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39 One- Shot

von

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Herausforderung

Obwohl sie die Vorhänge nicht geschlossen hatte, war es dunkel in dem kleinen Zimmer. Einzig der sachte Schein des abnehmenden Mondes erhellte den Raum spärlich und verlieh ihm somit etwas Gespenstisches.

Er war verwundert, dass sie den alten Tisch so nahe am Fenster hatte haben wollen. Noch dazu saß sie so mit dem Rücken zur Tür.

Er kannte sie nun schon eine ganze Weile und wusste, dass sie die Art von Mensch war, die es vermieden nah an Türen oder Fenstern sitzen. Es lag einfach nicht in ihrer vorsichtigen, beinahe schon paranoiden Art, sich dieser vermeintlichen Gefahr auszusetzen.

Doch vielleicht war dies genau das, was ihn zum Umdenken zwang. Sie hatte sich in den drei Jahren, welche nach dem Zerschlag der Organisation vergangen waren, verändert.

Er konnte sie nicht allzu oft sehen, nicht nachdem das FBI sie ihn Gewahrsam genommen hatte.

Shinichi verzog das Gesicht. Anfänglich hatte das FBI von Schutzhaft gesprochen, solange, bis die Gerichtsverhandlungen gegen die Mitglieder der Organisation abgeschlossen waren, doch dem Detektiv war nun mehr als klar, dass man den „Schutz“ vor der „Haft“ genauso gut hätte streichen können. Über drei Jahre war sie mittlerweile in dem kleinen Raum von der Außenwelt abgeschnitten. Über drei Jahre zogen sich die Verhandlungen nun schon hin, und immer und immer wieder wurden sie durch irgendetwas unterbrochen. Und so kam es, dass Shiho als Kronzeugin nicht ein einziges Mal bis ins Gericht gekommen war, um ihre Aussage zu machen. Es machte Shinichi schlichtweg wütend. Wütend und traurig, wo er es doch gewesen war, der ihr Mut zugesprochen hatte, sie dazu aufgefordert hatte stark zu bleiben.

Doch wie lange würde sie dies noch schaffen? Shinichi wusste, wenn sie noch länger allein sein würde, konnte man sie gleich in eine Anstalt einweisen lassen. Und dann wäre alles verloren.
 

I'll keep going on…
 

Shinichi trat einen Schritt in den Raum. Wie lange war das letzte Treffen nun her? Ein halbes Jahr? Er erinnerte sich eigentlich ungern daran.

Als er etwa in der Mitte des Zimmers war, konnte er sehen, dass Shiho über ein Buch gebeugt saß. Sie hatte immer gelesen, wenn er sie besuchen kam.

Ihr letztes Treffen war merkwürdig verlaufen. Schweigsam und doch hatten sie sich mehr gesagt, als sonst. Es waren wenige Worte gefallen, doch die meisten der ihren hätten ihn nicht zum Gehen bringen sollen. Er hatte nicht mehr hören wollen, hatte ihr gezeigt, dass er sich ihren Gefühlen nicht stellen konnte und es auch nicht wollte.

Erst viel später hatte er daran gedacht, was dies angerichtet haben könnte. Die unerwiderte Liebe einer Frau war eine große Herausforderung…

Wants to be the only one for you…


 

Shinichi räusperte sich und ließ Shiho somit etwas aufschrecken. Sie sah über ihre Schulter. Überraschung war in ihrem Gesicht zu erkennen. „Kudo?“

Ihre Stimme war leise und dünn. Irgendwie schien sie sich ihre Umgebung angepasst zu haben.

Der Detektiv lächelte schief.

„Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte er schließlich und deutete auf einen zweiten Stuhl am Tisch.

Shiho nickte und klappte ihr Buch zu. Während Shinichi sich setzte, ließ sie ihn nicht aus den Augen. War sie das, die ihm vertraute Aufmerksamkeit Shihos?

„Was liest du da gerade?“, begann Shinichi das Gespräch.

Einen Augenblick herrschte Stille, ehe das ehemalige Organisationsmitglied antwortete.

„Der Hund von Baskerville. Jodie hat es mir vor ein paar Tagen vorbeigebracht.“

Erneute Stille kehrte ein, als Shinichi ihre Worte mit einem Nicken quittierte. Holmes also.

„Wieso bist du hier, Kudo?“ Es schien, als würde sie flüstern, als würde sie wollen, dass nur sie selbst sich hören konnte.

„Ich will mich entschuldigen. Dafür, dass ich damals einfach ging.“

Diesmal nickte Shiho, sah dann aus dem Fenster hinaus. Dies war eine schlechte Entschuldigung dafür, dass er sie und ihr verstoßenes Herz hatte sitzen gelassen.

„Es gab eine Zeit, da wollte ich die einzige für dich sein, das weißt du.“

Shinichi hätte vielleicht perplex reagieren sollen, erschrocken, als hätte man ihn in kaltes Wasser gestoßen, doch überrascht war er nicht im Geringsten über diesen kleinen Satz. Viel eher hatte er mit diesen Worten gerechnet. Und um ehrlich zu sein, tat diese direkte Konfrontation gut. Sie bot ihm keine weitere Chance ihr aus dem Weg zu gehen, denn das wollte er auf keinen Fall mehr tun.
 

Just a lonely heart…
 

„Ich weiß.“, antwortete der Detektiv ebenso ruhig. Wie sollte er mit ihr reden? Man musste äußerst vorbereitet an eine Sache herangehen, wenn man sich des genauen Ausmaßes des Schadens nicht bewusst war. Was bereitete ihr wohl den größten Schmerz? Die Tatsache, dass sie mehr den je auf der Flucht vor der Organisation war, oder, dass sie nichts dagegen tun konnte?

„Nein, du weißt nichts. Ich habe viel Zeit zum Nachdenken und du solltest dich nicht entschuldigen. Es gehört wohl zu meiner Strafe, in jeder Hinsicht allein zu sein.“

Jetzt war Shinichi sich sicher. Der größte Teil des Schmerzes lag in ihrem Herzen. Vor ihm saß ein einsames, verletztes Herz, in das er selbst noch viele Male hineingestochert hatte.
 

I will not pretend…

That I'm just a friend…

„Red’ nicht so einen Unsinn, Haibara. Niemand hat es verdient allein zu sein.“

Wie gerne hätte er hinzugefügt, dass sie doch auch gar nicht allein sei. Doch Shinichi selbst wusste, dass dies eine Lüge wäre. Was war sie denn sonst, außer allein? Tag um Tag verging, in dem sie wie eine Gefangene in diesem kahlen Raum hockte.

„Und wieso bin ich es dann?“, erwiderte Shiho seine Aussage, „Man hat mir gesagt, nachdem sie verhaftet sind, wäre ich frei. Ich war auf der Flucht freier, als ich es jetzt bin. Wieso? Wieso haben sie mich jetzt mehr unter Kontrolle als jemals zuvor?“

Shinichi dachte einen Augenblick über ihre Worte nach, nur um schließlich festzustellen, dass er keine Antwort auf ihre Frage hatte und, dass es auch keine Antwort auf diese Frage gab.

Es war ungerecht. Furchtbar ungerecht.

„Glaub mir, wenn ich könnte, würde ich dich hier fort bringen. Ich würde dir nicht einen Moment das Gefühl geben allein zu sein.“

Shiho sah nach langen Minuten endlich wieder zu ihm. Ihr Kopf lag leicht schief, während sie ihn betrachtete.

„Wieso bist du tatsächlich hier, Shinichi Kudo?“

Erneute Stille.

„Ich wollte dich sehen.“, gestand der junge Detektiv und errötete leicht, was in dem schwachen Licht schwer zu erkennen war. Trotzdem entlockte dies der Ex-Wissenschaftlerin ein schmales Lächeln.

„So? Das freut mich. Wirklich.“

Dieses Mal war es Shinichi, der den Blick abwandte. Er war noch für etwas anderes gekommen. Doch wie sollte er ihr dies sagen? Wie konnte er in Worte fassen, was ihn so sehr beschäftigte?

In den letzten Monaten war viel geschehen. Er hatte viel über Shiho nachgedacht, seine Gefühle neu geordnet. Konnte er ihr nun, nach allem, so einfach offenbaren, was er erkannt hatte? Dass er keine zwei Frauen zur gleichen Zeit lieben konnte?

Was würde es ändern, wenn sie es wüsste? Was würde besser werden, was schlechter? Würde überhaupt irgendetwas geschehen?

„Ich wollte nie wahr haben, dass ich für dich nur eine Freundin war.“, unterbrach Shiho Shinichis Gedanken, „Es liegt wohl in meiner Natur, zu wollen, was man nicht haben kann.“
 

Let me sleep in your arms…

Der junge Mann schüttelte den Kopf.

„Du bist ein Idiot, Shiho. Hör auf, dich selbst zu bemitleiden.“, entfuhr es ihm scharf.

Seine Gegenüber sah ihn ausdruckslos an.

„Bist du hier, um mir das zu sagen?“

„Nein.“, antwortete Shinichi nachdem einige Minuten vergangen waren. „Weißt du, dass ich auch viel nachgedacht habe, seitdem wir uns das letzte Mal sahen?“, begann er dann zögerlich.

Shiho schüttelte den Kopf.

„Ich hab über Holmes nachgedacht.“

„Wann tust du das nicht?“

Shinichi lachte leise. „Ja… Aber dieses Mal dachte ich nicht über Sherlock oder Watson oder Moriaty nach.“, eine kurze Pause folgte, in der er Shiho ausdrücklich musterte. „Meine Gedanken jagten Irene Adler hinterher…“

Irrte er sich, oder schien Shihos Interesse geweckt?

„Wieso Irene?“

„Ich weiß nicht recht. Sie war immerhin die Frau für Holmes. Ich bin verwundert, dass ich sie eigentlich nie in ihrer richtigen Rolle erkannt habe. Ich glaube ich weiß was er an ihr fand.“

„Achja? Und was hat er an ihr gefunden?“

Shinichi grinste. Es war das Grinsen, welches immer dann erschien, wenn er von seinem Idol Sherlock Holmes sprach.

„Eine verdammte Herausforderung. Ich meine, was wäre wohl geschehen, wenn die Geschichte der beiden anderes ausgegangen wäre?“

Shiho grübelte einen Moment über seine Worte, zuckte dann die Schultern.

„Wer weiß das schon? Die Geschichte ist geendet, wie sie geendet ist.“

„Das stimmt schon. Ich habe wirklich viel darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich diese Antwort nicht annehmen möchte. Es reicht mir nicht mehr, nach Doyles erdachtes Ende zu leben. Ich möchte die Alternative kennen.“

Shiho legte die Stirn kraus. Schließlich stand sie auf, ging um den Tisch herum und blieb hinter Shinichi stehen.

„Was machen Sie dann hier bei mir, Mister Holmes? Sollten Sie nicht hinaus in die weite Welt und Ihre Irene suchen?“, wieder war ihre Stimme ein Flüstern, jedoch hatte es dieses Mal eine andere Tonlage angenommen. Was spielte dort in ihrer Stimme mit?

„Nun, vielleicht habe ich sie ja endlich gefunden?“

Nun war es Shinichi, der sich von seinem Stuhl erhob. Shiho und er standen sich gegenüber. Eben noch hatte sie einen schutzlosen und angreifbaren Eindruck gemacht, nun war der stolze Charakter in ihr zu erkennen.

„Ich glaube ich hab sie längst gefunden. Sie war lange Zeit genau vor meiner Nase, doch beinahe hätte ich sie aus den Augen verloren, denn ich war dumm. Jetzt ist sie aber wieder da, und ich hoffe, dass sie mir nicht böse ist.“

Shiho zuckte die Schultern. „Du solltest sie fragen. Hoffnung kann auf Dauer schmerzen.“

„Dann sagen Sie mir doch bitte, ob Sie mir böse sind, Miss Adler...“

Das Ex-Organisationsmitglied sah Shinichi in die Augen, schüttelte dann den Kopf.

Sie wollte es nicht zeigen, doch seine Worte berührten sie. Die Wärme, die in ihr aufkam, die neue Hoffnung, die sich bildete. War es ein Traum, dass er hier war? Hier bei ihr?

„Wie könnte ich dir denn böse sein? Ich habe mich in den letzten Monaten viel zu sehr danach gesehnt, dass du hier bist.“ Shinichi glaubte, nie offenere Worte aus ihrem Munde gehört zu haben.

Sie sahen sich noch eine Weile an, ehe Shinichi seine Arme um sie schloss. Es musste ein merkwürdiges Gefühl gewesen sein, nach so langer Zeit die ersehnte Geborgenheit zu fühlen. Es war, als würde es keinen wärmeren Ort geben, als in beider Arme.

Für Außenstehende wäre es sicher merkwürdig anzusehen gewesen. Zwei recht gefühlsneutrale Menschen, die in einer einfachen Umarmung viel ausdrücken konnten.
 

My deliverance…
 

„Du kommst tatsächlich immer zur rechten Zeit, um mich zu retten…“, murmelte Shiho und schmiegte sich etwas enger an den jungen Mann, der sie so schnell nicht mehr los lassen würde.

Er spürte ihren gleichmäßigen Herzschlag an seiner Brust. Es war ungewohnt. Fremd.

Doch es fühlte sich zum ersten Mal seit langem richtig an. Er wünschte, dass Shiho irgendwann einmal zur Ruhe kam. Das Gefühl, dass seine Arme die Stelle ihrer Ruhe sein könnten, belebte ihn ungemein.
 

When I call again…

Ein weiteres Mal musste Shinichi etwas grinsen.

„Du bist halt meine verdammte Herausforderung…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Wolkenkranich
2013-06-23T22:08:37+00:00 24.06.2013 00:08
Mein Gott ich wundere mich ehrlich warum du kaum Kommis bekommst!!! Du kannst das sau gut und dieses Kapitel hat mich mal wieder daran errinert, wie gut du schreiben kannst!! Lass dich nicht entmutigen, du machst das super!!!!!!!


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