Deutschland. Nichts geht mehr. von Phillia (Aus glücklichen Familien besteht das Wohl des Staates.) ================================================================================ Höhle des Panthers ------------------ Vor dem Gebäude, das das Hauptquartier von Dominus Tecum war, standen drei Autos, die unterschiedlicher nicht sein konnten, auf dem Mitarbeiterparkplatz. Ihre Besitzer standen ebenfalls dort, und so waren dort nun sechseinhalb Personen (denn Mecklenburg-Vorpommern war zwar physisch anwesend, aber da niemand ihn bemerkte, stellte sich die alte philosophische Frage: war etwas existent, wenn niemand da war, um es zu bemerken?) und berieten sich tuschelnd. Eben hatte man erst einmal alle Waffen überprüft. Egal, was passieren sollte, es war immer gut, eine geladene Pistole mit sich zu führen. Und nun konnte man endlich kurz durchgehen, was man zu tun gedachte. Baden-Württemberg wollte Bayern umbringen. Thüringen stimmte zu. Berlin und Brandenburg distanzierten sich etwas davon, sie wollten die ganze Sache nur gütlich regeln und dann abhauen. Einen Moment lang wollte Lukas erwähnen, dass sie noch ein Leiche aus dem Saarland im Kofferraum liegen hatten, die langsam anfing, zu stinken, aber bevor er den Mund öffnen konnte, stand Max auf seinem Fuß und funkelte ihn bedrohlich an. Nicht, dass das den Schwaben irgendwie aufhielt. Er überging die Meinung seines Partners geflissentlich. „Wir haben übrigens Saarland getötet und mitgebracht.“ Augenblick verstummte das Getuschel, nur von Berlin war noch ein ausgehender Halbsatz - „... und deswegen wollte ich dich schon immer mal-“ zu hören, bis Brandenburg ihn dezent („Paul, sei bitte ruhig...“) darauf hinwies, dass er allzu deutlich zu hören war. Dann explodierte Thüringen. Welch Überraschung, dachte Brandenburg, der ihn jetzt noch nicht lange kannte, aber schon mitbekommen hatte, dass es nicht allzu schwer war, ihn wütend zu machen. „Und die nehmt ihr hierhin mit?! Bayern wird euch eigenhändig erwürgen!! Habt ihr sie noch alle?!! Okay, ich bin raus, ich geh' nach Australien oder so, sucht mich nicht, ich werd mich nicht mit einer wütenden Panthermutter anlegen!!“ Baden packte ihn am Handgelenk. Er sprach ausgesprochen ruhig. Es war schwer, ihn dazu zu bringen, auszurasten, wenn es nicht um Lukas ging. „Wir haben sie noch alle, du bist derjenige, der sie nicht mehr alle hat. Die blöde Kuh wollte uns umbringen.“ „Sie hätte fast Baden getötet. Sie musste sterben.“ Max nickte seinem Gefährten bestätigend zu. „Wir hatten keine Wahl.“ „Na und?! Ist doch voll egal, wer Schuld ist, die Pantherin hat trotzdem ihr Junges verloren, das wird ihr nicht gefallen. Das ist mir viel zu heiß!“ Badens Augen verengten sich minimal, und er behielt den anderen an der Hand gepackt. „Dann verschwinde eben, Feigling. Leute wie dich hätten sie früher wegen Verrat gevierteilt.“ „Wie hast du mich genannt?!“ Bernd hatte Max am Kragen gepackt und sah ihn mit funkelnden Augen an. Der blieb weiterhin überraschend ruhig. „Feigling. Hosensaicher. Warmduscher. Und jetzt komm' mal wieder runter.“ Bernd holte mit der linken Faust aus, aber bevor es zu einer Prügelei kommen konnte, hatte Württemberg Baden an der weißen Hand genommen und hatte ihn schnellstens ein paar Schritte zurück gezogen, ihn an sich gepresst, durch die Haare gestrichen und leise „Alles in Ordnung, Schätzle...“ gemurmelt. Dass das eher den gegenteiligen Effekt haben würde, als erwünscht, hätte man sich denken können, und man konnte förmlich sehen, wie Baden versuchte, zu explodieren, aber im festen Griff des anderen nicht fähig dazu war und zu einem Häufchen zusammensackte. Nervös blickte Maximilian zum Rest der Gemeinschaft, um zu überprüfen, ob irgendjemand den Worten Lukas' gelauscht hatte, aber Berlin und Brandenburg waren mit sich selbst beschäftigt und Thüringen hatte gerade den Kopf zu Mecklenburg-Vorpommern gedreht (wo kam der denn plötzlich her?), der ihn am Ärmel gezupft hatte. Also wandte Baden den Kopf sauer zu Württemberg. „Nenn mich nie wieder so! Nur, weil ich nun einmal Pech habe und- äh- ja- heißt das noch lange nicht, dass gleich jeder wissen muss, dass es so aussieht mit uns!“ „Wie sieht es denn mit uns aus?“ Halb war sein Tonfall neckend, halb liebevoll. Baden wiederum war halb entsetzt, halb genervt. „Dir muss man auch alles buchstabieren, oder?! Ich hab dir gesagt, dass ich- äh- dass du wichtig für mich bist.“ Er sprach langsam und bemüht ruhig, als würde er mit einem Kind reden. „Daraufhin hast du mich auf dieser blöden Straße geküsst. Und mich hat's halber in die Leitplanke gehauen, sehr vielen Dank auch noch einmal dafür. Also was bedeutet das wohl, hmm? Ist nicht so schwer!“ Lukas' Lächeln war nicht unterzukriegen. „Dass wir jetzt so ein verliebtes Pärchen sind wie Berlin und Brandenburg?“ „Schwachkopf!“ Er war nicht wieder losgelassen worden, aber Baden wand eine Hand aus der Umarmung, um sie Württemberg gegen die Schläfe hauen zu können. „Auf so ein Level lassen wir uns nicht hinab. Tsk, du vielleicht, aber ich lass' das nicht zu. Die befummeln sich ja, als würden sie sterben, wenn sie loslassen. Nein, nein, Lukas. Bei UNS ist das was anderes.“ „Ahja, Mäxle?“ Bei dem Kosenamen schlich sich eine dezente Röte auf Max' Wangen. „Ist es das?“ Im Auto, nachdem ihm die erfreuliche Neuigkeit präsentiert worden war, hatte er nachgedacht und gegrübelt, und er war zu dem Entschluss gekommen, dass er seinem Partner zustimmen konnte, dass das, was er eigentlich immer für unschuldige Bruderliebe gehalten hatte, eigentlich so viel mehr war. Sein Herz hatte angefangen, wie wild gegen seine Brust zu pochen, und sein ganzes Inneres war in Flammen aufgegangen, aber keine schmerzhaften, vertilgenden Flammen, sondern angenehme, fast kitzelnde Flammen. Also hatte er beschlossen, ihm zu zeigen, wie sehr er ihn mochte, ohne Rücksicht auf Verluste. „Was ganz anderes, Hohlkopf! So ein frisches Ehepaar wie die – das ist lächerlich!“ Seine letzten Worte waren leise. „Wir haben was viel tiefgehenderes...“ Anhänglich legte Lukas den Kopf auf Max' Schulter, und einen Moment verweilten sie, ehe sich der letztere lauthals zeternd befreite und zum Rest zurück stapfte, gefolgt von seinem Partner. Thüringen hatte sich hinter Berlin versteckt, denn Mecklenburg-Vorpommern war ihm etwas unheimlich. Er war plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht und hatte etwas Unverständliches gemurmelt, und Bernd war geflüchtet, hatte ein Gespräch über irgendetwas – er wusste selbst nicht, was er sagte – angefangen, sodass Fritz vergessen stehen geblieben war. Im Gegensatz dazu, was Baden-Württemberg so verächtlich über Berlin und Brandenburg gesagt hatten, waren die beiden gar nicht so zusammengewachsen, wie man meinen könnte. Albrecht wollte nicht zu viel Kontakt eingehen, körperlich wie geistig. Es war ihm genug, dass Paul er selbst war, dass Paul für ihn da war, dass Paul Paul war und er sich auf seine Nähe verlassen konnte, darauf, nicht allein gelassen zu werden. Und Paul, der den Kopf zu Bernd gedreht hatte und laut auf seine leisen Fragen antwortete, redete gerade auf ihn ein, doch mitzukommen. Als die beiden angekommen waren, überkreuzten Baden-Württemberg synchron die Arme und sahen den Rest an. „Also?“ wurde in die Runde geworfen. Thüringen fühlte sich vielen unangenehmen Blicken ausgesetzt und zuckte mit den Schultern. „Gut, dann begleite ich euch eben auf der Suizidmission. Hab eh noch was zu erledigen.“ Paul hängte sich gleich an das Ende dieses Satzes an. „Klasse!!“ Er warf einen Arm um Albrecht. „Ich und der gute Brandenburg, wir kommen natürlich auch mit! Ich hab noch so einige Informationen, mit denen wir Bayern ordentlich zum Erröten bringen können – die muss uns einfach gehen lassen, wenn ich drohe, das Zeug weiter zu erzählen!“ Niemand sagte etwas gegen die fehlerhafte Logik – Bayern würde Berlin wohl erst recht verschwinden lassen, wenn er drohte, Geheimnisse auszuplaudern – denn Baden, Württemberg und Thüringen kümmerte es nicht, Mecklenburg-Vorpommern war eh nicht wirklich anwesend und Brandenburgs Verstand war verhangen von Liebe. „Dann können wir ja gehen.“ Die Blicke aller Anwesender richteten sich auf den Eingang. Als niemand voraus gehen wollte, stapften gleichzeitig Berlin und Baden los, dicht gefolgt vom Rest. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)