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Reqium of Darkness & Quiet Symphony

Walker x Kanda
von

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Verantwortung ~ 2

Die Finsternis, die vor meinen Fenstern lag, brachte mich schnell dazu, mich einfach hinzulegen, die Kleider loszuwerden und mit ihnen hoffentlich alles, was nach diesem Tag noch an mir haftete.

Ich hatte nicht damit gerechnet, dieses Bett so schnell wieder zu nutzen. Noch am Morgen hatte ich mich zu genau diesem Zeitpunkt weit außerhalb des Gebäudes gesehen, beinahe schon gehofft, dass es kein anderer Ort sein würde. Aber letztendlich war es wohl in Ordnung… irgendwie, und tief atmete ich durch, drehte mich zur Seite und zog die Decke über mich.

Da lag ich nun und hinter mir ein Tag, der hoffentlich nicht komplizierter war, als der Kommende. Ich war neugierig auf mich… sehr gespannt, wie ich Dinge angehen würde, von denen ich keine Ahnung hatte.

Kurz schweiften meine Augen über die dunklen Konturen der steinernen Wand, dann schloss ich sie einfach, vergrub die Hand unter meinem Leib und regte den Kopf auf dem Kissen. Lange lauschte ich daraufhin meinen tiefen Atemzügen, lag still und hörte bald darauf auch das leise Pfeifen des Windes, der durch die Risse meines Fensters blies. Es schien eine unruhige Nacht zu werden. Schon vorhin war mir aufgefallen, wie kalt es allmählich wurde.

So zog die Zeit an mir vorbei. Das Pfeifen des Windes und das Rauschen meines Atems drangen lange und deutlich in meine Wahrnehmung. Zu lange und irgendwann drehte ich mich auf den Rücken, winkelte ein Bein an und bettete den Arm auf dem Gesicht. Intensiv spürte ich die eigene Wärme auf dem Gesicht, bewegte die Lippen, atmete tief durch und nahm keine wirklich belastenden Gedankengänge in mir wahr. Nichts, das mich wach hielt. Ich grübelte nicht. Ich war mir beinahe sicher.

Und der Wind pfiff weiter, während mein Körper plötzlich auf keine Müdigkeit mehr aufmerksam machte. Die Lider könnte ich sofort und problemlos heben, mich ebenso rasch und schnell bewegen. Reglos versuchte ich mich zum Schlaf zu zwingen, verzog die Miene und kapitulierte nach einer scheinbar unendlichen Zeit. Ich war hellwach. Dass ich hier lag, änderte daran gar nichts und fließend zog ich den Arm von meinem Gesicht, richtete mich auf und starrte mit wachen Augen in das dunkle Zimmer.

Es ergab keinen Sinn. Stirnrunzelnd blickte ich zu dem Tisch, zu meiner Sanduhr und der in ihr ruhenden Schönheit.

Ich sinnierte nicht.

Bestimmt nicht…

Der vergangene Tag war nicht langweilig genug gewesen, damit ich jetzt übertriebene Kraftreserven zur Verfügung haben könnte. Stöhnend ließ ich den Kopf sinken, rieb mir den Nacken.

Wie lange hatte ich jetzt dort gelegen? Der Wind pfiff immer noch und als ich mich etwas von der Matratze schob und zu dem Fenster spähte, zeigte sich mir ein bewölkter, grauer Himmel.

Regnete es?

Ich wandte mich ab, zog die Beine über die Bettkante und juckte mir den Rücken. Wenn mein Körper meinen Willen nicht teilte, dann musste ich wohl etwas nachhelfen.
 

Barfuss ging ich kurz darauf meiner ziellosen Wege durch das steinerne Gebäude. Hose und Shirt spendeten mir genug Wärme, dass es sich als ein beinahe angenehmer Spaziergang entpuppte und nach wenigen Schritten versenkte ich die Hände in den Hosentaschen, starrte gedankenverloren zu Boden und ließ mich einfach von meinen Beinen führen. Sie konnten mich hinbringen, wo sie wollten, solange sie dadurch zu einer gewissen Müdigkeit beitrugen. Nur viel begangene Orte umging ich. Wie den Gang der Wissenschaftler, in dem man immer schnell zu sinnlosen Gesprächen aufgefordert wurde oder einfach nur Sachen erlebte, die niemand sehen wollte und die mir diese Nacht auch nicht versüßen würden. Nicht viel mehr, als sonst.

Ich lauschte weit entfernten Schritten, weit entfernten Stimmen und stieg irgendwann nur noch die Stufen hinab. Beiläufig fanden meine Hände zu dem Band, begannen es entspannt aus dem Haar zu lösen und dieses daraufhin etwas zurückzustreifen. Ich tastete und fitzte, achte weniger auf die Stufen oder wohin sie mich führten und beließ es letztendlich dabei, die Haare zu einem lustlosen Knäuel zu fitzen. Ein kalter Luftzug erfasste mich in dem schmalen Treppengang und kurz darauf zog ich an einer kleinen, steinernen Aussichtsplattform vorbei. Normalerweise gab es dort eine Wache und wirklich spürte ich nach wenigen weiteren Schritten leise Geräusche und eine Aufmerksamkeit, die flüchtig meinen Rücken streifte. Das Interesse wurde ebenso schnell verloren, wie es aufkam und meine Hände fanden ihren alten Platz in den Hosentaschen, als ich weiter hinab stieg. Kalt erstreckte sich das Gestein zu meinen Füßen. Jede Unebenheit nahm ich wahr und plötzlich war der Gedanke an einen Spaziergang im Vorhof gar nicht mehr so abwegig. Etwas frische Luft, etwas Abgeschiedenheit. Eigentlich nichts anderes, als das, wonach ich den gesamten Tag über gesucht hatte. Bestimmt tat es mir auch ein weiteres Mal gut und als ich einen knappen Blick durch ein offenes Fenster warf, war der Erdboden immer noch weit entfernt. Hoffentlich war ich schon müde, wenn ich dort unten ankam. So wandte ich mich wieder nach vorn, betastete abwesend den Stoff der Hose und stieg über die tiefe Kerbe einer Stufe hinweg. Dieser Ort war in der Nacht am angenehmsten. Die Stimmen hielten sich in Grenzen, das Gedränge und das allgemeine Gewirr blieben aus und die Finder dort, wo sie hingehörten. Überall, nur nicht in meine Quere. Sie leisteten sich in letzter Zeit ziemlich viel.

Ich rümpfte die Nase, zog an einem weiteren Fenster vorbei und blieb schon an der nächsten Stufe hängen. Meine Schritte verlangsamten sich, instinktiv wandte ich das Gesicht zur Seite und wieder spähte ich in die Nacht hinaus, als ich mich zurücklehnte. Der Himmel war so dunkel, wie zuvor, die grauen Wolken in ständiger Bewegung und auch den schneidigen Wind nahm ich erneut wahr, als ich auf die obere Stufe zurücktrat. Ich irrte mich nicht. Ich war mir sicher.

Die Hände noch immer in den Hosentaschen näherte ich mich der Öffnung, traf mit der Hüfte auf das Gestein und lehnte mich etwas in die Nacht hinaus. Sofort streiften die Strähnen mein Gesicht, sofort erfasste mich der Wind und bequem blieb ich lehnen, beugte mich weiter und wandte mich ruhig zur Seite.

Es war nur ein Geräusch gewesen. Umso deutlich durch die Vertrautheit und ich konnte mich nicht als überrascht bezeichnen, als ich dort in der Nähe der dunklen steinernen Außenfassade das goldene Schimmern des Golems erspähte. Er flatterte nicht weit entfernt im Freien, schlug mit den Flügeln und verschwand hinter einem Vorsprung. Bequem regte ich die nackten Zehen auf dem Gestein, richtete mich auf und blieb trotzdem lehnen. Im Wind blinzelnd, senkte ich den Kopf, schürzte die Lippen und betrachtete mir einen der tiefer liegenden Wachtürme.

Ich schien nicht der Einzige zu sein, den es um diese Stunde nach draußen zog. Aber von zweien, bei denen es der Fall war, war bisher nur einer unentdeckt geblieben. Leise schallende Schritte in den unteren Stockwerken lenkten mich nicht ab, ich bearbeitete die Unterlippe mit den Zähnen, lugte zur Seite und sah letztendlich keinen Grund für weitere Grübeleien. Vielleicht war es ein passender Moment… ein günstiger Zeitpunkt, hier in dieser ungestörten Abgeschiedenheit Antworten zu bekommen, die mich möglicherweise vom Schlaf abhielten. Auch, wenn ich mir dessen nicht vollends bewusst war. Andere Erklärungen gab es nicht. Es handelte sich hier wohl um eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen sollte.

Die Schritte… als ich meine Entscheidung traf und aufblickte, waren sie mir um einiges näher gekommen. Jemand kam mir entgegen und bequem setzte ich mich in Bewegung. Lautlos bettete ich die Hände auf dem schmalen Fensterbrett, zog mich empor und setzte die Füße auf. Nur kurz, während ich mich über die Öffnung und nach draußen schob. Kühl umfing der Wind sofort meinen gesamten Körper und nur flüchtig suchten meine Augen in der Dunkelheit unter mir, bevor ich mich ins Freie sinken ließ und jeglichen Halt aufgab. Nur ein kurzer Fall, bevor ich leise auf einem schmalen Mauersims aufsetzte, eine Hand auf die schräge Fassade setzte und auf die Beine kam. Ein weiteres Mal zeigte sich der Golem nicht aber selbst hier in diesem Gewirr aus Vorsprüngen, Simsen und Dächern gab es nicht viele Möglichkeiten, sich zu verstecken. Ich verfiel beinahe in die alte Gedankenlosigkeit, während ich einen Fuß vor den anderen setzte, den Sims entlang schritt und flüchtig in die neben mir gähnende Tiefe blickte. Weit unten flackerte das winzige Licht einer Fackel, auf der entfernten, gegenüberliegenden Mauer bildete sich die graue Silhouette eines Wachmannes ab…

Beiläufig strich ich mir die Strähnen aus dem Gesicht, erreichte einen hohen Giebel. Nur kurz erkundete ich das Gestein mit der Hand, verschaffte mir sicheren Halt und zog mich hinauf. Eine erneute, kühle Böe erfasste mich, als ich die Knie auf die ebene Fläche setzte, auf die Füße kam und meinem Ziel somit nicht mehr fern war. Das Leuchten des Golems erhob sich über einer nahen Zinne und nur kurz erfasste ich es, schlenderte über den schmalen Pfad und sah ihn dort sitzen.

Einen interessanten Ort hatte er sich da ausgesucht. Eine schmale Empore, kaum breiter, als zwei Ellen. Das weiße, durch den Wind zerzauste Haar, war nicht weniger auffällig, als der Golem, fiel in das Gesicht des Jungen, welchem dem tiefliegenden, schwarzen Wald zugewendet war. Das Kinn auf dem angewinkelten Knie gebettet, den anderen Fuß in völliger Freiheit bewegend, saß er dort und sah sich durch mein Erscheinen vorerst zu keiner Regung gezwungen. Lieber behielt er seine versunkene, kleine Haltung bei, bewegte den Fuß über der gähnenden Tiefe. Flatternd erhob sich abermals Timcanpy neben ihm, kam mir entgegen, als ich entspannt die letzten Meter hinter mir ließ und auf seine Empore stieg.

Abgesehen von meinem Besuch, schien man hier so gut wie ungestört zu sein. Vielleicht saß er schon seit Stunden hier und schweigend schloss ich mich seiner Beobachtung an. Ich blieb nicht weit entfernt stehen, spähte hinab zu dem Wald und einfach all dem, was sich seinen Augen bot. Nicht sonderlich viel. Wenn er nicht die gesamte Zeit über völlig in Gedanken versunken war, dürfte es nichts geben, das ihn hier hielt. Flatternd umquerte Timcanpy meinen Kopf, hielt den kräftigen Böen stand und ließ sich kurz darauf zurück auf den Kopf des Jungen sinken. In dem weißen Haar schien er seinen Halt zu finden und mit einem Mal erwachte der Junge zum Leben. Er wusste, dass ich es war… war bis jetzt so ruhig geblieben, als würde er sich nicht an mir stören und wirklich schien er sich mit einem kurzen Blick nur kurz und überflüssig zu überzeugen. Ich spürte eine knappe Aufmerksamkeit, erwiderte sie ebenso knapp und gemeinsam spähten wir zurück zu diesem Wald. Träge regte er die Arme, schloss sie bequemer um das angewinkelte Knie und bettete auch das Kinn auf dieses zurück. Die Finsternis war störend. Sie enthielt mir seine Mimik vor. Letztendlich waren es aber seine Worte, auf die ich Wert legte. Viele, bis auf die, mit denen er mich bat, zu verschwinden. Solche Entscheidungen hatte er nicht zu treffen und so ging ich einfach in die Knie, kauerte mich dorthin, wo ich stand und bettete die Ellbogen auf den Oberschenkeln. Der dünne Stoff meines Hemdes flatterte unter jeder Brise. Er trug nicht vielmehr, als ich und kurz regte ich die Schultern, zog die Nase hoch.

Ich gab ihm einen Moment, sich zu rechtfertigen, zeigte ihm die Möglichkeit offen und blieb in den nächsten Momenten einfach stur beharrlich, starrte hinunter zu der aufregenden Sache und blinzelte unter den Strähnen, die fortwährend mein Gesicht streiften. Das Pfeifen des Windes verschluckte selbst seine Atemzüge. Es war nur das leise Surren, das in meinen Ohren rauschte und abermals wurde ich auf die sich bewegenden Fackeln aufmerksam. Weit unter uns und in dem Hof, zu dem ich eigentlich unterwegs gewesen war.

„Du bist noch da?“ Leise erhob sich seine Stimme neben mir, zeugte davon, dass es nicht die mangelnde Müdigkeit war, die ihn hier hinaufgetrieben hatte. Es war immer noch die Fackel, an der meine Augen hingen und letztendlich runzelte ich die nur die Stirn.

„Mm.“

Aus bestimmten Gründen…

„Mmm“, erwiderte er mein Brummen verstehend, blieb jeglicher Regung fern. Wohin er wirklich starrte, wusste ich nicht aber letzten Endes schenkte er mir nicht viel mehr Aufmerksamkeit, als ich ihm. Ich hockte bequem, riss mich von der Fackel los und verfolgte die langsame Wanderung der Wolken. Weit über uns und ich spähte hinauf, stemmte das Kinn in die Handfläche und senkte kurz darauf doch die Lider.

„Genau wie du“, murmelte ich in das Pfeifen des Windes.

Es war mehr, als eine Feststellung. Ich forderte ihn zu etwas auf. Irgendetwas zu tun, nachdem ich deutliche diese eine Thematik anschnitt. Weshalb er noch hier war…

Bestimmt hatte er es nicht eilig, Komui zu besuchen. Ihn genauso wenig, wie alle anderen, die er vor wenigen Stunden noch verfluchte. Erwartend drifteten meine Pupillen zu ihm, erfassten ihn aus den Augenwinkeln und vorerst nur eine stockende Bewegung. Er regte die Schultern, die schwarze Hand rieb den Oberarm. Er schien zu frieren.

„Ziemlich kalt heute Nacht“, kommentierte er es auch kurz darauf und meine Mimik regte sich nicht. Nur meine Augen, die sich auf die unendliche Finsternis richteten.

Er hatte es begriffen.

Gut genug, um das Entgegengesetzte zu tun und allen Erwartungen zu trotzen.

Was interessierte es mich. Ich spürte es selbst und schöpfte tiefen Atem. Ein weiteres, undeutliches Brummen war anschließend das Einzige, wozu ich Lust hatte und unweigerlich brach die alte Schweigsamkeit über uns herein.

Dort unten…

In weiter Entfernung und recht verschwommen hoben sich die Lichter der Stadt hervor. Wie winzige Punkte, die man in ihrer Intensität eigentlich nur erahnen konnte.

Neben mir hob der Junge die Hand, griff hinauf zu dem Golem und bekam einen seiner Flügel zu fassen. Träge zog er ihn sich aus dem Schopf, ließ ihn kurz an der Hand baumeln und richtete sich um ein Stück auf. Er setzte ihn auf seinem Knie ab, bettete die Hand auf dem runden Körper und begann ihn abwesend zu drücken, auf dem Knie zu bewegen.

Ich ließ mich etwas tiefer sinken, schmiegte das Gesicht an der Hand vorbei und rieb mir die Stirn, als ich es gesenkt hielt.

Wir hatten schon einmal hier draußen gesessen. Nicht direkt an diesem Fleck und trotzdem war er ihm sehr ähnlich gewesen. Ähnlich, ganz im Gegensatz zu der Atmosphäre… sollte die gerade überhaupt existieren. Eigentlich könnte er jetzt auch alleine hier sitzen und nichts anderes tun, als sich mit Tim zu beschäftigen.

Mit jedem Augenblick, den ich hier verbrachte, verfestigte sich der Glaube in mir, in den nächsten Tagen nicht vielmehr zu erreichen, als stumm neben ihm zu sitzen und sich anhand von Geräuschen mit ihm zu verständigen. Genauso unzerstörbar, wie er selbst, war auch seine Sturheit, in der er nichts sagte, was er wollte. Weshalb sollte er es auch? Ich war ja selbst zu stur, um direkte Fragen zu stellen.

Was hatte ich mir nur dabei gedacht. Meine Möglichkeiten waren scheinbar ebenso begrenzt, wie meine Geduld, die es mir nicht erlaubte, mich zu übertriebener Aufdringlichkeit hinreißen zu lassen.

„Ich hätte Lust, runter in die Stadt zu gehen“, erhob sich seine Stimme erneut und ich rieb mir die Stirn weiterhin, schloss die Augen. Die leisen Flügelschläge neben mir zeugten davon, dass der Golem immer noch herzuhalten hatte. Die Lider gesenkt zu halten, war eigentlich ganz angenehm… und während das Pfeifen des Windes wieder die Atmosphäre ausmachte, rieb ich mir auch die Augen.

„Ich denke, ich mache es auch.“

Eine flüchtige Regung suchte mein Gesicht heim, ich wendete er zur Seite, stemmte die Wange in die Handfläche und blinzelte träge in die Nacht zurück.

„Lass es“, antwortete ich ihm ebenso trocken. „Du hast genug Probleme.“

Es waren einfach Tatsachen. Wenn er Lust hatte, weiter in die Richtung der Verstöße und negativen Aufmerksamkeit zu pendeln, dann war es nur meine Aufgabe, ihn darauf aufmerksam zu machen. Worte, die ihn trotzdem ziemlich zu beeindrucken schien und nüchtern blieb ich meinen langweiligen Beobachtungen treu, als er abrupt das Gesicht zu mir wandte, mich anstarrte.

Überraschte es ihn?

Ich verzog den Mund, drehte mich nur um ein Stück und erwiderte seinen Blick ungerührt. Der Golem war seinen Händen entkommen, flatterte neben ihm, taumelte unter den Böen, während ich eine annähernd erschütterte, trotzige Aufmerksamkeit spürte und versuchte, seine Gesichtszüge in der Finsternis auszumachen.

Was dachte er sich nur dabei?

War er so von Sinnen, dass sich solche Fragen seit kurzem stellten? Über so etwas hatte man nicht zu debattieren. Und ich würde es nicht, weil ich zwar ein Beobachter blieb, mich aber von etwaiger Verantwortung fernhielt. So etwas trug ich nicht und er würde alles lieber tun, als zuzugeben, keine eigenen Entscheidungen treffen zu können.

„Ach…“

Seine Stimme erreichte mich monoton, senkte sich in einer gewissen Bissigkeit. Genau wie sein Kopf, der leicht zur Seite sank.

„Wenn das so ist…“

Es war nicht schwer zu erraten, was er jetzt tun würde. Meine Direktheit schien ihm nicht zu passen und ich gab mich wenig interessiert an seinen Bewegungen, zu denen er plötzlich zurückfand. Er zog den Fuß zu sich, stemmte sich hinauf und kam auf die Beine.

Wollte er es nicht hören? Mit welchen Gedanken beruhigte er sich! Die Tatsachen umgaben ihn doch letztlich bei jedem Schritt, den er hier tat… und zielstrebig schob sich sein Schatten an meinem Rücken vorbei, während ich wieder nach unten starrte und es mit finsterer Miene tat.

Er machte es sich so einfach und vor kurzem hatte ich mich auch in diesem Verhalten geübt!

Ein Fehltritt, wie man es auch wendete und strikt griff ich nach ihm, bekam sein Handgelenk zu fassen und hielt es sicher. Ich spürte das Zucken, das ihn durchfuhr, als ich die Finger auf der schwarzen, rauen Haut bewegte, sie bestimmt umschloss und zu ihm aufblickte. Er hielt das Gesicht zu mir gesenkt und hatte die Finsternis trotzdem noch auf seiner Seite. Keine Mimik war zu erkennen, keine Regung, als er meinen scharfen Blick erwiderte, sich meinem Griff vorläufig ergab.

„Welcher Teufel reitet dich!“ Eine flüchtige Woge der alten Wut ließ meinen Griff an Härte zunehmen und sofort regte sich sein Handgelenk. Er schien erneut zu erbeben. „Was glaubst du, was du hier tust!“

Einfühlungsvermögen sah anders aus… aber ich war nicht dazu fähig. Ebenso wenig, den Griff beizubehalten. Nur eine flüchtige Bewegung, ein kraftvoller Ruck und ungehindert glitt ich ab, gab ihn frei und ich ihm die Möglichkeit, das zu tun, was er sich seit kurzem angewöhnt hatte. Er ging. Ohne einen letzten Blick, ohne ein letztes Wort und verbittert starrte ich ihm nach, als er sich an dem nahen Sims vorbei schob, sich beinahe teilnahmslos das Gleichgewicht suchte und sich meinen Augen mit einem Sprung gänzlich entzog. Flatternd folgte ihm der Golem, heftete sich einfach an seine Fersen… im Gegensatz zu mir war er einfach nur programmiert. Wozu ich nicht fähig war, fiel ihm ganz leicht und plötzlich fühlte ich mich in meine alte, nächtliche Einsamkeit zurückversetzt, in der die Ziele nur undeutlich vor mir lagen. Unter einer kalten Böe wandte ich mich der schwarzen Tiefe zu, verschränkte die Arme vor dem Bauch und presste die Lippen aufeinander. Mir war danach, dieses Treffen mit Flüchen zu belegen… alles daran und auch mich selbst.

Wie stellte sich Komui all das vor! Woraus bezog er seine Hoffnungen!

Vermutlich fiel es ihm ganz leicht, weil es sich nicht um ihn handelte, sondern um einen Anderen, in den man die Erwartungen legen konnte und sogar sämtliche von ihnen!

Ich musste verrückt sein!
 

Es war wie jedes Mal, wenn man vor Herausforderungen stand. Die Zeit ließ sich nicht bremsen, ließ sich nicht greifen und kaum versah ich mich, betrat ich am nächsten Morgen den Speiseraum. Hätte man die Zeit greifen und sie sogar anhalten können… ich hätte vermutlich ohnehin nichts mit ihr anzufangen gewusst. Ich würde jetzt so oder so an dem ratlosen Punkt stehen, auf dem ich seit geraumer Zeit permanent ausharrte.

Nach wenigen Stunden Schlaf schickte ich bittere Blicke nach beiden Seiten, als ich die Tischreihen durchquerte. Seltsam… ich empfand seinen Anblick beinahe schon als ungewohnt. Er war hier, wenn auch nicht offensichtlich. Es kam selten vor, dass er am äußersten Rand der Halle saß, beinahe schon eingeengt wirkte und gleichzeitig so distanziert, wie nie zuvor. Es war eine große Menge an Hungrigen, zu denen er den Abstand hielt. Die Plätze zu seinen Seiten waren nicht besetzt, eigentlich war es die ganze Bank und nur kurz blickte ich über die gestapelten Teller hinweg, bevor ich mich nach vorn wandte. Zu meinen Seiten saßen die Finder und das andere Personal nahe beieinander und wie am gestrigen Tag strömten immerzu die Gespräche zwischen ihnen. Ich musste nicht darauf achten. Die Blicke, die in eine bestimmte Richtung schweiften, waren auch nicht zu übersehen, wenn man ihnen keine Beachtung schenkte. Die Rollen waren klar verteilt und ich bewegte mich zwischen den Fronten, ohne mich wirklich zu einer von ihnen hingezogen zu fühlen. Mit meinem Tablett suchte ich mir einen ebenso abgeschotteten Platz, wie der Junge. Trotzdem nicht weit genug entfernt, um für das Gerede taub zu sein. Wie ein Dejavue. Ich versenkte die Stäbchen im Essen, bannte den Blick auf das Tablett und hörte dieses ganze Gerede und Gefasel. Das Interesse an diesem Thema schien durch die Nacht nicht geschwächt worden zu sein. Der Redebedarf war derselbe und meine Laune in einer nicht besseren Verfassung, während ich mich unter den leisen Worten zu meinem Tablett beugte, die Stäbchen im Mund versenkte und nach meinem Becher griff.

Bewusst hatte ich dem Jungen den Rücken gekehrt, saß ihm abgewendet in gewisser Entfernung. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, ihn zu beobachten, wäre es für mich nur schwerer gewesen und so nahm ich dieses kleinere Übel, kaute und atmete tief durch.

„Eigentlich wirkt er so, wie immer…“

„Das täuscht. Bevor er gewalttätig wurde, hat man ihm auch nichts angesehen.“

Das Geschirr klirrte, das Raunen schien sich mit jedem Moment nur zu verstärken und ich war mir sicher, dass das Gerede nicht nur in meine Ecke drang.

„Habt ihr den Rothaarigen gesehen? Sogar er hat etwas abbekommen.“

„Will Komui nichts unternehmen…?“

„Scht! Er hört uns noch.“

Beiläufig strich ich mir das Haar zurück, kreuzte die Beine unter dem Tisch und schubste ein Stück gegrillten Fisch zur Seite.

Sich einfach abzuschotten… sich als Unbeteiligter zu sehen…

Nicht in meinen schlimmsten Alpträumen hätte ich mir vorstellen können, in einigen Gebieten so unfähig zu sein. Die Finger an den Stäbchen kribbelten, meine Beine blieben unruhig und oft blickte ich zu den einzelnen Gruppen.

Gesichter wandten sich einander zu, lose Mundwerke wurden hinter Händen versteckt und nur wenige Momente vergingen, in denen ich sie still verfluchte, bis das Gewirr der Stimmen abrupt an Intensität verlor, sich das allgemeine Rauschen plötzlich senkte und ich die scheuen Bewegungen verfolgte, in denen sich viele ihren Tellern zuwandten, ihre Augen von der bestimmten Richtung abhielten. Mit einem Mal lenkte sich die Konzentration eingeschüchtert zurück auf die Teller und nur kurz wandte ich mich um, tat das, woran sich plötzlich niemand mehr wagte. Es gab noch so einige Teller und Schalen, deren Inhalt bisher noch nicht angerührt wurde und trotzdem war der Junge auf die Beine gekommen. So plötzlich, wie man verstummte und langsam wendete ich die Stäbchen zwischen den Fingern, betrachtete mir die von Zorn gezeichnete junge Miene, als er sich an dem Tisch entlang und von der Bank schob. Er schien heute weitaus weniger Geduld zu besitzen, als ich und von nichts anderem zeugte auch sein Blick, den er kurz und schneidig über die Menge schweifen ließ, bevor er ihr den Rücken kehrte. Zwischen den Händen wendete er ein Tuch. Nachlässig wischte er sich die Hände ab und nach wenigen Schritten wurde der Stoff einfach zur Seite geschleudert. Er ging und kaum hatte ich mich wieder umgedreht, erschallte die mit Wucht zugeschmissene Türe. Dröhnend erhob sich der Laut, ließ eine peinliche Stille zurück, in der ich mich wieder auf mein Essen konzentrierte.

Nervöses Räuspern erhob sich wenige Augenblicke später, verhalten klirrte das Geschirr und ich wurde auf Jerry aufmerksam, der sich auf den Tresen stemmte. Ihm war die Flucht nicht entgangen und als sein Seufzen ertönte, befasste ich mich wieder und ausschließlich mit meinem Tablett.

„Ich habe vielleicht einen Schreck bekommen…“, wurde an einem der Nebentische geächzt und unter einem leichten Schauer schürzte ich die Lippen. Es folgte das ansteigende Raunen und kurz darauf war wieder alles, wie zuvor.

„Wir sollten vorsichtig sein. Mit dem sollte man sich nicht anlegen.“

„Ich dachte schon, er stürzt sich auf mich.“

„Bei dem kann man nie wissen.“

Es war wie ein bitterer Geschmack im Mund. Dass sie mir einen weiteren Grund gaben, als ihre unnütze Existenz! Es ähnelte einer Herausforderung, die sie sich nicht wagen sollten und ich zwang mich zu meiner letzten Beherrschung, bekam das nächste Stück Fisch zu fassen und hob es zum Mund.

Dass selbst er vor ihnen flüchtete!

Dass gerade er sich von den Plagen unterjochen ließ!

Eine tragische Lage, in der er steckte und irgendwie blieb ihm keine bessere Möglichkeit, als zu gehen, ohne ein Wort zu verlieren… ohne angemessen zu reagieren. Er war der Letzte, der es sich wagen dürfte, auf ihre Überheblichkeit einzugehen. Jede Reaktion würde nur auf die goldene Waage gelegt und für ein weiteres Fragment der Bedrohung angesehen.

Ihm waren die Hände gebunden…

Aber meine bewegten sich frei und griffen bald nach dem leeren Tablett. Ich kam auf die Beine, stieg über die Bank und auch zu meinen Seiten senkten sich die Stimmen, als ich mich auf den Weg zur Theke machte. Finder duckten sich, Wissenschaftler beobachteten mich beinahe verstohlen und wieder schepperte das Geschirr, als ich das Tablett loswurde.

Es war wohl besser, sich ein gewisses Beispiel an dem Jungen zu nehmen, die Wut in ihre Schranken zu weisen und so beließ ich es letztendlich bei knappen Blicken und dabei, mich, tief durchatmend, durch die Menge zu bewegen. Mich griffen sie nicht an. Gegen mich richteten sich ihre Worte nicht und trotzdem fühlte ich mich, als richtete sich ihr dummes Gefasel an niemand anderen.

„Geh mir aus dem Weg!“ Es war ein geringer Teil der Wut, in welchem ich einen Finder zur Seite stieß, bevor ich mich durch die Tür schob. Jeder von ihnen zählte zu der Meute, die ich derzeit noch weniger vertrug, als sonst und ächzend stolperte er zur Seite, wurde stehen gelassen.

Jetzt blieb also nicht einmal mehr das ruhige Essen. Die letzten Besuche im Speiseraum hatten einer Herausforderung geähnelt, der ich kaum gewachsen war und ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wo mein nächstes Ziel liegen könnte, steuerte ich dieses auch schon an.
 

~*tbc*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Mikonee
2011-01-16T14:21:33+00:00 16.01.2011 15:21
aw man die geschichte is soo spannend geschrieben ich halt es fast nich mehr aus zu warten *_*
kanda is ja auch grad total aufgebracht un auch hilflos un ich find das sooo niedlich wo komui da bemerkt hat dass kanda un allen schon so ne beziehung ham :333
uh ich frag mich ob kanda jetzt nen plan hat um allen wieder aufzumuntern *_*
ich liebe die zwei einfach ♥
absolut klasse ich bin begeistert wie echt du das alles rüberbringst vor allem weil das ma ne ff is wo die nich schon von anfang an zsm sind sondern sich die geschichte ers entwickelt :33
grandios auch geschrieben ich finde du has die charas perfekt getroffen^^
ganz dickes lob an dich ich freu mich schon wenn es weitergeht ♥
das wars dann ersma von mir^^

lg anca
Von: abgemeldet
2010-12-15T15:49:38+00:00 15.12.2010 16:49
Wenn das so weitergeht ist Allen nicht mehr der einzige mt einem riesigen Problem! Kanda tut mir sooooo sorry.


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