Reqium of Darkness & Quiet Symphony von abgemeldet (Walker x Kanda) ================================================================================ Kapitel 14: Wiedervereinigung ----------------------------- Wer konnte damit rechnen, dass ein Einkaufsbummel solche Wendungen nahm. Wenn schon der Verlauf einer Mission selten dem Plan entsprach… könnte nicht wenigstens an diesem Tag alles so kommen, wie ich es erwartet, oder doch eher erhofft hatte…? Dass ich ungestört die Erledigungen machte und mich dabei mit jedem Schritt entspannte, weil es nichts gab, das meiner stetig angeschlagenen Laune gefährlich werden könnte. Es kam alles anders… meine Miene war finster, meine Lippen schweigsam. Auch in dem nächsten Laden beließ ich es dabei, lieblos das kleine Packet an mich zu nehmen, es in der Tasche meines Mantels zu verstauen und mich wieder dem Getümmel auszuliefern. Und in fast jedem Augenblick nahm ich wahr, was ich sonst oft vergaß. Blicke… Aufmerksamkeit, so tief ich die Kapuze auch in mein Gesicht hinab zog. Seltsame Gesten… Mimiken, deren Ursprung ich auf mich bezog. Ich konnte doch nicht anders und wurde verbitterter und verbitterter. Wie tückisch waren die wenigen Stunden Schlaf. Sie verleiteten dazu, übermütig zu werden und viel von dem Tag zu erwarten. Wie oft hatte ich diesen Fehler schon begangen… Als mich keine Stunde später der eisige Wind auf der offenen Straße erwischte, trat ich in ein kleines Gasthaus. Nach dem unzumutbaren Frühstück verlangte mein Magen schon jetzt nach Nachschub und den wenigen Gästen den Rücken kehrend, schob ich mich auf einen Hocker an der Theke. Kurz den Schnee vom Mantel geschüttelt und schon streifte ich mir die Kapuze vom Kopf und entdeckte Tim diesmal auf dem Hocker direkt neben mir. Er hatte das Wetter vermutlich auch satt. Ich setzte die Stiefel auf die Sprosse des Hockers und wurde nach wenigen Momenten bemerkt. Es war eine füllige, ältere Frau, die zu mir trat, währenddessen noch ein Glas abtrocknete und mich flüchtig, jedoch nicht zu nachlässig musterte. „Na“, erhob sie dann die Stimme und ich fischte nach einem Zahnstocher, bewegte ihn zwischen den unter wärmendem Stoff verborgenen Fingern, „… du siehst aber durchgefroren aus.“ Ich wusste, dass es in manchen Gaststätten Brauch war, um den heißen Brei herumzureden, nur stand mir nicht der Sinn danach, mich mit ihr zu unterhalten. Weder über das Wetter, noch darüber, wie ich gerade aussah. Ich versuchte weiteres Gerede in einem beiläufigen Nicken zu ersticken und klemmte mir den Zahnstocher zwischen die Lippen. „Machen Sie mir bitte ein paar Sandwichs.“ Kurz und klar… mehr musste man dazu eigentlich nicht sagen aber die Frau seufzte nur und schrubbte weiter an dem Glas herum. Verstohlen lugte ich kurz zu ihr… voller Befürchtungen, die sich kurz darauf nur bestätigten. „Du kommst nicht von hier, oder? Sonst würdest du wissen, dass diese Gaststätte das weltbeste Gordon Bleu macht und würdest es sofort kosten.“ Schweigend sah ich sie an, tippte mit dem Zahnstocher auf den Tisch. „Wie wär’s?“ Mit großen Augen starrte sie zurück. „Sandwichs bekommst du doch überall.“ „Dann geben Sie mir eben Gordon Bleu.“ Es war der Weg des geringsten Widerstandes. Ein Weg voller Hoffnung darauf, dass sie jetzt den Mund hielt und mir brachte, was ich brauchte. Aber sie stand noch immer dort und schrubbte. „Das ist eine gute Wahl“, freute sie sich und griff nach dem nächsten Glas. „Du wirst nicht enttäuscht sein. Aber weißt du was?“ Stoisch schüttelte ich den Kopf. Woher denn auch? Die Sachen, die ich derzeit wusste, wollte sie bestimmt nicht hören. „Wir haben gerade ein spezielles Angebot. Wenn du zwei Gordon Bleus bestellst, bekommst du das Zweite zum halben Preis.“ „Dann machen Sie mir fünf.“ „Oh.“ Endlich hielt sie inne. Das Glas wurde sinken gelassen. „Soviel kannst du essen?“ Irgendwie erinnerte mich diese Szene an das Trauerspiel im Speisesaal. Heute an Essen heranzukommen, war so unsagbar schwer. Diese Fragen… Würde ich soviel bestellen, wenn ich es nicht essen könnte? Ich rümpfte die Nase, überlegte, ob ich wirklich darauf antworten musste. Da lehnte sie sich etwas zu mir, beäugte mich von Kopf bis Fuß und so weit, wie sie mich eben sehen konnte. „Du siehst nicht so aus, als würdest du wirklich soviel essen.“ Ich schöpfte tiefen Atem, rieb mir die Lippen. Wieso gerade heute? Gegen Gespräche dieser Art hatte ich ansonsten nichts einzuwenden… nur heute umso mehr. Hier und heute hatte ich nicht zu heucheln, nichts vorzugeben, was ich einfach nicht war. Hier war ich mit all meinen Launen und Abneigungen, ohne gute Miene zum bösen Spiel. Doch hier folgte auch ein Niederschlag dem anderen und sie verzog das Gesicht. „Ziemlich mager, wenn du mich fragst.“ Sie fragte aber keiner. „Weißt du?“ Heimlichtuerisch lehnte sie sich zu mir und ich mich um ein Stück zurück. „Wir haben einen Stammgast, der hat einmal zehn Stück gegessen. Er hält den Rekord. Aber im Gegensatz zu dir sah er auch danach aus. Ziemlich dick.“ Sie sprach noch weiter und nach wenigen Sekunden spähte ich nachdenklich zur Seite. Würde Kanda jetzt auf diesem Platz sitzen, fiel mir ein, dann wäre die Frau vermutlich längst still und an der Arbeit. Bei ihm wäre es nicht so weit gekommen… längst nicht soweit. Meine Verstimmtheit wurde wohl zu sehr von dieser Schweigsamkeit begleitet, als dass ich dasselbe Resultat erzielen könnte. „Das müsstest du dir mal anschauen.“ Sie redete immer noch. Vermutlich hatte ich meine Taktik zu ändern. Besonders schwer fiel es mir nicht. Ich unterbrach sie einfach. „Könnten Sie sich um meine Bestellung kümmern?“ „Oh, natürlich.“ Ihr Lächeln führte mir vor Augen, wie sanft meine Stimme trotzdem noch war. Meine Bitterkeit schien weder offensichtlich, noch ernstzunehmend und still ertrug ich weitere inhaltslose Worte, bevor sie sich endlich zur Küche bewegte und sich kümmerte. Den Ellbogen auf die Theke und das Kinn in die Handfläche gestemmt, sah ich sie verschwinden. Tim gesellte sich zu mir, fand seine Bequemlichkeit auf meiner Schulter und sein Interesse an meinen Haaren. Resigniert und reglos ließ ich ihn an meinen Strähnen rupfen, bewegte mich nur hin und wieder, um tief durchzuatmen. Die Frau kehrte schnell aus der Küche zurück aber glücklicherweise fand sie einen anderen Gast, der sich ihr Gerede sogar anhören wollte und seinen wichtigen Teil dazu beisteuerte. Ich fand es in Ordnung, einfach und ungestört auf mein Essen zu warten. Ich hatte Zeit, denn es war nur noch ein Weg, der vor mir lag. Von der Theke spähte ich zu den Tischen, spähte weiter zur Tür und kam mit einem Mal nicht drum herum, die Augen zu verdrehen und mich abzuwenden. Zwei Männer betraten die Gaststätte… und nicht nur ihre Mäntel kannte ich. Auch eines der beiden Gesichter. Zwei Finder hatten sich ebenso vor der Kälte zurückgezogen und natürlich dauerte es nicht lange, bis ich gesichtet wurde. „Oh… Walker, ich grüße Sie.“ Direkt neben mir blieben sie stehen und störten sich nicht daran, dass ich nur kurz die Hand hob, ohne sie anzublicken. Mit einem von ihnen hatte ich vor gar nicht langer Zeit eine beschwerliche Mission bestritten. Und das nicht nur mit ihm… Lavis Anwesenheit hatte ihn nur von meiner höflichen Seite kosten gelassen. Ich hatte ihn gern… eigentlich… nur jetzt gerade nicht. „Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen.“ Ja, drei Wochen… Eine halbe Ewigkeit. Ich rieb mir die Mundwinkel, lugte lustlos zu den Beiden. „Das ist er. Das ist Allen Walker“, wandte sich der eine ganz freudig an den anderen, mir Unbekannten. „Von dem ich dir erzählt habe. “ „Oh, wirklich?“ Der Zweite staunte und meine Hand wanderte zur Wange und rieb sie. „Die Zusammenarbeit mit Ihnen wurde in höchsten Tönen gelobt. Es ist schön, dass es auch so freundliche Exorzisten gibt. Hoffentlich kann ich Ihnen auch einmal auf einer Mission behilflich sein.“ Um Gottes Willen… Der alte, kühle Schauer überkam mich, ließ mich kurz die Augen schließen. Das hatte man also von seiner Freundlichkeit. „Wie geht es Ihnen?“, kam da schon die nächste Frage von dem ersten Finder und ich zuckte mit den Schultern. „Ich sitze in einer Gaststätte“, murrte ich, „… warte auf mein Essen.“ Aus den Augenwinkeln fanden meine Pupillen zu den Beiden zurück. „Und ich genieße diesen Moment so sehr, dass ich fast vor Freude platze!“ Irritiert öffneten sich ihre Münder. Endlich war es deutlich genug gewesen und mir gelang sogar ein Stöhnen, als ich mich ab- und wieder zur Theke wandte. „Wirklich…“, knurrte ich dann, „… sehe ich nicht so aus?“ „Äh…“ Beirrt wechselten die Beiden Blicke. Sie wussten nicht mehr, was sie sagen sollten und hoffentlich fiel ihnen nicht noch etwas ein. Weitere Worte waren einfach unangebracht und kurz darauf erhob sich neben mir ein leises Räuspern. „Na gut…“, hob der bekannte Finder an, während der andere den Freundlichsten aller Exorzisten verwirrt anstarrte. „Dann… gehen wir mal und eh… machen uns wieder an die Arbeit.“ „Macht das.“ Nicht einmal zu einem Winken war ich imstande, bevor sich die beiden endlich abwandten und zur Tür zurückkehrten. Vermutlich hatte ich ihren Plan von einer bequemen Pause durcheinander gebracht. Als wäre ich ein armer Lakai, der nichts anderes zu tun hatte, als Finder zu verpetzen. Es wäre mir egal gewesen, wären sie geblieben. Solange sie mich nicht mehr angesprochen hätten. Ich bemerkte kaum, wie finster mein Gesicht geworden war, wie zusammengesunken meine Haltung. Erst die seltsame Wortkargheit, die die Wirtin an den Tag legte, als sie mir mein Essen brachte, ließ mich meinen Anblick vermuten. Es ging bergab… stetig und rasend schnell. Ich sollte wahrscheinlich schleunigst an jenen Ort zurückkehren, an dem man sich weder für meine Haarfarbe, noch dafür interessierte, mir Geschichten zu erzählen, die ich nicht hören wollte. Jetzt überfiel mich diese seltene Sehnsucht nach meinem Zimmer. Nach meiner Stille. Meiner Einsamkeit. Tage wie diese, führten mir immer wieder Augen, wie sehr ich mich doch zu alldem hingezogen fühlte. Dass mein Rückzug oft begründet war. Dann hatte ich meine Bestellung vor mir. Sie war gekommen, mein Appetit gegangen aber ich griff trotzdem nach dem Besteck und rückte mich auf dem Hocker zurecht. Wenn auch nur eine Kleinigkeit. Ich würde essen, den letzten Laden aufsuchen und dann eilig aus dieser Stadt verschwinden. Es schmeckte nicht schlecht. Glücklicherweise unterließ es die Wirtin sogar, nachzuhaken und auf ein Lob aus zu sein. Wie finster ich dreinblicken musste… ich bemerkte es kaum, schenkte dem jedoch keine Beachtung. Hier und jetzt hatten meine Lippen das Lächeln satt. Meine Stimmbänder würden kein einziges, höfliches Wort mehr zustande bringen und so aß ich, ohne mich umzuschauen. Um mich herum ging das Leben weiter. Eine Geräuschkulisse, der ich den Rücken kehrte. Letzten Endes aß ich doch auf. Es schmeckte gut… zu gut, um weggeschmissen zu werden. So einem Gordon Bleu gegenüber konnte ich so etwas nicht verantworten, doch es brachte mich nur in weitere Probleme, als ich der Wirtin den leeren Teller zuschob. Die abschreckende Aura schien nicht mehr deutlich genug, denn sie riss die Augen auf. „Da schau her!“, ächzte sie und stemmte die Hände in die breiten Hüften. „Das hätte ich ja nicht gedacht! Und dann noch so schnell!“ Unterdessen begann ich bereits in den Taschen meines Mantels zu suchen… und ging leer aus. So ein Pech. Naserümpfend griff ich nach einer Serviette, fand auch einen Stift und begann zu schreiben. „Ich glaube, du könntest den Spitzenreiter wirklich herausfordern. Wenn du mal nicht sogar elf Gordon Bleus schaffen würdest! Ich verstehe gar nicht, wie ihr das macht… und vor allem bei dir!“ Wieder starrte sie mich an. „Wo geht das ganze Essen nur hi…“ „Schicken Sie die Rechnung dahin“, unterbrach ich sie und schob ihr die Serviette zu. Hoffentlich konnte man es lesen. Jedenfalls starrte sie ziemlich irritiert auf die Schrift, während ich schon vom Hocker rutschte, um weiterem Gerede zu entgehen. So reagierten viele… „Dahin?“ Verwirrt schüttelte sie den Kopf, als ich auf die Beine kam und mir Tim von der Schulter zog. Ich ließ ihn wieder flattern. „Also… ähm…“ Gut, sie hatte den Faden verloren. Eine Möglichkeit, die ich mir nicht entgehen lassen durfte. So hob ich die Hand zu einem lustlosen Wink und machte, dass ich aus der Gaststätte hinauskam. Der alte, eisige Wind peitschte mir entgegen, ließ Tim abtreiben und mich sich tiefer im Mantel verbergen. Ich zog den Stoff enger, die Kapuze musste ich mit der Hand fixieren und inmitten des dichten Schneegestöbers war das nächste Straßenschild kaum zu erkennen. Wohin musste ich jetzt…? Wo war der Zettel…? Wieder begann ich zu suchen, wieder ächzte ich und spätestens jetzt bereute ich meine Bereitschaft, diese Botenrolle zu übernehmen. Es würde eine einmalige Sache bleiben. Einmalig, sowie meine heutige Langeweile hoffentlich auch einmalig war. Es war ein altes Uhrengeschäft, das ich nach kurzer Orientierungslosigkeit sowie Suche betrat. Die letzte Station und ich konnte es nicht eilig genug haben, mit diesem Ausflug abzuschließen. Hierher hatte mich Komui geschickt… natürlich, die Nachricht meines Einsatzes hatte sich sofort herumgesprochen. Jetzt nur kein weiteres Herauszögern… bloß kein weiteres Gespräch aber der Mann hinter der Theke sah nicht so aus, als könnte er diese Wünsche befolgen. Eine dicke Hornbrille saß auf seiner Nase und langsam rückte er an ihr, als ich ihm schweigend den Zettel reichte. Besser sehen schien er durch die Brille nicht zu können, denn in den nächsten Momenten starrte er auf diesen Zettel, als hätte er Hieroglyphen vor sich. Sein Gesicht verzog sich zu zahlreichen Ausdrücken, während meines immer länger wurde. Resigniert stand ich dort, starrte ihn an und saugte an meinen Zähnen. „Ähm…“ Er kratzte sich am Kopf, sah zu mir auf. „Die Bestellung… ist die ganz sicher von hier?“ „Keine Ahnung.“ „Mm… da müsste ich mal nachfragen.“ Der Zettel wurde abgelegt und die Gangart des Mannes war genauso träge wie seine Redensart. Er bewegte sich wie in Zeitlupe in die hinteren Räume und wieder brauchte ich ein tiefes Durchatmen. Gleich, sagte ich mir. Gleich war es soweit… gleich könnte ich gehen… verschwinden. Und das sagte ich mir noch eine ganze Weile, bis der Mann zu mir zurückkehrte, wieder auf den Zettel starrte und etwas nachdachte. Unruhig verlagerte ich das Gewicht von einem Bein auf das andere, spähte nach beiden Seiten, presste die Lippen aufeinander. „Ja… doch…“, murmelte der Mann dann endlich. „Jetzt erkenne ich es… einen Moment.“ Wieder… er drehte sich um, schien erst überlegen zu müssen, wohin er jetzt wollte und machte sich dann auf den gemütlichen Weg. Es kam so selten vor, dass ich so wenig Geduld hatte. Dass ich so gereizt war, dass ich jedes Wort hinter den Lippen verschloss in der Befürchtung, jedes von ihnen könnte sich als unfein entpuppen. Die Tatsache, dass ich einige Minuten warten gelassen wurde, änderte daran nicht viel und kaum kam der Mann zurück und kaum machte er Anstalten, mir eine kleine Schatulle zu reichen, da nahm ich sie ihm einfach aus der Hand und verließ den Laden. Irgendetwas hatte er mir noch nachgenuschelt, doch meine Ohren vertrugen nichts mehr und auch mit der überfüllten Straße wollte und konnte ich es von jetzt an nicht mehr aufnehmen. Eine nahe Gasse war es, die mich lockte und ohne zu zögern bog ich von der Straße ab und stahl mich in den schmalen Gang. Jetzt kehrte ich ohne Umwege zurück. Schnurstracks. Es war nicht viel passiert… im Grunde war ich nur herumgelaufen und hatte meine Nerven einigen Strapazen ausgesetzt. Und trotzdem fühlte ich mich so müde, dass ich fast reif für mein Bett war. Die Augen auf den Boden gerichtet, schob ich mich an wenigen Mülltonnen vorbei, stieg über undefinierbare Schrottteile und empfand diese Abgeschiedenheit als sehr angenehm. Jetzt war mir sogar Schrott und Müll lieber, als abertausende Gesichter und so hielt ich mich weiterhin in den Gassen, ging meinen Weg versteckt und ließ auf diese Art und Weise fast die gesamte Stadt hinter mir. Die Gassen wurden enger, die Häuserfassaden zu meinen Seiten immer höher, doch ich war sicher vor dem Schnee. Nur vereinzelte Flocken begleiteten mich, nur wenige Geräusche neben dem Knacken des Schnees, durch den ich auch hier zu steigen hatte. Bequem verließ ich eine Gasse, bog in die nächste und blickte zu Tim auf. Er flog voraus, noch immer leicht taumelnd in den Böen und kurz beobachtete ich ihn einfach nur, bevor ich auf die Gestalt eines Mannes aufmerksam wurde, der mir recht eilig entgegen kam. Noch jemand, der sich von den Straßen fernhielt. Ich interessierte mich nicht wirklich für ihn, spähte zu Tim zurück und ging wieder einigen Mülltonnen aus dem Weg. Wie sehnte ich mich jetzt nach den steinernen Gängen des Ordens. Länger als eine Stunde würde ich wohl nicht mehr unterwegs sein, bevor ich sie endlich zu Gesicht bekam. Es waren nur noch wenige Schritte, die mich von dem Mann trennten und entspannt näherte ich mich etwas der Hausfassade, meinen Weg stetig fortsetzend. Kurz regte ich die Finger in den Handschuhen, überprüfte ihren Sitz und beiläufig blickte ich auf, als die Gestalt des Mannes mich erreichte. Mit einem Mal fielen seine Schritte aus dem Rhythmus, verfielen einer gewissen Hektik und nur kurz registrierte ich seine Hand, die eilig unter seinem alten, abgenutzten Mantel verschwand. Eine ruckartige Bewegung, die ich nicht kommen sah und kalt blitzte die Klinge eines Messers auf, das er hastig hervorzerrte. „Gib mir dein verdammtes Ge…!“ Abrupt verstummte er, als meine Finger sein Handgelenk zu fassen bekamen. Mein rechter Arm reagierte sofort, war meiner Wahrnehmung um einiges voraus, als er den Mann mit einem Ruck zur Seite zog und ihn zielsicher gegen die nahe Mauer lenkte. Stolpernd prallte der Mann dagegen, als ich schon an ihm vorbeizog und es war nur ein kurzes Ächzen, das an meine Ohren drang. Wie ich sagte… wenn etwas kam, dann kam es geballt und entspannt tastete ich wieder nach meinem Handschuh. So schnell, wie dieser Moment gekommen war, genauso schnell hatte ich auch mit ihm abgeschlossen, doch das dumpfe Geräusch, das sich daraufhin hinter mir erhob, ließ mich doch innehalten. Flatternd erreichte mich Tim, als ich stehenblieb, nachdenklich aufblickte und mich bald umdrehte. Bewusstlos war der Mann zusammengebrochen und während ich mir seinen reglosen Körper betrachtete, entspannte sich mein Gesicht. Noch immer regte ich die Hand im Handschuh, spreizte die Finger und öffnete still den Mund. Er bewegte sich wirklich nicht mehr. Nur die Bewegungen seines Bauches zeugten davon, dass er noch am Leben war und lange sah ich zu ihm, bevor ich zu meiner Hand spähte. Plötzlich fand ich mich irritiert vor… als wäre ich gerade aufgewacht… aus welchem Traum auch immer. Was war passiert…? Ich senkte die Lider, drehte die Hand, ballte sie zu einer Faust. War ich so gereizt? Mein Körper hatte einfach reagiert… mit einer Kraft, die ich wohl nicht angewendet hätte, wäre ich in diesen Augenblicken vollständig bei Verstand gewesen. Es hätte bei weitem nicht soviel sein müssen. Seit wann tat ich so etwas? Meine Stirn legte sich kraus. Nichts von alledem konnte ich mir erklären… aber es war passiert. Der Dieb lag immer noch dort und lange blieb ich stehen. In eigene Gedanken verstrickt und auch in den Versuch, mich zu verstehen. Es war nicht meine Art… ganz bestimmt nicht. Auch, wenn ich in jedem Mensch nicht unbedingt einen Freund sah. Eigentlich in gar keinem… War mein Frust so groß, dass ich ihn plötzlich auf andere zu lenken hatte, um mich irgendwie zu entladen? Wie tief hatte mich dieser Tag sinken gelassen…? Irgendwann schüttelte ich nur den Kopf. In völligem Unverständnis mir gegenüber. Ich hatte mich in meiner Gedankenwelt verrannt, kam nicht mehr vor, nicht mehr zurück, doch letztendlich wurde ich einfach wieder meinem Weg treu und setzte mich in Bewegung. Dieser Tag, zog es mir dabei durch den Kopf… er musste enden. Er drängte mich mit all seinen Erlebnissen in eine Rolle, in der ich mich nicht wieder erkannte. Bequem verfiel ich meinem alten Tempo und versenkte die Hände in den Taschen des Mantels. „Endlich!“ Begeistert starrte Johnny auf sein Heft. Mit großen Augen drehte und wendete er es, während ich neben ihm faul auf einem Schreibtisch saß und die Beine baumeln ließ. Ich war lebend angekommen und tat ich jetzt nur noch schwer damit, der Euphorie um mich herum gewachsen zu sein. Auch Komui war zufrieden und während ich nur noch zu einem matten Lächeln imstande war, beseufzte er die kleine Schatulle, schloss sie in beiden Händen ein und presste sie an sich. „Oh, Linali wird sich freuen, wenn sie wieder da ist!“ Wieder seufzte er laut und genüsslich, nahm mich lieblich in Augenschein. „Muss ich also doch keinen Finder schicken. Wie schön, dass du zufällig sowieso in die Stadt wolltest.“ Bitte…? Resigniert starrte ich ihn an, verfolgte, wie er verliebt an der Schatulle kratzte. Wenn ich mich nicht irrte, war er der erste gewesen, der mit seiner Bestellung kam… und wieso einen Finder nehmen, wenn man auch einen Exorzisten kriegen konnte? Nun, was sollte ich davon halten? Ich blähte die Wangen auf, schob mich auf der Arbeitsfläche des Schreibtisches um ein Stück zurück und zog die Beine in den Schneidersitz. Lose lagen meine Stiefel am Boden, den Mantel knietschte ich in meinen Schoß und ich stemmte mich auf ihn. „Wusstest du, wie lange ich auf den warten musste?“ Johnny schien den Tränen nahe, als er mir den Comic unter die Nase hielt. „Woher sollte ich?“ Seufzend ließ ich den Kopf hängen, wurde kurz getätschelt. „Ich bin dir so dankbar, Allen… wer weiß, wann ich die Gelegenheit bekommen hätte, ihn mir selbst abzuholen.“ Wie schön, dass man es zu würdigen wusste. Für mich war dieser Ausflug fast zu einem Höllentrip geworden. Auch jetzt hatten sich meine Nerven noch nicht vollständig regeneriert. Ich wollte immer noch in mein Bett… wollte Rivers Beispiel folgen, der es diesmal irgendwie wirklich in seine Kissen geschafft zu haben schien. Dass er fehlte, war selten und umso verdrießlicher waren die Blicke der übrigen Wissenschaftler, während Johnny nur Augen für sein Heft, anstatt für die Arbeit hatte. Ich war also den ganzen Nachmittag unterwegs gewesen. Es waren wirklich mehrere Stunden… was man allein schon auf den weiten Weg schieben konnte. Als sich Tim auf meinem Kopf niederließ, wurde ich noch tiefer hinabgedrängt. Früher war es einfacher gewesen… jetzt war er ziemlich schwer und so bekam ich seinen Schweif zu fassen und zog ihn aus meinem Haar. „Wisst ihr, ob Jerry wieder da ist?“ Nur kurz konnte sich Johnny losreißen. Er war schon an der Folie zugange, rupfte und zerrte an ihr. „Ich weiß nicht. War er weg?“ „Wann bist du das letzte Mal hier rausgekommen?“, erwiderte ich irritiert und Johnny musste auch eine ganze Weile grübeln. Der Comic wurde sinken gelassen, das Haar gekratzt. „Jetzt, wo du es sagst…“ „Jerry kommt erst später“, meldete sich da ein anderer Wissenschaftler und mit großen Augen lehnte ich mich an Johnny vorbei. Der Mann zuckte mit den Schultern. „Sagte er zumindest.“ Was für eine Hiobsbotschaft… Das Letzte, was ich jetzt brauchte, war eine weitere Begegnung mit dem Hilfskoch. Das hieß dann wohl, dass ich mich heute von dem Speisesaal fernzuhalten und das Essen auf den nächsten Tag zu verschieben hatte. Die Gordon Bleus mussten reichen… und das taten sie schon… irgendwie. Das, was jedoch feststand, war, dass ich heute niemandem mehr zuzumuten war. Vor allem nicht begriffsstutzigen Leuten, die darüber hinaus auch keine Ahnung vom Kochen hatten. Noch ein versalzenes oder fades Gericht und es würde etwas folgen, wofür ich nicht bereit war, die Verantwortung zu tragen. „Und?“ Komui schien sich beruhigt zu haben. Die Schatulle war in einer seiner Taschen verschwunden und lächelnd beugte er sich nun zu mir. „Hast du dir ein paar schöne Stunden gemacht?“ Hatte ich das…? Er bemerkte mein Zögern und richtete sich enttäuscht auf. „Ich dachte, du würdest die Gelegenheit nutzen. Endlich mal frei, endlich mal Zeit… du weißt schon.“ Ja, ich wusste es. Vor allem, dass es hochprozentiges Salz war, das er mit jedem seiner liebevollen Worte gnadenlos in meine offene Wunde streute. Freizeit… hatte ich je den Anschein erweckt, sie zu mögen, geschweige denn zu brauchen? Ich musste nur die Stirn runzeln. Nicht etwa antworten, damit er von mir abließ und sich zu einem Tablett mit Kaffee schlich. Zertreten sah ich ihm nach. „Meine Güte, Allen…“, seufzte er noch, als er nach der Kanne griff, „… ich meinte es nur gut.“ Vor allem seine Bestellung hatte er gut gemeint. Ich war nicht wirklich begeistert und hörte ihm auch nicht mehr zu, als er weitere Worte seufzte, sich an der Kanne zuschaffen machte und dauernd den Kopf schüttelte. Es war die Bewegung der Tür, die mich kurz ablenkte, die meine Aufmerksamkeit kurz zu sich zog. Nur, bis der Flügel weiter aufgezogen wurde… dann waren es Komuis Worte, die mich wieder bannten, mein Interesse an der Tür versiegen ließ. Mürrisch verfolgte ich, wie er sich Kaffee einschenkte. „Du hättest dir soviel Gutes tun können… oje, oje. Ich dachte, ich müsste es dir nicht sagen, damit du es begreifst.“ Das sagte er jetzt aber am Ende hätte er bei all den Rechnungen doch wieder nur gejammert. Immerhin hatte er dafür geradezustehen, was wir uns leisteten und ob er darauf Lust hatte, bezweifelte ich. Kaum drang in meine Wahrnehmung, wie sich die Geräusche um mich herum mit einem Mal legten. Wie die Wissenschaftler von ihren Arbeiten abließen. Kopien wurden sinken gelassen, Füller hielten inne und mehr und mehr Augen drifteten zur Tür, während ich meine nur unscheinbar verdrehte. Unter einem beherzten Schluck wandte sich Komui dann um, doch an mir drifteten seine Augen geradewegs vorbei und spätestens, als sich seine Brauen hoben und die Tasse mit einem Mal reglos verharrte, wurde auch ich aufmerksam. Noch immer verdrießlich drehte ich mich zur Seite, gerade machten sich meine Finger auf, in dem Stoff des Mantels zu pulen, doch mit einem Mal hielten auch sie inne. Meine Augen fanden diesen einen Punkt… hielten an ihm fest und kaum spürte ich die völlige Entspannung, die mich überkam. Nicht nur meinen Körper… auch die mürrische Mimik schien geradewegs von meinem Gesicht zu bröckeln und wortlos öffnete ich den Mund. Nur schwerlich gelang es dem jungen Mann, die Tür hinter sich zu schließen. Die leicht verschmutzten Finger schlossen sich müde um die Klinke und auch die dunklen Augen gaben sich lieber mit dem Boden zufrieden. Durch die wirren Strähnen des langen schwarzen Haares senkten sie sich geradewegs nach unten und langsam richtete ich mich auf. Kanda… Noch immer stand mein Mund offen und ich ertappte mich dabei, wie ich seine vor Müdigkeit zusammengesunkene Haltung analysierte… möglicherweise nach Verletzungen suchte… ihn mir einfach betrachtete. Die Uniform hatte so einiges abbekommen… der Mantel schien dagegen gleich anhanden gekommen zu sein. Der Zopf saß etwas schief. Müde Hände mussten ihn gebunden haben, ohne auf die zahlreichen Strähnen zu achten, die sich jetzt noch völliger Freiheit erfreuten. Mir bot sich ein Bild völliger Erschöpfung… schlürfende, langsame Schritte, die sich in Komuis Richtung schleppten. Die schmalen Schultern blieben gesenkt und soweit man sein Gesicht unter dem Dreck erkennen konnte, war es etwas zu bleich für seine Verhältnisse. Man sah es ihm an… jede Minute des Kampfes. Jede Anstrengung und auch den Weg, den er erstaunlich schnell und scheinbar ohne jede Pause hinter sich gebracht zu haben schien. Nur selten hatte ich ihn so gesehen, doch während Komui ihn nur erstaunt näherkommen sah, entging mir die Regung meines Gesichtes nicht. Es waren meine Lippen, an denen sich etwas tat… Meine Mundwinkel, die leicht zuckten… kurz vor einem Lächeln. So unbeschwert, so klar… und doch konnte es nur einen kleinen Teil meiner eigentlichen Freude zum Ausdruck bringen. Mein Körper richtete sich etwas auf, ich sah ihn an mir vorbeiziehen und es war ein seltsamer Moment, in welchem ich erneut seine Augen musterte und das langsame, oft vorkommende Blinzeln. Seine Kraft schien er nicht mehr für Aufmerksamkeit herzugeben… die Umgebung blieb für ihn fast völlig unbeachtet und erst, als sich aus der Richtung der Wissenschaftler ein leises, feierliches Klatschen erhob, wandte er das Gesicht zu all den begeisterten und stolzen Mienen. Seinen Blick sah ich nicht, doch die Reaktionen ließen schnell darauf schließen, mit was für einer Begeisterung er dieser Geste begegnete. Abrupt verstummte das Klatschen, gehetzt wandten sich einige Wissenschaftler ab und ein allgemeines verhaltenes Räuspern erhob sich in der rasch zurückgekehrten Stille, kaum, dass sich Kanda wieder nach vorn wandte… und Komui erreichte. Was geschah nur in diesen Momenten…? Ich nahm mir nicht wirklich viel Zeit, meine eigenen Gefühle zu erkunden. Doch sie waren ohnehin so immens, dass ich nicht lange nach Begriffen zu suchen hatte. Irgendwie… fühlte ich mich gut, seit er den Raum betreten hatte… Wenn auch völlig ermattet, aber nun scheinbar unverletzt. Mein anhaltendes Lächeln war so ehrlich, wie nur selten… meine Schultern so leicht und ich konnte nichts anderes behaupten, als dass ich mich in diesen Sekunden rundum wohl fühlte. In seiner Anwesenheit… auch, wenn sie für eine leicht frostige Atmosphäre in den Reihen der Wissenschaftlern sorgte. Wie Johnny sagte… nur nicht zu begeistert sein… nur nicht zu überrascht von seinem Können. Natürlich, denn man hatte von ihm nichts anderes zu erwarten. „Willkommen zurück.“ Dass Komuis Lächeln so ehrlich und offen war, stellte keine Seltenheit dar. Erleichtert, wenn auch leicht besorgt nahm er den jungen Mann, der nun vor ihm stand, unter die Lupe. „Du konntest es nicht eilig genug haben, zurückzukommen, was?“ Somit vertiefte sich sein Lächeln herzlich und kurz darauf ging seine Hand auf Kandas Schulter nieder. Lobend, stolz… und wurde sofort zurückgezogen, als sich der Körper des Japaners erschreckend weit in diese Richtung neigte. Kurz sah es aus, als ob… aber schon schwankte Kanda wieder zurück und fand das alte, halbwegs sichere Gleichgewicht auf seinen Beinen. Antworten tat er mit einem leisen Nuscheln, das nicht verständlich zu mir drang aber plötzlich neigte sich Komui mit großen Augen näher zu ihm. Direkt starrte er ihn an, besah sich sein Gesicht und ließ Kanda um ein Stück zurückschwanken. Mein Gott… Ich war so aufmerksam, wie lange nicht mehr, als ich mich zur Seite neigte und auch einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen versuchte. Er war so furchtbar still… aus Erfahrung konnte ich behaupten, dass er selbst seine letzten Kräfte gerne für nachdrückliche Worte hergab aber hier erhob sich nichts dergleichen. „Geht es dir gut?“ Keine Sekunde ließ Komui ihn aus den Augen und das, was auf diese Frage folgte, war noch Seltsamer. Kandas Kopf senkte sich, matt näherte sich das Kinn dem Schlüsselbein und schon schlossen sich auch seine Augen. Sie schlossen sich fest, flüchtig verzog sich seine Miene und letztendlich bestand die Antwort nur aus einem langen herzhaften Gähnen, das er sofort hinter der Hand verbarg. Eine Geste, die mir bei ihm noch nie unter die Augen gekommen war… eine so Natürliche, dass sich mein Lächeln haltlos vertiefte, während Komui zischend die Luft durch die Zähne zog, eine beunruhigte Grimasse schnitt. „O-okay…“, vorsichtig und zaghaft tätschelte er seine Schulter erneut, lachte leise und durchaus nervös, „… du gehst jetzt sofort schlafen und zwar solange, wie du es nötig hast. Ich will dich erst wieder sehen, wenn du dich erholt hast. Verstanden?“ Es schien, als würde Kanda nicken… eigentlich schwankte er aber nur nach vorn. Doch er hatte es verstanden… war wohl auch zufrieden damit und kaum eine Sekunde verging, da wandte er sich schon ab. Seine Hand war es, die sich kurz hob und eine verabschiedende Geste andeutete. Amüsiert winkte Komui zurück und ich konnte mich recken und strecken, wie ich wollte. Ein weiteres Mal sah ich Kandas Gesicht nicht. Nur seinen Rücken, den er mir zuwandte… obwohl ich daran zweifelte, dass er mich überhaupt bemerkt hatte. Strahlend und gerührt sah Johnny ihm nach, langsam kehrten die Regungen in den Reihen der anderen Wissenschaftler zurück und während sich Komuis schon unter einem tiefen, befreiten Seufzen zu seinem Büro umdrehte, nutzte ich jede Gelegenheit. Ich verfolgte die müden Schritte, in denen Kanda zu der Tür zurückkehrte. Die zwei Versuche, die seine Hand brauchte, um die Klinke zu finden und wieder neigte ich mich ihm nach, als er in den Flur hinaustrat. Ich hätte ihn gerne noch länger gesehen, ihn mir einfach betrachtet, um die Tatsache in mir zu verfestigen, dass er wirklich zurückgekommen war. Von nun an verbarg seine Tür keinen verlassenen Raum mehr. Von nun an nur noch einen Menschen, der dringend Schlaf brauchte und ihn sich holen würde. Ich war zufrieden… ich könnte es nicht mehr sein und als die Tür klackend in das Schloss zurückgezogen wurde, lächelte ich immer noch, ohne dem viel Beachtung zukommen zu lassen. Diese Geste fiel in dem Meer der Begeisterung nicht auf. „Ja ja!“ Feierlich reckte Komui seine Kaffeetasse in die Höhe, als er die Tür seines Büros erreichte. „So sind sie… meine Exorzisten! Genau so und nicht anders!“ Ich hörte ihn noch lachen, bevor er in seinem Raum verschwand und selbst der Comic verlor Johnnys Interesse auch weiterhin. Er klemmte unter seinem Arm und als ich zu ihm spähte, präsentierte sich mir ein breites Grinsen. ‚Habe ich es dir nicht gesagt?’ Fast konnte ich seine Stimme in meinem Kopf hören und gab mich geschlagen. Ja, das sagte er. Doch ich hatte nichts dagegen tun können. Es war einfach so über mich gekommen. So abrupt und unerklärlich, wie die Heiterkeit, als er mir jetzt wieder unter die Augen trat. Hier schloss sich ein unendlich finsteres Kapitel. Ich würde es nicht mehr anrühren und während sich das Stimmengewirr wieder erhob, machte ich mich daran, langsam vom Schreibtisch zu rutschen. Es war der richtige Moment, um selbst schlafen zu gehen. Ich hatte es einfach im Gefühl und vertraute ihm. Jede Sorge weniger, wusste ich zu würdigen und so warf ich mir den Mantel über die Schulter und stieg in die Stiefel zurück. „Dass er sich immer noch auf den Beinen halten konnte…“, drang das fast ungläubige Flüstern eines Wissenschaftlers zu mir, als ich mich nach den Reißverschlüssen bückte, „… sagenhaft.“ Sie hatten ja keine Ahnung. „Gehst du schlafen?“, erkundigte sich Johnny kurz darauf und ich war mit den Stiefeln fertig, hielt nach Tim Ausschau und winkte kurz. „Ja, bis morgen.“ „Bis morgen.“ Heiter winkte er zurück, machte sich heimlich schon wieder an der Folie des Comics zu schaffen. „Schlaf gut.“ Befeit atmete ich durch, sicherte den Mantel auf meiner Schulter und trottete zur Tür. Gut schlafen… Ja, die Chancen standen gut. Vermutlich würde ich das wirklich. So trat ich hinaus in den Flur und schloss die Tür, sobald Tim durch den Spalt geflattert war. Kurz spähte ich in beide Richtungen, rollte mit den Schultern und machte mich auf den Weg. Von nun an wurden die Tage wieder heller. Ich spürte es. ~*tbc*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)