Reqium of Darkness & Quiet Symphony von abgemeldet (Walker x Kanda) ================================================================================ Kapitel 6: Die Japan-Mission ~ 3 -------------------------------- So blieben wir dann also ungestört und Kanda blieb es auch. Vermutlich zogen wir alle einen Vorteil daraus, denn, ohne Kanda zunahe treten zu wollen, der Tee oder das Gebäck schmeckte nun einmal besser, wenn keines der Gesichter ein Finsteres war. Ihn wiederum störten wir auch nicht durch unsere Worte… und die flossen und flossen hinter der geschlossenen Tür. Ununterbrochen philosophierten wir über diesen Tee, den ich meistens nur nutzte, um das Gebäck hineinzutunken. Einmal nippte ich auch an dem puren Gebräu aber es war irgendwie nichts, wofür ich mich begeistern könnte. Irgendwie bitter aber zu meinem Glück schien sich die Abneigung meines Gegenübers vielmehr auf das Gebäck zu beziehen. So wurden wir uns wortlos einig und verbrachten behagliche Minuten miteinander. „Zimt…“, konzentriert wendete ich das Gebäck im Mund, starrte mit verengten Augen um mich, während mir gegenüber weitergeschlürft wurde. Irgendwann nickte ich. „Da muss Zimt drin sein.“ Anteilnehmend verfolgte Crowley meine Forschungsarbeiten und als ich nach dem nächsten Keks griff, hob er die Brauen. „Aber wieso sehen sie so dunkel aus?“ Ja, es stimmte… das waren sie wirklich aber erklären konnte ich es mir nicht. Nachdenklich wischte ich mir einen Krümel aus dem Mundwinkel, bemerkte ein weiteres Mal, wie sehr diese Kekse im Mund klebten. Die Einzelteile von den Zähnen zu bekommen, war nicht einfach. Genauso, wie die verschiedenen Geschmacksrichtungen herauszubekommen. „Ist es vielleicht Schokolade?“ Somit schlürfte Crowley weiter aber wenn ich mir einer Sache sicher war, dann war es der Fakt, dass Schokolade hier weit entfernt war. Eher schmeckte es säuerlich und gemütlich vertiefte ich mich in diese Angelegenheit. „Es klebt, als wäre Leim drin, schmeckt aber nach Fisch. Ein Fisch-Keks?“ Es war so angenehm, sich einer durch und durch sinnlosen Sache zu widmen. Ich brach den Keks auseinander, betastete das schwarze, getrocknete Blättchen, das ihn zum Teil umschloss. „Fühlt sich an wie Holz…?“, murmelte ich und abrupt spähte ich zur Seite, als sich die Tür zum Innenhof mit einem Mal öffnete. Plötzlich und schnell wurde sie aufgeschoben und der junge Mann, der auf einmal im Rahmen stand, starrte mich an… tat es so resigniert und verständnislos. Eine Hälfte des Kekses rutschte mir aus den Fingern, als ich seinen kritischen Blick erwiderte und eine kurze Stille bei uns herrschte. „Es sind Senbei!“, erhob er dann die Stimme, als hätte er mein Philosophieren nicht mehr ertragen. Ein Zucken ging durch seine Miene, als er dann eintrat, mich stets und finster im Blick behaltend. „Reiskräcker mit Seetang... kein Holz!“ „Ach so.“ Beeindruckt tastete ich nach dem entflohenen Keks und neben mir wurde die Tür geschlossen. Jetzt hatte er es mir doch verraten und zufrieden ließ ich den letzten Keks im Mund verschwinden. Senbei… das durfte ich nicht vergessen und nur ein knapper Blick traf das leere Schälchen, bevor sich Kanda auf seinem alten Platz niederließ. Den leeren Teebecher stellte er ab, rückte sich kurz zurecht und atmete tief durch. Kauend wandte ich mich ihm zu, Crowley legte den Kopf in den Nacken und trank die letzten Schlucke. „Der Wirtin nach, hat der Guji in einem Tempel gelebt und gearbeitet, der nicht sehr weit entfernt ist.“ So wandte sich Kanda an uns, stemmte die Ellbogen auf den Tisch und schenkte meiner knappen Begutachtung seines Bechers keine Beachtung. Sobald dieser Becher leer war, wurde er plötzlich gesprächig? Ich kam nicht um ein knappes Schmunzeln. Er setzte wirklich Prioritäten und natürlich hatte er die wichtigsten Fragen auch schon gestellt. Eigentlich hatte es mich nicht zu überraschen. Ihn auf Missionen zu Taten anzutreiben, wäre ein seltsames Ding. „Weißt du, wo er ist?“, erkundigte sich Crowley und mit einer knappen Kopfbewegung wies Kanda zur Seite. „Fünf Kilometer nördlich, in der Nähe von Uka.“ Seine Hand bekam den Becher zu fassen, begann ihn zu drehen. „Wir müssen dort so schnell wie möglich hin.“ „Wir wären in etwa zwei Stunden dort.“ Von Crowley sah ich zu Kanda. „Bis zur Abenddämmerung könnten wir wieder zurück sein.“ Wenn wir sofort aufbrachen… Sofort wurde mir gegenüber genickt, doch Kanda war anderer Meinung. „Einen Gesprächspartner werden wir da nur abends finden“, meinte er. „Tagsüber sind die Leute entweder außerhalb unterwegs oder mit Zeremonien und Gebeten beschäftigt.“ „Mm.“ Grüblerisch stemmte ich das Kinn in die Handfläche, starrte auf das gegenüberliegende Regal. Also doch nicht so einfach… „Der Finder…“, hob Crowley da an, „… meinte doch, es wären immer nur Level 1 Akuma, die den Friedhof durchstreifen. Mit denen könnte es auch einer von uns aufnehmen.“ „Schon“, stimmte ich sofort zu und regte die Finger am Kinn. „Vorausgesetzt, unser Aufenthalt auf dieser Insel ist bisher ein Geheimnis geblieben.“ An der Spitze des Tisches erhob sich ein beinahe zustimmendes Brummen. Niemand von uns wusste, ob es möglicherweise nicht auch die falschen Menschen waren, die uns auf unserem Weg in das Dorf oder in dem Dorf selbst, zu Gesicht bekamen. Möglicherweise hatten wir bereits etwas angelockt, das mehr Stärke forderte. „Willst du damit sagen, einer überwacht den Friedhof und zwei gehen zum Tempel?“ Kandas Finger machten sich immer noch an dem Becher zu schaffen. Fließend fuhren sie über den Rand, betasteten die raue Struktur. Crowley nickte und so richtete ich mich auf. „Wenn alles so kommt, wie wir es uns vorstellen, dann sehe ich darin kein Problem.“ Sofort spürte ich Kandas Regung, kam ihm jedoch zuvor. „Aber da das selten der Fall ist, schlage ich vor, dass wir zuerst alle zum Friedhof gehen. Dass wir herausfinden, auf was für einen Widerstand wir treffen.“ Es schien, als hätte Kanda wirklich etwas Ähnliches sagen wollen. Jetzt schwieg er jedenfalls und überdachte meine Worte. Erwartungsvoll wandte ich mich an Crowley. „Sollten es wirklich nur Level 1 sein, werden wir sie zerstören und uns anschließend zu zweit auf den Weg zum Tempel machen. Wenn die Akuma noch nicht von uns wissen, gibt es keine Verstärkung und bevor neue auftauchen, sind wir alle längst zurück und das hoffentlich mit nützlichen Informationen.“ „Meinetwegen.“ Endlich ließ Kanda von dem Becher ab. Nach der letzten Berührung pendelte er sich scheppernd auf dem Tisch ein und Kanda stemmte sich zurück, kratzte sich flüchtig die Brust. „Um Eskalationen vorzubeugen, halten wir den Kontakt. Sollte es sich um eine Falle handeln, ist der Rückweg zum Friedhof schnell hinter sich gebracht.“ Er spähte zur Seite, unterdrückte sichtlich ein Gähnen und wurde auf mehrere, kleine Mappen aufmerksam, die säuberlich in einem der Fächer lagen. „Ich hätte keine Probleme damit, mit dem Finder die Stellung auf dem Friedhof zu halten.“ Crowley beugte der folgenden Frage einfach vor. Letztendlich war es egal, wer von uns beiden Kanda begleitete, also nickte ich einfach nur. „Dann haben wir es ja.“ Es würde bei der Abenddämmerung bleiben, nur nicht bei demselben Ziel. Irgendwie stieg auch in mir ein Gähnen höher und während Kanda sich etwas aufrappelte und auf die Beine kam, streckte ich mich genüsslich. Nach wie vor blieben uns noch einige Stunden und irgendwie stand mir der Sinn danach, diese Zeit für eine gesunde Mütze voll Schlaf herzugeben. Wirklich erholen konnte man sich auf einer Reise nicht. Man gelangte einfach nicht an diesen angenehmen Tiefschlaf. Ächzend sank ich in mich zusammen, ließ die Arme fallen und verfolgte trübe, wie sich Kanda eine dieser Mappen nahm. Wieder diese Zielstrebigkeit und schon saß er wieder am Tisch, legte die Mappe vor sich ab und begann zu blättern. Es war alles gesagt und sofort fokussierte er sich nur noch auf die dicken, rauen Seiten, die ein Meer aus japanischen Schriftzeichen offenbarten. Vielleicht wollten Japaner nicht nur während des Teetrinkens, sondern auch während des Lesens nicht angesprochen werden? Stirnrunzelnd neigte ich mich zur Seite, warf einen weiteren, versteckten Blick in diese Mappe. „Was ist das?“ „Ich hab Hunger“, wurde zurückgemurrt und raschelnd blätterte er weiter, wurde von meiner Skepsis getroffen. Ich richtete mich auf, verzog den Mund. Ach so… damit war alles erklärt. Das leise Schaben der Tür verschaffte mir die nötige Ablenkung. Es war der Finder, der zurückkehrte und mit ihm ein säuberlicher Mantel. Es war schnell gegangen, vermutlich hatte er sich die Unterstützung dieses Hauses geholt und nach einer knappen Musterung war Kanda auch zufriedengestellt. Es sah wieder ordentlich aus und vorerst fand die Uniform ihren Platz neben ihm und seine Aufmerksamkeit sofort zu der Mappe zurück. Der Finder hätte keinen besseren Moment abpassen können. Durch ihn hatten wir Kanda nicht mit weiteren Fragen zu provozieren und erfuhren schnell, dass er nichts anderes als den Speiseplan des Hauses studierte. Das Lesen der Schriftzeichen fiel dem Finder glücklicherweise auch leichter, als die fließende Kommunikation und so verbrachten Crowley und ich eine lange Zeit damit, uns seltsame Gerichte vorlesen zu lassen. Mit den Namen ließ sich herzlich wenig anfangen und so folgten den Namen ausgiebige Erklärungen. Die japanische Küche war komplex aber die Bestellung gelang im Nachhinein ganz zufriedenstellend. Während Kanda der jungen Bediensteten nur etwas zumurmelte, wurde der Finder zu weitaus mehr Gesprächigkeit gezwungen. Etwas holprig formulierte er die umfangreichen Namen. Permanent blieben dabei seine Hände in Bewegung und die Nervosität griff spätestens nach ihm, als Kanda den einen oder anderen mir unverständlichen Satz mit einem leisen Murren kommentierte. Eine wirklich entspannende Atmosphäre und die Erleichterung war dem Mann wirklich anzusehen, als all das hinter ihm lag. Unter einem leisen Seufzen fuhr er sich über die Stirn und erhielt einen ermunternden Klaps von Crowley. Und es dauerte gar nicht lange, bis serviert wurde. Kaum eine viertel Stunde saßen wir dort und waren in einseitige Gespräche vertieft. Kreuz und quer über den Tisch, während Kanda an der Spitze der tiefen Fläche saß… bequem zurückgelehnt, sich umschauend, hin und wieder auch seinen Bauch kratzend. Es schien einer der Momente zu sein, mit denen er eigentlich ganz zufrieden war. Ganz leicht an der Tatsache zu erkennen, dass er uns nicht zum erneuten Mal sitzen ließ und sich sogar davon abhielt, seine Kommentare zu unseren Themen loszuwerden. Wir sprachen weniger über das Bevorstehende. Was wir wissen mussten, war besprochen. Man hatte sich geeinigt und solange man für das Essen brauchte, redeten wir einfach über Gott und die Welt. Über dies und das und letztendlich doch wieder über nichts. Der Boden war bequem und ich machte es mir gemütlich, tippte hin und wieder die letzten Krümel der Kekse aus der Schale. Wie die ehemaligen Leckereien hießen, das hatte ich vergessen aber bevor ich mich darüber ärgern konnte, öffnete sich die Tür und unser Essen wurde zu uns getragen. Es war üppig, zierlich gestaltet und in der ganzen Menge eigentlich mehr häppchenweise zu genießen. Etliche Schüsseln, Schälchen, kleine Teller und Krüge… und während ich dann kaute, kam ich einfach nicht umhin, meine Augen zur Seite schweifen zu lassen. Mit gegenüber kaute Crowley langsam, verschaffte sich einen vorsichtigen Eindruck von den fremden Delikatessen. Auch der Finder ließ es sich schmecken aber es war eine ganz andere Sache, über die ich nicht hinwegkam. Kanda war schon ein seltsamer Typ. Hier, in seinem Heimatland, in dem er in den Genuss der besten japanischen Speisen kam… ich starrte beinahe unaufhörlich auf das Tablett, über das er sich beugte. Hier, wo er die freie Wahl hatte und man ihm alles zubereitet hätte… aß er Soba-Nudeln und tat es so genüsslich, als würde er es zum ersten Mal tun. Es schmeckte ihm wirklich. So gut, dass er nicht einmal auf meine penetrante Beobachtung einging. Die Augen ausschließlich auf die Schale gerichtet, versenkte er die Stäbchen in den Nudeln, kratzte am Wasabi und kaute genügsam. Den Rest des Tages nutzten wir, um zu neuen Kräften zu finden. Die kommende Nacht war nicht einzuschätzen und so dösten wir etwas vor uns hin, während Kanda im Ryokan unterwegs war. Was er tat, das wusste ich nicht aber vermutlich reicht die Erklärung, dass er überall lieber war, als bei uns. Erst, als die Abenddämmerung einsetzte, betrat er wieder den Raum und gemeinsam trafen wir die letzten Vorbereitungen. Wir schlüpften in die Uniformen, Mugen fand seinen alten, verborgenen Platz unter Kandas Mantel. Die letzten Dinge wurden zusammengerafft und dann traten wir in den Sonnenuntergang hinaus und kehrten zu jenem Friedhof zurück. Wir gingen zügig, waren lieber zu früh am Ort des Geschehens, als zu spät und fanden uns zu dieser Uhrzeit alleine auf den schmalen Feldwegen Okinawas wieder. Nur einmal erspähte ich in weiter Entfernung die langsamen Bewegungen zweier Bauern, die ihre Felder verließen und dorthin zogen, von wo wir kamen. Zurück zum Dorf, zurück in die Sicherheit, der wir uns entzogen. Und das Ziel war schnell erreicht. Bald pirschten wir uns schon zwischen den dunklen Stämmen hindurch, stiegen durch tückisches Unkraut und gingen unter den annähernd schwarzen Baumwipfeln unseres Weges. Dass etwas nach Plan verlief, geschah nicht oft. Die meisten Missionen waren so schwierig und hielten alles für uns bereit, womit wir nicht rechneten. Nicht so wie diesmal und der Anblick der wenigen Akuma des 1. Levels, die durch die finsteren Reihen der Grabsteine drifteten, brachte uns zuversichtliche Entspannung. Keine Herausforderung, keine Schwierigkeit und kaum waren wir aus dem Dickicht getreten, erlagen die schweren, kolossalen Körper schon unseren Waffen. Nur kurz erhoben sich die ohrenbetäubenden Geräusche, nur wenige Schüsse entflammten an diesem heiligen Ort, bevor die Akuma dumpf zu Boden gingen und die Umgebung unter grellen Explosionen aufleuchtete. Nur wenige Sekunden und ein vorhersehbarer Sieg. Man meinte es gut mit uns wir wechselten kaum ein Wort, bevor wir uns wie geplant trennten. Crowley und der Finder blieben zurück, hielten die Position inmitten der letzten, brennenden Überreste der Akuma, während Kanda und ich uns rasch in Bewegung setzten und so schnell gingen, wie wir gekommen waren. Fort von dem Friedhof und zurück in das Unterholz. Für kurze Zeit umgab uns nur das Zischen des Blattwerkes. Vereinzelte Äste, die uns streiften, während wir uns unseren Weg durch das Dickicht suchten. Wir liefen zügig, pirschten uns durch das Meer der Stämme und schienen einem sicheren Pfad zu folgen. Ich hielt mich hinter Kanda, nicht penetrant, eher so, dass ich ihm im Auge hatte und mir in jedem Moment der Tatsache sicher sein konnte, dass er wusste, wohin er mich führte. Leicht und fließend bewegte er sich, schob sich an Stämmen vorbei, neigte sich unter tiefen Ästen und nur selten ertappte ich ihn dabei, wie er orientierende Blicke in beide Richtungen warf und seine Schritte dabei doch nicht an Tempo verloren. Ich spürte das trockene Knacken gefrorener Äste unter meinen Stiefel, schob mich durch ein kahles Gebüsch und binnen kürzester Zeit überquerten wir einen breiten Waldweg. Von einer Seite hinaus aus dem Dickicht und augenblicklich hinein in das andere. Wie zwei dahinflüchtende Schatten in dieser Welt aus Kontrasten. Ein einziges Gewirr aus Ästen erwartete uns auch weiterhin und beiläufig streifte ich einen zur Seite, ließ eine kleine Gruppe mit einem leichten Satz hinter mir und erblickte nicht weit entfernt einen steinernen Hügel, der aus dem Boden ragte. Er wirkte wie ein einziger, weißer Riese und mit einem Satz erreichte Kanda einen schmalen Vorsprung. Er fand sicheren Halt und nur ein knapper Blick war es, mit dem er sich von meiner Anwesenheit überzeugte, bevor er abermals in die Knie ging, leichthin den nächsten, sicheren Platz erreichte und sich über das kalte Gestein tastete. Weiß beschlug sein Atem, als er zur Seite trat, höher stieg und sich zur Spitze zog. Es war schnell geschafft und auch ich setzte hinauf, tat es mit zwei weiten Sprüngen und setzte schlitternd auf der Spitze des Hügels auf. Es war glatt und flatternd umspielte mich der Mantel, unterwarf sich den eisigen Böen, die uns hier oben erreichten. Weit konnte es nicht mehr sein. Nach wenigen, weiteren Schritten war auch Kanda stehengeblieben und in der klirrenden Kälte leise keuchend, trat ich neben ihn, spähte an Tim vorbei und zu jenem Tal, das sich vor uns erstreckte. Wir waren weit hinaufgekommen. Ich beinahe, ohne es zu bemerken und während ich den Kopf schief legte und jenes Tal durchforstete, wandte sich Kanda zu mir. Er spähte zur Seite, direkt an meinem Schopf vorbei und lehnte sich leicht zurück. Ein weiteres Mal verschaffte er sich einen Überblick und auch sein Atem erreichte mich als weißer Fetzen, brachte mich dazu, mich seinen Beobachtungen anzuschließen. Gemeinsam spähten wir zur Seite. Selbst Timcanpy schien sich dafür zu interessieren und während wir die Momente auch nutzten, um unsere vor Kälte schmerzenden Kehlen zu schonen, ließ er sich auf meiner Schulter nieder. Er verschaffte sich seinen Halt und beiläufig wischte sich Kanda seinen Flügel aus dem Gesicht, als er sich zurücklehnte. Ich vernahm nur ein leises Ächzen, während ich zu dem dämmernden, grauen Himmel aufspähte und bemerkte, wie drückend er wirkte. Vor allem hier an diesem hohen Platz. Wie ein dunkles, trostloses Tuch spannte er sich über die kahlen, ineinander verzweigten Baumkronen, die über unsere Köpfe emporragten. Nur beiläufig nahm ich dabei Kandas Bewegung wahr. Wie er nach vorn trat, heran an den steilen Abhang und kurz darauf war er auch schon verschwunden. Er ließ sich hinabschlittern, schnell versiegte das Kratzen seiner Schuhsohlen auf dem glatten Gestein und nachdenklich löste ich mich von diesem Himmel, folgte ihm in ruhigen Schritten. Es war so seltsam. Flatternd löste sich Tim von meiner Schulter und so ließ auch ich mich hinabrutschten, erblickte den weißen, Schneebeladenen Boden des Waldes, dem ich mich schnell näherte. Selbst in dieser späten Stunde schimmerte er noch und mit einem leichten Satz umging ich verdächtige Kerben im Gestein, setzte in dem Schnee auf und spürte seinen sanften Widerstand. Kanda pirschte sich bereits weiter und von ihm aus spähte ich erneut nach oben, erhob mich aus der Hocke und setzte mich in Bewegung. Kitzelnd umspielten die Strähnen mein Gesicht, als sich der Wind ein weiteres Mal spüren ließ und mir die annähernd schwarzen Äste betrachtend, schob ich mich an dem nächsten Stamm vorbei. Nicht weit entfernt knackte das Geäst unter Kandas Schritten, flatternd holte auch Tim auf und kurz hob ich die Hand über die Augen. Während sich die schwarzen Äste dort oben und vor dem erdrückenden, dunklen Himmel wie Totenfinger krümmten, war es hier unten so weiß… so rein. Permanent knackte es unter meinen Stiefeln, raschelnd löste sich zu meinen Seiten der Schnee von den Ästen und nicht selten spähte ich ihm nach. Wie er zu Boden rieselte und diese weiße Wolke hinterließ, die ihm mit Verspätung folgte. Es waren seltsame Anblicke. Sie waren nicht ungewohnt und trotzdem bannte es mich jedes Jahr aufs Neue. Beiläufig behielt ich Kanda im Blick. Es war nicht schwer. Unsere schwarzen Uniformen verschmolzen geradezu mit den finsteren Stämmen der Bäume, während sie sich vollends von dem weißen, reinen Schnee abhoben. Beinahe abstießen. Als würden wir nicht wirklich hier auf den Erdboden gehören. Mich durchzog eine flüchtige Regung, kurz fuhr ich mir mit dem Handrücken über die Stirn und war kurz davor, Kanda einzuholen. Dass er seine eiligen Schritte verlangsamte, konnte nur davon zeugen, dass wir unser Ziel erreichten. Und ich sah es, als wir aus dem dichten Meer der Stämme auf eine große Lichtung hinaustraten. Gemeinsam ließen wir den Wald hinter uns und mit einem Mal begegnete uns wieder das Leben. Der Schrein… Es schien ein einziger Komplex zu sein. Eine recht große Anlage, umzäunt und eingeschneit, ähnelten die Gebäude dem Steinernen, das wir bei unserer Ankunft gesehen hatten. Nur größer und ich blickte auf, spähte bis zu den geschwungenen Dächern und folgte Kanda langsam. Vor uns erhoben sich mehrere Gebäude, durch überdachte Gänge miteinander verbunden und umgeben von kleineren Bauten, steinern, hölzern. Kleine Schreine, zwischen denen sich vereinzelt Gestalten bewegten und wir uns gemächlich auf sie zu. In dicke, dunkle Mäntel gehüllt, folgten die Mönche den schmalen Wegen, zogen von einem Haus zum Anderen und leise vernahm ich auch das Klacken vereinzelter Türen, das Kratzen eines Besens, mit welchem einer der Mönche den breiten Eingangsbereich vom Schnee befreite. Es schien wirklich die geeignete Zeit zu sein und unweigerlich lenkte mich das schnarrende Geräusch einer Gebetsmühle ab, die in einem versteckten Winkel des Tempels geschwungen werden musste. Es war einer der sonderbaren Orte dieses Landes. Ein stiller, wortloser Platz, den man erreichte, indem man aus dem Nichts des Waldes trat. Von einem der Schreine blickte ich zurück zu dem Mönch, der sich nahe den steinernen Pfosten des Eingangsbereiches bewegte. Er hielt sich gebeugt, führte den Besen trotz seines beachtlichen Alters entschlossen und schon hob sich meine Hand vor mein Gesicht, sicherte den Halt der Kapuze, als wir den Mönch erreichten. Er war auf uns aufmerksam geworden, hatte sich jedoch wieder der Arbeit zugewandt. Noch wenige Momente, die er nutzte, bevor wir voreinander stehenblieben. Er stemmte sich auf den Besen, nutzte ihn als Stütze und in den ersten Momenten des Schweigens verfolgte ich eine knappe Verbeugung. Eine stille Begrüßung Kandas, der sich der Mönch behutsam anschloss. Eine kalte Böe drängte sich in unseren Rücken, verschluckte die ersten Worte, die Kanda an den Mönch richtete. Er sprach ihn an und sobald dieses Pfeifen in meinen Ohren erstarb, spähte ich zu ihm. Es war ungewohnt… und es war mir schon eher aufgefallen. Als er sein Essen bestellte, aber in diesem Moment war es mehr, als ein beiläufiges Brummen, gehüllt in Worte, die ich nicht verstand. Die Augen fest auf den Mönch gerichtet, erhielt er dessen gesamte Aufmerksamkeit. Ihm wurde schweigend gelauscht und unweigerlich drifteten meine Augen zu seinen Lippen. Sie bewegten sich fließend, wenige Augenblicke länger, bis sie verstummten und sich das trockene Raunen des Mönches erhob. Es war eine seltsame Sprache, die ich nicht zum ersten Mal hörte. Aber das erste Mal von Kanda und während er zu den Worten des alten Mönches nur knapp nickte, wandte ich mich langsam ab. Es schien sich nur um unser Anliegen zu handeln. Es wurde verstanden und als die Aufmerksamkeit des Mönches auch mich traf, kommentierte Kanda es nur mit wenigen Worten, mit denen sich der alte Mann sofort zufrieden gab. Ja, mit mir zu sprechen, brachte herzlich wenig und wenige Augenblicke später folgten wir dem Mönch durch den Eingang und zu dem ersten großen Gebäude der Tempelanlage. Wir hielten uns hinter ihm, passten uns seinen schlürfenden, langsamen Schritten an. Unter der Kälte verschränkte ich langsam die Arme vor dem Bauch und bewegte die Schultern unter dem dicken Stoff des Mantels. Scheinbar hatte man Zeit für uns. Fragen waren wohl überflüssig und im Grunde fühlte ich mich gerade auch nicht danach. So hielt ich mich schweigend neben Kanda und trat kurz darauf in das warme Innere des Gebäudes. Die steinernen, dicken Fassaden versteckten hinter sich ein säuberliches, wenn auch simples, hölzernes Innenleben. Ein großer Raum erstreckte sich neben uns, als der Mönch die Tür schloss, vor uns zwei breite Gänge, aus denen das Schlürfen leise Schritte zu uns drang. Hier ging man überall seiner Wege, auch das Schnarren der Gebetsmühle hatte einiges an Lautstärke zugenommen und während sich der alte Mönch langsam den Schnee von seiner Kutte strich, ging ich neben Kanda in die Knie. Spätestens jetzt hatte ich es begriffen und so brauchte es diesmal keine Aufforderung, um mich aus den Stiefeln zu kriegen. Bequem zog ich den Reißverschluss hinab, schlürfte aus dem robusten Leder und lugte zu dem Mönch, der im Vorbeigehen aus den dicken Sandalen schlüpfte und die Stufe hinter sich ließ. Mit einer langsamen Bewegung schwang er einen seiner langen Ärmel zurück, versenkte die Hand in ihm und wartete geduldig, bis auch wir hinaufstiegen. Zurück auf die glatten Holzdielen und als wir uns hinter dem Mönch einpendelten, bekam ich Tim zu fassen. Ich hielt ihn bei mir, durchquerte diesen kahlen, leicht erleuchteten Gang und passierte auch noch andere. Es schien ein Mönch hohen Ranges zu sein, der sich Zeit für uns nahm. Wir wurden in einen kleinen, mit Holz ausgestatteten Raum geführt und wieder erhoben sich die unverständlichen Worte, als der Mönch uns seinem Genossen vorstellte. Nur ein kurzes Gemurmel, dem Kanda schweigend lauschte und kaum eine Minute verging, bis man uns mit dem Mönch, ebenfalls einem Mann hohen Alters, alleine ließ. Schlürfende Schritte verrieten, wie sich der andere Alte gemächlich entfernte und es blieb bei einem stillen Zunicken, einem ganz seltsamen, wortlosen Verständnis, bevor Kanda den Mantel zurückschlug, vor dem bequemen Lager des Mönches niederkniete und sich setzte. Er bewegte sich anscheinend ungezwungen und trotzdem meinte ich, seinen Regungen mehr Stolz zu entnehmen, als meinen, in denen ich es ihm gleichtat. Auch seine Haltung… er hielt sich aufrecht und während ich die Schultern senkte und es mir einfach bequem machte, wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass es bei ihm eigentlich noch nie anders gewesen war. Er bewegte sich anders… verhielt sich anders, als ich. Schon immer und in diese knappen Grübeleien vertieft, schenkte ich der Musterung des Mönches kaum Beachtung. Erst, als er erneut die Stimme erhob, blickte auch ich auf und es schien bei einer kurzen Frage zu bleiben. Sie wurde eher an Kanda gerichtet und was auch immer er sagte, wie er den Verlauf auch bog, damit hier und jetzt kein Misstrauen entstand, unser Gegenüber hörte aufmerksam zu und bald senkte er den Kopf unter einem langsamen, andächtigen Nicken. Jener Tote… und wieder spähte ich zu Kanda, der dem Mönch keine Zeit für eine Antwort ließ. Fließend fuhr er fort und obwohl über seine Lippen ein Strom aus seltsamen Ausdrücken kam, sah ich mein Interesse geweckt. Mich jetzt um die Fakten zu kümmern, die hier besprochen wurden, hätte mir herzlich wenig gebracht und so saß ich nur weiterhin dort, die Reaktionen des Mönches studierend und ebenso die ruhige, jedoch forschende Tonlage, der Kanda verfiel. Es war so anders. Ganz anders, als in dem tagtäglichen Geschehen, in dem wir steckten und ausschließlich meine Muttersprache nutzten. Jedes Murren war verständlich, jede Bemerkung offen und ausdrücklich. Ich hatte gelernt, selbst seine Stimmlage einzuordnen. Die verschiedenen Facetten, die sie in ebenso verschiedenen Situationen aufwies. Im Eifer des Gefechtes. Ich wusste, wie er sich anhörte, wenn er schrie… Daheim. Manche seiner sarkastischen Untertöne schien er eigens für mich entwickelt zu haben. Andere Lagen, andere Zustände und immer war da dieses offenkundige Murren, die deutliche Unzufriedenheit über so viele Dinge, an denen man so oder so nichts ändern konnte. Nur hier und jetzt… offenbarte sich mir eine völlig unbekannte Stimmlage. Ein sauberer, klarer Redefluss, ohne, dass er den Mönch zu beleidigen oder zu bedrohen schien. Und ich lauschte aufmerksam, hörte zu und doch wieder nicht. Es war wohl egal, an welcher Sprache er sich bediente, auch egal, ob er seine Entschlossenheit tarnte oder sie offen und barsch vor andere Füße warf. Letztlich seine Augen verrieten mir in jedem Moment, dass er sicher auf eine zufriedenstellende Antwort hinarbeitete. Aufmerksam und konzentriert ließen auch sie sich keine Reaktion des Mannes entgehen und flüchtig hob er die Hand zu einer seltsamen Geste, bevor er verstummte und dem Mönch das Wort überließ. Ein Nicken und kurz saßen wir in nachdenklicher Stille dort, bevor sich die raue Stimme des Alten erhob und er langsam zu erzählen begann. Ich fühlte, spürte oder glaubte zu wissen, dass diese Worte von großer Wichtigkeit waren. Es mussten Antworten sein, Erklärungen, die wir brauchten und von dem Gesicht des Priesters spähte ich nicht selten zu Kanda. Was auch immer er hörte… er regte sich kaum, lauschte aufmerksam und nur einmal ertappte ich ihn dabei, wie er den Blickkontakt zu dem Mann unterbrach, flüchtig und nachdenklich zu Boden blickte. Er fiel kurz aus der konzentrierten Rolle des Zuhörers. Seine Lippen schürzten sich, seine Stirn legte sich kraus, doch kurz darauf fand er zur alten Aufmerksamkeit zurück. Es waren nur wenige, weitere Worte, die fielen, bis es sich nach dem Ende des Gespräches anhörte. Man schien zu einem Punkt gekommen zu sein. Ob dieser uns auch Fortschritte brachte, wusste ich nicht. Kanda hatte jedenfalls nicht mehr viel zu sagen, nachdem der Priester verstummte. Eine kurze Stille brach über uns herein. Eine Stille, in der wir von den erfahrenen Augen des Mannes gemustert wurden und die Kanda offensichtlich mit wenigen weiteren Grübeleien füllte. Es war nicht umsonst gewesen… es existierte eine Einsicht, die ich kennenlernen wollte. Der Inhalt des Gespräches und die Früchte, die dieses trug. Aber ich hatte mich zu gedulden. Während Kanda sich von dem Priester verabschiedete, während wir den Raum verließen und uns schweigend den Rückweg zum Eingang des Schreins suchten. Kanda schien es bei weitem nicht mehr so eilig zu haben. Gemächlich hielt er sich in dem schmalen Gang vor mir und kurz bevor wir zurück in die eisige Kälte der Nacht traten, schien er sich von einigen Gedanken zu befreien. Er richtete sich auf und seine Bewegungen zeugten von der alten Zielstrebigkeit, als er zurück in die Stiefel schlüpfte und sich nach den Schnallen bückte. Wir waren alleine in dem Vorraum. Nur das leise Knacken eines Dochtes machte auf eine nahe Kerze aufmerksam und zitternd erbebte die Flamme, als Kanda die Schiebetür öffnete und nach draußen trat. Augenblicklich suchte sich Tim seine alte Freiheit und als uns die erste, kalte Brise begrüßte, zogen wir die Mäntel enger um uns, stets auf den Waldrand zusteuernd, von dem wir gekommen waren. Und ich wartete, hielt mich neben Kanda und spähte kurz zurück zu jenen Mauern, bevor wir in das Meer der Stämme eintauchten. Wenn er es für nötig hielt, mich einzuweihen, dann ließ er sich eine Menge Zeit. Sein Schweigen währte zu lange und ich tat mir keinen Zwang an, als ich neben ihm durch das Unterholz stieg. Ich stellte jene Frage und vorerst ertönte daraufhin nur ein leises Murren. Eine Reaktion, die meine Erwartungen nur schürte. Die dunklen Augen auf den vor uns liegenden Weg gerichtet, erhob er dann endlich die Stimme. „Der Guji besaß ein Relikt, das für heilig erklärt wurde.“ Ich spähte zu ihm, umging einen verdorrten, kahlen Strauch. Kandas Lippen schürzten sich, kurz sah er sich um. „Ein Relikt, das in seiner Generation weitergegeben wurde. Da er keine Nachkommen hatte, wurde es mit ihm begraben.“ „Was ist das für ein Relikt?“, erkundigte ich mich ruhig. Es war nicht so, dass es nicht gewisse Vermutungen in mir gab. Die Worte ließen auf eine gewisse Sache schließen und sobald ich darüber nachzudenken begann, erkannte ich die Schwierigkeiten, die wohl dahintersteckten. Dieses Relikt schlummerte gemeinsam mit dem Verstorbenen unter der Erde des Friedhofes. An einem Ort, der heilig war. Ich hatte es mir gedacht. Seit langem und seit ich mir diese gefrorene Erde betrachtete, die den Grabstein umgab. Eine eisige Böe erfasste uns, ließ mich blinzeln. Neben mir tastete sich Kanda an einem Baumstamm vorbei. Ich war aufmerksam, lugte erneut zu ihm und stieg über einen Ast. „Es handelt sich um einen Kristall, der von innen heraus leuchtet“, vernahm ich kurz darauf sein Murmeln und während sich seine Schritte nicht verlangsamten, presste ich die Lippen aufeinander. „Seit fast zweihundert Jahren.“ Und es war ein Innocence… Ich begann den Inhalt des Gespräches zu begreifen, zu grübeln und mich einem Punkt zu nähern, der mich auf unangenehme Einsichten stoßen ließ. Schweigen brach über uns herein und für kurze Zeit begleitete uns nur das Knacken vereinzelter Äste, die wir unter unseren Stiefeln begruben. Auch das Flattern meines Golems, der sich stets in unserer Nähe aufhielt. Mehr gab es dazu nicht zu sagen? Ich zog die Nase hoch, verbarg mich fröstelnd in meinem Mantel und folgte Kanda weiterhin nur schweigend. Und ich stellte mir die Frage, ob ich der einzige war, der mit diesem unguten Gefühl lebte. Der mit einem bitteren Vorgeschmack zu ringen hatte. Ein heiliger Friedhof… sowie die heilige Ruhestätte eines heiligen Mannes. Ein Ort des Friedens, so wie es alle Begräbnisstätten waren. Wie man es drehte und wendete, wie man es auch schön redete und sich immer wieder die Notwendigkeit vor Augen führte. Das, was wir vor uns hatten, war Grabschändung in besonders schwerem Fall. Unausweichlich. Wir hatten den letzten Frieden zu stören, Hand an einen Stein zu legen, der bis in alle Ewigkeit unangetastet hätte bleiben sollen und sofort kamen mir Kandas Worte in den Sinn. Seine Überzeugung, mit der er den Finder zurechtwies. Mit der er ihn aufforderte, dem Ort den angemessenen Respekt zu zollen. Und es waren nur Worte gewesen, die Kanda für zu laut hielt. Versteckt fanden meine Augen abermals zu ihm zurück. Eindringlich begann ich ihn zu mustern und bei jedem seiner Schritte, bei jeder seiner Gesten fiel mir auf, dass er so war wie immer. Wie konnte er damit zufrieden sein? War er es? Es war seine Kultur, die wir verletzen würden. Was für einen inneren Konflikt musste all das heraufbeschwören. Wie unwohl musste er sich mit diesen Tatsachen fühlen… ohne es zu zeigen. Er nahm diesen Rückweg auf sich, als fürchte er sich nicht vor den Vorgehensweisen, die wir an unserem Ziel ergreifen würden. Sein Einsatz für den Orden war rigoros. Strikt. Ich hatte ihn noch nie zögern gesehen. Nicht binnen all der Monate, die wir uns kannten oder zumindest glaubten, uns zu kennen. Mir offenbarte sich hier eine interessante Situation. Ein Ausnahmezustand, in dem Kanda doch nicht von seinem gewohnten Weg abwich. Ich konnte nicht der Einzige zu sein, dem der Gedanke an das Bevorstehende die Unrechtmäßigkeit vor Augen führte. Der Einzige, der Respekt vor den kommenden Stunden hegte, so wie ich diesen Friedhof respektierte. Kanda war ein Mensch, blieb menschlich… und wie zielstrebig er sich auch immer bewegte und wie eisern seine Mimik auch immer blieb, es war unmöglich, dass es nicht zumindest ein Zögern in ihm geben musste. Ich musste nur warten. Auf diesen einen Moment, an dem sich sein Unmut an die Oberfläche kämpfte. Er musste existieren… wenn auch sehr tief in ihm. ~*tbc*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)