Reqium of Darkness & Quiet Symphony von abgemeldet (Walker x Kanda) ================================================================================ Kapitel 20: Annäherung ---------------------- Wohin führte ihn sein Weg...? Wohin führte mich so auch meiner? Lautlos bewegte ich mich hinter ihm. Weit genug entfernt und doch näher bei ihm, als sonst. Den Golem wieder mit der Hand umschlossen, verfolgten meine Augen die schlendernden Bewegungen seines Körpers. Wie er trottete... so langsam, als kenne er selbst sein Ziel noch nicht. Das Profil seines Gesichtes, das sich mir nur annähernd bot, als er einen Quergang erreichte, nach links blickte... nach rechts... und letztlich doch den ersten wählte. Nur wenige Momente, die er verschwunden blieb und als ich ihm um diese Ecke folgte, beantwortete sich meine Frage. Es war ein schmaler Durchgang, in den er einbog. Dieser Weg führte in die Lounge und unter einem tiefen Atemzug regte ich die Schultern und blickte um mich. Meine Beine blieben in permanenter Bewegung. Als teilten sie mein Interesse und wären nicht minder neugierig. Ein Schritt, noch ein Schritt... und behutsam streifte meine Hand das kühle Gestein, als auch ich diesen Durchgang erreichte. Ein leichter Zug erfasste und erfrischte mich. Irgendwo musste ein Fenster offen stehen und kurz hielt ich danach Ausschau, während sich der große Raum vor mir auftat. Ich blieb stehen, nur flüchtig streiften meine Augen die in Gemütlichkeit aneinandergereihten Sofas und Sessel. Sie umgaben schmale Tische, harmonierten in ihre dunklen Farben mit dem finsteren Mahagoni und wurden nur schummrig von den vereinzelten Lampen erhellt. Hier in der Lounge war es immer etwas dunkel... finster oder gemütlich. Wie man es eben sehen wollte. Vermutlich war diese Wahrnehmung ohnehin von dem Befinden abhängig. Es war gemütlich. Still... soviel ruhiger als der Speisesaal, in dem der Trubel in diesen Augenblicken höchstwahrscheinlich nicht an Lautstärke verlor. Letztendlich war ich Kanda nur an einen Ort gefolgt, den ich wohl auch aus eigenem Antrieb aufgesucht hätte. Wenn auch ohne Vorhaben. Hier vorbeizuschauen verleitete hin und wieder dazu, sich einfach hinzusetzen und sich die Strukturen der steinernen Wände zu betrachten. Hier musste man nichts tun. Ein Wissenschaftler, der sich seine Ruhe in einer leicht abgeschotteten Ecke gesucht hatte, tat es dennoch. Er war in eine Zeitschrift vertieft und das Rascheln des Papiers, das sich unter seinen Fingern unablässig erhob, machte beinahe allein die Atmosphäre aus. Nur kurz musterte ich auch ihn, fand ihn völlig abwesend und vertieft vor. Er spielte hier und jetzt keine Rolle. Noch immer tat ich nicht viel mehr, als nur dort zu stehen... die Augen in der Umgebung und doch nicht auf ein mögliches Ziel gerichtet. Nur beiläufig drangen Kandas Schritte in mein Bewusstsein... und kaum hörbar war das Ächzen, das er ausstieß, bevor er sich einfach auf eines der Sofas sinken ließ und die Beine von sich streckte. Fast vollständig stahl er sich so aus meinem Blickwinkel. Nur der schwarze Schopf, der auf das Polster sank und sich kurz die richtige Bequemlichkeit suchte. Er rückte sich zurecht und kurz darauf hob er das Fläschchen. Er hob es vor das Gesicht, bewegte das Wasser und ließ die Kohlensäure knistern... verfolgte es scheinbar aufmerksam und setzte das Fläschchen kurz darauf an die Lippen. Nichtstun... Abgeschiedenheit... Ein leichtes Grinsen zuckte an meinem Mundwinkel. Ich selbst könnte es sein, der nun dort saß. Unsere Absichten waren einander ähnlich, während wir zwei uns grundlegend voneinander unterschieden. Was für eine interessante Begebenheit. Langsam setzte ich mich wieder in Bewegung. Ich begann zu schlendern, entließ den schwarzen Schopf nicht aus meiner verstohlenen Aufmerksamkeit... pirschte mich an, näherte mich ihm... und bog doch ab. Auf ein nahes Sofa hatte ich es abgesehen. Der Winkel zu Kanda lockte mich und als ich mich auf dieses Polster sinken ließ, fläzte er dort schräg gegenüber. Wie offenkundig konnte ich ihn betrachten, während ich selbst diese Sicherheit genoss. Beiläufig begann ich Tim wieder sicher zu verstauen. Seine Freiheit hatte letzthin etwas abgenommen und fiel dabei doch nur meinen eigensüchtigen Plänen zum Opfer. Er schlug mit den Flügeln, kündigte stumm seine Unzufriedenheit hat... bevor ich ihn unter ein Kissen stopfte und den Ellbogen darauf setzte. Schräg gegenüber streckten sich die Beine aus. Kanda machte sich lang, träge rutschte sein Leib um ein Stück tiefer und annähernd bewegungslos blickte er in die Lounge. Das Fläschchen auf dem Oberschenkel gebettet, es mit der Hand stetig und abwesend bewegend. Es schien ihm gut zugehen... und nur kurz drang mein Abdriften aus der Realität in meine Wahrnehmung. Ich entschwand, verlor den Sinn für die Umwelt und wie gedankenlos erlag ich dabei den eigensinnigen Pfaden meiner Augen. Sie führten mich, ich ließ sie führen und mich selbst bis ins Endlose fallen. Es war angenehm... ich brauchte keine Gründe und unter einem tiefen Atemzug begann ich mich selbst zu entspannen. Auch meine Beine streckten sich, kreuzten sich und nur undeutlich nahm ich die Bewegungen des Golems unter dem Kissen wahr... bis auch diese Begebenheit einfach an Existenz verlor. Es war gleichgültig... Niemand erwartete Erklärungen von mir. Meine Augen waren dem Blinzeln fast überdrüssig und stetig zog mich diese warme, verlockende Strömung zu diesen Beinen. Noch immer verharrten sie reglos. Nur einer seiner Füße begann leicht zu wippen. Bewegungen, die mir nicht entgingen... die ich mir betrachtete, als wären sie für mich von immenser Wichtigkeit. Waren sie das? Seine Finger... nur stockend regte ich mich an dem Rückenpolster. So entspannt und doch so sicher... das Fläschchen befand sich in festem Griff und knisternd erhob sich das Rauschen der Kohlsäure abermals, als er es wendete, das Wasser im Glas schwenkte. Bewegungen, so gleichmäßig, dass ich eine Weile damit zubrachte, alleine sie zu verfolgen. Immerfort, bis die Hand den Bewegungen Einhalt gebot und das Fläschchen zurück zu den Lippen hob. Lippen, die sich schürzten, aufeinanderpressten und von einem tiefen Ausatmen überflutet wurden, bevor sie auf das kühle Glas trafen, den schmalen Hals behäbig umschlossen. Es waren nur Bewegungen... ein langsames, von Trägheit geprägtes Handeln und doch schien jede dieser Regungen so anziehend, dass ich mich ihnen hingab, wie dem Atmen selbst. Tief und inbrünstig... so existentiell. Eine bestehende Notwendigkeit, die aus verworrenen Gedankengängen resultierte. Mein Interesse, meine Aufmerksamkeit... noch nie hatten sie sich grundlos in Bewegung gesetzt... noch nie grundlos zum Leben erwacht. Waren noch nie hin zu Wirklichkeiten gedriftet, die außerhalb meines Radius’ lagen. Außerhalb des Kreises, der mich in seiner Wichtigkeit einnahm. Meine Blicke waren nicht grundlos. Nichts von meinem Hier sein. Ich vertraute mir und tat es blind. Abrupt drang ein Geräusch an meine Ohren. Es erhob sich plötzlich und ebenso rasch spähte ich zur Seite. Meine Aufmerksamkeit löste sich von Kanda und ich sah dort diesen Finder, der sich ausstolperte. Er war in den langen, schmalen Blättern einer Pflanze hängen geblieben, zerrte seinen Mantel zurecht und warf dem Störenfried einen mürrischen Blick zu. Diese Pflanze... sie war wirklich recht groß, wucherte so unaufhaltsam, dass sie beinahe die Hälfte eines Ganges für sich einnahm. Auch Kanda hatte das Gesicht gewandt, verlor das Interesse an diesem Malheur aber weitaus eher als ich und blickte zurück zu seinem unsichtbaren Punkt. In jener Ecke begann auch die Zeitung wieder zu rascheln und behaglich schmiegte ich mich zurück an die Rückenlehne. Dieser stille Frieden... meine Lider senkten sich und tief atmete ich durch. Tim schaffte es unterdessen, einen Flügel ins Freie zu winden und nur beiläufig nahm ich wahr, wie er mich streifte. Nur undeutlich, denn meine Aufmerksamkeit war dem alten Bann verfallen. Direkt und unausweichlich blieben meine Pupillen auf ihn gerichtet. Mit halb geschlossenen Augen bekam ich dennoch alles mit, sah ihn sich kratzen. Am Oberschenkel und das sehr ausgiebig, doch plötzlich erhob er sich. Die Reglosigkeit fiel von ihm ab und kurz darauf fand das Fläschchen seinen Platz auf dem nahen, kleinen Tisch. Er wurde es los, kam auf die Beine und trat um jenen Tisch herum. Als hätte er ein Ziel und während ich die ersten, schlendernden Schritte nicht einordnen konnte, waren die nächsten kein Geheimnis mehr. Es war die wuchernde Pflanze, auf die er es scheinbar abgesehen hatte und langsam richtete ich mich auf. Konnte ich meinen Augen trauen? Was scherte er sich um diese Blätter? Eine Verhaltensweise, die mich irritierte und kurz zuckte mein Gesicht, als er den großen Topf zu fassen bekam und mit sich zog. Ein irres Quietschen erhob sich in der bislang so friedlichen Lounge. Raschelnd wurde in der Ecke auch die Zeitung sinken gelassen und quietschend bewegte sich der Topf auf dem glatten Boden weiter. Er zog ihn hinter sich her, zog ihn zu dem Sofa und nur beiläufig schob er den kleinen Tisch mit dem Knie zur Seite. Störte er sich an der Pflanze oder bot sich mir hier ein erschreckendes Beispiel von Langeweile? Meinetwegen hätten noch zehn weitere an den Blättern hängen bleiben können. Es hätte mich nicht tangiert, nicht dazu bewegt, etwas zu unternehmen. Mit diesem Gewächs konnte ich wenig anfangen. Konnte er es mehr, als ich? Träge ließ er sich zurück auf das Sofa sinken. Direkt vor seinen Beinen ragten die wahllosen Blätter in die Höhe und kurz streifte er sie mit den Handrücken zur Seite, langte nach seinem Wasser. Interessant... oh, wie interessant diese Momente waren! Ich sehnte mich danach, vorzuspulen... schneller zu erfahren, was er zu tun gedachte. Vorerst nippte er nur an der Flasche, trank in großen, wenigen Schlucken und wurde das Fläschchen diesmal auf dem Boden los. Neben seinem Fuß stellte er es ab, streifte die Blätter erneut aus seiner Sicht und völlig entspannt neigte er sich daraufhin näher, weiter nach vorn. Zielstrebig versanken seine Hände inmitten der verworrenen Blätter und was genau er dort tat, konnte ich vorerst nicht ausmachen. Er schien zu tasten, etwas zu betasten und unablässig erhob sich dieses Rascheln. Die Blätter blieben in permanenter Bewegung, kurz schwang er sich das lange Haar aus dem Gesicht und es war ein längeres Band, das kurz darauf auf dem kleinen Tisch abgelegt wurde. Er warf es einfach zur Seite, neigte sich in die andere und wurde rasch fündig. Und wieder. Seine Hände machten sich zuschaffen und wie entspannt wirkte er in diesen Momenten. Als handle es sich um eine Tätigkeit, in der er sich verlieren konnte. Und dabei wirkte er wirklich so entrückt. Als würde er hier und jetzt eine klare Grenze zwischen Realität und Absenz ziehen. Er suchte sich in all dem Gemenge einen Überblick, beiläufig folgten seine Finger dem Verlauf eines langen Blattes und es dauerte nicht lange, bis die nächsten Bänder ins Freie gezogen und auf dem Tisch verstaut wurden. Längere Zeit blieb es bei ein und denselben Bewegungen. Mechanisch und dennoch so vorsichtig, wie es keine Maschine könnte. Das nächste Band wurde abgelegt und mit einem Mal fiel er aus dem Muster der letzten Minuten. Seine Hände verließen die Blätter, zogen sich zurück und gleichzeitig setzte er sich etwas zurück. Sein Haar... abermals strich er es zurück, bevor er sich an seinen Ärmeln zuschaffen machte. Er strüffelte sie höher, schlug sie um... entblößte seine Unterarme bis zum Ellbogen und sofort machten sich meine Augen mit diesem neuen Gebiet vertraut. Ich nahm, was er mir gab, wagte mich weiter vor, wagte mich bis ins Unermessliche und betrachtete mir dieses dünne Armband aus Perlen. Es war mir schon früh aufgefallen. Öfter und doch nur kurz, ohne dass ich mir Fragen stellte oder mich dafür interessierte. Doch hier und jetzt entpuppte es sich für mich als eine verlockende Facette seines Charakters. Während er so simpel blieb, war das das einzige, das ihn irgendwie... zierte. Ein Armband, das in stetiger Bewegung blieb. Die Perlen schienen sich jeder seiner Regung anzupassen und nach einem knappen Strecken nahm er eines der Bänder an sich. Es fand seinen Platz auf seinem Oberschenkel und mit einer plötzlichen Intensität streifte er mehrere Blätter zurück. Er packte zu, ohne zu verletzen, ohne zu zerdrücken und raschelnd gaben sich die Blätter dieser Direktion hin. Ein Griff, mit welchem er die Pflanze in ihrem Platz einschränkte. Die Blätter fanden zueinander, nebenbei griff er nach jenem Band und die Konzentration zwang seinen Oberkörper weiter nach vorn, als er sich daran machte, es zu befestigen. Wie er es um ein Blatt legte. Um ein Ausgesuchtes, das genug Halt bot und wie sehr achtete ich auf die Feinarbeit seiner Finger, achtete auf diese Berührungen, die ich ihm nicht zugetraut hätte. Soviel Gefühl, soviel Vorsichtig... dass seine grobe Art mit einer solch fragilen Sache umzugehen wusste. Dass Hände, die ein Schwert führten, auch dieses dünne Band zu führen wussten. Eine langsame Bewegung. Er wandte den Kopf und geschmeidig rutschte der lange Zopf über seine Schulter. Beinahe erreichte das Haar seine Beine, doch er ließ sich nicht stören, war so vertieft in diese Tätigkeit, dass wohl weitaus mehr passieren könnte, ohne, dass seine Aufmerksamkeit abbrach. Vereinzelte Finder bahnten sich ihren Weg durch die Sofas. Unterschiedliche Stimmen erhoben sich und wie fließend zog all das an ihm vorbei, während er wie ein Unbeteiligter wirkte. Wie jemand, der nicht wirklich anwesend war. Laute Worte, Gelächter... und seine Augen lösten sich kein einziges Mal von diesen Blättern. Fließend umschlang er mehrere mit dem Band, tastete nach einem weiteren Starken und der Knoten war so schnell gebunden, dass ich es kaum verfolgen konnte. Eine solche Aufgabe, bemerkte ich. Die Aufgabe, die er sich hier und jetzt selbst stellte, forderte Geduld. Vermutlich würde er längere Zeit an dieser Pflanze zugange sein, bevor sich ihm ein zufriedenstellendes Ergebnis bot. War er bereit dazu? Konnte er sich mit Ruhe einer solchen Sache hingeben? Meine Lippen waren trocken. Seit geraumer Zeit verharrten sie leicht geöffnet und wie abwesend befeuchtete ich sie mit der Zunge, schürzte sie. Selbst meine Augen... ich dachte selten an ein Blinzeln und behäbig holte ich es nach. Wieder streifte Tims Flügel meine Hose. Das Kissen bewegte sich unter meinem Ellbogen und nur stockend neigte ich mich weiter zur Seite, setzte dem Kissen einem Gewicht aus, unter welchem es sofort reglos verharrte. Ich war kaum noch da, schien genauso abzudriften, wie Kanda es tat und verlor das Gefühl für meinen Körper. Das, was Kanda hier tat, war nichts, das zu seinen Pflichten gehörte. Niemand zwang ihn dazu, niemand erwartete Derartiges von ihm. Es war ein eigener Wille, der ihn zu diesem Schaffen führte und umso mehr meiner Verzückung drehte sich um diesen Fakt. Das erste Band schien befestigt. Auf einer Seite hatte es die Blätter deutlich zurückgezogen und er betrachtete es sich nur kurz, bevor er sich zur Seite wandte und nach den nächsten Blättern tastete. Wieder griff er in sie hinein, sein Kopf neigte sich und fließend zog er ein braunes Verwelktes hervor. Er hatte es von seinem Stängel gelöst. Auch ein Zweites nahm er mit und schon fanden diese verdorrten Blätter ihren Platz neben den übrigen Bändern. Er suchte nach weiteren, strich die Blätter vor, strich sie zurück, griff erneut mitten in das Gemenge und es waren weitere zwei Blätter, die er für nicht mehr gut befand. Die Pflanze wurde um sie erleichtert und schon tastete er nach dem nächsten Band. Sein Handgelenk... geschmeidig glitt die Perlenkette tiefer, als er es senkte. Es war so schmal... so schlank. Wie unwirklich erschien in diesen Momenten die Erinnerung an die Kraft, die er auf dem Schlachtfeld offenbarte. Die Kraft seiner Schläge, die immense Kraft des gesamten Körpers, der sich hier und hier so sanft und fürsorglich um eine zerbrechliche Pflanze sorgte. In ein lautes Gespräch vertieft, zogen drei Finder an ihm vorbei. Gar nicht weit von der Pflanze entfernt und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie ihn nicht bemerkten, da sie Kanda nicht bei einer solchen Aufgabe vermuteten. Als wäre er irgendein Finder niederen Ranges, der seinen Mantel vergessen hatte. Jemand, der für Aufgaben solche Art zuständig war. Niemand vermutete einen Exorzisten bei einer solchen Tätigkeit und während die drei lachten, ließ sich Kanda nicht stören. Noch immer nicht. Es war wohl eine Lautstärke, die ihm in einem anderen Fall einen Kommentar entlockt hätte, doch wie soviel auch, schien es diese Finder ebenso wenig zu geben. Sie konnten lachen, quatschen und faseln... Kanda versenkte das Band zwischen den Blättern, begann zu tasten und es festzubinden. Mit jeder seiner Bewegungen, so schien es mir, zog er mich in seinen warmen, abwesenden Sog. Zog mich direkt hinein, wie jemanden, der es nicht verstand, sich dagegen zu wehren. Der hilflos war gegenüber einer solchen Verleitung. Es mochte auf mich zutreffen. Ich war hilflos, nicht darauf aus, mich in die kühle, laute Realität zurückzustehlen. Abdriften... die Wahrnehmung für alles andere verlieren. Es war ein Sog, in dem ich mich wohl fühlte und nur beiläufig spürte ich das starke Pochen meines Herzens. Etwas versetzte es in hektische Arbeit, ließ mir den eigenen Puls bis in die Ohren steigen und mich eine gewisse Kälte wahrnehmen. Auf meinen Armen... es musste eine Gänsehaut sein und erneut verharrten meine Lippen leicht geöffnet, als Kanda sich hinabneigte, nach dem Fläschchen griff. Das zweite Band war befestigt und entspannt gönnte er sich einen Schluck. Ich konnte es sehen... die Bewegung seines Halses, als er den Kopf hob. Umspielt von dem geschmeidigen, langen schwarzen Haar, regte er sich unter dem jeden Schluck und nur leise drang das Ächzen an meine Ohren, mit welchem das Fläschchen sinken gelassen wurde. Der Durst schien gestillt, das Fläschchen wurde immer abgestellt und kurz rieben beide Hände die Oberschenkel. Er rückte sich zurecht, suchte sich eine gewisse Bequemlichkeit... und nahm sich schon des dritten Bandes an. So fließend, so rasch... seine Zielstrebigkeit hätte für unerfahrene in Hektik verwandelt werden können. Ich kannte seine wahre Hektik und zog man hier und jetzt Vergleiche, nahm er sich unendlich viel Zeit. Wie viel... fragte ich mich... wie viel von seinem Können driftete in Richtungen, die niemand erwartete? Seine Fertigkeit mit dem Schwert schien für mich unübertroffen. Seine Ausdauer sowie Kraft unerschöpflich. Und diese... Zärtlichkeit... Stumm bewegten sich meine Lippen. Mein Mund fühlte sich trocken an. Mein Hals. Ich schluckte und bemerkte, wie schwer es mir fiel. Ich könnte einen Schluck trinken, fiel mir auf. Die Limonade hielt ich immerhin noch in einer Hand, doch der Gedanke, mich aus meiner Erstarrung zu lösen, missfiel mir. Ich fühlte mich wohl in dieser warmen Absenz. Fühlte mich auch wohl mit meinem trockenen Hals. Es war schon in Ordnung. Alles... war in Ordnung. Auch die Schauer, die meine Arme durchliefen. Diese Kälte, dieses Erschaudern, während meine Augen entrückt zu diesem Armband zurückdrifteten. Was diese Hände taten, war mir bald gleich. Nur beiläufig nahm ich wahr, dass er weiter an den Blättern arbeitete, ein Band nach dem anderen an sich nahm und es unterbrachte. Der Fortschritt. Er interessierte mich nicht. Interesse... nur seine Bewegungen... Wie er die Hände gebrauchte, mit den Schultern rollte, sich flüchtig den Zopf über die Schulter zurückstrich und nach geraumer Zeit tätig war, als wäre er es erst seit wenigen Sekunden. Einige Blätter schienen widerspenstig. Das eine oder andere befreite sich von dem Band und wie entspannt, wie geduldig strich er jedes einzelne zurück, verschaffte ihm den alten Halt. Wie viel sich diese Blätter leisten durften. In anderen Situationen verlor er die Geduld so unendlich schnell. War diese Pflanze das einzig lebende Wesen, das von seiner Besonnenheit profitieren konnte? Ich war neidisch. Auch ich würde seine Besonnenheit begrüßen. Seine Gelassenheit... Doch... war sie mir nicht schon zuteil geworden? Vor nicht allzu langer Zeit im Speiseraum? Reichte es mir etwa nicht...? Ein Zucken durchfuhr meine Miene, konzentriert hielt ich mein Fläschchen fest. Nein... Es reichte mir nicht. Ich wollte mehr... soviel mehr von ihm. Er richtete sich auf. Eine starke Bewegung und die erste seit langer Zeit und irritiert begutachtete ich das fertige Werk. Die Bänder... allesamt verarbeitet, die Pflanze in ihre Schranken gewiesen. War er so flink oder war ich zu weit entfernt gewesen? Er setzte sich zurück, nahm das Fläschchen mit sich und fand seine Bequemlichkeit an der Rückenlehne. Und auch er vertiefte sich in dieses Resultat, besah es sich schweigend und gelöst. Seinem Leib schien keine Verspannung innezuwohnen. Die Schultern blieben gesenkt, abwesend bewegte die Hand das Fläschchen auf dem Schoß und tief atmete er durch. Es schien in Ordnung zu sein. Das Rascheln der Blätter war verstummt. Auch das Rascheln der Zeitung in jener Ecke. Der Wissenschaftler musste gegangen sein. Wie weit war ich abgedriftet? Nichts war zu mir gedrungen und nur undeutlich nahm ich selbst die Bewegungen der beiden Finder wahr, die Kandas Sofas erreichten. In ein heiteres Gespräch vertieft passierten sie die Rückenlehne, schlenderten und nur leicht streifte der Fuß des eines Finders die Ecke des Sofas, als sie dieses hinter sich ließen. Nur eine leichte Berührung und doch erwachte Kanda plötzlich zu altem Leben. Mit einem Mal fiel er in das alte Schema zurück und die beiden Finder traf ein finsterer Blick. Fort war die Entspannung, fort seine Abwesenheit und doch blieb es bei diesem Blick. Die Lippen hielten sich zurück, kein Wort kam über sie, doch gleichsam geriet auch die Pflanze in Vergessenheit. Sie schien nicht mehr zu existieren, seit er mit ihr fertig geworden war und es vergingen nur wenige Sekunden, bevor er auf die Beine kam. Er rutschte zur Seite, stand auf und pirschte sich an der Pflanze vorbei. Niemand würde mehr in ihr hängen bleiben und wie stockend folgten ihm meine Augen. Wie er sich im Schopf kratzte, an der bequemen Hose rückte und wieder fand das Fläschchen zu seinem Mund, kurz bevor er den Durchgang passierte und sich meiner Aufmerksamkeit entzog. Es war so schnell gegangen. Ich hatte kaum die Gelegenheit gefunden, mich wirklich von ihm zu lösen und lange starrte ich so auf jenen Durchgang, bevor ich mich stockend in die Realität zurückblinzelte. Er war fort und ich begann mich wieder wahrzunehmen. Wie ich hier saß. Mein Körper... anhaltend wirkte er wie vereist und es war ein tiefer, geräuschvoller Atemzug, unter welchem er letztendlich in sich zusammensank. Wie verspannt ich gewesen war, wie verkrampft und wie reglos. Erst jetzt bemerkte ich all das. Als ich an der Rückenlehne tiefer rutschte, die Beine bewegte und mein Ellbogen vom Kissen glitt. Sofort fiel es zur Seite, augenblicklich flatterte Tim in die Höhe und er konnte sich so empört gegen meinen Arm rammen, wie er wollte, es war mein Leib, der auf sich aufmerksam machte. Die alte Gänsehaut auf meinem Arm und keuchend hob ich auch die Hand und bettete sie auf meiner Brust. Mein Herz... es fühlte sich an, als wolle es herausspringen. Die dumpfen, schweren Schläge durchzogen meinen gesamten Körper, ließen meinen Atem rasen und ich stellte mir die Frage, was mit mir geschah. Hier und genau jetzt. Die Reaktion meines Körpers stellte mich vor seltsame Fragen, doch es war der falsche Moment, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ich wollte es nicht... es interessierte mich nicht einmal sonderlich und schwer atmend rieb ich mir die Brust, schloss die Augen und fühlte mich mit diesem Zustand gar nicht mal so schlecht. Er war neu, war unbekannt, doch er ließ sich ertragen... so bitter und gleichzeitig süß und wie räkelte ich mich in den nächsten Momenten in meiner Aufregung. Regte die Beine, zog sie an, kreuzte und streckte sie. Ich war unruhig, mit einem Mal und ächzend streifte ich mir irgendwann das Haar zurück. Mein Körper tat nichts, das sinnlos war. Unsere Symbiose ließ mich ihm vertrauen... Vertrauen in sein Befinden legen. Was er empfand, war richtig, war gut Ich weiß nicht, wie lange ich dort sitzen blieb. Wie lange ich an alles dachte und doch wieder an nichts. Wie lange es mich an dieses Polster fesselte und mir nicht der Sinn danach stand, auf die Beine zu kommen. Beruhigung... der erste Schritt, damit das Leben weitergehen konnte und ich erreichte dieses Ziel mit tiefen Atemzügen, mit zielgerichteter Suche nach Entspannung und Losgelöstheit. Das Geschehene war zu groß und zu schwer, um es sofort zu verarbeiten. Es war mit einem Schlag zu vergleichen. Ein Schlag, der saß. Ich rückte zur Seite, rückte zur anderen und spätestens, als Tim begann, sich in meiner Hose zu verbeißen und an dieser zu zerren, begann ich mich aufzurappeln. Wohin wollte ich gehen...? Die ersten Schritte waren durchaus unsicher. Als hätte ich meine Beine seit längerer Zeit nicht benutzt. Sie waren weich und machten es mir schwer, mich geradeaus zu bewegen. Schlürfend, strauchelnd und erst, als ich den Durchgang betrat, konnte ich mich zielstrebiger bewegen, weitaus sicherer. Nur wohin...? In der kühlen Luft des steinernen Flures blieb ich stehen, spähte nach beiden Seiten und wählte den linken Weg, als ich mich an eine gewisse Sache erinnerte. Der Speisesaal... Es dürfte schon begonnen haben. Ich wusste nicht, wie viel meiner Zeit in der Lounge geblieben war, doch einen Versuch war es wert. Ich hatte stark damit zu tun, ein Gähnen zu unterdrücken, als ich mich bald darauf in den Speisesaal schob. Die Feier hatte wirklich bereits begonnen, scheinbar hatte ich mir zu lange Zeit gelassen... war zu lange an jener anderen Sache hängen geblieben aber als ich sah, dass noch genug Häppchen übrig waren, war es mir schnell egal. Wie Crowleys Reaktion ausgesehen hatte, das konnte ich mir bildlich vorstellen. Vermutlich so wie jedes Jahr. Bestimmt hatte es Tränen gegeben und wirklich hörte ich ihn aus der Menge heraus. Wie sehr er all das zu schätzen wusste und wie überrascht er dabei war. Eigentlich seltsam. Immerhin war das nicht sein erster Geburtstag im Orden. Diese ‚Überraschungsfeier’ gab es im Grunde jedes Mal... und zwar sehr überraschend... dabei war er stets so ehrlich verblüfft, wenn es ein weiteres Mal geschah. Als rechne er damit, dass es irgendwann vergessen wurde. So oder so... in diesem Jahr war es wieder einmal nicht der Fall und nur kurz erfassten meine Augen ihn, bevor ich abbog und mich zu den Tafeln stahl. Es war Zeit für das Abendessen. Die Teller waren mir zu klein, also langte ich nach einer leeren Platte und begann sie mir zu füllen. Davon etwas, davon gleich drei... oh, Suppe! Entspannt und guter Dinge machte ich mich an dem Angebot zu schaffen, drängte mich vor so manchen Finder und hatte am Ende meines Rundganges um die Tafel schwer zu schleppen. Das beladene Tablett auf dem Unterarm, bahnte ich mir anschließend meinen Weg durch die Masse. Ich wollte Crowley gratulieren, zeigen, dass ich da war. Vielleicht auch sagen, wie fleißig ich für ihn mitgeholfen hatte. Meine Stirn legte sich kraus, beiläufig versenkte ich einen Shrimp im Mund. Nein, das wäre gar keine gute Idee. Das wäre eine Lüge. Sehr unpraktisch. „Allen!“ Schon von weitem wurde ich erkannt. Aufgeregt reckte sich ein Arm in die Höhe und lächelnd fand ich mich bei der Gruppe ein. Komui, River, Johnny, Rokujugo und mitten drin das verheulte Gesicht Crowleys. Er begrüßte mich mit einem tiefen Seufzen, schien selbst von meiner Anwesenheit so gerührt. Eine komische Sache, denn meine Anwesenheit war unfreiwillig jede Mission hätte ich dieser Feier vorgezogen. Aber das musste er nicht wissen. „Alles Gute zum Geburtstag.“ Ich lächelte breiter, raffte das Tablett höher und liebevoll wurde meine Schulter getätschelt. Neben mir nippte Komui an seinem Champagner. „Es ist wunderschön geworden!“ Crowley zog die Nase hoch, gestikulierte mit seinem Rotwein. „Und es sind so viele da. Einfach herrlich.“ So viele? Wenn ich mich nicht irrte, waren Kanda und ich die einzigen Exorzisten, die derzeit hier herumlungerten. Wirklich lang war die Gästeliste nicht und die restlichen Mitarbeiter, die sich hier nach allen Regeln der Kunst bedienten, hatten vermutlich nur beiläufig aufgefangen, um wen es sich hier eigentlich handelte. Aber Crowley war zufrieden und das war die Hauptsache. Beschäftigt fischte ich den nächsten Shrimp von der Platte, wurde gleichzeitig auf einen Donut aufmerksam. „Heute lassen wir es uns gut gehen“, verkündete Komui bester Laune. Wieder nippte er an seinem Glas und kurz darauf seufzte er. „Wäre doch meine Linali hier...!“ Skeptisch lugte ich zu ihm. Wie selbstlos von ihm. „Es ist schon in Ordnung!“ Crowley verstand das irgendwie falsch, machte sich plötzlich daran, Komui zu beruhigen. „Ich verstehe, warum es nicht ging aber glaub mir, Komui, diese Feier ist mehr, als ich mir zu träumen gewagt hätte.“ Mm... Gemächlich kaute ich, hatte mir schon den Donut geschnappt. Dafür hatte Komui nur ein weiteres Seufzen übrig. Noch schnell einen Schluck gegen den Frust und schon spähte er um sich. „Ich hab Hunger“, bemerkte er nebenbei und kurz wurde er auch auf meine Platte aufmerksam. Nur kurz lugte er zu ihr, bevor ich mich leicht abwandte und sie aus seinem Blickfeld rettete. Daran sollte er gar nicht erst denken. Von der Platte spähte er zur Seite und plötzlich hoben sich seine Brauen. „Na, sieh mal einer an“, stieß er ungläubig aus und lehnte sich zur Seite, um an dem einen oder anderen vorbeizuspähen. „Das glaube ich ja nicht. Kanda?“ Mit einem Mal begann er zu winken, augenblicklich schlossen sich die anderen seiner Beobachtung an und ich war einer der Schnellsten. Tatsache. Da war dieser schwarze Schopf, der sich in die Richtung einer der Platten bewegte und nach einem weiteren Ruf Komuis hielt Kanda inne. Er fand uns schnell, starrte zurück und tat es wenig angetan, während Komui noch immer winkte. „Willst du den Geburtstag mitfeiern?!“ Quer durch die Halle wurde diese Frage gerufen und ein irritiertes Stirnrunzeln folgte als Reaktion. „Geburtstag?“, vernahm ich seine Stimme. „Wer hat Geburtstag? Ich will nur ein Wasser!“ Und schon wandte er sich ab und schüttelte den Kopf. Crowley schmunzelte, Johnny grinste und Komui seufzte. „Wie dumm“, bemitleidete er sich selbst. „Davon auszugehen. Ich muss verrückt sein.“ Die Worte drangen kaum zu mir, denn es waren meine Augen, die Kanda noch immer folgten. Die nächsten seiner Schritte, bis er in der Masse verschwand. Es war amüsant. Wie sehr ich davon ausgegangen war, dass er von der Feier wusste sowie von ihrem wahren Grund. Dass er mehr Überblick hatte, als ich. Fehlschlag und schmunzelnd wandte ich mich wieder der kleinen Gruppe zu. Eigentlich passte es gar nicht zu ihm. Wovon war ich nur ausgegangen? „Ich hole mir etwas zu essen“, entschuldigte sich Komui und hob das leere Glas. „Bin gleich zurück. Geht nicht weg.“ Wohin sollten wir auch gehen? Kauend sah ich ihm nach. „Und?“, wandte sich Johnny unterdessen heiter an Crowley. „Wie fühlt es sich an, ein weiteres Jahr auf dem Buckel zu haben?“ „Wie soll es sich anfühlen?“ Das verwirrte Crowley. „Ich fühle mich nicht anders, als sonst.“ „Wie schnell die Zeit vergeht“, wunderte sich River, schnappte nach dem Strohhalm und saugte an seinem Milchshake. „An den letzten Geburtstag von dir kann ich mich noch genau erinnern.“ „Auch an den von unserem Allen“, wies Johnny mit einem Nicken auf mich und ich zuckte nur mit den Schultern, verstaute das letzte Stück des Donuts im Mund. Ein leises Lachen erhob sich in der Runde. Ja, daran erinnerte sich wahrscheinlich jeder. „Wie oft mussten wir den verschieben, weil du auf Mission immer wieder neue Aufgaben gefunden hast?“ „Zweimal...?“, grübelte ich laut und tastete nach vereinzelten Erdbeeren. „Dreimal?“ „Die Köche waren am Ende völlig fertig“, lachte Johnny. „Immerhin mussten die dreimal ein Festessen zubereiten.“ „Hättet ihr mir das gesagt, wäre ich zurückgekommen“, warf ich ein, ohne es wirklich ernst zu meinen. Im Nachhinein konnte man so etwas immer behaupten und die anderen sahen wirklich aus, als würden sie mir das abkaufen. „Wenigstens heute haben wir es hinbekommen.“ Zufrieden bewegte River den Strohhalm zwischen den Lippen und sofort verfiel Crowley dem alten Seufzen. „Es ist wunderschön.“ Ich war unterdessen bei der fünften Erdbeere und kaute genügsam. „Geburtstage sind für uns Wissenschaftler oft die einzige Gelegenheit, etwas Spaß zu haben“, bemerkte Johnny und sofort wurde genickt. „Bei Kanda glaube ich hin und wieder, er will seinen Geburtstag nicht feiern, weil er es uns nicht gönnt.“ „Das ist Blödsinn.“ River verzog das Gesicht. „Stimmt.“ Ich hatte es mitbekommen. Natürlich und zwar in jedem Jahr, das ich schon hier verbrachte. Ich denke, Kanda feierte seinen Geburtstag auf seine eigene Art und Weise. Nämlich gar nicht. Was war schon ein Jahr, außer dass es vom nicht aufzuhaltenden Alterungsprozess zeugte? Ich feierte meinen Geburtstag auch nur, weil es da immer soviel zu essen gab. Im Grunde hatte auch ich es nicht nötig. Die Aufmerksamkeit... schon die Tatsache, dass man etwas Besonderes aus einem normalen Tag machen wollte. Ich blieb nicht mehr lange. Bis meine Platte alle war. Die Gruppe war immer noch so gesprächig aber für mich gab es bald darauf etwas viel Wichtigeres. Ein Fläschchen Limonade war das Letzte, was ich mir stibitzte, bevor ich mich verabschiedete. Zeit gelassen hatte ich mir lange genug und umso zielstrebiger war ich dann zu meinem für heute vorerst letzten Ziel unterwegs. So wie dieser Tag endete, endete auch mein quälerisches Ausharren... mein Warten auf den Moment, an welchem man mir die für mich die eine, wichtige Erlaubnis gab. An welchem man mir die alte Arbeitsfähigkeit zusagte. Ich war auf dem Weg in den Krankenflügel und während jeden Schrittes voller Erwartungen. Wie es wirklich um meine Verletzung stand, war dabei nebensächlich. Wichtig war einzig und allein die Meinung, die ich von mir hatte. Entgegen aller Tatsachen... ich war bereit... war es längst. Vielleicht noch eine Stunde, vielleicht noch eine Nacht. Ich glaubte zu spüren, wie nahe mein Aufbruch war, wie nahe meine Zufriedenheit. Das Limonadenfläschchen baumelte zwischen meinen Fingern, flatternd begleitete mich auch Tim. Er hatte vermutlich auch nichts dagegen, allmählich wieder rauszukommen. In seiner Langeweile neigte er zu irritierenden Verhaltensweisen. Ich musste meine Pause beenden, bevor ich es ihm gleichtat und mich gar nicht wiedererkannte. Wie tragisch wäre das. Meine Schritte wurden rascher, die Gänge immer schmaler und noch bevor ich die Tür zum Krankenflügel öffnete, da stieg mir schon dieser unangenehme Geruch in die Nase. Desinfektionsmittel... ebenso andere Gerüche, die ich mir nicht erklären konnte, geschweige denn, es wollte. Ich war nie gerne dort gewesen. Kurz darauf bot sich mir dieser lange Flur, an welchem sich so einige Türen aneinanderreihten. Behandlungsräume, Patientenzimmer... hier war alles zu finden und schlendernd zog ich an einem vereinzelten Bett vorbei, welches seinen seltsamen Platz außerhalb gefunden hatte. Auch kleine, mit Medikamenten und anderen Utensilien beladene Wägen schob ich mir aus dem Weg und begann mich nach der richtigen Tür umzuschauen. Durch eine von ihnen drang ein leises Husten, ein leises Rascheln hinter einer anderen und kurz meinte ich auch die Stimme einer Krankenschwester zu vernehmen. Ich schlenderte weiter, vorbei an Quergängen und an dem Fläschchen nippend betrat ich letzten Endes einen dieser Flure. Dort... Ich nahm einen Schluck, wendete das süße Getränk im Mund und hob die Brauen. Eine offenstehende Tür lockte mich und sofort trat ich an sie heran. „Hallo?“ Ich lehnte mich hindurch, geradewegs in den dahinterliegenden Raum, spähte nach links, nach rechts... doch es waren nur drei leere Behandlungsliegen, die sich meinen Augen boten. Nicht das, worauf ich gehofft hatte und ich lehnte mich weiter, sicherte meinen Halt mit der Hand. Sie bettete sich auf den Türrahmen, während ich auf eine dünne, weiße Trennwand aufmerksam wurde. „Jemand da?“ Nein, es schien nicht so. Keine Antwort, kein Geräusch und Stirnrunzelnd schob ich mich zurück. Wenn ich mich nicht irrte, hatte ich den einen oder anderen Arzt auf Crowleys Feier gesehen. Ich schöpfte tiefen Atem, vertrat mir dort im Türrahmen kurz die Beine. Hoffentlich gab es hier noch jemanden, der die Arbeit als wichtiger ansah... der seine Pflichten wahrnahm und liebend gerne meinen Freibrief aus der quälenden Tatenlosigkeit unterzeichnete. Ich blähte die Wangen auf, gedankenverloren schoben sich meine Finger zum Bund der Hose und seufzend trat ich zurück, wandte mich um... und erstarrte. Ein Stich... von meinem Herzen aus schien er geradewegs durch meinen gesamten Leib zu zucken. Bis in meine Fingerspitzen, die sich schwer damit taten, den dünnen Hals des Fläschchens nicht entgleiten zu lassen. Plötzlich stand er vor mir... so nah, dass nicht mehr viel gefehlt hätte. Im letzten Moment hatte auch er innegehalten, sein Schritt hatte ihn zur Seite geführt... an mir vorbei und in eine Sicherheit, in die ich nicht hineinreichte und das einzige, was ich tat, war lautlos den Mund zu öffnen. Ich hatte nicht mit dergleichen gerechnet, nicht mit diesem Anblick... und es war allein ein flüchtiger Blick, ein kurzer Wechsel der Aufmerksamkeit, in welchem ich seine Augen erfasste. Als hätte ich sie noch nie so deutlich vor mir gehabt... als wäre mir die Strukturen der dunklen Iris nie aufgefallen. Er blieb in Bewegung, er zog an mir vorbei und wie bereitwillig wandte sich mein Gesicht ihm nach. „Geh mir aus dem Weg!“ Ein Zucken durchfuhr seine Miene... er schien es eilig zu haben und so erstarrt mein Körper auch war, wie gelähmt in diesem Moment... es trieb ihn zurück und geradewegs gegen den Türrahmen, als sich Kanda an mir vorbei schob und in den Raum spähte. Eine Brise... sauber, frisch... ein dezenter Duft von Seife. Der leichte Luftzug seiner Bewegung erreichte mich, schien mich so immens einzuhüllen, dass ich nichts tat, wonach die Situation verlangte. Aus dem Weg gehen... ein Schritt zurück... irgendwohin... Doch ich blieb stehen. Mit offenem Mund, kaum eines Blinzelns mächtig und nur kurz fassten meine Finger das Fläschchen fester. Es schien meiner Kontrolle zu entrinnen... einfach alles und wie zielstrebig war währenddessen der Weg meiner Augen. Er führte mich über seinen Hals, tiefer... und endete am Saum seines Hemdes. Nur ein Moment, nur eine Sekunde, bis ich mich losriss. Als hielt jeder neue Tag Veränderungen bereit, die es galt, an ihm zu entdecken. Sorgfältige Aufmerksamkeit, durchmustern... betrachten und was mich letztlich in die Realität zurückstraucheln ließ, war sein ernüchtertes Stöhnen, als er in dem Behandlungszimmer nicht viel mehr entdeckte, als ich. Wie seltsam... hier und jetzt, so, wie ich ihn erlebte und so, wie er sich zeigte... hätte ich es nicht selbst gesehen – seine Handhabung mit der Pflanze, hätte ich es nimmer geglaubt. Hätte es nicht nachvollziehen können. Und doch war es geschehen. Seine Sanftheit, seine Vorsicht... nichts, das jetzt in seinen Bewegungen oder seiner Mimik auszumachen war. Und ich bemerkte es erst jetzt. Ich atmete nicht mehr... selbst in meiner Brust schien alles gelähmt und warm strömte der erste Atemzug über meine Lippen, als Kanda zurücktrat... an mir vorbei und unter einem mürrischen Kopfschütteln zurück in den Gang. Seine Wärme... die Hitze seines Körpers. Sie entrann meiner Wahrnehmung... erfasste mich so flüchtig wie der Hauch einer Verlockung, der nicht nach sich greifen ließ. Was tat ich...? Ein Blinzeln... eine Regung meines Gesichtes und stockend blickte ich zur Seite. Noch immer der Türrahmen in meinem Rücken, noch immer die Haltung, in der keine Entspannung zu finden war. Nur leise erhoben sich seine Schritte. Sie entfernten sich... ich blickte ihnen nicht nach, vernahm nur das Klicken einer Tür, die ohne jede Zurückhaltung geöffnet wurde. „Gibt es hier zufällig noch jemanden, der seine Arbeit tut?“ Energisch erhob sich seine Stimme und nur stockend folgten meine Augen diesem Laut. In einen anderen Raum hatte er sich gebeugt und nur leise erhob sich das Knistern irgendwelcher Unterlagen. „Eh...“, ein unsicheres Räuspern folgte auf seine Frage, „... worum geht es denn?“ „Es geht darum, dass ich einen Arzt suche!“ Stöhnend trat er zurück. „Sie sehen nicht aus wie einer!“ „Ähm... nein, ich arbeite im Labor.“ Es fiel schwer... Sich wach zu blinzeln aus diesem Zustand, der mich noch immer gepackt hielt. Zurückzugelangen... auch zurück in die Wirklichkeit und es brauchte einen tiefen Atemzug. Noch einen... und kurz hob sich meine Hand zur Brust, rieb sie und wurde Zeuge eines gewissen Gefühles, das ich bislang nur vermutet hatte. Mein Herz... Es schlug so dumpf, als hätte ich meinen Leib zu Höchstleistungen getrieben. Eine Empfindung, die sich wiederholte und ich stand noch immer nur dort, während sich die Stimmen gar nicht weit entfernt fortwährend erhoben. Kandas Art, jemanden zu finden, war soviel effektiver, als meine. Vermutlich machte ich keinen Fehler, wenn ich einfach hier stehenblieb und von seiner fordernden Art profitierte. Und wirklich – durch ihn kam die Sache ins Rollen und als er wieder im Flur erschien, hatte er wirklich einen Arzt im Schlepptau. Für ihn, selbstverständlich. Seine Fürsorge hatte Grenzen aber es dauerte nicht lange, bis auch für mich jemand gefunden wurde. Gemeinsam traten Kanda und ich so in jenes Untersuchungszimmer zurück und während mein Arzt sich noch kurz diversen Schubläden zuwandte, machte ich mich bereits an meinem Hemd zu schaffen. Schnell einen Knopf aus dem Loch gedreht und kaum hatte ich mir den Stoff über den Kopf gestreift, erhob sich die Stimme des anderen Arztes. „Ein leichter Krampf in der Wade, sagten Sie?“ Ich wandte mich um, spähte zu einer der anderen Liegen und verfolgte, wie Kanda sich auf diese schob. Er nickte, flink war er aus den Schuhen geschlüpft und beiläufig warf ich mein Hemd auf meine Liege, tastete hinterrücks nach der Kante und setzte mich. „So etwas kann passieren, wenn ein hoher Leistungspegel durch eine Pause unterbrochen wird.“ Kandas Arzt zog sich einen Hocker heran, ließ sich neben der Liege nieder und Kanda ließ sich zurückfallen, machte sich lang. „Sorgen Sie nur dafür, dass es nicht wieder vorkommt.“ Kurz rückte er sich zurecht und schon machten sich die Hände des Arztes an der lockeren Hose zu schaffen. Er streifte sie höher, entblößte die Wade. „Ich muss in einer Stunde los.“ War das so? Noch heute Abend führten unsere Wege also wieder auseinander. Wir brachen auf. Leider nicht gemeinsam. „Ich werde Ihre Muskeln mit einer Massage lockern. Sie müssen sich keine Sorgen machen.“ Tief durchatmend schob Kanda einen Arm unter den Kopf. Scheinbar nachdenklich drifteten seine Augen gen Decke und mit bestimmten Griffen wandte sich der Arzt der Massage zu. Er begann seine Wade zu kneten, zu reiben und Kanda juckte sich am Bauch. Dinge, die ich beobachten konnte, bis der zweite Arzt in mein Blickfeld trat. Auch er zog einen Hocker näher und sofort schloss ich mich seiner ersten Musterung an. Von der Prellung war kaum noch etwas zu sehen. Die Verfärbungen waren beinahe vollständig verblasst und wenn ich mir das Gesicht des Mannes so betrachtete, dann gab es Grund zur Zuversichtlichkeit. „Sagen Sie mir, wenn es schmerzt“, murmelte er, während er die Hände hob und während meine Rippen betastet wurden, kümmerte ich mich lieber um die andere Liege. Die Hand flach auf dem Bauch gebettet, hatte Kanda es scheinbar gemütlich. Sein Bauch hob und senkte sich in ruhigen, regelmäßigen Abständen und in diese Beobachtung vertieft, achtete ich wenig auf den leichten, stechenden Schmerz, den der Druck der Finger in mir wachrief. Dass es noch weh tat, hatte den Arzt nicht zu interessieren. Es war alles bestens und so verharrte meine Miene völlig entspannt. „Hier?“ Der Arzt drückte mit der flachen Hand, wieder folgte ein gewisser Schmerz und gelöst schüttelte ich den Kopf. Es folgten nur noch wenige, prüfende Blicke, bevor ein Stethoskop gezückt wurde. Wäre ich ehrlich über die Reaktion meines Körpers, bestand die Gefahr, dass Komui mich auf eine Mission schickte, die mich schonen sollte. Etwas Einfaches, bei dem keine Kämpfe erwartet wurden. Mühselige, nervige Recherchen, ohne Akuma-Kontakt und somit genau das, was ich verhindern wollte. Kühl ließ sich das Metall kurz darauf auf meiner Haut spüren, tief atmete ich durch und es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Mann einem vielversprechenden Nicken verfiel. Zufrieden? Ich starrte ihn an und klimpernd landete das Stethoskop neben mir auf der Liege. „Sie können aufbrechen.“ Was für herrliche Worte. Es war schwer, das Grinsen zu unterbinden und während der Arzt auf die Beine kam und zu den Schubfächern zurücktrottete, griff ich bereits nach meinem Hemd. Besser sofort, als später. Den Weg zu Komui würde ich so schnell hinter mich bringen, wie noch nie zuvor und flink schlüpfte ich in den Stoff, zupfte ihn zurecht und rutschte von der Liege. „Geben Sie nur Obacht, dass ihre Rippen nicht noch einmal von einem solchen Schlag getroffen werden“, wandte sich der Arzt noch an mich, als ich bereits auf dem Weg zur Tür war. „Sollte es doch passieren, wird die Kurierung mehr Zeit in Anspruch nehmen.“ „In Ordnung.“ Es war mir so egal, ich wollte nur noch weg und griff schon nach der Klinke. Die Tür öffnete sich, wieder drang mir dieser seltsame Geruch entgegen und als Tim an mir vorbeiflatterte, so aufgeregt, als wüsste er von der bevorstehenden Mission, drehte ich mich noch einmal um und sah Kanda noch immer dort liegen. „Kanda.“ Stirnrunzelnd wandte er das Gesicht zu mir, blickte mich schweigend an und sah mich die Hand heben. „Pass auf dich auf.“ „Kümmere dich um deinen eigenen Kram.“ Ach, wie herrlich. Schmunzelnd verließ ich das Zimmer und trat auf den Flur hinaus. Konnte man es so deuten, dass ich selbst auf mich aufpassen sollte? Mein Geschick, Kandas Worte zu deuten, driftete Stück für Stück der absoluten Perfektion entgegen. Da war sie – diese herrliche, schwarze Mappe und sofort ließ ich mich mit ihr auf dem Sofa nieder. Komui hatte sich doch wirklich von der Feier losreißen können. Eine Leistung, die mir zugute kam und mich so nahe an die nächste Mission heranführte. Ich öffnete die Mappe, während Komui an dem Champagner nippte, den er hatte mitgehen lassen. „Diese Mission ist wichtig“, erklärte er, als er das Glas sinken ließ und bereits in die Schrift vertieft, nickte ich. Es war auch eine kleine Karte, die ich mir betrachtete. Der Weg führte mich diesmal nach Belgien. Wieder einmal. „Es handelt sich um eines unserer Lager in Mons.“ Die Lager... sie dienten zur Ausrüstung und Erholung vorbeikommender Exorzisten. Ein Ort, an dem man sich kurz erholen und ausreichend schlafen konnte. Wie eine Etappe, die man mit dem Erreichen des Lagers hinter sich brachte. Interessant. „Was stimmt mit diesem Lager nicht?“, erkundigte ich mich, noch immer in die Karte vertieft und Komui atmete tief durch, lehnte sich zurück. „Seit etwas zwei Monaten hat dieses Lager seinen Zweck verloren. Exorzisten, die sich dort eine kurze Ruhepause gegönnt haben, gerieten nicht sehr weit entfernt in einen großangelegten Hinterhalt, nachdem sie das Lager verließen.“ Stirnrunzelnd blickte ich auf, sah ein ernstes Gesicht. „Vor zwei Wochen geriet auch Linali große in Gefahr. Nicht einmal einen Kilometer von dem Lager entfernt. Bis zu mehreren Level-3-Akuma lauerten den einzelnen Exorzisten auf, wodurch wir uns die Frage stellen, weshalb die Akuma von den Wegen unserer Exorzisten erfahren und das tun sie, weil sie genau in der geplanten Richtung lauern.“ „Du vermutest einen Verräter unter den Leuten dort.“ Ich sprach aus, was ich dachte und sofort nickte Komui. „Ich wüsste nicht, was es sonst sein könnte. In dem Lager gibt es von Findern, über Köche bis zu Ärzten jeden, der in Kontakt mit dem Grafen stehen und ihm gewisse Pläne zuspielen könnte. Deine Aufgabe ist es, zu recherchieren und, wenn es sich wirklich um einen Verräter handelt, dich um diesen zu kümmern.“ „In Ordnung.“ Somit schloss ich die Mappe und kam auf die Beine. Tim flatterte bereits zur Tür zurück. „Ich mache mich sofort auf den Weg.“ „Viel Glück.“ Mir wurde gewinkt und kurz hob auch ich die Hand, bevor ich mich abwandte und meinem aufgeregten Golem folgte. „Pass auf dich auf.“ „Mach ich.“ Was für ein Gefühl. Als ich durch die Wissenschaftsabteilung schlenderte, kam ich nicht um ein Seufzen, bewegte die Mappe auf der Schulter. Es zog mich nach draußen. So stark, so verlockend, dass ich mich sputete, mein Zimmer zu erreichen. Nur wenige Vorkehrungen. Viel Zeit würde ich mir nicht lassen und genüsslich streifte ich mir die Winteruniform über. Sie war bequem, saß perfekt und fürsorglich schloss ich die einzelnen Schnallen, rückte den Gürtel zurecht und stieg in die ebenso warmen Stiefel. Ich war bereit, auch von der Kleidung her und schon schnappte ich mir auch den dicken, schwarzen Mantel. Ich verließ das Zimmer, tat es endlich wieder für längere Zeit und die Mappe unter dem Arm trat ich dann hinaus in die Eiseskälte der Nacht. Rasch die Kapuze über den Kopf gezogen, sich in den Mantel gehüllt und im Schutz, den mir die Häuser Paris’ bald darauf boten, öffnete ich die Mappe erneut. Nach Belgien... nach Mos... ich freute mich auf diesen Weg. Die untätige Zeit, die hinter mir lag, erschien so endlos und selbst der Anblick des Bahnhofes, den ich nach einem längeren Marsch erreichte, erwärmte mir das Herz. Dieser Ort war wie ein alter Freund. Kein sonderlich schöner oder warmer Freund aber ich war nicht sehr wählerisch und gesellte mich sofort zu dem Fahrplan. Ich würde fließend vorankommen, nicht lange warten müssen und das Umsteigen blieb bei einem einzigen Mal. Sechs Stunden... vielleicht nur fünf und ich wäre an meinem Ziel. Nachts, was gewissermaßen auch Vorteile mit sich brachte. Mein Auftauchen würde überraschend sein, nicht vorgesehen, nicht geplant. Niemand würde darüber informiert sein und vermutlich brachte mir das mehr als nur einen Vorteil. ~*tbc*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)