, darum zwinge ich mich wach zu bleiben. Quälend langsam ziehe ich mir eines meiner geliebten blau-weißen T-Shirts über und gähne dabei herzhaft. „H~hoffentlich bin ich bald daheim.“ Als ich mir sicher bin alles an seinen Platz geräumt zu haben, schnappe ich mir meine Tasche und hänge sie über die rechte Schulter. Ein letzter Blick auf die Kommode und dann wende ich mich zum Gehen um. Jedoch komme ich nicht weit, denn jemand versperrt mir den Weg. Protzig macht er sich im Türrahmen breit, sodass ich nicht vorbei kommen kann. „Na? Bist du endlich fertig?“, fragt Alex in einem widerlich arroganten Ton, woraufhin ich nur die Augen verdrehe. Meine Güte, was will dieser Kerl von mir? Ich meine zu wissen ihm eine wirklich deutliche Abfuhr gegeben zu haben, da sollte er doch zumindest so taktvoll sein mich in nächster Zeit zu meiden. …Ich würde es ihm auch nicht übel nehmen, wenn er mich aus der Ferne bockig anschauen würde. … Immerhin habe ich das selbst bei meinem Schwarm auch schon sehr oft gemacht, … aber so wie sich der Blondschopf hier aufführt, könnte man es beinahe als Frechheit abstempeln. Gezwungenermaßen bleibe ich knapp vor der Tür stehen und mustere meinen Spielpartner eindringlich. „Würdest du bitte deinen Fuß runternehmen? Ich möchte nach Hause gehen.“ „Nö.“ Mit einem gierigen Blick studiert er mich. Ich komme mir nackt und hilflos darunter vor, doch das versuche ich zu vertuschen, indem ich mit gespielter Ungeduld den Gurt meiner Tasche zu Recht rucke. „Wieso nicht?“ „Weil du heute nirgendwo hingehen wirst.“ Langsam senkt Alex den Kopf und blickt mir dabei ganz offensichtlich auf den Schritt. Panik macht sich in mir breit. Mir ist es bereits zu oft passiert, dass mich Männer aufgrund meines weiblichen Äußeres belästigt haben. Deshalb kann ich mir auch zu gut vorstellen, was Alex wohl gerade durch den Kopf geht. Meine Beine beginnen leicht zu zittern. ‚Zeig keine Angst! Zeig keine A..angst!‘, versuche ich mir selbst gut zuzureden, doch der Fluchtinstinkt ist um einiges stärker. Ohne darüber nach zu denken, mache ich ein paar Schritte rückwärts. „Alex, das … das ist nicht witzig. Ich will jetzt nach Hause gehen, also hör auf so einen Blödsinn zu re…“ „ICH REDE KEINEN BLÖDSINN!“ Aufgebracht schlägt der Blonde mit seiner Faust gegen den Türrahmen. Mit wütenden Augen funkelt er mich an. Ich beiße mir auf die Unterlippe um nicht vor Angst aufzuschreien. Währenddessen stößt sich Alex kräftig vom Türrahmen ab und kommt mir langen Schritten auf mich zu. „Du hast echt keine Ahnung Ryou…“ Ängstlich sehe ich mich um und renne in eine andere Ecke des Zimmers, doch bevor ich weit genug von ihm wegkommen kann, packt mich Alex am Arm. „…keine Ahnung wie lange ich auf diese Nacht gewartet habe!“ „Alex!“, keuche ich. Mit viel zu wenig Kraft versuche ich mich von ihm los zu reißen, doch es ist aussichtslos. „Ryou! Ich will dich! Ich brauche dich!“ Ein Wimmern entläuft meiner Kehle, als der Blondschopf sich auch meines zweiten Handgelenkes bemächtigt. Er zerrt mich dich an sich heran, sodass ich in sein vom Wahnsinn gezeichnetes Gesicht schauen muss. „Nein.“ Erste Tränen kullern meine Wangen herunter. „Du musst sie doch auch gespürt haben! Diese greifbare Magie zwischen uns, wenn wir auf der Bühne standen! Versteh doch – wir sind für einander geschaffen!“ Mittellos ziehe ich an meinen Armen. Nach jedem weiteren Versuch verstärkt Alex seinen Griff. Meine Handgelenke beginnen zu schmerzen. „Aber das war doch nur gespielt. Wir sind Schauspieler!“ Für meinen Einwand, rammt mir der Blonde sein Knie in den Bauch. Keuchend sackt mein Oberkörper nach vorne. Meine Kniegelenke geben langsam nach. „Solche Gefühle kannst du mir nicht vorgespielt haben. Ich habe sie gesehen, die Leidenschaft in deinen Augen! Und nun will ich dich. Will dich ganz für mich! Das wird unser Märchen Ryou. Nur gibt es diesmal ein glückliches Ende!“ Mit einem starken Schubs schmeißt Alex mich auf den Rücken. Der Aufprall schmerzt so sehr, dass ich mich auf dem Boden krümmen muss. Die Arme schlinge ich schützend um meinen Bauch, doch das Pochen schweigt nicht still. Immer wieder durchfährt der leidige Impuls meinen Körper. Ich will schreien, aber meine Kehle ist wie zugekleistert. Aus meinem Mund kommt gerade mein ein ängstliches Hicksen. Womit habe ich das verdient? „Du bist so schön Ryou. Und mein … endlich mein.“ Langsam kniet sich Alex über mich. Mit zwei Fingern greift er nach meinem Kinn und hebt es an. „Jetzt weinst du. Aber nachher wirst du mich anbetteln nicht aufzuhören. … Oh ja .. ich fick dir das Hirn raus.“ „D..du …bist .. wi..widerlich“, flüstere ich mit zittriger Stimme. Alex lässt sich davon nicht stören. Stattdessen beginnt er langsam an meiner Hose herum zu zupfen. Meine Hände schieben sich davon, doch er schlägt sie gekonnt weg. Ich hasse es. … Ich hasse es, dass ich mich nie durchsetzen kann. Wie machen das die anderen denn? Was ist ihr Geheimrezept für das selbstsichere Auftreten? Ich wüsste es nur zu gerne. Meinem Schicksal ergeben, schließe ich die Augen und hole tief Luft. Wenn ich doch nur auch ein wenig Stärke hätte, dann … ‚Du bist ‘ne Memme Ryou.‘ Ha, selbst in meinen Gedanken, kann ich Bakura hören wie er sich über meine Nachgiebigkeit lustig macht. Aber der hat ja gut reden. Sicher musste er es nie erleben, dass ihm ein Fremder zu nahe kam. Ja, Bakura hat keine Ahnung wie es ist jemand anderem ausgeliefert zu sein, … weil er so stark ist… weil er keine Angst kennt. Weitere Tränen rinnen mir den Hals herab und treffen dabei teilweise Alex, der dabei ist mir hässliche Rote Male in die Haut zu saugen. Das ziehende Gefühl ist dabei nur halb so unangenehm wie die feuchten Lippen. „Bakura“, flüstere ich stumm. Wenn das hier eine Liebesgeschichte wäre, dann würde er genau in diesem Augenblick zur Tür herein gestürmt kommen… Oh Mann, habe ich schon wieder kindische Gedanken. Träume von Prinzen und Heldentaten wie ein Schuljunge. Obwohl es mehr als unangebracht ist, schmunzle ich über meine eigene Dummheit. Um besser an mich heran zu kommen, wirft Alex mich auf den Rücken. Ich lasse es geschehen. Was nützt es mir schon mich zu wehren? Ich bin nicht stark genug dafür, also ist es unsinnig. Mein Blick gleitet hoch zur Decke, die matt und grau über mich hängt. Unsinnig … 'Manches macht erst dadurch Sinn, dass es unsinnig ist' … das hat Akefia doch mal gesagt. Ulkig, dass mir diese Worte gerade jetzt einfallen. Derweil verabschiedet sich mein T-Shirt in Richtung Zimmerecke. Mein Cousin ist schon echt ein Spinner. …Ich erinnere mich als ob es gestern gewesen wäre, als er mit dieser undefinierbaren Miene vor unserer Tür stand. … Es war der 23. Juli, der Tag, an dem Akefia von Domino nach Hokkaidō umgezogen ist. Sein Gepäck wartete schon in dem Kleintransporter auf der anderen Straßenseite. Am Steuer saß ein fremder Mann mit blauer Weste. Ich weiß noch, dass der Fahrer hupte. Anscheinend sollte sich mein Cousin beeilen. Doch das tat er nicht. In aller Ruhe gab er mir ein kleines Paket und sah dabei eindringlich in meine Augen. „Ryou … ich habe eine Bitte an dich“, murmelte er mit leiser, ungewöhnlich schwacher Stimme. Ich war verwirrt, doch es gab für mich damals keinen vernünftigen Grund seine Bitte abzuschlagen. Mit einem Nicken nahm ich das Paket entgegen. „Tu mir den Gefallen und pass hierauf auf. Dort wo ich hingehe, kann ich sie nicht mit hinnehmen.“ „Das ist doch unsinnig. Wieso solltest du etwas, was dir gehört, nicht in eine andere Stadt mitnehmen können?“ Auf diese Reaktion meinerseits, konnte er sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Allerdings klang es längst nicht so herzlich wie ich es gewohnt war. Vielmehr holpernd und ungeübt, so, als ob er schon ewig nicht mehr richtig gelacht hätte. „Manches macht erst dadurch Sinn, dass es unsinnig ist“, murmelte er nach einer Weile. „Hm? Das verstehe ich jetzt nicht.“ Ein müdes aber irgendwie auch trostloses Lächeln erschien auf den Lippen des anderen. „Das musst du heute auch nicht. Gibt einfach hierauf Acht. Ich weiß heute noch nicht, ob ich sie jemals wieder haben will, aber falls es der Fall sein sollte, möchte ich sie in sicheren Händen wissen.“ Ein erneutes Hupen unterbrach unser Gespräch abrupt, sodass ich nicht weiter nachhaken konnte. Akefia gab mir noch einen kurzen Kuss auf die Stirn und dann verschwand er. ‚Manches macht erst dadurch Sinn, dass es unsinnig ist.‘ … Was er mir damit wohl sagen wollte? Nachdenklich runzle ich die Stirn. …Vielleicht… Könnte es sein, dass … ? Das Surren eines Reisverschlusses dringt an meine Ohren. Erschrocken realisiere ich, was Alex im Begriff ist zu tun. Panik steigt in mir auf, als die Hose des Kollegen bis zu seinen Kniekehlen herunter fällt. „Jetzt ist es soweit Ryou… Du und ich werden ...“ Wie wild schüttle ich den Kopf. „Nein! Nein, ich will das nicht!“ „Tss, jetzt tu doch nicht so so. Wehren ist eh unsinnig.“ „Unsinnig…“, echoe ich mit zittriger Stimme. Ja, das ist wahr. Ich kann mich nicht wehren, ich … … aber ich kann es versuchen. … ich kann es immerhin versuchen! Von einer plötzlichen Welle des Mutes erfasst, reiße ich meine zuvor leblos daliegenden Arme hoch. Weil Alex damit nicht gerechnet hat, kann er meine Hände gar nicht so schnell fassen, da schlage ich ihm bereits meine Faust ins Gesicht. „Manches macht erst dadurch Sinn, dass es unsinnig ist!“, schreie ich ihn an, und drehe mein Becken zur Seite, sodass der Blondschopf weg herunter kippt. „Du Schlampe!“, zischt mein Kollege aufgebracht, doch ich achte gar nicht darauf, als ich mich zur anderen Seite weg rolle und anschließend aufstehe. Meine Beine wackeln, doch sie tragen mich bis zur Kommode. Hastig huscht mein Blick hin und her. Ich brauche etwas Hartes! Derweil reißt Alex sich wieder zusammen. Etwas müheloser als ich, springt er auf. „Das büßt du mir!“, lauten die drohenden Worte, während der Größere auf mich zukommt. Grob packt er mich am Haar. Ich schreie vor Schmerz auf, ziehe jedoch trotzdem, die zwei Schubladen vor mir auf. Ziellos taste ich darin herum, bis meine Hände einen dicken Griff umschließen. „Ryou, ich wollte das hier eigentlich auf die nette Tour abziehen, aber du lässt mir keine Wahl!“ „Du mir auch nicht!“, entgegne ich mit Wut in der Stimme, als ich herum wirble und Alex mit voller Kraft den gefundenen Gegenstand gegen den Kopf schlage. Ein dumpfes Geräusch ist zu hören, als der Föhn mit dem Schädel kollidiert. Dennoch dringt kein Schrei von den Lippen des Angreifers. Stattdessen geben seine Beine nach und er bricht zusammen. Blöderweise genau in meine Richtung. Doch um zu verhindern, dass er auf mich drauf fällt, kann ich den Blondschopf gerade noch so in die andere Richtung stoßen. Danach bleibt der Schauspieler regungslos liegen, atmet jedoch noch. „E…er hat das Bewusstsein verloren…“, flüstere ich mir selbst zu. Meine zitternden Finger krallen sich dabei in das Holz der Kommode, die hinter mir steht. Ein Schniefen hallt durch den Raum. Eigentlich müsste ich mich wieder richtig anziehen, aber mein Körper ist wie erstarrt, sodass ich eine gefühlte Ewigkeit einfach nur dastehe und den am Boden liegenden Alex beim Atmen beobachte. … „Hey, du Memme! Wo bleibst du denn?“ Mit einem Knall öffnet sich die Tür. Erschrocken sehe ich auf. Das Tor schwingt weit auf und eine dunkle Gestalt tritt herein. Ein schwarzer Mantel flattert im Luftzug. „Ich habe keine Lust noch länger zu warten! Entweder du schwingst deinen faulen Arsch zu den Parkplätzen oder wir fahren alleine lo…“, faucht die herrische Stimme, wird jedoch durch meinen Schrei unterbrochen. „BAKURA!“ Ich denke gar nicht darüber nach, da renne ich meinem Cousin schon in die Arme. Mein Atem bebt, als ich das Gesicht tief im Stoff seiner Jacke vergrabe. Das Zittern überfällt meinen Körper erneut und Tränen fallen. Eigentlich dachte ich immer, dass Bakura eine eisige Kälte ausstrahlt, aber gerade jetzt kommt mir seine Nähe so ungemein warm vor. Schutz suchend, kralle ich meine Finger an seinem Rücken fest. „Wa..?“, setzt mein völlig verwirrter Cousin an, lässt aber auch diesen Satz unbeendet, als sein umherschweifender Blick auf den am Boden liegenden Alex fällt. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, darum ist es mir nicht möglich seine Gedanken zu erraten. Aber vielleicht mag ich sie auch gar nicht wissen. Die Angst, er könnte mich nun für eine Hure oder einen Mörder halten, wächst mit jedem Atemzug, indem Bakura sich weiterhin nicht regt. … Ich ekel ihn also tatsächlich an. … Gn, das ist der schlimmste Tag meines Lebens! Erst werde ich fast vergewaltigt worden und dann vergraule ich damit ausgerechnet, denjenigen, den ich schon so lange liebe. Aus Sorge, dass mich Bakura arg grob von sich stoßen wird, will ich mich lieber selbst von ihm lösen. Doch just in dem Moment, in welchem ich meine Hände flach gegen den Brustkorb des anderen drücken will, ergreift Bakura sie. Oh Mist! Meine Reaktion war zu langsam! Ich traue mich fast gar nicht zu dem Älteren hoch zu schauen. Trotzdem tue ich es. Entgegen aller Erwartungen sieht mein Cousin mich nicht wütend oder angewidert an. Seine sonst so kühle Mimik zeigt deutliche Spuren von Sorge. Zwischen den zusammen gezogenen Augenbrauen hat sich eine tiefe Furche gebildet. Das verwirrt mich. Wieso sollte Bakura mich so anschauen, wenn er doch … „Ba…“, beginne ich meine Frage zu stellen, halte allerdings inne, als die linke Hand meines Gegenübers sich plötzlich sanft auf meine rechte Wange legt. Beinahe zeitgleich wird diese ganz heiß. Das Blut rauscht heiß durch meine Venen. „Hat er dir etwas angetan?“, flüstert Bakura mit leiser Stimme. Mir jagt beim Klang, der fast schon zärtlich gewählten Worte ein Schauer über den Rücken. Im ersten Augenblick kann ich gar nicht antworten. In dieser Zeit legt er den anderen Arm um meine Taille. Mit einem festen Ruck zieht er mich an sich, sodass meine Brust vor Herzklopfen fast zu ersticken droht. „I…i..“ Ich kann mich einfach nicht beruhigen. Die plötzliche Aufregung schluckt meine Konzentration wie ein gigantisches schwarzes Loch. „Hat er dich angefasst?“ Rhythmisch streicht sein Daumen über meine Wange und verursacht damit eine Gänsehaut. Da in den nächsten Minuten wohl kein sinnvoller Satz aus meiner Kehle klettern wird, nicke ich bloß. Kaum, dass ich dies getan hab, nimmt Bakura die Hand von meiner Wange und schlingt den Arm stattdessen um meinen Nacken. Durch den verkürzten Abstand drückt er mein Gesicht damit automatisch an seine Schulter. Nur zu gerne vergrabe ich es dort. „Ba..kura“, schniefe. Meine Augen füllen sich mit Salzwasser und ich fange zu weinen an. „Bakura!“ Die einzige Reaktion, die daraufhin von ihm kommt ist, dass er mich noch enger an sich drückt. Es schmerzt fast, aber gleichzeitig tut es ungemein gut. Bakuras Geruch ist so beruhigend. Ich fühle mich geborgen wie nie. Sollte ich Alex dafür dankbar sein? Ohne ihn würde Bakura das hier nicht tun. … Mich über meine eigene Dummheit wundert, schüttle ich leicht den Kopf. Also wirklich. Wie komme ich nur auf so einen Unsinn? … Naja wie auch immer. Erschöpft schließe ich die Augen. Jetzt ist alles okay. Ich bin nun in Sicherheit. Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. „Danke …Bakura. Danke, dass du hier bist.“ Danach fliegt die Zeit an mir vorbei, als ob jemand auf ‚vorspulen‘ gedrückt hätte. Kurz nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe, kann ich mich wieder richtig anziehen. Derweil ruft Bakura mit seinem Handy die Polizei an, die den inzwischen erwachenden Alex aufsammelt. Es stellt sich heraus, dass der Schauspieler aus meiner Aktion mit dem Föhn, mit nichts weiter als einer Beule am Kopf davon gekommen ist. In Stichpunkten schildere ich dem blonden Polizisten Wheeler, was passiert ist, bevor dieser meint, dass wir nun gehen könnten. Bakura ist die ganze Zeit nicht von meiner Seite gewichen. Er hat Marik sogar die Erlaubnis gegeben mit dem Auto schon mal nach Hause zu fahren. Dieser war natürlich besorgt, doch mit seiner rauen Art, hat mein Cousin ihn schnell abwimmeln können. Nun befinden sich Bakura und ich auf dem Heimweg. Der Ältere meinte, dass mir die kalte Nachtluft gut tun würde, darum habe ich mich für einen Fußmarsch entschieden. Dass er mich begleitet, habe ich selbstverständlich nicht gefordert. Im Gegenteil! Ich habe ihn gebeten, mit den anderen zu fahren, doch davon wollte der Wirbelwind nichts wissen. Nun haben wir den Salat. Einen nächtlichen Spaziergang durch die Straßen von Tokyo. Schweigend starre ich auf den Fußweg vor mir. Der Wind ist ziemlich kühl, aber das bekomme ich kaum mit. Mein schlagendes Herz sorgt sowieso dafür, dass mir eher zu heiß als zu kalt sein könnte. Immer wieder huscht mein Blick zu dem jungen Mann im schwarzen Mantel herüber. Auch sein Blick ist starr auf einen imaginären Punkt vor uns gerichtet. „Ba…Bakura?“ „ – Hm?“ Er schaut mich nicht einmal an, doch das macht mir nichts. Solang er mir zuhört, ist alles gut. „I…ich wollte mich noch einmal dafür bedanken, dass du …“ „Vergiss es.“ Fragend ziehe ich beiden Augenbrauen nach oben. „Wie?“ „Vergiss die Sache einfach“, wiederholt er abweisend, meidet mich aber immer noch mit seinem Blick. „Ja, aber…“ „Nichts aber.“ „Okay.“ Etwas enttäuscht, dass er bereits jetzt wieder zum Eisklotz mutiert ist, sehe ich weg. Wieso nur, muss Bakura so ein Misanthrop sein? Ich meine … so ein Menschenhasser, hat es doch verdammt schwer im Leben. … Und ist all dieser Hass nicht furchtbar anstrengend? Ich seufzte. Hach ja … aber das ist Bakura. Durch und durch… Meine Augenlieder senken sich zu einer grimmigen Grimasse. … kalt. Es dauert fast ¾ des Weges, bis die Stille zwischen uns abermals gebrochen wird: „Hey – “ „Ja?“, brumme ich. Diesmal bin ich es, der seinen Gesprächspartner nicht ansieht, während Bakura mich aufmerksam von der Seite mustert. Er versucht es zwar durch den hochgestellten Kragen seines Mantels nicht so offensichtlich werden zu lassen, doch ich merke sehr wohl, dass er guckt. „Ist dein Kopf nun etwas klarer?“ „… Ja.“ Die frische Luft hat tatsächlich geholfen die Sache mit Alex zu verdauen. Zwar war es nicht das erste Mal, dass mir ein Kerl viel zu nahe kommen wollte, doch so extrem wie heute hat mich noch niemand bedrängt. „Hm. – Übrigens –“ Jetzt doch etwas stutzig geworden, blicke ich aus einem Augenwinkel zu meinem Cousin. Dieser richtet seine Aufmerksamkeit beinahe augenblicklich auf eine Laterne, die etwas weiter weg steht. Seine Mimik hat etwas an Härte verloren und macht dafür einem für mich recht ungewohnten Ausdruck Platz. … Scharm? „Das du den Kerl überwältigt hast, – das war gar keine so schlechte Leistung“, hüstelt er und setzt einen Augenblick später noch hinzu, “Kn. Also – gut gemacht.“ Ungläubig bleibe ich stehen. Meine Augen sind weit aufgerissen, als die Worte des anderen in meinem Kopf zu schallen beginnen. ‚Gut gemacht.‘ ‚Gut gemacht.‘ ‚Gut gemacht.‘ Vor Erstaunen, bringe ich keine Silbe über die Lippen. Ich starre nur begriffsstutzig vor mich hin. Als Bakura merkt, dass ich nicht nachkomme, hält er gezwungenermaßen auch an. Jedoch dreht er sich nicht zu mir um. Auf diese Weise kann mir seine Mimik nicht verraten, was er wohl denkt. Lediglich das unsichere Zucken seiner Schultern ist ein kleiner Indiz für die innere Regung in ihm. „Aber bilde dir jetzt bloß nichts darauf ein! Für mich wirst du immer eine Memme sein!“ „…“ Meine Lippen formen ein stummes ‚Hä?‘. Da von mir absolut nichts kommt, wird der andere zunehmend unruhiger. Die eben noch in seiner Manteltasche ruhende, rechte Hand findet ihren Weg zur weißen Mähne und fährt ziellos hindurch. Bei dem Anblick hüpft mir das Herz. „Hat es dir denn so sehr die Sprache verschlagen?“, murmelt mein Vordermann und dreht sich trotz Widerwillen ein Stückchen zu mir nach hinten. Es ist nicht viel, …wirklich, …wirklich nicht viel und dennoch … Freudestrahlend laufe ich die paar Schritte nach vorne, die uns bis eben noch trennten. „Danke Bakura. Es freut mich, dass du das sagst!“ Von der Reaktion scheint mein gegenüber tüchtig überfordert. Sogar so sehr, dass sich ein leichter Rotstich auf den Wangen zeigt. „D... Du sollst dir nichts darauf einbilden, habe ich gesagt!“ Ruppig dreht er den Kopf weg und marschiert mit größeren Schritten nach vorne. „Hey Bakura! Warte. So warte doch!“, rufe ich ihm lachend nach und beschleunige ebenfalls meine Schritte. … Es mag für ihn nichts großes sein. Aber wenn Bakura mich so lobt, so schürt er damit ein Flämmchen in mir. Die zarte Hoffnung, dass sich unser Verhältnis verbessern kann. So lange bis aus dem Funke irgendwann ein Feuer heran wachsen wird. Und dann – dann werde ich es ihm sagen. Ich werde ich sagen, … das ich ihn liebe! …. Eine Stunde später sitze ich auf meinem Bett und grinse immer noch glücklich vor mich hin. Mein durchs Duschen feuchtes Haar trockne ich mit einem Handtuch trocken. Es ist dieser Frotteestoff auf den meine Zwillingschwester so versessen ist. Mag ja sein, dass er kuschelig ist, aber wenn er keine Feuchtigkeit aufnehmen kann, so hat er für mich keinen Wert. „Hach, heute ist so viel passiert“, seufze ich und lasse meinen Blick dabei durchs Zimmer schweifen. Dabei fällt mein Augenmerk auf das Familienbild, welches auf einem der drei Regale thront. Es genießt einen gewissen Radius Privatsphäre, sodass kein Buch oder ähnliches von der Rasselbande im Bilderrahmen ablenken kann. Schmunzelnd stehe ich auf und tapse bis zu dem Foto herüber. Es ist noch nicht besonders alt, sodass sich die Gesichter meiner Verwandten nicht verändert haben. Mit einem verliebten Seufzen auf den Lippen, tippe ich Bakuras Kopf an, der knurrend unter dem Arm seines Halbbruders hängt. Zwangsläufig sehe ich deshalb auch zu Akefia. „Du hast mir heute gleich zwei Mal geholfen“, murmle ich nachdenklich. „Zuerst bei dem Sturz von der Bühne und dann … mit deinen Worten.“ Andächtig streiche ich mit dem Zeigefinger Über Akefias Strubbelkopf. „ ‚Manches macht erst dadurch Sinn, dass es unsinnig ist‘ “, wiederhole ich das Zitat. Langsam – ganz langsam gleitet mein Blick dabei von Akefia ab und wandert zu einem kleinen Kästchen. Es ist der einzige Gegenstand, der so nahe an dem Familienporträt stehen darf. Vorsichtig hebe ich es an und öffne den Deckel. Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich das Kästchen geöffnet habe – und das hat auch einen Grund. Kaum, dass ich den Inhalt betrachte, verdüstert sich mein Gesicht. Eine Zornesfalte rutscht zwischen meine Augenbrauen. „Wieso nur …“, knurre ich bedrohlich. Das Frotteehandtuch rutscht mir aus den Händen und fällt lautlos zu Boden. „Wieso nur musste es gerade ich sein, Akefia? Gerade ich, der doch den nachvollziehbarsten Grund hat, das hier zu beschädigen oder zumindest wegzuwerfen.“ Ich schnaufe. „‚Manches macht erst dadurch Sinn, dass es unsinnig ist.‘ – Oh ich schwöre dir….“ Erbost sehe ich zur Zimmerdecke. „…Ich schwöre es dir! Wenn ich herausfinde, was für ein Sinn hinter dieser Aktion steckte, dann bete zu Gott, dass es ein Guter ist. Andererseits … andererseits reiße ich dir den Kopf ab!“ Hasserfüllt sehe ich erneut auf die zwei Ringe herunter, die unschuldig neben einander stecken. Je ein kleines Dreieck ziert die goldene Oberfläche. Auf der Innenseite verborgen, schmiegen sich zwei Buchstaben dicht an dicht. … Bei liegt ein gefalteter Kassenzettel. Juwelier Ishtar Sakurastraße 34 998877 Domini Tel.: 112233/445566 Fax: 1234-5678 22. Dezember 20XX RECHNUNG *********** Trauring Gold, 9 Karat – Millennium 79 999 YEN Trauring Gold, 9 Karat – Millennium 79 999 YEN Gravur_______________________ 6 599 YEN _________________________________________ SUMME ____________________ 166 597 YEN ===================================== Vielen Dank für Ihren Einkauf. Bitte, beehren Sie und bald wieder. … Ende Zweiter Akt ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Heyu X3 Wie auch der Titel dieses Kapitels lautet, so begann ab hier nun die zweite Hälfte dieser FF. Ich behaupte einfach mal, dass alle wesentlichen Grundlagen nun gelegt sind und wir damit anfangen können zu kuppeln. ich hoffe mal wir sehen uns wieder +winkwink+ o(^.-)/ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)