Reqium of Darkness & Quiet Symphony von abgemeldet (Walker x Kanda) ================================================================================ Kapitel 11: Auszeit ------------------- So hielten wir uns nicht viel länger auf dem Schlachtfeld auf. Der letzte Qualm der rauchenden Kadaver der Akuma würde in wenigen Momenten vom schweren Schnee erstickt werden. Die Gegend umgab uns gleißend hell und doch verlassen und wie verlorene, schwarze Punkte bewegten wir uns erneut in diesem weißen Nichts. Ächzend versuchte Chaoji etwas Ordnung in seine Kleidung zu bringen, während Tiedoll letzte Blicke in die Runde warf. Seine Besorgnis fiel knapp jedoch umso aufmerksamer aus und nach einem kurzen Umherschauen schien er zufrieden und schlug den Rückweg zum Dorf ein. Der feste Schnee knackte unter unseren Stiefeln, haltlos sanken wir wieder ein und taten gut daran, auf den nahen Weg zuzusteuern. In zielstrebigen, sicheren Schritten zog Kanda an mir vorbei und ich schenkte dem große Beachtung, ihm schnell genug hinterher zu kommen, so auch meinen Atem zu beruhigen. Zu tiefe Luftzüge nahm mein Körper immer noch nur schwer auf. Die Rippen schienen sich dagegen zu wehren, den Sauerstoff ausreichend aufzunehmen und im Schutz, den ich als letzter der Gruppe genoss, tastete sich meine Hand flüchtig über die Stelle, die beinahe taub wirkte. Druck auf sie auszuüben, war keine kluge Entscheidung und das kurze Zucken meines Gesichtes ließ sich nicht vermeiden, bevor ich die Hand sinken ließ. Es konnte nicht schlimm sein… meine Bewegungen wären nur eingeschränkt, wenn ich diese Einschränkung zuließ. Ich konnte weitergehen, ich war nicht außer Gefecht gesetzt und als würde ich mir diesen Gedanken einverleiben wollen, bis ich selbst fest von ihm überzeugt war, schluckte ich wieder und wieder gegen den Schmerz an, der mir bis in den Kopf stieg. Flatternd begleitete mich auch Tim und von ihm spähte ich zurück zu den annähernd schwarzen Rauchsäulen, die in den grauen Himmel aufstiegen. In einer halben Stunde wäre kaum noch etwas zu sehen. Die Spuren dieses Kampfes würden verschwinden. Wenn auch nur hier auf diesem Feld. Lautlos atmete ich tief ein, stoppte diesen Versuch unter dem stechenden Schmerz und nagelte den Blick verbittert auf den Boden. Mein Körper fühlte sich an, als hätte jedes Glied, jedes Gelenk einen Schlag abbekommen. Selbst die Schritte brachten meinen Brustkorb zum Knirschen und wieder hob ich die Hand unauffällig zu meiner Brust. Ich hoffte, dass nichts gebrochen war, dass es sich hier um Verletzungen handelte, die von selbst vergingen und das in einem kurzen Zeitraum. Meine Unaufmerksamkeit entschuldigte nicht, einen Kollegen im Stich zu lassen. Nein, etwas Derartiges hatte ich nicht vor und die Tatsache, dass Kanda mit sich selbst zu tun zu haben schien und sich kein einziges Mal nach mir umdrehte, ließ mich zuversichtlicher werden. Er hatte es nicht bemerkt… Niemand hatte das. Nun kam es einzig und allein darauf an, wie sehr ich mich selbst im Griff hatte. Es war mir noch nie schwer gefallen, innere Vorgänge auch in genau diesem Inneren zu versiegeln, mich so zu zeigen, wie ich einfach nicht war. Bisher hatte ich auf diese Art und Weise stets überlebt und mich davor bewahrt, in Rollen zu fallen, die mir nicht gefielen. Es war kein langer Fußweg, bis wir das Dorf erreichten und in die alte Herberge traten. Uns erwartete die wohlige Wärme im Inneren des Hauses und befreit ächzte Chaoji unter der verlorenen Last der klirrenden Kälte. Auch ich empfand den Moment, als ich die Tür hinter mir ließ, als angenehm und klopfte mir kurz die Stiefel ab, bevor ich den dreien durch den Flur zu dem kleinen Aufenthaltsraum folgte. Chaoji schien der unerwartete Kampf angestrengt zu haben und während Tiedoll an dem Raum mit den Sesseln und dem Kamin vorbeizog, um Komui zu kontaktieren, warf er sich sofort in eines der Polster. Hinsetzen… nur eine kurze Verlockung und letzten Endes beließ ich es dabei, mich auf eine der breiten Armlehnen zu setzen, die Beine von mir zu strecken und die Arme vor der schmerzenden Brust zu verschränken. Und so warteten wir. Kanda war schnell versorgt worden. Durch die Überfürsorglichkeit der Gastwirtin hatte er es nun in einer trockenen Hose, mit einer Decke und einer Tasse heißen Tees in einem Sessel bequem. Er saß im Schneidersitz, zog die Decke um den nackten Oberkörper und blies scheinbar nachdenklich über die dampfende Oberfläche des Tees, während die Uniform in der Nähe des flackernden Kamins hing. Noch etwas zerzaust und offen schlängelten sich die langen Strähnen seines Haares über seine Schultern. Aber er sah besser aus. Sein Gesicht und seine Lippen hatten wieder eine Farbe, die nicht besorgniserregend war und auch um seine Stimmung schien es etwas besser zu stehen. Vermutlich wünschte er sich nur, die Uniform würde schnell genug trocknen, damit wir uns wieder auf den Weg machen konnten. Jetzt hatten wir aber erst einmal auf Tiedoll zu warten und taten es in den ersten Momenten schweigend. Leise tickte die Wanduhr, Kanda nippte an dem Tee und Chaoji seufzte. „Das ist nicht das erste Mal, dass uns so etwas passiert“, verriet er und wirklich überrascht war wohl auch Kanda nicht. Die größte Sicherheit, in Kämpfe mit Akuma verwickelt zu werden, gab es, wenn man mit einem Marshall unterwegs war. Wie abwechslungsreich ihre Wege waren, ließ sich nur vermuten aber letztlich wurde Chaoji auf diesen Reisen mit genau dem konfrontiert, was er bald jeden Tag erleben würde. Konfrontationen und Richtungen, die bewusst zu diesen führten. Tatsachen, mit denen ich längst lebte und mit denen sich auch Chaoji anzufreunden hatte. „Beim letzten Mal ist es passiert, als wir China erreichten.“ Er rieb sich die Wange. „Und jetzt schon wieder. Irgendwie haben wir damit gerechnet, also waren wir aufmerksam.“ Während ich nachdenklich schwieg, zog Kanda an der Decke, mummelte sich ein. Das, was soeben passiert war, hatte uns viel Zeit gekostet und während Kanda seine Ungeduld gut versteckte, vermutlich, weil er damit beschäftigt war, sich von der Unterkühlung zu erholen, war ich derjenige, der von der Uhr zum Türrahmen spähte. „Habt ihr es so eilig?“, kommentierte Chaoji sofort meine Regung und während ich zu ihm spähte, entrann Kanda ein Murren. Ja, das hatten wir… „Wir müssen nach Russland“, übernahm ich letztendlich die Antwort und sofort nickte Chaoji. „Dort war ich erst einmal. Ein ziemlich übles Klima gibt es dort.“ Sofort begann er von alldem zu erzählen und ich hätte ihm auch zugehört, hätte ich nicht einmal diese unangenehme Aufmerksamkeit gespürt. Mit einem Mal richtete sie sich auf mich und wirklich - Kanda hatte aufgeblickt, musterte mich über die Tasse hinweg mit verständnisloser Unzufriedenheit. „Tiedoll und ich waren ins Minsk“, nahm ich Chaojis Erzählung nur noch halbwegs wahr. Ich hörte ihm kaum noch zu, begegnete Kandas Blick mit erwartungsvollem Unwissen. Ich wusste nicht, worauf er aus war. Warum er jetzt schon wieder so reagierte und es vergingen nur wenige Augenblicke, bevor ich es zu hören bekam. „Meinetwegen kannst du hingehen, wo du willst“, fiel er Chaoji einfach ins Wort und ließ diesen sofort verstummen, „aber du gehst nicht mit mir nach Russland.“ „Wie bitte?“ Ich befürchtete etwas… senkte jedoch vielmehr nur den Kopf und erwiderte seine Musterung bitter. Mit verschränkten Armen blieb ich sitzen und bot, da war ich mir sicher, doch einen recht gestärkten und neutralen Eindruck. Irritiert spähte Chaoji von einem zum anderen und Kanda zeigte sich herzlich wenig beeindruckt. „Glaubst du, ich nehme die Verantwortung auf mich, einen Verletzten mitzuschleppen?“ Wie bitte…? Es kam so plötzlich. „Einen Verletzten?“ Ich runzelte die Stirn. Warum ich mich in diesem Moment als der Erstaunte aufspielte, wusste ich nicht. Scheinbar war es ohnehin zu spät, ohne, dass ich es verstand. „Du weißt doch, was ich meine“, meinte er dazu nur und beschäftigte sich wieder mit der Tasse. „Niemand verlangt von dir, Verantwortung zu übernehmen“, erwiderte ich sofort und ohne zu bemerken, dass ich mich benahm wie jemand, der sich durch wenige Worte einfach nur gekränkt fühlte… ertappt. „Ich trage die Verantwortung selbst.“ Wir standen im permanenten Blickkontakt. Niemand von uns flüchtete, niemand zog sich zurück oder gab nach. Im Grunde fiel es mir schwer, nachdem er mir knallhart vor Augen führte, dass jegliche Anstrengungen, etwas zu verbergen, sinnlos waren. Ihm gegenüber… irgendwie immer nur ihm gegenüber! Passierte es etwa schon wieder? Er konnte es nicht gesehen haben und die Tatsache, dass es doch so war, stürzte mich nicht nur in Unglauben, sondern auch in maßlose Verbitterung! Er versuchte mich in die Rolle zu drängen, vor der ich mich am meisten scheute, sah meine Gesellschaft vielmehr als Bedrohung an! Als Gefahr, die folgende Mission scheitern zu lassen! Dass er mich durchschaut hatte und dass es ihm so leicht zu fallen schien, war genauso schmerzhaft, wie die Verletzung, die ihn zu solchen Worten bewegte. Ich ließ mich nicht hinabstufen, wenn ich selbst keinen Grund dafür sah! Ich ließ mich nicht kritisieren und anzweifeln, wenn ich meine Kraft noch für ausreichend befand! Und er tat es… tat es so einfach und ohne mit der Wimper zu zucken. Mit einem Mal saßen wir in dieser beklemmenden Lage, in dieser angespannten Atmosphäre und während Chaojis Augen mich überrascht nach Verletzungen absuchten, löste ich mich langsam von der Armlehne. „Ich glaube nicht, dass du derjenige bist, der meine Verletzung am besten einschätzen kann, Kanda.“ Es war ein Anflug von Feindseligkeit. Ich konnte dieses Gefühl nicht unterdrücken, hatte das Gefühl, mich einfach nur verteidigen zu müssen. Ich würde es nicht akzeptieren. Dass er über mich urteilte! „Irgendjemand muss es übernehmen, wenn du es nicht selbst kannst!“ Sofort und gnadenlos bekam ich die Antwort geliefert und in schierer Empörung löste ich die Arme von der Brust, suchte nach Worten. „Du wirst mir keine Hilfe sein, wenn ich dich mitnehme! Ich habe keine Zeit und keine Lust, mich um deine Gebrechen zu kümmern, also geh zurück oder such dir eine Mission, mit der ich nichts zu tun habe!“ „Du…“, abrupt bissen meine Zähne zusammen. Mit einem Mal war ich wirklich wütend und dabei nur so verletzt und gekränkt. Was das anging, waren wir uns so ähnlich, dass es an Gnadenlosigkeit grenzte! Gerade er hätte doch genauso reagiert, wenn jemand versucht hätte, ihn zu befürworten! Ihn zurückzuhalten, war beinahe ein Unmögliches und jetzt verlangte er von mir, ihm ohne eine jede Widerrede zu gehorchen? Er registrierte meine Wut, meine pure Abneigung… Aber es interessierte ihn nicht. Scheinbar kein bisschen. Genauso finster erwiderte er meinen Blick. Und es schien alles gesagt zu sein. Er war sicher in seinem Entschluss, er war genauso dickköpfig wie ich. Mindestens. Das leise Knarren der Bodendielen brachte die angespannte, knisternde und wuterfüllte Atmosphäre mit einem Mal zu erliegen. Im Flur erhoben sich kurz darauf Schritte und erst, als Tiedoll im Durchgang erschien, lösten sich unsere Blicke voneinander. Während Kanda sich dem Marshall mit derselben, finsteren Miene zuwandte, versuchte ich meine Verstimmtheit vor ihm zu verbergen und suchte mit einem tiefen Atemzug Entspannung. Und wieder… das folgende Stechen ließ mich fast zusammenzucken und brachte mich dazu, es zu verdammen. Als wolle es mir vor Augen führen, dass Kanda mit jedem Wort Recht hatte! „So…“ Seufzend faltete Tiedoll seine Handschuhe und klemmte sie unter den Gürtel. Er war zu uns in den Raum getreten, wandte sich uns zu. „Ich habe mit Komui telefoniert.“ Unweigerlich fanden meine Augen zu Kanda zurück, doch dessen Interesse gehörte mittlerweile nur noch dem Tee. „Er hat entschieden, wie es für uns weitergeht.“ Sofort spähte ich zu Tiedoll und erhielt sofort dieselbe Aufmerksamkeit. „Chaoji und ich werden unserer Wege gehen. Kanda…“, mit einem Nicken wies er auf den beschäftigten jungen Mann, „… geht nach Russland.“ Bitte…? Die Fassung musste unweigerlich aus meinem Gesicht bröckeln. Während Kanda sich nur bestätigt zu sehen schien und darüber nicht einmal sonderlich erstaunt war, wollte ich meinen Ohren keinen Glauben schenken. Mein Mund bewegte sich stumm aber ein Wort bekam ich nicht hervor. Auch nicht, als Tiedoll mich mit wenigen Schritten erreichte und seine Hand vorsichtig auf meine Schulter traf. „Komui möchte, dass du zurückkommst und dich auskurierst.“ Das konnte doch nicht wahr sein… „Du bist wirklich verletzt?“ Chaoji trat an mich heran aber ich nahm ihn gar nicht wahr. Auch nicht, dass er mich von Kopf bis Fuß musterte. Nicht nur Kanda… auch Tiedoll hatte es bemerkt?! Die große Hand des Marshalls rutschte von meiner Schulter. Ich blieb völlig entrüstet stehen, war so bloß gestellt, wie nur selten zuvor. Kanda triumphierte nicht einmal, er nahm es, als hätte er all das schon erwartet. Schon längst, auch während er mit mir sprach. Was jetzt…? Nur kurz spähte ich zu Chaoji, bevor ich Tiedoll kurz mit Kanda flüstern sah. Ich fand mich in einer Situation wieder, wie ich sie hasste. Mir waren die Hände gebunden und gegen meinen eigenen Unwillen, stand jetzt nicht mehr nur Kandas Gegenmeinung, nein, es war Komuis Befehl. Nicht zuletzt auch der des Marshalls. Tatsachen, denen ich nicht widersprechen konnte… geschweige denn, es durfte. Es gab keinen Ausweg, keine Möglichkeiten, dem Folgenden zu entgehen und letztes Endes senkte ich nur den Kopf, biss die Zähne zusammen und rieb mir den Nacken. Kanda würde also alleine gehen… und das in eine völlig andere Richtung, als ich. Ich hatte zurückzukehren, alles abzubrechen, was ich hier begonnen hatte und die richtige Gesprächigkeit fand ich nicht zurück, bevor ich mich nur wenige Minuten später von Tiedoll und Chaoji verabschiedete und Kanda noch immer in diesem Sessel sitzen sah. Es waren die längsten Stunden meines Lebens. So unendlich, so drückend, während ich dann in dem Abteil des ersten Zuges saß und auch nicht vielmehr tat, als das. Die Beine von mir gestreckt, die Augen auf die gegenüberliegende, freie Sitzbank gerichtet, hielt ich die Hand auf meinen Rippen gebettet. Dieses Pochen… das sie durch meinen gesamten Körper jagten. Ich meinte es unter den Fingern zu spüren und bewegte diese nur selten, während der Zug unter mit vibrierte und ich die einzige Regung vollbrachte, indem ich tiefe Atemzüge schöpfte. Irgendwie war ich schwer. Seitdem Kanda mich fortgeschickt hatte, seit ich von dem zielstrebigen Kurs und den Taten abgekommen war. Es war nicht mehr dasselbe… so ganz anders, als wenn ich mit ihm weitergegangen wäre. Zu weiteren Pflichten, zu weiteren Zielen und Taten, die etwas bewegten. Und wieder atmete ich tief durch. Eine Strähne streifte meine Augen, blinzelnd kämpfte ich gegen das Kitzeln an und das erste Mal seit langem richtete ich mich auf. Ich hatte zusammengesunken dagesessen. Es fiel mir erst auf, als ich mich etwas streckte, den Kopf hob und bitter aus dem Fenster blickte. Hinaus in die kühle Umgebung, über die vom Wind bewegten Bäume. Nur beiläufig vernahm ich die Geräusche Timcanpy’s, der sich neben mir auf der Sitzbank regte, meine Hüfte hin und wieder mit einem seiner Flügel streifte. Leer erstreckte sich vor der Kabine der hölzerne Flur des Zuges. Keine Stimmen, kein Geräusch außer dem permanenten, belastenden und schweren Rattern der Zugräder. Langsam bewegte ich den Mund, die Lippen aufeinander… starrte auf einen schmalen Weg, der flink an mir vorbeizog. Und ich tat es düster. Es war bitter… selbst der Geschmack auf meiner Zunge, neben der Einsicht, dass Kanda nur richtig handelte, indem er sich weigerte, seine Rückendeckung jemandem zu überlassen, der sich nicht einmal selbst schützen konnte. Ich nahm es mir übel. Dass meine täuschenden Verhaltensmuster für Kanda nicht vielmehr zu sein schienen, als ein Buch, das er nur aufzuschlagen brauchte. Nicht viel Mühe, bevor er versteckte Tatsachen vor sich sah und, wie könnte er auch anders, direkt und unausweichlich darauf reagierte. Hatte ich den Anschein gemacht, mich nicht mehr auf den Beinen halten zu können? Hatte mein Gesicht einmal mehr gezuckt, als es durfte? Meine Rippen entsandten einen stechenden Schmerz, als wollten sie mich zum Narren halten und verbittert verfestigte sich der Druck meiner Hand auf die Verletzung. Ich hörte seine Stimme noch in meinem Kopf. Jedes Wort, als säße er mir gegenüber und täte auch in diesen Momenten nichts anderes, als mich gnadenlos zu durchschauen. Als mich dieser Schlag erfasste, mir den Boden unter den Füßen entriss und mich gegen diesen Stein prallen ließ… wie verdammte ich schon diesen Moment für seine Existenz. Das war es nicht, worauf ich aus war. Keine Zeit, die ich im Hauptquartier verbrachte und nichts anderes zu tun hatte, als mich zu schonen. Als mich auszukurieren. Stehenbleiben… letzten Endes hieß es genau das. Stehenbleiben, an Ort und Stelle, nicht voranzukommen. Das hieß es für mich. Für den, der so darauf beharrte, weiterzugehen. Soweit die Füße trugen. Und noch weiter. Meine Ziele führten in so ganz andere Richtungen. Die Richtung, in die mich dieser Zug führte, hielt nur Unzufriedenheit für mich bereit. Weshalb hatte ich nicht besser aufgepasst! Weshalb hatte ich Kanda dazu gezwungen, sich der nächsten Mission alleine zu stellen! Möglicherweise barg sie Gefahren, die die Stärke zweier forderte. Entgegen seines bevorzugten Einzelganges wäre es doch soviel sicherer gewesen. Meine Schultern hoben und senkten sich. Das Interesse an der Außenwelt verlor ich schnell und mit bitterer Miene sank ich auf den Polstern ein weiteres Mal in mich zusammen. Es war so falsch… es stimmt einfach nicht. Ich war unzufrieden, wurde belagert von all diesen Vorstellungen, in denen ich diesem Hieb entging und stattdessen selbst einen Vernichtenden ausführte. Nur eine Bewegung. Wie lächerlich. Ein knappes, humorloses Grinsen zog an meinem Mundwinkel und kopfschüttelnd rieb ich mir die Stirn. Noch weniger, als eine Verletzung würde ich es ertragen, jemandem zur Last zu fallen. Jemanden in Gefahr zu bringen, der zwar die Stärke hatte, die Situation zum Guten zu wenden… jedoch auch die Gnadenlosigkeit, mir diese Tatsache noch monatelang vorzuhalten. Ich senkte die Lider. Es war angenehm und so hielt ich die Augen gleich geschlossen, ergab mich zermürbt und still den Stunden, die mich von meinem Ziel trennten. Von einem Zug zum nächsten, von einer Bank zur anderen und während ich in verschiedenen Bahnhofshallen saß und resigniert auf die Uhren starrte, musste ich mir eingestehen, wie lächerlich es gewesen wäre. Hätte meine Maskerade gefruchtet und hätte die nächste Mission auch mich betroffen. Was unter der unbeweglichen, rauen Hülle des Japaners vor sich ging, war mir weitestgehend unbekannt und trotzdem glaubte ich, dass er zu einer berechtigten und umso größeren Wut imstande wäre, wenn die Dinge so gelaufen wären, wie ich sie gerne hätte und ich schon unter der folgenden, gemeinsamen Reise in die Knie gegangen wäre. Ein Drama ohnegleichen. Vermutlich wäre es so gewesen und irgendwie bekam mich doch noch die Einsicht zu fassen, dass ich hier, auf dem Rückweg, richtig war. Anderthalb Tage, die nur noch weiter an meinen Kräften zehrten. Beschwerliche Wege, die mich dazu brachten, mich wirklich nach dem Hauptquartier zu sehnen und trotzdem gab es inmitten meiner Erschöpfung nur eine geringe Erleichterung, als ich die erste Tür passierte, mir meinen Weg durch die steinernen Flure bahnte und den Fahrstuhl erreichte. Ich war am Ziel und meine schlürfenden, stockenden Schritte stellten mir die Frage, wie ich es überhaupt bis hierher geschafft hatte. Meine Schultern waren schwer, kaum ließ sich die Hand zu dem Schalter heben und die Wand der Kabine wurde sofort als Stütze genutzt. Der Schmerz schien mich regelrecht zu betäuben, erschwerte mir das Atmen und nur selten wagte ich ein tiefes Luftholen. Nur, um sofort zusammenzuzucken und mich für den Versuch zu ohrfeigen. Möglicherweise, und mir wurde übel bei dem Gedanken, war sogar etwas gebrochen? Eine wahre Hiobsbotschaft und je näher ich dem Krankenflügel kam, desto größer wurde mein Respekt vor dieser Tatsache. Was wäre es für ein Verlust. Weniger für den Orden… der Verlust für mich selbst wäre untragbar. Länger, als eine Nacht in meinem Bett zu verbringen, unmöglich und müde blinzelte ich unter den hellen Lampen eines Behandlungsraumes, als ich mich durch die Tür schob und sofort zu einer der Liegen gewunken wurde. Selbst das Sitzen verlangte mir allmählich wirklich etwas ab. Es war unangenehm aber vorerst bestimmt das letzte Mal. Stockend machte ich mich an den Knöpfen der Uniform zu schaffen, achtete kaum auf den Arzt, der einen der Schränke öffnete, unterschiedliche Utensilien zum klirren brachte, als er in ihnen wühlte. Stirnrunzelnd streifte ich mir den roten Saum über die Schulter, reckte mich vorsichtig in die Höhe und starrte auf die gegenüberliegende Wand. Wie könnte man Kanda beneiden… Ich befreite meine Hand, biss gleichzeitig nach dem anderen Handschuh. Ihn hätte ein solcher Schlag nicht auf dieser Liege enden lassen. Beiläufig warf ich den Handschuh zur Seite, reckte mich aus dem robusten Stoff der Uniform und tastete nach den Knöpfen meines Hemdes. Auf der anderen Seite des Raumes wurden nun vereinzelte Schubfächer geöffnet. Mit einem kurzen Blick prüfte man meine Fortschritte und schon wurde weitergewühlt, die nötigen Dinge zusammengesucht. Man musste sich nicht wundern, dass er der seltenste Besucher des Hauptquartiers war. Die Fähigkeiten seines Körpers, mit Wunden umzugehen und seine ominösen Kraftreserven verlockten Komui nicht selten dazu, ihn manchmal wochenlang umherzuschicken. Kanda beschwerte sich auf jeden Fall nicht darüber. Ich würde es auch nicht tun. Naserümpfend senkte ich das Gesicht, drehte den letzten Knopf aus dem Loch und wurde so auch das Hemd los. Und kaum war es geschafft, stemmte ich mich langsam zurück und ließ mich unter die Lupe nehmen. Konzentriert bewegte sich der Kopf des Arztes vor mir und wieder starrte ich an ihm vorbei, spürte nur seine Finger und interessierte mich nur flüchtig für den Anblick, den ich bot. Kritisch schloss ich mich seinen Beobachtungen an. Eine dunkle, blaue Verfärbung. Sie zog sich beinahe über die gesamte rechte Rippenseite, war durchtränkt von dem tiefen Rot verschiedener, geplatzter Blutgefäße. Ein bitterer Anblick und wieder schöpfte ich tiefen Atem, wandte das Gesicht ab und spürte den sofortigen Schmerz, als geübte Finger zu tasten begannen. „Haben Sie Atembeschwerden?“, erhob sich das konzentrierte Murmeln und mit einem leisen Brummen verneinte ich. Wenn er darauf hinauswollte, dass selbst meine Lunge betroffen war, dann tat ich es gerne. Es war nur die Bewegungen der Rippen, die mir bei dem Atmen zu schaffen machten und trotzdem spürte ich kurz darauf das kalte Eisen eines Stethoskops auf meiner Brust. So brach eine kurze Stille über uns herein. Nur das leise Ticken einer nahen Uhr und auf einen Wink stemmte ich mich nach vorn, beugte mich leicht hinab und ließ auch meinen Rücken abhören. Jeder Moment, der daraufhin folgte, könnte ein Übler sein aber letztendlich erhielt ich die Diagnose, die ich mir wünschte. Nach langem Tasten und vielen Fragen deutete das Nicken des Arztes an, dass er eine Entscheidung getroffen hatte und mein nächster, tiefer Atemzug entsprang purer Erleichterung, als es doch bei einer Prellung blieb. Eine schwere Prellung… ohne Knochenrisse, ohne bleibende Schäden. Eine Verletzung, die schnell heilen würde. Ich würde dafür Sorge tragen und spätestens, als der feste Stoff eines dicken Verbandes um meinen Leib geschlungen wurde, war mir der Gedanke an mein Bett gar nicht mehr so zuwider. „Legen Sie sich sofort hin und schlafen Sie.“ Ein leichter Ruck erfasste mich, als der Arzt den Verband straff zog, sich erneut an mir vorbeineigte. „Ich verabreiche Ihnen etwas gegen die Schmerzen. Dann dürfte es Ihnen leichter fallen.“ Noch ein Ruck… noch einmal zuckte mein Gesicht und kurz darauf fühlte ich mich so eingeschnürt, dass es wieder am Unangenehmen grenzte. Der Verband saß fest, saß sicher und ich würde kein bisschen an ihm rücken, wenn es von dieser straffen Abartigkeit abhing, dass ich schnell dahin zurückkehrte, wo ich hingehört. Auf die Beine. Nur noch eine Kanüle, die sich in meiner Armbeuge versenkte, ein Schmerzmittel, das in meine Vene strömte und schon rutschte ich von der Liege und tastete beiläufig nach meiner Kleidung. Ich bewegte mich langsam, vorsichtig, sicherte mir den festen Halt auf den Beinen und wurde endlich entlassen. „Ich werde Komui Meldung erstatten“, vernahm ich noch die Stimme des Arztes, als ich mich mit der Schulter gegen die Tür drängte und in den kühlen Flur zurücktrat. Ein knappes Murmeln hatte dem Arzt als Antwort zu genügen und einzig und allein auf meinen Weg konzentriert, zog ich sofort weiter. Meine Schritte erhoben sich schlürfend, leicht dahindämmernd spürte ich die frühe Wirkung des Schmerzmittels und sicherheitshalber hielt sich mein Leib stets nahe an der Wand, bereit, sie sofort als Stütze zu gebrauchen. Flatternd begleitete mich Timcanpy, leise schleifte der Ärmel meiner Uniform auf dem Boden. Ich hielt sie an der gesenkten Hand, nicht dazu bereit, sie höher zu raffen und meine Schulter zu beanspruchen. Unbewegt zog so die vertraute Umgebung an mir vorbei, bekannte Stimmen, die sich in nahen Gängen erhoben und bald erreichte mich auch die kühle Luft des steinernen Treppenhauses. Träge trat ich aus dem letzten Gang, bog zur Seite und starrte auf nur auf diese eine Tür, die sich mir schleppend näherte. Wie deutlich spürte ich die Kälte auf meinem nackten Oberkörper, im harten Gegensatz auch das heiße Pochen unter dem Verband. Jetzt umso mehr und irgendwann griff ich nur noch nach der Klinke, ließ die Uniform in der Nähe meines Bettes fallen und mich stockend auf dieses sinken. Von nun an würde es besser werden. Ein Quäntchen Schlaf, gesunde Ruhe und zuversichtlich blickte ich dem Moment entgegen, an dem ich wieder die Augen öffnete und all das hinter mir hatte. Hinter den Scheiben meines Fensters… da war noch dieser grauer, nicht wirklich helle, Tag. Es musste in den späten Mittagsstunden sein und nur undeutlich blinzelte ich dieser leblosen, grauen Schicht zu, die sich am Himmel erstreckte. Eine einzige, deprimierende Decke aus reglosen Wolken… wie erdrückend und ich konnte mich nicht daran erinnern, die Stiefel loszuwerden, bevor ich die Decke über mich zog, das Kissen sofort als bequem empfand und unter der fragwürdigen Entspannung sofort die Augen schloss. Es war schon etwas anderes, hier zu liegen. Die Glieder von jeder Beanspruchung zu befreien und nichts mehr tun zu müssen. Wärmend bedeckte mich die Decke zu bis zur Brust, haltlos bettete sich auch meine Hand auf dieser und letztendlich blieb ich so liegen, wie ich auf die Matratze gesunken war. Es war bequem, so wie es war. Keine Unebenheit der Matratze drang in mein verschleiertes Bewusstsein, kein Zentimeter meiner Haut, der unter der wärmenden Decke hervorragte und auch an Schmerzen erinnerte ich mich nicht, bevor alles um mich herum finster wurde. ~*tbc*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)