Deutschland. Nichts geht mehr. von Phillia (Aus glücklichen Familien besteht das Wohl des Staates.) ================================================================================ Möge Gott mit dir sein ---------------------- Es war laut. Viel zu laut, um erfolgreich arbeiten zu können. Bayern ließ ihren Blick unzufrieden über ihre Untergebenen schweifen und strich ihren langen Dirndlrock in ihrem Schoß zurecht. Die Luft war erfüllt von boshaftem Gezanke. Loreley und Nicole zickten sich an, Bernds Blatt stand in Flammen, während er Karol anschrie und Karol ihn nur eiskalt ignorierte, Maximilian beleidigte Lukas, der davon nichts mitbekam und versuchte, Zenzie irgendwie zu kränken. Kurz gesagt: vollkommenes Chaos, das so gar nicht zu der förmlichen Kleidung aller Anwesenden passte. Alle Herren trugen pechschwarze Anzüge mit ebensolchen Krawatten, alle Damen pechschwarze Kleider (abgesehen natürlich von Zenzie in ihrem edlen Seidendirndl). Es war ein Wunder, dass ihre Familie noch die erfolgreichste auf deutschem Grund und Boden war. Zenzie erinnerte sich, wie sie das Amt der Madre von ihrer Großmutter erhalten hatte, und mit diesem Amt diese vollkommen inkompetenten Untergebenen, die ständig miteinander im Clinch lagen. Die „Familie“, unter Eingeweihten unter ihrem lateinischen, alten Namen „Dominus Tecum“ bekannt, beherrschte die komplette südliche Hälfte Deutschlands und streckte ihre Finger schon gierig in den Norden aus, wo die ebenso alteingesessene Familie „Schwertfisch“ seit Jahrhunderten regierte. Sie musste ein Machtwort sprechen. Mit einem enervierten Blick schlug Zenzie die Fäuste auf den edlen Mahagonitisch auf, um sich Ruhe zu verschaffen. Tatsächlich erhielt sie einen Augenblick Aufmerksamkeit und alle Augen waren auf die Madre gerichtet. Streng blieb ihr Blick einen Moment lang auf jedem hängen und Zenzie schaffte es, die chaotische Truppe sich ein wenig schuldig fühlen zu lassen. „Ruhe.“ Ihre Stimme war gefährlich ruhig. Nicole rutschte nervös in ihrem Stuhl herum und sah betreten auf ihre Fingerknöchel. „Wenn ihr euch nicht am Riemen reißt, werden die Fische uns verdrängen. Also Konzentration.“ Maximilian blickte demonstrativ in Richtung des Fensters. Zenzie ließ ihren Rechen auf den Tisch knallen und das Gebäude wurde von dem lauten Geräusch bis in den 20. Stock, in dem sie sich befanden, erschüttert. „Auch du, Baden.“ Sie sprachen sich gegenseitig mit ihren Herkungsbundesländern als Codenamen an. Schließlich wollte niemand seinen wahren Namen in Verbindung mit Drogen, Waffenschmuggel, Prostitution und allgemein organisierter Kriminalität sehen. Baden schnaubte auf. Er hatte keine Lust mehr darauf, Befehle entgegen zu nehmen. Er war sich sicher, dass er selbst diese Mafia um einiges besser leiten würde als Bayern, wenn er erst an der Macht war. Dann würde Württemberg seine rechte Hand sein (aber natürlich untergeordnet) und gemeinsam würden sie nicht nur Süddeutschland, sondern auch Norddeutschland vollkommen unter ihre Kontrolle bringen. Und dann würde es niemanden mehr geben, der ihm Vorschriften machen würde. Daher riss er sich am Riemen. Bayern durfte nicht merken, dass er und sein Partner gegen die Bayerin intrigierten. Er winkte ab und lächelte sie schief an. Am liebsten würde er ihr an die Kehle springen. „Klar. Excusez-moi, Madame!“ Er war übertrieben freundlich. Zenzie rollte nur mit den Augen. Sie hätte ihn – und seinen kleinen Freund, denn Württemberg würde vermutlich nicht allein bei ihr bleiben – ja schon längst rausgeschmissen, wenn die beiden gemeinsam nicht die effizientesten und erfolgreichsten Attentäter des ganzen Landes, vielleicht sogar der ganzen Welt wären. Aber in ihren vertraulichen Konversationen wollte sie sie dennoch nicht dabei haben und speiste sie meist mit wenigen Informationen ab, gerade so viel, dass sie denken mussten, man vertraute ihnen. Zenzie deutete auf den Flipchart hinter ihr. Ein kompliziert wirkendes Diagramm war aufgezeichnet. „Dies sind die Abrechnungen. Das Drogengeschäft läuft gut, ich bin zufrieden, Thüringen.“ Sie erntete ein missmutiges Lächeln, während Bernds Körpersprache allen mitteilte, dass er Karol abwehren wollte. „Nur die Mädchen...“ Zenzie schnaubte auf. Widerwärtig. Sie verdienten zwar alle Geld daran, aber das hieß nicht, dass sie Prostitution und die Mädchen, die sich daran beteiligten, goutierte. Eher im Gegenteil. „... du musst versuchen, bessere Beziehungen zu Fr. Jenisch aufzubauen.“ „Hamburg?“ fragte Bernd nach. Zenzie nickte. „Ohne ihr Wohlwollen funktioniert in dieser Branche nichts. Also streng dich an, Herrgott Sakrament.“ Bei diesem Wort verzog Bernd das Gesicht, Zenzie tat, als sähe sie es nicht. Der ehemalige Ostdeutsche hatte große Probleme damit, dass die ganze Organisation eindeutig katholisch ausgelegt war. „Weiter. Hessen, was sagen die Zahlen zu den Waffen?“ Man konnte sehen, wie Nicole sich anspannte. Karol tippte etwas auf seinem Blackberry ein. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er wie eine Maschine einige lange Ziffern runterrasselte. Zenzie nickte und wandte ihr Gesicht besorgt zu der jungen Nicole, die ihre Stelle erst vor Kurzem bekommen hatte, nachdem der Franzose, der sich davor darum gekümmert hatte, auf mysteriöse Weise verschwunden war. „Saarland.“ Sie seufzte enttäuscht und sagte nichts weiter. Nicole wurde rot und schaute sie verzweifelt an. „Tut mir Leid, ich kann das, ich krieg das wieder gut hin, geben Sie mir noch eine Chance!“ Zenzie sah sie indifferent an. Sie konnte der Kleinen nichts abschlagen. Andererseits musste sie als Madre eine harte Hand führen. Dann nickte sie. „Gut, Saarland. Du solltest die Erträge mindestens verdoppeln.“ Mutig nickte das kleine Mädchen. „Ich habe mir da zuhause einen Plan gemacht!“ platzte es aus ihr heraus. Jeder sah sie gespannt an. Noch nie hatte sie selbst die Initiative ergriffen. Unter all der Aufmerksamkeit sackte sie ein wenig in sich zusammen, blieb aber standhaft sitzen und redete einfach schnell weiter. „Rheinland-Pfalz hat gemeint, dass Brandenburg derzeit einige private Probleme hätte.“ Zenzie blieb bewegungslos sitzen, das wusste sie natürlich schon, Rheinland-Pfalz war ihre inoffizielle rechte Hand. Brandenburg war derjenige bei den Schwertfischen, der gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen für die Waffen zuständig war – und selbst diesen Waffen nicht ganz abgeneigt war. Verschwörerisch beugte sich Saarland über den Tisch und sah vor allem Baden-Württemberg in die Augen. „Das wäre die perfekte Gelegenheit, ihn aus dem Weg zu räumen. Ohne Brandenburg kommt der Waffenschmuggel der Fische ins Stocken. Er ist auch der Ansprechpartner für deren wichtigsten Informanten. Ohne Brandenburg werden sie nichts mehr hinkriegen.“ Stolz lehnte sie sich zurück. Zenzie sah aufmerksam zu dem südwestlichen Duo, das sich tuschelnd beriet. Badens Stimme erhob sich einige Male zu einem bösartigen, zornigen Wutschnauben, aber am Ende wurden sie sich einig und Württemberg sprach aus, zu welchem Entschluss sie gekommen waren. „Es ist sehr schwer, einen so hochrangigen Angehörigen der Fische zu töten. Aber Ma-“ Bevor er weiterreden konnte, wurde er unsanft in die Seite geboxt. „Eh? Ah, ja, richtig. Aber Baden meint, dass wir das auf jeden Fall hinkriegen, weil wir-“ Noch ein Ellbogen. Irritiert wandte sich Lukas um. „Nein Max, ich sage nicht, dass 'du' der Beste bist, wir arbeiten nämlich zusammen. Als Team, verstehst du? Ja, das verstehst du.“ Baden seufzte genervt auf, genauso wie Zenzie, sie allerdings um einiges leiser. So anstrengend. Württemberg drehte sich wieder zu dem Rest um. „Weil wir die Besten sind. Deswegen werden wir auch Brandenburg erwischen können.“ Zufrieden lehnte er sich zurück. Saarland warf ihm ein Lächeln zu. Zenzie warf einen weiteren Blick in die Runde. Damit waren die Punkte für diese Woche erledigt. Thüringen loben, Saarland einen Rüffel erteilen, Baden-Württemberg irgendwie beschäftigen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kamen... alles war perfekt gelaufen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)