Reqium of Darkness & Quiet Symphony von abgemeldet (Walker x Kanda) ================================================================================ Kapitel 3: Kakao-Pause ---------------------- Kurz nach dieser einseitigen Blamage trennten sich unsere Wege. Während Lavi sich auf die Suche nach Bookman machte, lag mein Ziel gleich in der Nähe und ein leises Seufzen entrann mir, als ich dann die Tür hinter mir schloss und in meinem Zimmer stand. Ein genaues Vorhaben hatte mich nicht hierher geführt und trotzdem fühlte ich mich hier weitaus wohler, als dort draußen. Wo ich stand, da blieb ich stehen, versenkte unentschlossen die Hände in den Hosentaschen und wippte auf den Ballen. Mein Kopf suchte sich eine kurze Pause von all den Nachdenklichkeiten so und so schaute ich mich erst einmal um. Dass ich selten hier war, bemerkte man allmählich. Ich saugte an meinen Zähnen, wippte weiter und driftete zu dem Schrank. Er stand um ein Stück offen. Das konnte an der Hose liegen, die in dem Spalt der Tür eingeklemmt war und auch einen verlorenen Strumpf konnte ich dort unter dem Bett erspähen. Irgendwie ernüchternd. Die zerknitterte Bettdecke… das Kopfkissen, dass an der Wand quetschte… auch die Kleider auf dem Stuhl hatten sich nicht lange dort gehalten. Ich stand vor einem gewissen Chaos und schürzte die Lippen. Und ich spähte zur anderen Seite, spähte zum Bild, das über meinem Bett prangte und begann kurz darauf zu schlendern. Vorbei an dem Schrank, vorbei an dem Stuhl und haltlos ließ ich mich einfach neben das Bett sinken, fand in der Matratze eine angenehme Kopfstütze. Ich rutschte tiefer, bettete mich bequem und streckte die Beine von mir. So blieb ich liegen, starrte eine Weile vor mich hin und runzelte irgendwann die Stirn. Jetzt, wo ich die Ruhe hatte… Träge wandte ich den Kopf zur Seite. „Tim…?“ Nachdenklich lauschte ich der darauffolgenden Stille und rümpfte irgendwann die Nase. Er tauchte schon wieder auf und so wandte ich das Gesicht nach oben, rückte mich zurecht und schloss die Augen. Langsam begann ich die Finger in den Hosentaschen zu bewegen. Das tat gut… Nur das leise Ticken der Uhr und die entfernten Geräusche draußen im Treppenhaus. Diese Türen waren gut. Sie ließen nicht mehr durch, als man vertrug und mit geschlossenen Augen blieb ich einfach dort liegen und ließ so einiges Revue passieren. Ich stellte mir die Frage, was Komui zu diesem Zeitpunkt tat. Dass nicht nur ich jetzt nachdenklich sein dürfte, war nur natürlich aber in diesem Moment wünschte ich mir, die Zeit vorspulen zu können… bis hin zu dem Moment, an welchem er uns die endgültige Entscheidung mitteilte. Auf welches Ergebnis er kam… ob er sich durch unsere Worte umstimmen ließ. Eigentlich war es so offensichtlich. Ich schöpfte tiefen Atem, rutschte um ein Stück tiefer. Hier geschahen überall abnorme Dinge und nach geraumer Zeit kam ich unweigerlich auch zu diesem anderen Punkt. Er suchte mich einfach heim und grüblerisch hob ich die Lider um ein Stück, spähte träge zur gegenüberliegenden Wand und bewegte die Füße. Lavi redete ziemlich viel… manchmal auch über Dinge, bei denen es genügte, nur so zu tun, als würde man zuhören. Aber das, was er diesmal losgeworden war, beschäftigte mich nun doch. Zugegeben… es geschah nicht oft, dass wir wirklich… oder dass ich Kandas Meinung war. Ich konnte nur von mir sprechen, denn verbale Zustimmung schien ihm nicht so zu liegen. Im Gegensatz zu seinem Verhalten war das, das dahinter lag, nicht zu erdenken, nicht zu begreifen. Letztendlich blieben seine Entscheidungen oder die Art und Weise, wie er sie artikulierte, immer etwas fragwürdig, vielleicht nicht akzeptabel, obwohl sich ein guter Wille und striktes, logisches Denken dahinter verstecken. Nicht so, wie dieses Mal. Wie nachvollziehbar war jedes Wort gewesen. Wie augenblicklich hätte ich jeden seiner Zweifel abgenickt. Wie sehr hatte ich hinter ihm gestanden und wie sehr hatten wir letztlich zusammengearbeitet, ohne uns dessen bewusst zu sein. Meine Stirn legte sich kraus. Irgendwie seltsam. Dieses Wissen, dass sich seine Gedankengänge in diesen Momenten um keinen Deut von meinen unterschieden… er genau dasselbe fühlte… war seltsam. Eigentlich war es nur natürlich, dass wir stets in entgegengesetzte Richtungen spähten. Dass wir der gegenteiligen Meinung waren oder die andere zumindest nicht vollständig teilten. Was war unsere Normalität. Das war das, woran wir uns gewöhnt hatten. Ich regte die Beine, winkelte sie an und rümpfte die Nase. Ich bewegte mich in komischen Gefilden und mit zweifelloser Sicherheit war ich damit der Einzige. Es hatte den Anschein gehabt, als wäre er in Eile. Als hätte er wieder irgendein Ziel, in das er sich in diesen Momenten vertiefte. Auf seine strikte, zielstrebige und trockene Art und Weise, die ihm nicht erlaubte, gedanklich abzuschweifen. Ein knappes Grinsen zog an meinem Mundwinkel. Er hatte wirklich nicht gewusst, wovon ich sprach… Mein Grinsen vertiefte sich. Das passte so zu ihm. In gewisser Art und Weise überraschte er mich nicht mehr. In gewisser Art und Weise. Heute war es ganz anders gewesen. Vermutlich war ich es einfach nicht gewohnt, normal mit ihm zu sprechen. Wir foppten uns, wir stichelten und zumindest ich hatte dabei immer meinen Spaß. Wir stänkerten und zogen uns auf und es verging nie eine lange Zeit, da grinste ich darüber. Ich war seinen Sarkasmus gewohnt, sein ablehnendes, normales Verhalten, mit dem er mir gegenübertrat, mich verhöhnte und zur rechten Zeit doch ernst nahm. Das musste es sein und im Nachhinein war ich doch auch sehr darüber erstaunt. Eine seltsame, außergewöhnliche Situation hatte uns zu einer völlig neuen Ebene der Unterhaltung geführt. Dass ich ihn nicht nur während eines Kampfes auf meiner Seite hatte, dass wir auch im Alltag dazu imstande waren, an einem Strang zu ziehen. Verblüffend… und in diese Einsicht vertieft, befreite ich eine Hand aus der Hosentasche und juckte mir das Kinn. Wirklich verblüffend… Und nahm man zu dieser Kreation noch die Zutat des morgendlichen Vorfalles, bei dem ich seine Meinung bereits geteilt hatte, dann entstand da ein Gericht, das selbst ich nicht ohne Weiteres hinunter bekam. Ich juckte mich weiter, rieb mir die Wange und gab mich einem lauten Seufzen hin. Tja… plump ließ ich die Hand auf meinen Bauch niedergehen, lugte zu der Uhr. Dieses Gebiet war mir zu ominös. Mich weiter vorzuwagen würde mir nicht vielmehr bringen, als endlose Irritation, in der ich letztendlich völlig feststeckte. Über Kanda zu sinnieren, war fast schon lächerlich, denn im Grunde kannte ich ihn überhaupt nicht. Das Verhalten in diesem Gebäude, das Verhalten auf dem Schlachtfeld und mir gegenüber. Was er aß, das wusste ich auch… also am Ende so gut wie gar nichts. Je mehr man darüber nachdachte, desto fremder wurde einem dieser Mensch und so entschied ich mich dazu, es einfach zu lassen und mich von dieser endlosen Irritation fernzuhalten. So einfach und nachdem ich weitere Minuten nur taten- und gedankenlos dort gelegen hatte, rappelte ich mich auf und stattete Jerry einen Besuch ab. Durch den Hintereingang schlich ich mich mitten hinein in das Getümmel der Köche und die Dämpfe, die aus den köchelnden und blubbernden Töpfen drangen. Der normale Betrieb schien wieder aufgenommen worden zu sein. Es war der Alltag, der mir dort begegnete und nichts zeugte mehr von dramatischen Besprechungen. Essen wurde bestellt, Essen wurde zubereitet und hatte ich eigentlich kurz den Willen gehabt, jemandem unter die Arme zu greifen, hatte ich plötzlich eher Appetit und keine Ambitionen mehr, körperliche Arbeit zu leisten. Ich rieb mir den Bauch, sah die Köche von einer Seite zur anderen hasten und widmete mich einem anderen Gebiet der Nachdenklichkeit. Appetit hatte ich mindestens so oft, wie ich Hunger hatte, nur war der Appetit eine komplizierte Sache, denn es blieb die Frage, auf was er sich bezog. Das Frühstück hatte mir gereicht. Es würde bei einer Kleinigkeit bleiben und vorerst beließ ich es dabei, dort an der Tür stehenzubleiben, die Ackerei anderer zu verfolgen und auf meinen Bauch zu hören. Hin und wieder sah ich auch Jerry in der Menge. Er war ziemlich hektisch, hatte viel zu tun und so schlich ich mich irgendwann zur Seite. Ich schlenderte in den hinteren Teil der Küche. Dort zwischen den ganzen Regalen war es ruhiger. Umgeben von Töpfen, Geschirr und anderen Vorräten ging ich meiner Wege und schottete mich ab von dem Betrieb, der weiter vorne an den Herdplatten und Grillstätten herrschte. Die Hände auf dem Steiß umfasst, ließ ich die Töpfe hinter mir, interessierte mich auch nicht für die Berge des Geschirrs und wurde erst aufmerksamer, als ich die Vorrats- und Zutatenregale erreichte. Da gab es so einiges und ich ließ mir Zeit und schaute genauer hin. Gewürze, Kräuter… und dann blieb ich abrupt stehen. Den Hinterkopf in den Nacken gelegt, hatte ich dort oben etwas gesichtet und ohne zu zögern trat ich näher und streckte mich hinauf. Mein Bauch schien förmlich zu reagieren bei diesem Anblick und konzentriert erwischte ich die Dose mit den Fingerkuppen, zog sie aus dem Fach und machte mich sofort an dem Deckel zu schaffen. Versteckt und verborgen im hinteren Winkel des großen Raumes hob die Dose zur Nase und nahm einen tiefen Atemzug. Das war es. Das Ende meiner Suche und ohne zu zögern machte ich mich ans Werk. Dass Jerry gerade Besseres zu tun hatte, als mir diese Kleinigkeit zuzubereiten, war nicht zu übersehen und so beließ ich es bei einer Anfrage, ob ich mich hier in seinem Territorium bedienen durfte. Die gerührte Zustimmung schrie er mir durch den halben Raum zu und es verging keine lange Zeit, da trat ich in einen anderen Vorratsraum. Ein hölzerner Kasten mit Milchflaschen stellte mein Ziel dar und konzentriert klemmte ich mir drei von ihnen unter den Arm. Sicher durch das Gedränge zu kommen, war schwer aber irgendwann erreichte ich eine etwas abgelegene Arbeitsfläche und richtete mich dort ein. Ein Glas war schnell gefunden und bald wendete ich auch einen Löffel zwischen den Fingern. Es war jetzt genau das Richtige. Bei gewissen Sachen konnte man einfach abschalten und so begann ich den Kakao in das Glas zu löffeln. Vier Löffel, fünf, sechs und erst, als es halbvoll war, zog ich auch eine Milchflasche zu mir und gönnte mir diese Gefälligkeit. Der Radau der Küche drang nicht mehr zu mir, als ich dann zu rühren begann und erst, als sich eine bekannte Stimme neben mir erhob, löste ich die Augen von dem Glas. Überrascht blickte ich auf und versenkte den Löffel im Mund. Da war doch wirklich jemand auf denselben Gedanken gekommen wie ich und sofort lächelte ich. „Ist das lecker.“ Vergnügt nippte Linali an ihrem Kakao, bewegte immerzu die Beine in der Luft. Die Ablage war ziemlich bequem und friedlich saßen wir dort nebeneinander und taten in den ersten Momenten nicht viel mehr, als abwesend zu schlürfen und unserem Genuss nachzuhängen. „Dazu kommt man viel zu selten.“ Sie lächelte immerzu, bekam das Glas kaum von den Lippen und zustimmend nickte ich, bevor ich die Dose zu mir zog und dem kümmerlichen Rest in meinem Glas noch etwas von dem Pulver beifügte. Vertieft löffelte und rührte ich und neben mir wurde geseufzt. „Du hast auch etwas Abstand gebraucht, hm?“ Ich spürte, wie sie mich in Augenschein nahm und lächelnd erwiderte ich diese Aufmerksamkeit. „Und du?“ Beiläufig schob ich die Dose von mir, schwenkte die dickflüssige Masse im Glas und hob es zurück zum Mund. Auch ich ließ die Beine baumeln und Linali bettete ihr Glas auf ihrem Schoß, blickte leicht betrübt zu Boden. Aufmerksam nahm ich sie in Augenschein, bewegte die Milch im Mund und suchte nach vereinzelten Kakaoklumpen. „Mein Bruder hatte es in letzter Zeit etwas schwer“, hob sie an. „Er hat sehr viel nachgedacht. Ich vermute, dass man ihn auf irgendeine Art und Weise unter Druck gesetzt hat. Er hat kaum geschlafen.“ Wieder ein Seufzen, bevor sie mich intensiv in Augenschein nahm, ein etwas brüchiges Lächeln offenbarte. „Bitte nimm es ihm nicht übel, ja? Es war bestimmt keine leichte Entscheidung für ihn.“ Natürlich. Er traf die Härtesten von uns allen aber es gab auch andere Gründe, die mich davon fernhielten, in irgendeiner Art schlecht von ihm zu denken. Nicht aus einem solchen Grund und entspannt beruhigte ich sie, schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht wütend.“ „Danke.“ Etwas entspannter nahm sie einen weiteren Schluck, kreuzte die Beine. „Ich war auch überrascht“, drückte sie es milde aus. „Aber mein Bruder wird die richtige Entscheidung treffen. Kanda und du haben ihm den Anreiz dazu gegeben.“ Konnte ich davon ausgehen, dass ihre Meinung sich nicht allzu sehr von unserer unterschied? Vermutlich fiel es ihr schwer, die Stimme zu erheben, wenn es sich um diesen Gegenpart handelte. Ich beließ es bei einem stummen Nicken, setzte das Glas an die Lippen und leerte es. „Aber schön wäre es schon…“ Beinahe lautlos erhob sich dieses Flüstern neben mir und sofort wusste ich, worum es sich handelte. Wieder hielt sie den Kopf gesenkt, schien in eine leicht bedrückte Richtung zu driften. „Stell dir das vor, Allen. Wenn das alles vorbei wäre.“ Kurz hielt ich in der Bewegung inne. Nach der Milch hatte ich gegriffen und meine Augen drifteten versteckt zur Seite, bevor ich die Hand zum Ziel führte und die Flasche zu mir zog. Ja, was wäre wenn… und schweigend schraubte ich, hielt das Glas zwischen den Beinen. Wenn dieser Kampf endete… wenn die Existenz der Akuma erstarb und jede Gefahr, die uns auf unseren Wegen begleitete. Wenn dieser eine, mächtige Widersacher nicht mehr präsent wäre. Wenn alles… gut wäre. So unvorstellbar dieser Sieg auch war… auch meine Gedanken und Vorstellungen konnten weit driften und schnell gelangte ich an den Punkt, an welchem all das für mich real wurde. Ungestörte Totenruhe… entspannte Arbeit… Viele Sorgen wäre man los und ich stellte mir die Frage, in welche Richtung unsere Arbeit von diesem Punkt aus gehen würde. Wie es… weitergehen würde. Leise gluckerte die Milch in das Glas und abwesend starrte ich hinab, hob die Flasche und setzte den Deckel auf ihren Hals. Was wäre, wenn… Wenn dieser entscheidende Krieg wirklich sein Ende fand. Stumm bewegte ich die Lippen, schraubte an dem Deckel und spürte die flüchtige Regung meines Gesichtes. Diese Vorstellung… Sobald wir die Präsenz des Grafen verlören, würde auch ich etwas verlieren… Ich senkte den Kopf, vergrub den Löffel im Kakaopulver. „Allen…?“ „Mm?“ Sofort blickte ich auf, führte den Löffel blind zum Glas und las ein seltsames Flehen in ihren Gesichtszügen. Sie sah mich an und langsam versenkte ich den Löffel in der Milch, begann zu rühren. „Ich weiß, dass es möglicherweise noch etwas früh für mein Training ist.“ Schuldbewusst legte sie den Kopf schief, ließ mich die Brauen heben. Abermals hielt meine Hand inne. Ihre Zähne bekamen die Unterlippe zu fassen. Merklich klammerte sie sich um ihr Glas und unter einem schwermütigen Seufzen sank sie plötzlich in sich zusammen. „Es ist nur…“, suchte sie nach Worten, „… es ist genau so, wie Kanda gesagt hat. Ich darf niemandem eine Last sein. Und deshalb…“, ihre Stimme senkte sich beschämt, „… hielt ich es für das Beste, so hart an mir zu arbeiten.“ „Linali…“ Anteilnehmend lehnte ich mich etwas zu ihr, sah sie den Kopf schütteln. „Ich will nicht, dass ihr euch Sorgen macht.“ Sie wollte es nicht…? Gerührt nahm ich sie in Augenschein. Nun, letztendlich lag es nur an ihr, dafür zu sorgen, dass wir es nicht brauchten. All das war nicht von uns abhängig. Wir taten es so oder so, wenn sie uns den Grund dazu gab. Es lag nur an ihr. Zaghaft berührte ich sie am Arm. „Mach dir keine Sorgen, ja?“ Aufbauend lächelte ich ihr zu, erntete ein unentschlossenes Nicken. „Wenn du dir genug Zeit lässt, wird so etwas nicht passieren.“ Ich tätschelte sie. „Ich finde deine Entschlossenheit wirklich beeindruckend, also wirst du es auch schaffen.“ „Ja…?“ Beinahe erstaunt richtete sie sich auf. Es tat ihr gut und sofort nickte ich liebevoll, setzte mich zurück und blieb doch nahe bei ihr. „Und ich denke auch, dass Komui eine Entscheidung treffen wird, die uns allen mehr Zeit gibt. Also auch dir, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber wenn du es überstürzt, dann tust du dir keinen Gefallen.“ Und für uns blieben ein weiteres Mal die Sorgen. „Mm-mm.“ Das folgende Nicken wirkte weitaus nachdrücklicher und so nippte sie wieder an ihrem Kakao, offenbarte ein durchaus erleichtertes Lächeln. „Danke, das hat mir wirklich sehr geholfen.“ Ihre Miene verhärtete sich entschlossen schon hob sie die Faust. „Ich werde keine Last für euch sein und den Rückstand ganz schnell wieder aufholen!“ „Nur nicht übertreiben“, lachte ich verhalten und löffelte weiter. Bis sich das Pulver auf der Milch häufte und ich es mit dem Löffel irgendwie zu bändigen versuchte. So verlor die Atmosphäre so einiges an Spannung. Es wurde wirklich leichter um uns herum und die Tatsache, dass sie wieder aufgerichtet neben mir saß, bereitete mir auch eine nicht zu unterschätzende Erleichterung. Es ging ihr besser und so befasste ich mich zufrieden mit meinem Glas. „Ich wünschte, ich hätte Zeit gehabt, Kanda dasselbe zu sagen.“ Neben mir streckte sie die Beine, kratzte vertieft am Rand ihres Glases. „Dass er sich keine Sorgen zu machen braucht.“ „Hol es doch nach“, nuschelte ich in all das Pulver vertieft. „Später“, antwortete sie befreit. „Bevor ich hierherkam, wurde er wieder losgeschickt. Er soll darauf bestanden haben.“ Nur kurz blickte ich auf, starrte auf das gegenüberliegende Regal und war letztendlich doch wieder nicht überrascht. Deshalb seine Eile. „Ach so.“ Gemächlich rührte ich weiter. „Ich hätte es aber auch schon eher tun können.“ Jetzt begann sie laut zu denken. Ihre Stimme nahm einen absenten Ausdruck an und endlich konnte ich es mir wieder schmecken lassen. Die Milch sah gut aus und großzügig nahm ich einen großen Schluck. Neben mir schüttelte sie den Kopf, bewegte den Daumen an den Lippen. „Eigentlich hat er immer Recht.“ Ich lugte zu ihr, spürte einen großen Klumpen auf der Zunge und ließ ihn platzen. Trocken verteilte sich das Kakaopulver in meinem Mund und so war ich in den nächsten Momenten nur mit Schmatzen beschäftigt. Dass Kanda zu Linali eine andere Beziehung hatte als zu mir, war nur zu verständlich. Wie gesagt, sein böser Wille war schon immer an ihr vorbeigedriftet. Etwas anderes hatte ich nie mitbekommen und konzentriert begann ich mit der Zunge an meinen Zähnen zu pulen. Alles klebte. „Er hat ein Auge auf mich, seit wir klein waren.“ Es klang melancholisch aber als ich mich überzeugte, sah ich dieses Lächeln und schenkte ihr meine volle Aufmerksamkeit. Es fiel mir nicht schwer, mich als ‚unerfahren’ zu bezeichnen, sobald ich mich mit ihm verglich. Während meine Hände ausschließlich mit Karten und Dreck in Berührung gekommen waren, hatte an seinen schon das Blut des Feindes gehaftet. Er und Linali waren unter den ersten gewesen, es brauchte mich also nicht zu wundern, dass ich Kandas Entschlüsse und Verhaltensweisen während eines Kampfes nicht immer nachvollziehen konnte. Er hatte schon mehr gesehen, als ich. Schwer vorstellbar… „Es war noch nie ein Fehler, auf das zu hören, was er mir rät.“ Ihre Hände begannen das Glas zu drehen. „Er meint es ja immer gut mit mir und macht sich auch nur Sorgen.“ „Mm.“ Gedankenlos entwich mir dieses Brummen und ich könnte selbst nicht sagen, was es zu bedeuten hatte. Ob ich zustimmte, ob ich einfach nur einen Laut von mir geben wollte. Ich wusste nur, dass ich eine gewisse Verblüffung spürte. Verblüffung über Dinge, die eigentlich völlig offensichtlich waren. Dass er ihr oft mit Rat zur Seite stand… Dass er es war, den sie aufsuchte, um uns nicht mit ihren Sorgen zu belasten… Anscheinend konnte er sie tragen. Einen Teil ihrer Last. Warum wunderte es mich, dass Kanda für sie ein offenes Ohr hatte? Sie kannten sich lange und auch, dass er im Grunde kein schlechter Mensch war - das alles war mir nicht neu. Ich denke, es fiel mir nur schwer, mir diese Szenerie vorzustellen. Ich kannte keinen Kanda, der Ratschläge erteilte… der sich Zeit für die Belange anderer nahm. ‚Ist nicht mein Problem!’, sah ich ihn vor meinem geistigen Auge fauchen. „Na ja…“, Linali lachte leise, „… ich muss gestehen, meistens dränge ich mich ihm auch etwas auf.“ Ah… Ich schloss mich ihrem Grinsen an. Jetzt nahm diese Szenerie allmählich Gestalt an. Von diesem Punkt an konnte ich es mir wirklich lebhaft vorstellen. Sich ihm aufdrängen, also. Versuchen sollte ich es wohl trotzdem nicht. Höchstwahrscheinlich würde er mir statt einem Rat eher etwas erteilen, das blaue Flecke hinterließ. Auch das konnte man sich problemlos vorstellen… In diese Gedanken vertieft, wurde ich dieses Grinsen nicht mehr los. „Oh.“ Plötzlich neigte sich Linali etwas nach vorn. Sie hatte etwas entdeckt und sofort folgte ich ihrer Beobachtung. Ich sicherte mir meinen Halt, reckte mich in die Höhe und hob die Brauen. Was war denn heute los? „Mm…!“ Der Genuss schien Lavis ganzen Körper zu lähmen. Nach dem ersten Schluck reckte und streckte er sich, rollte mit dem Kopf und fuhr sich über den Mund. Eine kaum zu beschreibende Schmackhaftigkeit. Direkt neben mir hatte er seinen Platz gefunden und allmählich waren wir wie Hühner auf der Stange. Unsere Beine baumelten, die Gläser hoben sich fast synchron zum Mund und fast schwappte mein Kakao über, als mich sein Ellbogen erwischte. „Weißt du was?“, gluckste er und hielt mir sein mit Pulver verschmiertes Glas unter die Nase. „Wir sollten so etwas öfter machen!“ „Was meinst du?“, erkundigte sich Linali neugierig, während ich das Glas von mir schob und mich meinem eigenen widmete. „Na“, Lavis Augen wurden groß. „Gemeinsames Kakaotrinken!“ „Mm!“ Hastig löste ich das Glas von den Lippen. „Ja, lass uns Komui fragen und solche Sitzungen in den festen Tagesplan integrieren.“ Neben mir brach Linali in ein heiteres Lachen aus und kaum hatte ich mich ihr zugewandt, fand ich mich in einer festen Umarmung wieder. Sein Arm umschlang meinen Hals und nur knapp gelang es mir, den Kakao auszubalancieren, als er mich zu sich zerrte. „Wir laden alle ein!“, verkündete er ausgelassen und reckte feierlich seinen Kakao in die Höhe. „Yu auch!“ Er klopfte meine Schulter. „Das übernimmt Allen.“ „Haaah?!“ Entsetzt schrie ich auf, musterte ihn ebenso erschüttert. Er wollte mich wirklich loswerden! Unentwegt erhob sich Linalis Lachen. Sie hielt sich den Bauch, als sie sich nach vorn neigte und wütend streckte ich mich Lavi entgegen. „Warum machst du das nicht?!“ „Ich?!“ Lavi riss das Auge auf, rückte hektisch an seinem Stirnband. „Ich bin doch nicht verrückt! Willst du etwa, dass mir etwas passier… au!“ Deftig traf ich seine Schulter und während er sich vor dem Sturz von der Arbeitsfläche bewahrte, schwappte es aus seinem Glas. „Man, Allen! Wie kannst du nur so herzlos sein!“ Empört schüttelte er die Hände, versuchte sich von der klebrigen Flüssigkeit zu befreien und schnitt so einige Grimasse, während ich mich kaltschnäuzig meinem Kakao hingab. Ächzend rappelte sich Linali auf. Sie stemmte sich nach oben, zitterte unter dem Lachen, das sie nicht mehr loswurde und strich sich keuchend die Nässe aus den Augen. „Ihr beiden…“, stieß sie dann aus, schüttelte den Kopf und strahlte dabei über das ganze Gesicht. Die Zeit verging und bald griff ich wieder nach der Flasche und füllte mir das nächste Glas. Meine Konzentration war die alte und nur kurz blickte ich auf, irgendwie skeptisch zu einem gewissen Punkt, bevor ich mich meiner Arbeit zuwandte und vor Lavi in Acht nahm. Ich befürchtete, er könnte mich anrempeln, wenn ich mit dieser Flasche hantierte. Der Erfolg wäre gewaltig aber er blieb manierlich und ein weiteres Mal spähte ich zu der gewissen Stelle, schob die Flasche zurück und tastete in meinem Rücken nach der Dose. Auf der einen Seite schlürfte Lavi an seinem zweiten Glas, auf der anderen strich Linali das Kakaopulver vom Rand ihres Glases. Um ihre Stimmung brauchte man sich jetzt keine Gedanken mehr zu machen. Aber über etwas anderes schon… Ich runzelte die Stirn, löffelte den Kakao in die Milch und dann kapitulierte ich. Der Löffel versank in der Milch, als ich mich aufrichtete. „Was hat dich eigentlich hierher verschlagen?“ „Hah?“ Abrupt blickte Crowley auf. Seit kurzem saß er vor uns und auf einem gemütlichen Schemel und löffelte eine Suppe. Sicher war der Teller auf den Knien gebettet, während er zurückstarrte. Neben mir schlürfte es weiter. „Ich kam zufällig vorbei“, hauchte er augenscheinlich selbst gerührt von diesem Beisammensein. „Was für Zufälle.“ Ungläubig schüttelte ich den Kopf und wandte mich dem Kakao zu. Was war das nur? Jetzt saßen wir hier zusammen, löffelten, schlürften und waren außerdem noch völlig untätig und nutzlos. Die Streitmacht, von der alles abhing. In solchen Momenten wünschte ich mir fast, Kanda würde wirklich vorbeikommen. Auf dieses Gesicht und die folgende Bemerkung wäre ich sehr gespannt. Ich wurde das Grinsen nicht mehr los und genauso verträglich ging es auch weiter, bis Lavi die Beine zu sich auf die Ablage zog. Er setzte sich in den Schneidersitz, rückte sich zurecht. „Wollen wir trainieren?“, murmelte er und stemmte sich zurück. Trainieren? Nachdenklich leckte ich den Löffel ab, versenkte ihn in der Brusttasche meines Hemdes und begann Stirnrunzelnd zu trinken. Und als würde mein Körper die Antwort übernehmen, spürte ich meinen prallen Bauch. Sofort stellte ich mir die Frage, wie viele Gläser ich eigentlich getrunken hatte aber letztendlich wusste ich nur, dass ich von oben bis unten mit Kakao gefüllt und somit nicht nur bewusst träge, sondern auch bewegungsunfähig war. Vorerst beließ ich es bei einem Brummen und trank weiter. Es schien trotzdem verständlich gewesen zu sein, denn Linali meldete sich zu Wort. Leicht verlegen zupfte sie an einer ihrer Haarsträhnen. „Nach dem Training heute Morgen… schone ich mich jetzt lieber etwas“, meinte sie lächelnd und schickte mir einen gewitzt erwartungsvollen Blick. Lobend und den Mund noch immer am Glas, hob ich den Daumen und neben mir erhob sich ein dumpfes Ächzen. So fielen unsere Blicke auf Crowley, doch dieser reagierte schnell. Seine Miene nahm einen Hauch des Leides an und bedauernd streckte er sein Bein, wies auf seinen Fuß. „Ich…“, hob er theatralisch an, „… habe mir den Knöchel… verstaucht.“ „Ach… man, ihr seid bloß faul.“ Stöhnend ließ Lavi den Hinterkopf in den Nacken fallen, rieb sich den Bauch. „Man, bin ich müde. Ich kann mich gar nicht mehr bewegen.“ Aha…? Ich schnitt eine deutliche Grimasse, kratzte mich am Hals. Vermutlich war ihm diese allgemeine Ablehnung gar nicht so unrecht gekommen. Wie hatte er sich das vorgestellt? „Walker…!“ Nur undeutlich erreichte mich das weit entfernte Keuchen. Das Stöhnen und die Trägheit um mich herum hielten an, als ich mich in die Höhe reckte, durch die Regale hindurch etwas zu erkennen versuchte. „Ich suche Walker…!“, ertönte es wieder und endlich entdeckte ich zwischen den Töpfen und anderen Utensilien den hellen Mantel eines Finders, der sich erschöpft in die Küche lehnte. „Hier!“ Bereitschaftlich streckte ich den Arm und verbunden mit weiterem Ächzen ließ der Finder die letzte Distanz hinter sich, trat hinter dem Regal hervor und hob die Hand. Dabei blieb es auch, denn er stemmte sich auf die Knie und rang nach Atem. Scheinbar hatte er es sehr eilig gehabt… Schulbewusst drifteten meine Pupillen zur Seite, vorbei an Lavi, der den Finder mitleidig in Augenschein nahm. Vielleicht hatte er es sogar sehr lange sehr eilig gehabt… seit ich neuerdings ohne Golem unterwegs war. „Ein Glück…!“ Vor uns rappelte sich der Finder wieder auf, war so unsagbar erleichtert. „Komui möchte Sie sprechen.“ In den ersten Momenten tat ich nicht vielmehr, als die Brauen zu heben, mich sehr über diese Eile zu wundern. Wenn ich mich irrte, lag die Besprechung nicht mehr als zwei Stunden zurück. Auch meinen Zeitgenossen verschlug es die Sprache und in den nächsten Augenblicken tauschten wir stille Blicke. Nachdenklich rührte Crowley in seiner Suppe. „Sag bloß, die Entscheidung ist schon getroffen.“ Lavi war es, der zuerst zur Sprache zurückfand. Neben mir schöpfte Linali tiefen Atem und kurz nahm ich die Bewegung des Finders wahr. Ungeduld? Er kratzte sich nervös an der Kapuze und sah sich um. „In dem Fall würde er uns wohl allen Bescheid geben.“ Nachdenklich nahm ich mein Glas unter die Lupe, spürte Linalis Aufmerksamkeit. „Vielleicht nur eine Mission?“, schlug sie vor und Schulterzuckend machte ich mich daran, mich von all dem Kakao loszureißen. Ich stellte das Glas ab, schob mich von der hohen Arbeitsfläche und rieb mir die Hose glatt. „Ich finde es gleich heraus.“ „Mm.“ Lavis Beine begannen zu wippen, langsam rollte er sein leeres Glas zwischen den Händen und bevor ich mich abwandte, drehte er sich und sich riss sich meines unter den Nagel. Es wurde ihm vergeben. Ich bekam keinen Schluck mehr runter und kurz hob ich die Hand, bevor ich dem Finder folgte. „Tut mir leid.“ Reumütig trat ich zu ihm in den Flur hinaus, tastete hinter mir nach der Klinke. In meinem Bauch gluckerte es unaufhörlich und ich rieb ihn mir, während vor mir hastig mit den Händen gestikuliert wurde. „I-ich bitte Sie!“ Ein nervöses Lachen brach aus dem jungen Mann heraus und ohne weitere Zeit zu verschwenden, setzten wir uns in Bewegung. „Sie müssen sich doch nicht entschuldigen!“ Allmählich stellte ich mir wirklich die Frage, wo Tim abgeblieben war. Verschwinden tat er nicht oft und wenn es passierte, dann versah ich mich kaum, bevor er wieder neben mir flatterte. Nachdenklich sah ich mich um, grübelte in diesen Momenten aber schon über die nächste Begebenheit. Die Verwunderung über diese Tatsache ließ mich nicht los. Dass er mich jetzt schon zu sich rief, ließ mich meine Schritte nur verschnellern und ich zögerte auch nicht, bevor ich an jede Tür klopfte, sie öffnete und mich in das Büro des Abteilungsleiters schob. Knitternd und raschelnd bewegte sich das Papier unter der Tür und es brauchte einen kraftvollen Ruck, um sie wieder zu schließen. „Allen“, kaum hatte ich sie in das Schloss gedrängt, wurde nach mir gewunken. Wenn ich mir Komui jetzt so ansah, dann wirkte er beinahe gelöst. Obwohl die Besprechung und die damit verbundene Aufregung nicht lange zurücklagen… saß er doch recht entspannt hinter seinem Schreibtisch. Die Beine von sich gestreckt, die Tasse erhoben, sah er mich näherkommen, blies über die dampfende Oberfläche des Kaffees und wies mit einer knappen Kopfbewegung auf das Sofa. Ich hatte ihn genau gemustert, nur kurz und trotzdem ließ mich dieser Anblick zuversichtlich werden. Er verschaffte mir eine gewisse Ruhe, während ich mich niederließ. Das beklemmende Gefühl schien sich gemildert… die angespannte Atmosphäre an Kraft verloren zu haben. Komui sah nicht aus, als stünden ihm unangenehme Mitteilungen bevor und nur kurz rückte er an seiner Brille, spähte zu mir… und nippte an der Tasse. „Mm.“ Er setzte sich keiner Hast aus, genoss den Schluck und tat es doch etwas schneller, als ich die Brauen hob. Seine Hand hob sich, wortlos bat er mich um Geduld und schöpfte tiefen Atem. So wurde er die Tasse auf dem Schreibtisch los, blickte auf und schien nach etwas zu suchen. Von einer Seite spähte er zur anderen, runzelte die Stirn. „Wo ist Tim?“ „Ah.“ Unentschlossen richtete ich mich auf, bewegte die Lippen vorerst nur stumm und sank entschuldigend in mir zusammen. „Ich bin mir nicht sicher. Er hat sich wohl kurz aus dem Staub gemacht.“ „Ist das so.“ Unter einem tiefen Durchatmen schüttelte Komui den Kopf. Irgendwie schien er zu kapitulieren oder nur zu müde zu sein, um angemessen zu reagieren. „Nun gut, finde ihn nur schnell wieder.“ Ich war damit auch nicht zufrieden. Für so etwas musste es einen triftigen Grund geben. Sofort nickte ich und wurde abermals in Augenschein genommen. Diesmal war es eine festere, eine zielstrebigere Aufmerksamkeit, die ich erwartungsvoll erwiderte. „Ich möchte noch einmal auf die Besprechung zurückkommen.“ Wie erwartet. Somit faltete er die Hände vor sich, rollte mit den Schultern und begutachtete nachdenklich die Unterlagen, die sich zu all seinen Seiten stapelten. „Mit Kanda habe ich auch schon gesprochen…“, seine Finger fanden zu seinem Schopf, versenkten sich annähernd verhalten in den Strähnen, „… und mich unter anderem für diese überstürzte Planung entschuldigt.“ Langsam neigte ich mich nach vorn. Meine Ellbogen senkten sich auf meine Knie und ich musste zugeben, dass mich diese Wendung doch überraschte. Bedeutete es, dass Entschlüsse rückgängig gemacht worden waren…? Was hatte Kanda ihm nur unter vier Augen noch alles gesagt? Ich verzog den Mund, wurde diesen Gedanken so schnell los, wie er mir gekommen war. „Es ist mir wichtig, dass ihr mich versteht“, fuhr Komui in diesem Moment fort und sofort sammelte sich meine Aufmerksamkeit wieder bei ihm, „… und dass ihr wisst, dass ich euch niemals leichtfertig auf so eine Mission geschickt hätte.“ Natürlich… zumindest ich wusste es und Komui schien diesen Fakt geradewegs an meinem Gesicht abzulesen, denn er begegnete meinem Schweigen mit einem langsamen, durchaus zufriedenen Nicken. „Es war eine überstürzte Entscheidung. Vielleicht auch zu selbstgerecht.“ Still nickte er in sich hinein und ich erwiderte nichts dergleichen, saß entspannt und ebenso schweigsam dort. „Druck wird immer ausgeübt aber ich darf euch nicht benutzen, um diesen Druck loszuwerden. Am Ende wären mir nur Vorwürfe geblieben.“ Er lächelte bedauernd. „Bestenfalls.“ Ich hatte es mir gedacht. Während er sich bemühte, viele Missionen unter ein entspanntes Licht zu stellen… uns nicht verbittert auf Erfolge zu trimmen, sondern sich darauf zu verlassen, dass wir auch ohne seinen übermäßigen Druck erfolgreich und entschlossen waren… war die Last auf seinen Schultern nicht gering. Er als Vorgesetzter unterschied sich so immens von denen, die ihm vorgesetzt waren. Es entsprach nur meinen Vermutungen und wie gesagt, einen Gräuel hatte ich ihm gegenüber noch nie gehegt. Letztlich tat er sein Handwerk gut und brachte viel Menschlichkeit in die Welt, in der wir lebten. „Ich bin euch sehr dankbar.“ Somit fand er zu einem glaubwürdigen Lächeln zurück, widmete es mir ehrlich. „Vor allem Kanda und dir. Jetzt verstehe ich fast gar nicht mehr, weshalb ich so verschärft in diese Idee war.“ „Mm.“ Knapp erwiderte ich das Lächeln, streckte die Beine von mir und kreuzte sie. Es war in Ordnung aber ich brauchte es nicht zu sagen. „Neben der ganzen Hoffnung, an der ich einen Narren gefressen habe“, er legte den Kopf schief, senkte ihn zur erhobenen Hand und zog sich unter einem beschämten Lächeln die Baskenmütze vom Schopf, „… wollte ich nicht einmal sehen, dass wirklich ich es gewesen wäre, der Linali in so einen Kampf geschickt hätte. Der Befehl wäre von mir gekommen und bestimmt könnte ich es mir nie verzeihen.“ „Wie geht es jetzt weiter?“ Ich ließ ihn nicht weiterhin in diese Richtung schweifen, stellte einfach die Frage, die mich wirklich interessierte und verschaffte ihm somit einen großen Teil der normalen Entspannung. „Wie gehabt“, antwortete er und schien die eigenen Worte zu genießen. „Unsere bisherige Arbeitsweise hat uns große Erfolge gebracht. Und so werden wir vorerst weitermachen.“ Es gefiel mir… soviel mehr, als die absurde Idee, all das zu beenden. Mein Nicken folgte sofort und endlich konnte ich mich dieser Thematik abschließen, fühlte mich auch imstande dazu. Seine Worte waren Anlass genug, der Reiz groß genug. Es zog uns wieder nach draußen. Hin zu Aufträgen, die sich bewältigen ließen. „Was gibt es zu tun?“ Erwartungsvoll richtete ich mich auf. Zurück zum Alltag und zu den Fragen, die ich oft stellte. Eine Mission kam mir gelegen. Ich war bereit aber Komui winkte ab, bat mich um Geduld. „Zu tun gibt es genug aber diesmal nicht für dich alleine.“ Nichts, das mich unzufrieden stimmte und bevor ich mich versah, lehnte sich Komui zurück. Die Mütze landete auf dem Schreibtisch. „Du wirst dich mit Crowley auf den Weg machen.“ Seine Augen drifteten zur Tür. „Ich habe ihn rufen lassen, also warten wir noch kurz auf ihn.“ Natürlich. Entspannt bettete ich den Ellbogen auf der Lehne, wippte mit den Füßen und schöpfte tiefen Atem. Alles pendelte zurück auf den Weg, auf dem ich mich sicher fühlte. ~*tbc*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)