Kiss, kiss - bang, bang von Leuchtender_Mond (Zwischen töten und sterben gibt es ein drittes - leben.) ================================================================================ Kapitel 7: Der Eremit --------------------- Der Eremit: Er entzieht sich fremden Einflüssen, wendet sich von der Welt ab, sucht Ruhe. Er fordert uns auf, es ihm gleichzutun, um im Inneren Erkenntnisse über den weiten Weg zu finden. Juli 2007, Rom, Italien Es hatte lange gedauert, ehe er sich dazu hatte durchringen können, das Hotelzimmer zu verlassen, doch nun war er froh, es getan zu haben. Rom vermittelte bereits in den ersten Minuten ein Lebensgefühl, wie man es nirgendwo anders erleben konnte. Als erstes kaufte er sich allerdings ein paar Kleidungsstücke die dem warmen Wetter angemessen waren, denn er selbst besaß ja keine mehr seit seinem überstürzten Aufbruch. Dann jedoch ließ er Rom auf sich wirken. Begeistert ließ der Junge sich von den Menschenmassen treiben und bestaunte die gewaltigen Monumente, die unter der strahlenden Sonne besonders schön erschienen. Nun jedoch war er hungrig und steuerte auf die Piazza Navona zu, wo er gedachte, sich etwas zu essen zu gönnen – zum Glück hatte er seine Kreditkarte mitgenommen, mit Yen wäre er hier nicht weit gekommen. Als er die Piazza Navona erreichte, blieb er erst einmal stehen. Er hatte über diesen Platz gelesen, hatte gelesen, dass hier das Leben pulsierte, dass dieser Platz einzigartig sei – er hatte nur nicht damit gerechnet, wie wahr diese Aussage sei. Tief atmete er durch, es war einfach so römisch – und er mochte das. Dann erst schlenderte er langsam über den ovalen Platz, vorbei am Fontana del Moro und den unzähligen Künstlern, welche die Piazza bevölkerten und anboten Portraits, Karikaturen und Landschaften für Touristen zu zeichnen. Die meisten waren richtig gut, aber etwas anderes zog seinen Blick wie magisch an – nämlich der große Brunnen in der Mitte des Platzes, die Fontana dei Quattro Fiumi. Diesen umrundete er gleich einmal ehrfürchtig, ehe er weiterging, sich dann beim Fontana del Nettuno im Schatten eines orangefarbenen Gebäudes in einem Café niederließ. Ein Kellner lief an ihm vorüber, der Junge rief:„Senta!“ und der Kellner nahm seine Bestellung auf und verschwand dann. Der Junge ließ den Blick schweifen und zuckte infolge dessen erschrocken zusammen, als ihn plötzlich jemand ansprach – jemand, der nicht der Kellner war. Auf perfektem Italienisch fragte der Mann:„È libero questo posto?“ Der Junge blinzelte. Er musste kurz überlegen, dann aber verstand er, dass er gefragt worden war ob der Platz neben ihm frei sei. „Si, prego.“, antwortete er leicht stotternd. Sein Stottern rührte jedoch nicht nur daher, dass seine Italienisch-Kenntnisse nicht die Besten waren, sondern kam vor allem durch die Überraschung. Der Mann schien sein absolutes Ebenbild zu sein – zumindest auf den ersten Blick. Erst auf den zweiten, schüchternen Blick bemerkte er kleine Unterschiede, wie etwa in der Frisur und auch die Haut des Fremden war dunkler – wohl, weil der Junge so viel Zeit in geschlossenen Räumen mit lernen verbrachte. „Grazie.“, bedankte der Mann sich und ließ sich neben dem Jungen nieder. Dieser wandte den Blick schon wieder ab, leicht pikiert über die Gesellschaft, aber es half ihm nichts den Blick abzuwenden, denn der Mann schien reden zu wollen. Am liebsten wäre der Junge aufgestanden und weggegangen, denn solche Situationen waren ihm unangenehm, aber er hatte ja schon seine Bestellung aufgegeben. „È italiano?“, fragte der Mann, doch der Junge schüttelte den Kopf:„No, sono giapponese. Abito in vicino di Tokyo.“ Der Mann lächelte:„Ja, ich auch.“, antwortete er, diesmal auf Japanisch. Was aber viel verwunderlicher war, war die Art und Weise, wie der Mann dies sagte – so, als habe er es schon gewusst. Die Konversation wurde dem Jungen noch unangenehmer, unbehaglich starrte er auf seine Fingerkuppen, wusste nichts so recht zu sagen. Was wurde das hier? Gerne hätte er gefragt, aber etwas an dem Mann war ihm unheimlich, vielleicht alleine durch die Tatsache bedingt, dass er bei diesem warmen Wetter trotzdem einen scheinbar maßgeschneiderten schwarzen Anzug trug, inklusive Krawatte. Nun liefen zwar auch die Italiener nicht in kurzen Hosen herum – das taten sie immerhin nie – aber selbst sie hatten heute zu T-Shirts gegriffen. Der Mann aber hatte nicht einmal sein Jackett abgelegt. Ihm musste doch warm sein! Unbehaglich starrte der Junge weiter auf seine Fingerspitzen. Doch die Stille wurde regelrecht erdrückend, so dass der Junge schließlich aufsah, dem forschen Blick des Mannes direkt begegnete. Er errötete leicht. Der Mann sah ihn nur an, beinahe unverschämt direkt, in seinen Mundwinkeln spielte ein verschmitztes Lächeln. Er schien darauf zu warten, dass der Junge etwas sagte. So fasste sich der Junge ein Herz:„Wer sind Sie?“ „Ich bin jemand, der versucht Ihnen zu helfen. Reicht das nicht?“, erwiderte er unverbindlich. Das Lächeln schwand dabei aber nicht aus seinem Gesicht, es störte den Jungen in diesem Augenblick beinahe. „Nein, es reicht nicht!“, antwortete er daher heftig:„Ich will Ihren Namen wissen und was soll das bedeuten: Sie versuchen mir zu helfen? Weswegen sollte ich Hilfe benötigen?“ Die Worte wischten das Lächeln vom Gesicht des Mannes, mit einem mal wirkte er nachdenklich. Eine Weile musterte er den Jungen stumm, dann antwortete er mit leiser, aber deutlicher Stimme:„Mein Name lautet Taoka, Atemu.“ Der Junge nickte, wie abwesend, dann streckte er dem Mann die Hand entgegen, nicht, weil er den Drang dazu verspürte sondern eher aus einstudierter Höflichkeit:„Mutou, Yuugi. Aber das wussten Sie vermutlich schon. Was wissen Sie sonst noch?“ Taoka-sama lachte leise, er hatte einen kräftigen Händedruck, als er Yuugis‘ Handschlag erwiderte, dann sagte er, wieder ernster:„Ja, ich wusste es. Und ich weiß, dass bei Ihnen mehrfach eingebrochen wurde. Ich weiß, dass man sie nicht bestehlen wollte – man wollte Sie töten. Also benötigen Sie dringend Hilfe.“ Yuugi blinzelte, öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Starrte sein Gegenüber an. Es brauchte eine Weile, ehe er sich von dem Schock erholt hatte. Dann fragte er langsam:„Wieso sollte mich jemand töten wollen?“ Taoka-sama verzog leicht die Mundwinkel. Yuugi lächelte, jedoch sarkastisch, als er seine Frage selbst beantwortete:„Wegen meines Vater, natürlich.“ Sein Zwilling nickte, dann setzte er an zu sprechen, wurde jedoch unterbrochen, als der Kellner an den Tisch kam und Yuugi sein panino con prosciutto e mozzarella und ein Glas Wasser brachte. Er entdeckte dann auch gleich Taoka-sama und fragte ihn:„Che chosa prende?“ Der Mann überlegte nicht lange sondern antwortete gleich:„Un gelato misto: limone e fragola.“ Der Kellner verzog entschuldigend das Gesicht als er verkündete:„Mi dispiace ma il limone é finito.“ Dass das Zitroneneis ausverkauft war schien den Mann nicht zu stören, er hatte sofort ein anderes Eis auserkoren:„Allora, prendo fragola e mirtilli.“ „Subito!“, versprach der Kellner und verschwand. Yuugi lächelte, zum ersten Mal fühlte er sich in Gegenwart des Fremden etwas wohler und bemerkte spitz:„Und ich dachte schon, Ihnen wäre gar nicht warm!“ Taoka-sama lachte leise, bestätigte dann jedoch, dass es in der Tat recht warm sei und ein Eis deswegen gut tun würde. Während Yuugi sich alsdann über sein Brötchen hermachte begann der Mann noch einmal zu erzählen, wovon der Kellner ihn eben abgehalten hatte:„Ich gestehe, bei Ihnen eingebrochen zu sein, Mutou-kun, und Ihnen das Flugticket dagelassen zu haben, ebenso wie ich das Taxi und das Hotel organisiert habe. Ich wollte Sie retten.“ Yuugi nickte langsam, schluckte seinen Bissen hinunter und sagte leise:„Ich danke Ihnen.“ Allerdings hatte er keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Er konnte sich doch nicht für immer in Europa verstecken, oder wie hatte Taoka-sama sich das gedacht? Und noch eine Frage drängte sich ihm auf:„Wieso helfen Sie mir überhaupt? Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, es ist nicht so, dass ich undankbar wäre, aber – wir kennen uns doch gar nicht!“ Sein Retter nickte ernst und sagte dann:„Sie haben recht. Wichtiger als die Gründe allerdings ist die Frage, ob Sie sich weiter von mir helfen lassen wollen.“ Yuugi, den Mund voller Schinken, nickte auf diese Frage hin, denn immerhin war es die beste Chance die er hatte. Taoka-sama lächelte. „Dann werde ich einige Vorbereitungen treffen.“ Der Kellner kehrte zurück, brachte Taoka-sama sein Eis. Schweigend aßen die beiden eine Weile, dann erhob sich Taoka-sama, nahm sein Portmonee aus der Tasche und zählte einige Euro-Scheine ab, Yuugi hatte keine Ahnung, wie viel sie wert seien, denn er kannte sich in dieser Währung nicht aus. „Ich werde Sie kontaktieren. Ich weiß ja, wo ich Sie finde. Auf Wiedersehen.“, verabschiedete er sich. Yuugi nickte. „Leben Sie wohl.“, erwiderte er ehrlich. Eine Weile sah er dem Mann noch nach, der nun in der Menschenmenge auf der Piazza verschwand und bald nicht mehr zu sehen war. Dann winkte er den Kellner heran, stellte, als dieser ihm die Rechnung gab, fest, dass Taoka-sama für ihn mit bezahlt hatte. Er nahm sich vor, ihm bei nächster Gelegenheit zu danken, dann erhob er sich und verließ die Piazza. Langsam schlenderte Yuugi durch Rom, das Gespräch von grade ging ihm nicht aus dem Kopf. Als er an einem Internetcafé vorbeikam betrat er es kurzentschlossen. Er suchte sich einen der PCs aus, öffnete eine Suchmaschine und gab den Namen „Atemu Taoka“ ein. Er wollte wissen, mit wem er es zu tun hatte. Aber er fand nicht einen einzigen Eintrag, der passend gewesen wäre. Bei dem Nachnamen allerdings hatte es eben schon bei ihm geklingelt, sodass er nun einer plötzlichen Eingebung folgend nur den Nachnahmen „Taoka“ eingab und dieses Mal bekam er in der Tat ein Ergebnis. Es handelte sich um einen englischen Artikel über einen Mann namens Kazuo Taoka. Beim Lesen des Artikels allerdings fiel Yuugi die Kinnlade hinab. Der Mann war der Oyabun [=Anführer] der Yamaguchi-gumi gewesen, der mächtigsten Yakuza-Bande Japans, er wurde sogar „Godfather of Godfathers“ genannt. Yuugi lief es kalt den Rücken hinunter, als er dies las. War der Mann, den er eben getroffen hatte, mit ihm verwandt, war er ein Mitglied der Yakuza, der japanischen Mafia, wie sie häufig genannt wurde? Wenn das so wäre, dann war es höchst unklug, sich mit ihm einzulassen. Verwirrt und noch besorgter als ohnehin schon schloss er das Fenster wieder und verließ das Internetcafé, obwohl er eine ganze Stunde bezahlt hatte. Langsam ging er zurück in das Hotel, dort war es für Taoka-sama wohl am leichtesten, ihn zu finden. Unruhig ging er dort auf und ab, wusste nichts mit sich anzufangen und legte sich schließlich auf sein Bett wo er eindöste. Als er wieder erwachte, saß Taoka-sama auf der Fensterbank des geöffneten Fensters. Yuugi richtete sich rasch auf, sah seinen Zwilling einigermaßen überrascht an. Er hatte nicht damit gerechnet, ihn so schnell wieder zu sehen. Und nach seinen Internetrecherchen machte ihm das Wiedersehen auch ein wenig Angst. Taoka-sama lächelte leicht:„Gut geschlafen?“ „Ja…“, erwiderte Yuugi, ehe er sich besann, aufstand und harsch fragte:„Was machen Sie eigentlich in meinem Zimmer, tun Sie so etwas häufiger, in andere Wohnungen einzubrechen?“ Taoka-sama schien dieser Vorwurf nichts auszumachen. Immer noch vergnügt antwortete er:„Um ehrlich zu sein – ja, so etwas kommt vor. Aber normalerweise besetze ich dann keine Fensterbänke um zu warten, dass die Bewohner aufwachen.“ Yuugi schüttelte den Kopf, Unglaube spiegelte sich in seinen Zügen wieder. Vor ein paar Tagen noch war sein Leben in absolut vorbestimmten – und damit auch sicheren – Bahnen verlaufen und nun wusste er nicht einmal, was die nächste Stunde ihm bringen würde. Es ängstigte ihn in allererster Linie, nicht zuletzt, weil er dies so gar nicht gewohnt war. Aber noch etwas ängstigte ihn und er beschloss, es einfach anzusprechen:„Also… gehören Sie zu den Yakuza?“ Es war unglaublich, wie schnell der Gesichtsausdruck des Mannes wechseln konnte, sehr ernst blickte er Yuugi an. Allerdings öffnete er den Mund nicht um zu antworten. Stattdessen legte er sein Jackett ab, warf es nachlässig auf Yuugis‘ Bett. Die Krawatte folgte und zu Yuugis‘ Erstaunen begann er dann auch schon sein Hemd aufzuknöpfen. Yuugi wollte schon fragen, wozu dieser Striptease gut sein solle, da ließ Taoka-sama sich das halb geöffnete Hemd von den Schultern gleiten drehte sich um. Nach einigem verwirrten Blinzeln sah Yuugi auf dem rechten Schulterblatt eine Tätowierung. Er kannte sie, hatte sie erst vor kurzem gesehen. Es handelte sich um eine Raute, innerhalb derer sich eine weitere Raute befand, die nach oben geöffnet war. Dafür zog sich von unten bis oben eine Senkrechte durch die innere Raute. Es handelte sich um das Symbol der Yamaguchi-gumi. Obwohl er es erwartet hatte taumelte Yuugi zwei Schritte rückwärts. „Ich hatte Recht…“, wisperte er. Taoka-sama drehte sich, während er sein Hemd wieder hochzog und zuknöpfte, um und sah Yuugi wieder an. „Ja.“, sagte er, „Und nein.“ Yuugi legte den Kopf schief doch Taoka-sama erläuterte bereits, was er mit dieser undurchsichtigen Antwort hatte sagen wollen:„Mein Großvater war Kazuo Taoka, der Oyabun der Yamaguchi-gumi. Mein Vater war ebenfalls ein Mitglied, da blieb es nicht aus, dass ich ebenfalls dort gelandet bin. Aber ich habe mich früh mit meinem Vater überworfen und bin deswegen lange kein Mitglied mehr. Diverse Kontakte habe ich allerdings noch… Jedoch musst du dich nicht fürchten, dass du durch Kontakt zu mir Kontakt zu den Yakuza hast.“ Langsam nickte Yuugi. Dieses Wissen beruhigte ihn ein wenig, auch, wenn er nicht wissen konnte, ob Taoka-sama die Wahrheit sagte. Andererseits gab es eigentlich keinen Grund für ihn zu lügen, denn wenn er ihn töten wollte, hätte er das tun können, Yuugi war zurzeit so abhängig von ihm wie er niemals vorher abhängig von einer Person gewesen war. Also vertraute er ihm. Weil ihm nichts anders übrig blieb. „Also…“, fragte Yuugi langsam, „Was haben Sie getan, meinetwegen?“ Das Lächeln schlich sich wieder auf Taoka-samas‘ Gesicht als er antwortete:„Wenn Sie schon die Muße haben nach meiner Person im Internet zu suchen, haben Sie nicht einmal nach sich selbst geschaut?“ Ein wenig erstaunt von dieser Idee schüttelte Yuugi den Kopf. „Dann sollten Sie das vielleicht nachholen.“, schlug Taoka-sama vor und warf Yuugi sein eigenes Handy zu – als habe er gewusst, dass Yuugis‘ Handy gestohlen worden war. Yuugi kam der Verdacht, dass er es in der Tat wusste – weil er der Dieb des Handys war, doch er verschob diese Frage auf später und öffnete erst einmal die Internetoption des Handys um anschließend den Rat Taoka-samas‘ zu befolgen. Was er dort fand allerdings verschlug ihm die Sprache. Denn was er dort sah war nicht mehr und nicht weniger als seine eigne Todesmeldung, veröffentlich vor einer halben Stunde. Mit immer größer werdenden Augen überflog Yuugi den Artikel indem es hieß, dass man Blut in seiner Wohnung gefunden habe, sowie einige weitere Indizien, die eindeutig auf sein Ableben hinwiesen. Nachgeschaut habe die Polizei auf einen anonymen Tipp hin. Und als wäre all‘ dies nicht schlimm genug endete der Artikel mit einem Photo seiner trauernden Eltern. Sprachlos hob Yuugi den Kopf und sah Taoka-sama an. Er wusste nicht, ob er Wut empfinden sollte, weil er seiner Familie und seinen Freunden solchen Schmerz zufügte, oder Dankbarkeit, weil er damit sein Leben schützte. Taoka-sama war seine Meinung jedoch scheinbar egal, er fragte ihn zumindest nicht danach. Während er sein Handy wieder in die Hosentasche steckte, erklärte er einfach, wie er sich die Sache gedacht hatte:„Wir werden eine Weile abwarten, bis das Interesse an Ihrer Person gesunken ist, dann können wir es eventuell wagen, nach Japan zurückzukehren. Bis dahin ist es das sicherste, wenn sie für tot gehalten werden, um die Jagd auf sie zu beenden.“ Yuugi nickte langsam, er verstand die Hintergründe von Taoka-samas Handeln zwar, aber der Gedanke, seine Lieben in Ungewissheit zu lassen behagte ihm ganz und gar nicht. Darauf sprach er Taoka-sama dann auch an. Jedoch spiegelte Taoka-samas Abweisung wieder:„Wenn Sie wollen, dass ich Ihr Leben rette, dann spielen wir nach meinen Regeln. Und diese besagen, dass Sie zu niemandem Kontakt aufnehmen. Das ist sicherer für Sie – und Ihre Familie. Vertrauen Sie mir, ich habe in diesem Punkt wesentlich mehr Erfahrung als Sie.“ Das war nicht zu leugnen. Aber das bedeutete nicht, dass Yuugi diese Idee gefiel. Kritisch verzog er die Mundwinkel. „Muss das sein…?“, fragte er zögerlich. Der Blick seines Gegenübers wurde streng. „Ja. Halten Sie sich daran.“ Das war keine Bitte, das war ein Befehl gewesen. Yuugi schluckte. Aber er stimmte zu. Weil er keine Wahl hatte. „Und wie geht es nun weiter?“, fragte Yuugi dann um die unangenehme Stille zu überbrücken. „Wir warten ab und behalten die Situation im Auge. Und wenn die Situation sich entspannt hat sehen wir weiter. Aber ich entscheide, wann die Situation sich entspannt hat. Solange schlage ich vor, dass wir in Kontakt bleiben.“, lautete die Antwort. Das klang immerhin vernünftig. „Bevor Sie gehen habe ich aber noch eine Frage!“, brachte Yuugi rasch hervor, denn Taoka-sama schien das Gespräch für beendet zu halten und gehen zu wollen. Auf Yuugis‘ Anfrage hin blieb er aber noch, sah ihn fragend an. „Haben Sie mein Handy gestohlen?“, fragte Yuugi unverblümt heraus. „Ja.“, antwortete Taoka-sama mit erschreckender Direktheit, schnappte sich zu diesen Worten seine Kleidungsstücke und schwang sich dann aus dem Fenster. Yuugi blinzelte, doch sein Zwilling war schon verschwunden, immer noch im Besitz seines Handys. ~*~*~*~ Atemu hatte der Besuch bei Mutou-kun auf seltsame Art und Weise beruhigt. Mit ihm zu sprechen löste dieses seltsame Gefühl zwar nicht auf, aber es nahm ihm die Rastlosigkeit. Vielleicht lag es auch daran, dass er nun etwas tun konnte. Er hatte zuvor lange überlegt, was er tun solle und schließlich war es ihm als das klügste erschienen, mit Mutou-kun zu sprechen. Der ausschlaggebende Grund hierfür war vor allem, dass er wissen wollte, wer der Junge war, der ihn so sehr aus der Fassung gebracht hatte. Er hatte mit ihm sprechen wollen, ihn kennen lernen wollen, sehen wollen, ob er sich nicht getäuscht hatte, er wirklich einen Grund gehabt hatte, diesen Jungen als anders zu empfinden. Viel allerdings konnte er darüber nicht sagen, er hatte ja nicht viel mit ihm gesprochen, nicht lange und kaum neues erfahren. Aber immerhin war Mutou-kun erstaunlich offen gewesen, wo er doch ein vollkommen Fremder war. Wo er aber schon an Offenheit dachte… das war er selbst ja auch gewesen, er hatte sogar seinen richtigen Namen genannt, etwas, was er schon lange nicht mehr getan hatte. Es war ihm schwer über die Lippen gekommen, auch, wenn es sich nicht nach seinem Namen angefühlt hatte. Nur zwei Wörter, das war alles. Und selbstverständlich war er auch nicht vollkommen ehrlich gewesen, natürlich hatte er ihm nicht sagen können, dass er in Wahrheit der Auftragsmörder Mutou-kuns war, das wäre auch zu schockierend gewesen. Doch er war sich bewusst, dass es so nicht ewig weitergehen konnte, wenn er sich auf Kontakt mit Mutou-kun einließ, dann würde dieser auch mehr über ihn erfahren. Von seiner Familie hatte er innerhalb von Minuten erfahren – auch, wenn das erst einmal nicht viel bedeutete, denn er hatte kaum mehr Kontakte zu ihr und es gab viele Yakuza – aber irgendwann würde er erfahren, dass er der Auftragsmörder war, wie er das erklären sollte, wusste er noch nicht und er schob diesen Gedanken erst einmal von sich. Er wollte erst abwarten, was der Kontakt zu Mutou-kun brachte – denn der Junge war faszinierend. Aber jetzt schlenderte er in aller Ruhe durch Rom, kam bald auf die Piazza Navona, sein absoluter Lieblingsort in der ewigen Stadt. Er betrachtete die Gemälde der Künstler, blieb schließlich an einem Stand stehen, an dem ihm die wunderschönen Portraits auffielen. Noch auffälliger allerdings war die Künstlerin. Atemu zog eine Augenbraue in die Höhe, als er die dunkelhaarige Schönheit beobachtete. Scharf wie Chili und heiß wie Feuer… ging es ihm durch den Kopf. Er stand noch da und war in ihre Betrachtung versunken, da drehte sie sich um und bemerkte sie ihn auch schon. Als potenziellen Kunden sprach sie ihn auch sogleich mit ihrem freundlichsten Lächeln an:„Ciao. Vorrai-“ Doch weiter kam sie nicht, denn da unterbrach Atemu sie auch schon. „No.“ Er lächelte sie ihn an, sein Blick glitt über ihren Körper. Sie kam nicht umhin dies zu bemerken – was durchaus beabsichtigt gewesen war. Leicht errötend verstand sie, dass er keine Bilder sondern etwas ganz anderes haben wollte. Sie senkte den Blick, sagte nichts. „Come si chiama?“, fragte Atemu, seine Stimme war ruhig, hatte etwas Beruhigendes. Er hatte häufig one-night-stands, dagegen nie Beziehungen. Aber er wusste, wie er Frauen dazu brachte, mit ihm ins Bett zu gehen, er benutzte sie nur, eigentlich empfand er dabei nie etwas für die Frau selbst. Es war ihm recht so, er wollte ja keine engen Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen. Die Frau vor ihm hob den Kopf, sie lächelte scheu. „Sono Yvonne.“, stellte sie sich vor. Dann winkte sie einer Frau am Nachbarstand zu, sie möge auf ihre Auslagen achtgeben, legte ihre zierliche Hand in die Atemus‘ und zog ihn mit sich zu ihrer Wohnung. Es wurde ein heißer Nachmittag. Und damit sei nicht das Wetter gemeint. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)