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Reqium of Darkness & Quiet Symphony

Walker x Kanda
von

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Die neue Wunde

Keuchend standen wir dort.

Vor den rauchenden Trümmern des Gebäudes und umgeben von großen Schneeflocken. Mit einem Mal hatte es begonnen, stark zu schneien und so würde es nicht lange dauern, bis die Kadaver der Akuma gelöscht werden würden.

Die verlassene Umgebung bestand beinahe vollständig aus Gebäuden wie diesen. Verlassenen, Verrotteten und Leeren, in denen sich kein Mensch aufhielt. Nicht zu dieser Stunde, niemand, der Augenzeuge dieses Schauspieles wurde. Der letzte Staub stieg von dem maroden Lehm und dem Putz auf, wurde von den Schneeflocken jedoch zärtlich unterjocht und gen Erdboden zurückgedrängt. Ich blieb stehen, blickte zum Himmel auf und von einem leisen Knarren gelockt, zurück zum Gebäude, in welchem der letzte Stahlträger zur Seite sank und donnernd im Schutt liegen blieb.

Neben mir erhob sich ein langer, zitternder Atemzug und so spähte ich zur Seite und zu Kanda, der neben mir stand. Sein dünnes, weißes Hemd flatterte unter einer eisigen Böe, die uns erreichte. Sein Unterkiefer zitterte dabei genauso sehr wie die Hand, die das Schwert hielt.

Durfte ich ihn ansprechen?

Sein Gesicht machte den Eindruck, dass er bei einer solch finsteren Laune war, wie ich sie nur selten an ihm wahrgenommen hatte. Vielleicht klag es aber auch nur an der Kälte, dass seine Gesichtszüge so verzerrt waren. Die Bewegung, in der er das Erdgeschoss des Gebäudes erreicht hatte, schien nicht viel gebracht zu haben. Noch immer waren seine Lippen blau, während er am gesamten Körper schlotterte. Ich presste die Lippen aufeinander, wandte mich wieder dem Haus zu.

„Also“, hob ich dann an und beobachtete Tim, der sich über den Trümmern bewegte, „wie konnte das passieren? Dich so vorzufinden, habe ich nicht erwartet.“

„Was geht dich das an!“ Zitternd hob sich sein Arm und stockend wurde Mugen unter dem Gürtel der Hose verstaut. Er stieß ein Zischen aus, bebend streifte die Hand das Haar zurück und schleppend wandte er sich ab. „Es bringt nichts mehr, hierzubleiben!“

„Die Mission?“, erkundigte ich mich sofort, als er sich in Bewegung setzte. In strauchelnden, benommenen Schritten.

„Es gibt keine mehr!“

War das so?

Ich hob die Schultern, ließ sie sinken und schüttelte stumm den Kopf, bevor ich ihm folgte.

Hatte ich diese Aufgebrachtheit verdient?

Dass er sie an mir ausließ?

Oh... ja.

Ich hatte sie wohl zum Teil mit ausgelöst.

Meine Lippen pressten sich aufeinander und mit großen Augen starrte ich auf die Hand, die Kanda als Stütze nutzte, um an einer Wand vorbeizukommen. Er stemmte sich ab, schlürfte durch den Knöchelhohen Schnee.

Als hätte es sich bei dem, was vor kurzem zwischen uns geschehen war, lediglich um einen Traum gehandelt. ‚Zu schön, um wahr zu sein’ nannte man so etwas wohl. Ich drohte so rasch in meine alte Verhaltensweise zurückzufallen, in der ich mich unschuldig fühlte und nicht danach, seinen Zorn über mich ergehen zu lassen.

Doch es war geschehen... das war es wirklich.

Nur langsam folgte ich ihm, holte zu ihm auf.

Vermutlich hatte ich jede Facette seiner Wut verdient... und noch so vielmehr.

Wie musste ich ihn verletzt haben.

... doch das Schuldgefühl fehlte.

Purer Eigennutz. Vermutlich war ich hier und jetzt überaus egoistisch. So ichbezogen, wie ich es sonst nur verschleiert und unauffällig gegenüber anderen war.

„Hey...!“

Seine Stimme riss mich aus meinen prekären Grübeleien und als ich aufblickte, sah ich noch immer seinen Rücken vor mir. Er wandte sich nicht um, zischte nur meinen Namen und unter einem leisen Seufzen schloss ich zu ihm auf.

Auch, wenn es nicht so war... und konnte immer noch so tun, als hätte ich all das nicht verdient.

„Was ist?“ Lustlos antwortete ich, als ich mich neben ihm einfand und es war ein Blick der finstersten Sorte, der mich traf.

„Als... du...“, vor Kälte schienen seine Worte zu verschwimmen. Er zitterte stärker und stärker, „... bevor du das... Haus betreten hast.“ Er spannte die Schultern an, als uns eine eisige Böe erfasste. „Hast... du jemanden gesehen?“

Da schau her.

Eine flüchtige Verblüffung befiel mich.

Er fragte wirklich und augenscheinlich war ich wirklich irritiert über diese Frage.

So nicht... ich wusste, dass er nicht weiterfragen würde. Alleine der Gedanke, mir mehr zu erzählen... gerade mir. Er war der Unwissenheit ausgeliefert, während ich vor Reue eigentlich im Boden versinken müsste.

„Wie meinst du das?“ Die Frage fiel so leicht und seine Hand hob sich zu einer abwertenden Geste.

„Vergiss es!“

Da hatte ich es.

Was war ich zufrieden und da er mich nicht ansah, sah er auch nicht dieses Schmunzeln, unter dem ich mich neben ihm hielt. Mir blieb jedoch nicht viel Zeit, mich in dieser Bestätigung zu suhlen... in der Tatsache, dass ich ihn doch recht gut zu kennen schien, denn neben mir verfing sich Kanda in einem entkräfteten Straucheln. Ein unsicherer Schritt und kaum versah ich mich, da sackte er in sich zusammen, sank auf die Knie und hielt sich gerade noch auf den Armen. Sein unterkühlter Körper schien ihm jede Bewegung zu erschweren. Selbst sein Atem... er war kaum noch warm genug, um in der eisigen Luft zu beschlagen. Die Zähne fest zusammengebissen, starrte er nach unten und schien in absehbarer Zeit nicht vorzuhaben, wieder auf die Beine zu kommen.

Ein Anblick, den ich nicht lange ertrug. Ihn leiden zu sehen, hatte ich nicht vor... wollte ich einfach nicht, nein, keinesfalls. Selbst in dem Fall, dass er für mich nicht diese immense Wichtigkeit eingenommen hätte, hätte ich wohl genau das getan, was ich jetzt ohne zu grübeln tat. Ich trat vor ihn, schlüpfte rasch aus meinem warmen Mantel und reichte ihn ihm.

Ohne Worte... ich meinte, es wäre das Beste, wenn er ihn einfach nehmen würde, ohne einer meiner Bitten nachzukommen. Auch ohne, dass ich meine Besorgnis aussprach.

Es musste einfacher sein und seinem Stolz nicht weh tun.

Zitternd hob er den Kopf. Ich sah erneut diese sterbensbleiche Haut zwischen den schwarzen, wirren Strähnen seines Haares, seine Augen, die sich annähernd ungläubig auf den Mantel richteten. Gänzlich abgeneigt und er hielt sich nicht lange bei dieser Beobachtung auf. Es sah wirklich so aus, als mache er Anstalten, aufzustehen und einfach weiterzugehen, sich auf den Weg zum Bahnhof zu machen, der mehrere Kilometer entfernt war.

Ein Versuch, der zum Scheitern verurteilt war und kaum rutschte er zurück in den Schnee, ging ich in die Hocke und bettete den Mantel auf meinem Schoß. Er keuchte schwer, stockend neigte sich sein Kopf und tief atmete ich durch.

„Das bleibt unter uns, okay?“ Ich flüsterte es ihm zu und ein heiseres Husten erhob sich vor mir. Er reagierte nicht auf meine Worte und nachdenklich schürzte ich die Lippen. „Du bist völlig unterkühlt... und du musst nur zugreifen.“

Somit reichte ich ihm das Knäuel erneut und legte den Kopf schief. Er hatte es gehört... ganz sicher und er war auch gescheit genug, seine Lage einzusehen. Es blieb ihm keine andere Möglichkeit. Bis zum Hauptbahnhof würde er es unmöglich schaffen. Selbst der Mantel wäre wenig, doch so konnten wir es seinem Körper erleichtern. Ich wusste nicht, wie dieser talentierte Leib mit Kälte umging. Wie er sich von Erfrierungen heilen wollte.

Doch es darauf ankommen zu lassen, war einfach keine Möglichkeit, die ich uns gab.

Und endlich... ich sah diese Hand, die sich aus dem Schnee hob und nach dem dicken Stoff tastete. Für ihn fror ich gerne. Wärmer als er hatte ich es trotzdem allemal noch, von daher hielt ich mich von jeder Unzufriedenheit fern. Auch davon, ihm behilflich zu sein, als er sich den Mantel zitternd über die Schultern zog und vor der Brust zuhielt.

Es ging doch.

Jetzt war ich um eines erleichterter und ohne seine Zustimmung ein weiteres Mal einzuholen, packte ich ihn am Arm, als ich aufstand und zog ihn mit mir. Eine Hilfe, die er nötig hatte, denn seine Beine wirkten, als wollten sie seine Last kaum noch tragen. Er schwankte, riss sich von mir los und setzte sich in Bewegung.

Dass er in einem sehr schlechten Zustand war, bewies letztendlich nur, dass er meine Hilfe annahm. Ein Ding, das noch nie vorgekommen war... und das mich ihm lächelnd folgen ließ.
 

Endlich rückte der Bahnhof in unsere Sichtweite. Wir waren langsam vorangekommen, doch die Schritte meines geliebten Kameraden wirkten endlich so sicher, dass ich mich nicht zu sorgen hatte. Ich achtete auf ihn, lugte zu ihm, wachte über seine letzten Kräfte und vor ihm trat ich an die Tür heran, schob sie mit mir und hielt sie ihm auf.

Dieser Bahnhof war zufälligerweise sehr hilfreich. Obgleich er zu einer Seite offen war, bestand er doch aus Material, das die Wärme dämmte. Um einige Grad war es hier wärmer und ich vernahm ein tiefes Ausatmen, das von Erleichterung zeugen musste.

Wir fuhren also Nachhause.

Etwas anderes hätte ich mir nicht vorstellen können.

Geduldig wartete ich, bis auch Tim an mir vorbeiflatterte, dann ließ ich die Tür los und steuerte, wie zuvor auch Kanda, auf den Fahrplan zu. Er schien bereits einen Überblick zu haben... er schien Bescheid zu wissen, denn schon wandte er sich wieder ab und trottete weiter. Wohin er wollte, das wusste ich nich. Vermutlich legte er nur Wert darauf, sich zu bewegen und wirklich, während ich es kurz darauf auf einer Bank bequem hatte, war er noch unterwegs. Einfach kreuz und quer durch die Halle, vor und zurück... er schien schon zu wissen, was er brauchte. Er kannte sich gut genug mit sich aus – meine Zuständigkeit endete hier und so beließ ich es dabei, ihn einfach zu beobachten.

Mein Mantel lag noch immer über seinen Schultern, während er sich die Hände rieb, die Arme, mit den Schultern rollte und sich die Beine vertrat. Er wärmte sich auf und aus der Ferne wirkten auch seine Lippen nicht mehr ganz so blau. Er strich sich das Haar zurück, kurz betteten sich beide Hände im Nacken und dann erkannte ich da ein ungläubiges, frustriertes Kopfschütteln, bevor er mir wieder seinen Rücken präsentierte und zu laufen begann.

Wie sehr, fragte ich mich, und wie viele wunde Punkte mochte ich wohl getroffen haben?

Er wirkte nahezu konsterniert neben seiner anhaltenden Wut und Schweigsamkeit mir gegenüber. Was mochte er innerlich fluchen, wie verbissen nach einer Erklärung suchen.

Wer hätte es tun sollen, außer einem gnadenlosen Verehrer, wie ich es war?

Wer hätte einen Grund gesehen, seinen Zustand für sich zu nutzen?

Er hatte ja keine Ahnung. Ich selbst konnte mir nur schwerlich erklären, weshalb er mir nicht einmal jetzt leid tat. Weshalb ich nicht bereute oder mir keine Fragen stellte.

Das, was ich erlebte, was ich fühlte und ertastete... es war zu wertvoll, um Reue zu zeigen. Zu intensiv, um es anzuzweifeln. Ich hatte es beileibe getan und jeden Augenblick meiner Schandtat genossen. Bei Gott, das hatte ich und allein der Gedanke an das Vergangene ließ mich heiß und kalt erschaudern... und den Blick von ihm abwenden.

Wenn ich ihn anblickte...

Was blieb mir anderes übrig, als den Wunsch zu verspüren, ihn erneut zu berühren?

Ich hatte von ihm gekostet... von ihm... der Droge, der ich gänzlich verfallen würde, sobald meine Selbstdisziplin nachließ.

Ich hatte mich zurückzuhalten... einfach so zu sein, wie immer und einzusehen, dass es sich um eine einmalige Gelegenheit gehandelt hatte. So ausgeliefert würde er mir nie wieder sein.

Es war so ernüchternd und ächzend rieb ich mir das Gesicht. Langsam... bedächtig... und wie verstohlen wanderten meine Augen zwischen den Fingern erneut zur Seite.

Kanda schüttelte seine Beine, rieb sich die Knie und schickte jedem irritierten Bahnhofsbesucher finstere Blicke. Stumme Drohungen, auf dass sich jeder nervös abwandte.

So sauer?

Er ließ sich sogar an Passanten aus. Etwas, das er bis zum heutigen Tag nie ohne triftigen Grund tat.

Eigentlich stand er doch über diesen Dingen...

Schuldbewusst wandte ich mich ab und erkannte im weißen Getümmel des Schnees den Zug, wie er langsam in den Bahnhof einrollte.
 

Wir waren nicht die einzigen, die sich eilig aus der Kälte des Bahnhofes in die warmen Abteile schoben. Mit einem Mal waren es mehr Reisende geworden und doch blieb genug Platz, dass ich mir ein eigenes Abteil sichern konnte. Dass Kanda mit nicht Gesellschaft leistete, war nur normal und eine Sache, die mich so immens beruhigte.

Was hätte ich tun sollen, hätte er mir gegenüber gesessen?

Das Hemd war noch immer halb offen... sein Hals noch immer so weich...

Ja, was hätte ich tun sollen, außer mich zurückzuziehen?

Es war nur praktisch, dass er mir zuvorkam und während ich dann dort saß und aus dem Fenster starrte, versuchte ich meine Gedanken fernzuhalten, endlich in andere Richtungen zu lenken, auf dass mein Herz endlich einem ruhigen Takt verfiel. Wie überanstrengt musste es nach diesem Tag sein, wie sehr hatte ich es gefordert?

Ich seufzte tief und genüsslich, ließ mich tiefer rutschen und begann mich mit Tim zu befassen.

Die Mission war also beendet?

Ich wusste so wenig von ihr, doch wenn Kanda sich von einer Mission zurückzog, dann blieb mir nichts anderes übrig, als überzeugt zu sein, dass es richtig war. Er war es doch, der selbst dem kleinsten Hauch Hoffnung nachhetzte. Und jetzt gab er auf?

Es interessierte mich. Ich würde Komui fragen, sobald wir unser Ziel erreichten.

Ich zog Tims Flügel lang, knautschte ihn zusammen und wurde aufmerksam, als ich das leise Rattern kleiner Räder wahrnahm. Wie ein Essenwagen, der da in meine Richtung geschoben wurde.

Sofort schubste ich Tim zur Seite und richtete mich auf.

Wie lange war es her?

Viel zu lange... verboten lange und so war ich ein weiteres Mal sehr großzügig mit mir und deckte mich ein. Eine bessere Ablenkung konnte es nicht geben. Wenn ich aß, dann aß ich auch mit den Augen und den Gedanken. Alles richtete sich auf diese eine Tätigkeit und kurz darauf raschelte es in meiner Kabine. Ich riss Sandwichverpackungen auf, öffnete Getränkedosen und war ein reiner Blickfang für jeden Passanten, der an der gläsernen Tür der Kabine vorbeizog. Ich sah es nicht, kannte es aber.

Und es schmeckte herrlich. Stets damit beschäftigt, Tim von meinen Bestellungen fernzuhalten, ließ ich es mir schmecken und blickte währenddessen in das dichte Schneegestöber hinaus. Von der Umgebung war kaum noch etwas zu sehen. Der Schnee fiel so dicht, dass ich mich freute, nicht in dieses Gewirr geraten zu sein. Ich knöpfte meine Uniform etwas auf, tastete nach einem Riegel und streckte die Beine von mir.

Der Weg würde ein Langer sein. Vor morgen früh würden wir unser Ziel nicht erreichen, doch die Route war angenehm. Wir hatten keine Wege zu Fuß zu bewältigen, nicht auf schwankende Schiffe zu steigen. Anders gesagt, der Weg bot wenig Gelegenheit, dass Kanda und ich uns sahen. Es würde bei verschiedenen Kabinen bleiben, bei Schweigen während der kurzen Wartepausen und insgesamt bei nicht viel Gemeinschaft.

Ich hoffte nur, dass er sich beruhigte.

Und ich tat es schon wieder. Entrüstet ließ ich den Riegel sinken und verzog das Gesicht.

Wie schnell neigte ich dazu, wie schnell wurde ich immer und immer wieder in diese Richtung gezogen. Ich hatte es mir selbst eingebrockt und nachdem in meiner Kabine kein Essen mehr zu finden war, entschied ich mich dazu, mich etwas zu bewegen, einfach etwas durch den Zug zu laufen und mich umzuschauen. Eigentlich kannte ich jede Sorte von Zug in- und auswendig. Ich war schon in so vielen gereicht, hatte mich schon so oft umgeschaut. Und dennoch tat ich es erneut.

Ich verließ meine Kabine, bog einfach zur Seite und spähte aus den anderen Fenstern, die an mir vorbeizogen. Gerade schlängelte sich der Zug durch ein kleines Dorf. Nur undeutlich konnte ich vereinzelte Menschen erkennen. Nur undeutlich die Häuser, einfach das niederländische Treiben inmitten des Winters. Von irgendwo zogen die unverständlichen Wortfetzen anderer Reisender zu mir, irgendwo schrie ein Kind und bequem trödelte ich weiter, während sich Tim wahrscheinlich über die leeren Verpackungen hermachte. Er war nicht bei mir und das war in Ordnung. Am Ende legte er es wieder darauf an, mich zu ärgern und darauf hatte ich jetzt keine Lust. Mich ärgern zu lassen... ich war lieber derjenige, der ärgerte.

Seufzend fuhr ich mir durch den Schopf, ging einem Passanten aus dem Weg und faltete die Hände im Nacken.

Ich fühlte mich wohl.

Als wäre es eine abgeschlossene Mission, die zufriedenstellend hinter mir lag. In gewissem Sinne war es auch so. Die Mission in Belgien war meine gewesen, die letzte eher Kandas. Für mich lief also alles glatt und ganz befriedend.

Ich senkte den Blick, betrachtete mir die Muster des dunkelroten Teppichs, der unter mir vorbeizog. Ein interessantes Muster, es erinnerte mich an etwas und genüsslich gab ich mich diesen sinnlosen Gedanken hin. Ich grübelte, assoziierte, schlenderte einfach vor mich hin und tat mir keinen Zwang an, den Wagon zu wechseln. Kurz lieferte ich mich so der Kälte aus. Der Wind pfiff mir um die Ohren, als ich den schmalen Pass zur nächsten Tür nutzte und ebenso rasch die Wärme des nächsten Wagons genießen konnte. Hier war es etwas leerer. Nur ein vereinzelter Mann saß draußen auf der Bank und die meisten Kabinen, die ich hinter mir ließ, waren unbenutzt. Eine Leere nach der anderen und irgendwann hafteten meine Augen nur noch an dieser Richtung. Dort eine Frau mit ihren Kindern, da ein verkniffener Geschäftsmann und da...

Abrupt kam ich zum Stehen.

Die Arme, gerade noch bequem vor dem Bauch verschränkt, sanken hinab und mein Mund öffnete sich sprachlos. Ich hatte nicht vor, etwas zu sagen, nur schien alles an mir zu entgleisen bei diesem unerwarteten Anblick.

Tief in die Polster gerutscht, hielt Kanda die Beine ausgestreckt und gekreuzt, während Mugen neben ihm an der Bank lehnte. Er hatte es sich bequem gemacht. So war mein Mantel bis zum Kinn des gesenkten Gesichtes gezogen. Er war eingemummelt und er schien entspannt, denn er schlief.

Mein Atem... wie sehr hatte mich dieser Anblick getroffen. Er war in meiner Lunge versiegt und brach erst jetzt wieder hervor.

Ich war diesen Anblick nicht gewohnt.

Wie sein Gesicht aussah, wenn es völlig entspannt und ausdruckslos verharrte.

Wie seine Augen wirkten, wenn sie friedlich geschlossen waren.

So neutral, so entrückt und konzentriert schaffte ich es, den Mund zu schließen.

Das schwarze Haar schlängelte sich über den Stoff des Mantels, umspielte sein Gesicht und wie erleichtert fiel mir die Farbe auf, die es zurückerlangt hatte. Fast wirkte es normal... nur fast, doch im Gegensatz zu der vorangegangenen nicht vorhanden Farbe, war der Unterschied immens.

Der Schlaf war ohnehin das Beste in solchen Lagen. Wie kräftigend musste er sein, wie dringend nötig und nur kurz suchte ich nach seinen Händen. Aber die hielten sich unter dem Mantel versteckt und bevor ich mich in dieser Betrachtung verlor, zog ich eine Grimasse und machte kehrt.

War ich denn nirgends sicher vor meinem Innenleben?

Kopfschüttelnd machte ich mich auf den Rückweg. Vielleicht spielte ich noch einmal mit Tim...?

Einfach irgendetwas, in dem ich Ablenkung fand.
 

Der Rest des Weges verlief so, wie ich es erwartet hatte. Wir sprachen kein Wort, doch sein Gesicht und die vereinzelten Blicke, die mich trafen, verrieten mir, dass er weit von etwaiger Beruhigung entfernt war. Selbst der Schlaf schien keine Hilfe gewesen zu sein. Es hatte mich eigentlich nicht zu wundern. Ich rechnete sogar damit, dieses abgrundtief finstere Gesicht noch weitere Tage zu sehen.

Eine geringe Strafe.

Aber ich hatte mich ja nicht darum zu kümmern.

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages erreichten wir das Hauptquartier. Was mich anging, ich war der Reise müde und freute mich in der Zwischenzeit nur noch auf mein Bett. Im Gegensatz zu Kanda hatte ich zu keiner Minute Schlaf gefunden, war wach und unruhig geblieben, voller Gedanken, die ich eigentlich zu verhindern versuchte.

Scheitern auf ganzer Strecke.

Der richtige Abstand würde vermutlich erst glücken, wenn ich die Tür hinter mir schließen und mich von Kanda abschotten konnte. Wenn ich ihn nicht mehr sah... dann musste es doch einfacher werden, oder?

Kaum hatten wir das Tor passiert und kaum das steinerne Treppenhaus erreicht, da wurde mir der Mantel lieblos zugeworfen. Wir waren auf dem Weg zu Komui, bewegten uns im warmen Inneren. Er hatte ihn nicht mehr nötig. Auf ein ‚Danke’ hatte ich auch nicht gehofft und so war es schon in Ordnung. Gerade von Kanda hatte wohl gerade ich kein Entgegenkommen zu erwarten. Ich verdiente es einfach nicht.

„Allen! Kanda!“ Mit großen Augen richtete sich Johnny auf, riss sich von dem Stapel Arbeit los, der vor ihm in die Höhe ragte. „Da seid ihr ja! Wir haben uns schon Sorgen gemacht.“

„Mm?“ Mit müden Augen lehnte sich River hinter einem anderen Stapel vor. „Ah...“, ein müdes Winken, „... Komui erwartet euch schon.“

Nicht einen Blick hatte Kanda für die Wissenschaftler übrig. Mit derselben verbitterten Miene hatte er es nur auf jene Tür abgesehen, während ich mich irgendwie hinter ihm hielt. Es blieb also an mir hängen, freundlich und gesprächig zu sein. Lächelnd winkte ich zurück.

„Schön, wieder da zu sein.“

„Alles in Ordnung?“ Die Frage war eher an Kanda gerichtet. Johnny wirkte verwundert und mit einem Mal auch recht niedergeschlagen. Vermutlich nicht, weil Kanda gefroren hatte. Nein, die neue, maßgeschneiderte und mit Liebe angefertigte Uniform war verschwunden aber am Ende beließ er es bei einem Seufzen. Nicht nur mir schien Kandas Stimmung aufzufallen und Johnny machte jetzt wahrscheinlich alles lieber, als ihn darauf anzusprechend.

Rivers Gähnen drang noch zu mir, bevor ich hinter Kanda die Tür passierte und in Komuis Büro trat.

„Willkommen zurück.“ Komui war bei bester Laune, als er grüßend die Tasse hob aber Kandas zielstrebige Schritte ließen mich irgendwie ein Donnerwetter erwarten. Vermutlich erfuhr ich gleich etwas über die letzte Mission und wirklich, er stemmte die Hände in die Hüften, baute sich auf der anderen Seite des Schreibtisches auf.

„Was sollte das sein!“ Bitter und nachdrücklich erhob sich seine Stimme und unter einem leisen Räuspern ließ Komui die Tasse sinken. Leise schloss ich die Tür hinter mir und schlich mich dazu. „Ein Witz?“

„Es tut mir Leid.“ Schuldunbewusst zuckte Komui mit den Schultern. „Aber du kennst das doch, Kanda. Es sollte nicht sein aber hin und wieder werden wir falsch informiert.“

„Das nennst du falsche Informationen?“ Zischend neigte sich Kanda nach vorn und Komui hob die Brauen. „Ich nenne das ein blankes Desaster! Wer ist dafür verantwortlich!“

Wieder zuckte Komui mit den Schultern und während sich das nächste Zischen erhob, ließ ich mich auf dem Sofa nieder. Behaglich streckte ich die Beine aus, rieb meine Knie und verfolgte das interessante Schauspiel.

„Wie kannst du mich auf eine Mission schicken, der jede Grundlage fehlt!“

„Hätte ich es eher gewusst, hätte ich es nicht getan.“ Komui seufzte, drehte an seiner Tasse. „Was regst du dich auf? Es ist doch gut ausgegangen.“ Er wies mit einem Nicken auf mich. „Du bist da, Allen ist da... was ist eigentlich passiert?“

„Ts!“ Ruppig verschränkte Kanda die Arme vor der Brust. Eine rasche Kopfbewegung zur Seite zeugte davon, dass er sich Besseres vorstellte, als davon zu erzählen und so blieb es an mir hängen. Entspannt juckte ich mich im Schopf.

„Als ich am vorgegebenen Ort ankam, fand ich nur ein ausgebranntes Haus vor, in dem es nur so vor Akuma wimmelte. Und mittendrin ihn.“ Mit einer knappen Geste wies ich auf Kanda. Noch immer schweigend, starrte dieser zur Seite.

Dass ich nicht ausführlich über die Lage berichtete, in der ich ihn vorgefunden hatte, schien er mir nicht zu danken. Eher wirkte er, als wäre ihm alles egal. Als könnte er nicht mehr tiefer sinken.

„Verstehe.“ Komui gönnte sich noch einen Schluck. „Um ehrlich zu sein, habe ich mir schon Gedanken gemacht.“ Er lehnte sich zurück und seine Augen fanden zu Kanda. „Pass auf, Kanda. Es gibt da etwas, über das du dich freuen wirst.“ Er hielt inne, legte den Kopf schief. „Hörst du zu?“

Erst jetzt und verspätet wandte sich Kanda ihm zu. Mit einem Mal aufmerksam.

Waren seine Gedanken abgedriftet?

Ich lugte zu ihm.

In jene Richtung...?

Wie sehr beschäftigte es ihn?

„Der Broker, an den du nicht mehr herankommen konntest, wurde zehn Kilometer westlich von Crowley und Miranda erwischt.“

„Und darüber soll ich mich freuen?“, entgegnete Kanda sofort. „Er war mein Zielobjekt!“

„Ja, doch.“ Komui seufzte. Dass er hier und jetzt Kandas grausame Laune über sich zu ergehen lassen hatte, gefiel ihm wenig. „Wir können nichts mehr daran ändern, okay? Du konntest nichts dafür aber die nächste Mission kommt und diesmal achte ich besser auf die Informanten.“

„Hoffentlich!“

„Ja ja.“ Komui nahm es mit seiner einmaligen Gelassenheit. Wie musste er Kandas miese Stimmungen gewohnt sein. Fast perfekt war seine Handhabung mit solchen Momenten und nach einem weiteren, genüsslichen Schluck seufzte er. „Ihr könnt gehen und euch ausruhen. Schlaft euch ordentlich aus. Wir werden morgen sehen, wie es weitergeht.“

Er erlaubte uns, zu gehen und Kanda nahm diese Möglichkeit sofort wahr. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und kaum kehrte er Komui den Rücken, schnitt Komui eine irritierte Grimasse. Die Geste war an mich gerichtet, doch mir blieb nicht vielmehr übrig, als mit den Schultern zu zucken.

Was mit Kanda los war?

Gerade ich sollte das wissen?

Komui kapitulierte, griff Kopfschüttelnd nach seinem Kaffee und so machte auch ich mich auf den Weg. Ein kurzes, heiteres Winken und schon folgte ich meinem nächsten Ziel. Der Speiseraum.

Wohin Kanda ging, darauf achtete ich nicht. Was hatte ich das Gefühl, eine Pause von ihm zu benötigen, um wieder vollends zu Verstand zu kommen. Würde ich ihn verfolgen, würde ich ihn beobachten und in seiner Gegenwart zu aufmerksam sein, würde ich mir vermutlich nur Wunden und Schmerzen zufügen. Weitere.

So ging ich das erste Mal seit langem wieder meinen eigenen Weg und stattete Jerry einen Besuch ab. Mir fehlte noch etwas Herzhaftes, bevor ich schlafen ging und in Windeseile wurde es mir zubereitet. Nicht nur rasch, sondern auch mit der üblichen Liebe, worauf Jerry mich aufmerksam machte. Es sah auch recht lecker aus und mit dem gewohnt schweren Tablett machte ich mich anschließend auf die Suche nach einem freien Platz und fand jemand ganz anderen.

„Allen.“ Linali strahlte über das ganze Gesicht, als ich ihr Gesellschaft leistete, neben ihr über die Bank stieg und mein Tablett loswurde.

„Hallo, Linali.“ Ich erwiderte ihr Lächeln, ließ mich nieder und wurde aufmerksam gemustert.

„Hast du die letzten Missionen gut überstanden?“

„Problemlos“, beruhigte ich sie schmunzelnd und verschaffte mir einen Überblick auf meinem Tablett. „Und du?“

„Mit mir ist alles in Ordnung.“ Seufzend griff sie nach ihrem Milchreis, neigte sich zur Seite und hob ein anderes Schälchen an. „Wo ist mein Zucker...?“

„Ich würde mir nur wünschen, dass es langsam wieder wärmer wird“, murmelte ich und reichte ihr beiläufig meinen Zuckerstreuer.

„Ah, danke.“

„Stattdessen wird es immer kälter.“ Ich runzelte die Stirn, lugte zu einem der Fenster.

„Ich mag diese Kälte auch nicht“, pflichtete sie mir bei. „Und im letzten Sommer hatten wir soviel zu tun, dass wir von der Wärme kaum etwas mitbekommen haben.“

„Da sagst du etwas Wahres.“ Ich riss mich von dem Fenster los, schnappte mir meinen Auflauf und schubste Tim zur Seite. Er hatte sich der Auflaufform bedrohlich genähert. „Wenn ich mich richtig erinnere, hat sich der eine oder andere sogar darüber beschwert, dass es zu warm wäre. Was für eine undankbare Meinung. Natürlich war es viel zu heiß.“

Lächelnd blickte Linali auf, nahm mich in Augenschein und ich zückte die Gabel.

„Gegen Schnee habe ich nichts“, meinte ich dann. „Am besten wäre es, wenn er im Sommer fallen würde. Dann hat man ein schönes Bild vor Augen und gleichzeitig eine Erfrischung. Mm.“ Flink versenkte ich die Gabel im Mund, ließ mir den Auflauf schmecken. „Wemm er aber im Winter fällt, bann wieht allef wo weiw auw.“ Ich schluckte hinter, versenkte die Gabel erneut in der dicken Käseschicht. „Man weiß gar nicht, wo man hinsehen soll, was eigentlich egal wäre, weil alles gleich aussieht.“

Ich hob die Brauen, als Linali in leises, heiteres Lachen ausbrach. Irritiert lugte ich zu ihr.

„Was ist?“

Sie lachte weiter, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und sah mich freudig an.

„Es kommt selten vor, dass du so gesprächig bist“, meinte sie dann und ich rümpfte die Nase.

„Das stimmt doch gar nicht.“

„Doch, das stimmt.“ Sie schmunzelte in sich hinein. „Aber ich mag es, wenn du viel zu erzählen hast und zufrieden bist.“

Zufrieden...

War ich das?

Ich begann darüber nachzudenken und verfiel der alten Schweigsamkeit. Kurz darauf aß ich weiter und nur spähte erst auf, als die vertraute Gestalt meines Kollegen an unserem Tisch vorbeizog.

Kanda... und während Linali vergnügt neben mir ihren Milchreis löffelte, sah ich ihm nach.

Er trug bequeme, schlichte Kleidung, zog in Schlappen an uns vorbei und ließ sich dabei alle Zeit der Welt. Kurz hob er die Hand zum Nacken und rieb ihn. Diesmal verbarg er sich nicht hinter seinem Haar, denn dieses war zu einem lässigen Dutt gebunden. Nur wenige Strähnen erfreuten sich der alter Freiheit und wiegten sich unter jedem Schritt. Auch Linali wurde kurz auf ihn aufmerksam, ihr Lächeln vertiefte sich und kurz darauf wandte sie sich wieder an mich.

„Ich habe gehört, du hast dich um das belgische Lager gekümmert?“

„Mm.“ Ich nickte, hielt kurz nach Tim Ausschau und fand ihn auf Linalis Schoß.

„Dafür dürften dir sehr viele dankbar sein.“ Kurz tätschelte sie meinen Golem, griff wieder nach dem Zuckerstreuer.

„Ach“, sofort winkte ich ab. „Es war eine Mission und ich habe sie erfüllt. “

„Trotzdem.“ Sie ließ nicht locker. „Es ist ein gutes Gefühl, dort wieder hingehen zu können und nichts zu befürchten.“

„Mm.“

Schweigend verbrachten wir die nächsten Augenblicke mit unserem Essen. Wir ließen es uns schmecken, schnitten und löffelten, tranken und aßen und natürlich entging es mir dabei nicht, wie sich Kanda nicht allzu weit entfernt mit seinem Tablett niederließ. Er aß das Gewohnte und bewusst lenkte ich meine Augen zurück auf mein Essen.

Ich übte mich in dieser Distanz, doch es war Linali, die ich dabei erwischte, wie sie immer und immer wieder an mir vorbei und zu jenem jungen Mann spähte. Während sie kaute, musterte sie ihn. Des Öfteren, wenn auch kurz und hin und wieder folgte ich ihren Blicken.

Was sah sie dort?

Sah sie mehr, als ich es tat?

Ich leerte die Auflaufform, schob sie zur Seite und als ich gerade mit meiner Suppe beschäftigt war, hielt es sich nicht länger in mir. Erneut folgte ich ihrem Blick, spähte zu Kanda und daraufhin zu ihr.

„Was ist?“

„Mm.“ Unentschlossen besah sie sich ihren Milchreis, zuckte bald mit den Schultern und sie ließ mich warten, späht eher noch erneut an mir vorbei und rieb sich die Wange. „Ich habe das Gefühl“, flüsterte sie mir dann zu, „... dass Kanda irgendetwas beschäftigt.“

„Ah ja?“ Ich gab mich erstaunt und sie nickte.

„Er sieht aus, als wäre er sehr aufgebracht.“

Langsam hob ich den Löffel zum Mund. Die Hälfte der Suppe tropfte runter, denn ich starrte schon wieder zu Kanda. Was sich mir bot, war eine noch immer recht finstere Mimik. Wie er in den Nudeln rührte, auf den Tisch starrte und wenn man lange genug hinsah, dann konnte man auch das eine oder andere Kopfschütteln erkennen.

Aufgebracht, ja?

Ich wandte mich ab und atmete tief durch.

„Warst du nicht mit ihm auf Mission?“

Sie wusste ja mal wieder gut Bescheid...

Manchmal glaubte ich, das einzige worüber diese Geschwister sprachen, waren die Angelegenheiten anderer.

„Du weißt nicht zufällig...“, sie sprach nicht weiter, denn ich schüttelte sofort den Kopf.

In was für eine prekäre Lage Kanda wirklich hineingerutscht war, das wusste nicht einmal Komui. Solche Dinge behielt ich für mich... aber natürlich wurde mir das nicht gedankt.

Von Komui wäre es geradewegs zu Linali gerutscht. Was Linali wusste, das wusste anschließend auch Lavi und sobald Kanda den einen oder anderen Kommentar zu dieser Sache gehört hatte, konnte ich mir ausmalen, was er mit mir tat. Gut, also schwieg ich auch zu meinem eigenen Schutz.

„Wer weiß, was für eine Laus ihm über die Leber gelaufen ist.“ Damit tat ich es ab und zuckte mit den Schultern.

War es offiziell mein Problem?

Hatte ich nichts Besseres zu tun, als Kandas finstere Stimmungen auseinanderzunehmen und zu studieren?

Linali schien es zu begreifen, denn sie seufzte und begann wieder zu löffeln. Wir löffelten beide und kurz darauf gähnte ich ausgiebig.

„Was bin ich müde.“ Ich schüttelte den Kopf, rieb mir die Wange und lugte kauend zu Linali.

Sich mit ihr zu unterhalten, machte wirklich Spaß, wenn Lavi nicht da war. Amüsiert sah sie mich an.

„Ich habe das Gefühl, dass allein die Kälte schon müde macht.“ Blind rührte ich in meinem Essen und hob die Brauen. „Immerhin ist man die ganze Zeit verspannt und bibbert.“

„Das kenne ich“, stimmte sie heiter zu und streute noch mehr Zucker auf ihren Milchreis. „Das Aufstehen wird auch immer schwerer.“

„Wenn draußen die Sonne scheint und es warm ist, kann man es gar nicht eilig genug haben, an die frische Luft zu kommen“, quatschte ich zurück und zog ein Schälchen mit Pudding zu mir. „Im Sommer kriege ich nie genug vom Reisen.“

„Lavi hat es gut. Er ist in Amerika und dort, wo es warm ist.“

„Wie unfair“, bemerkte ich Stirnrunzelnd und neben mir brach Linali in Lachen aus.

„Irgendwie schon.“

„Mm.“ Somit versenkte ich den ersten Löffel mit Pudding im Mund und es war ein seltsamer, innerer Trieb, der meinen Blick zur Seite driften ließ. Hin zu Kanda und als ich diesen erblickte, stoppte ich in jeder Bewegung. Mit unglaublich finsterer Miene starrte er auf seine Nudeln, starrte sie an, als wünsche er ihnen die Pest an den Hals. Essen wollte er scheinbar auch nicht mehr. Was für ein Kontrast zu unserer, kleinen heiteren Runde.

„Ach“, seufzte Linali da und mit großen Augen wandte ich mich von Kanda ab. „Ich wäre zu gerne bei Crowleys Feier gewesen. Wie war sie?“

„Toll, ich hab bei den Vorbereitungen mitgeholfen.“

„Was macht man nicht alles für seine Kameraden.“

„Ja.“

Von dem einen Tablett und meiner Faulheit erzählte ich nichts. Das war irgendwie der falsche Moment. Neben mir beschäftigte sich Linali wieder mit Tim. Sie streichelte ihn, kraulte seine kleinen Hörnchen.

„Was mache ich nur?“, murmelte sie nebenbei. „Ich hab so einen Appetit, ich könnte noch einen Teller von diesem Milchreis essen.“

Sofort wurde ich auf diesen Teller auf meinem Tablett aufmerksam. Ich hatte noch einen Teller Milchreis. Hoffentlich kam sie nicht darauf, nach ihm zu fragen. Was mein Essen anging, war ich Besitz ergreifend.

Und... in anderen Gebieten wohl auch.

Ich leerte das Schälchen und kaum langte ich nach meinem Milchreis, kam Linali neben mir auf die Beine.

„Ich kann nicht anders“, lachte sie. „Bin gleich wieder da.“

Ich winkte ihr mit dem Löffel und ließ es mir schmecken. Tim flatterte hinter ihr her und kurz spähte ich meinem Golem nach. Untreuer Kerl. Vermutlich lag es daran, dass Linali ihn im Gegensatz zu mir nicht ärgerte. Langsamen Schrittes trat diese nun in den Gang und schlenderte weiter, näher zu Kanda... immer näher und kurz schien es so, als wolle sie bei ihm stehenbleiben.

Vielleicht eine Frage stellen, deren Antwort auch mich interessiert hätte.

Doch rasch verfiel sie ihrem alten Tempo und zog an der reglosen und finsteren Gestalt Kandas vorbei. Vermutlich war es zu gefährlich. Sogar für sie.
 

~*tbc*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-03-06T07:39:59+00:00 06.03.2011 08:39
Armer Kanda QxQ
Von: abgemeldet
2010-10-14T17:49:03+00:00 14.10.2010 19:49
du lässt Yuu aber ganz schön was mitmachen XDDDDD
Der ist echt voll durcheinander der Kerl und Allen qutascht da so lässig mit den andren. Schönes Kapi
Von: abgemeldet
2010-10-10T09:55:12+00:00 10.10.2010 11:55
Armer kanda. Der Bub ist voll verwirrt aber allen freut sich total. :)


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