Fragen an die Gesellschaft von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 7: Espa --------------- „Espa! Die Polizisten würden gerne mal mit dir reden!“, sagte die Lehrerin mitten in der Klassenarbeit. Kurz zuvor war ich fertig geworden und hatte auch schon alles in meine Tasche gepackt, als es an der Tür geklopft hatte und zwei Männer in grünen Polizeiuniformen dahinter standen. Jeder hatte sofort geglaubt, es ginge um Strolch. „Was? Aber wieso?“ Ich stand auf und bemerkte, dass alle Blicke auf mich gerichtet waren. Naja, nicht alle. Heather war natürlich total auf ihre Arbeit fixiert gewesen. Wie hätte es auch anders sein können? Ich ging also aus dem Raum raus und stand mit den zwei Männern alleine im Flur. Sie musterten mich von oben bis unten. „Sie sind Esparoba Verba?“, fragte einer der Herren und ich nickte. Sein Unterton sagte alles. „Ich bin Bosch und das ist mein Kollege Ovid. Wir sind von der Kripo.“ Sie zeigten mir ihre Ausweise, ich schwieg. „Kennen Sie eine Susanna Holbein?“, fragte Ovid. „Susa?“, ich zögerte, irgendwas gefiel mir hier nicht, „ja!“ „Was für eine Beziehung pflegten Sie mit ihr?“ Was für ein geschwollener Ausdruck! Ich machte es kurz: „Ich war mit ihr zusammen!“ Das hatte gesessen. Ich habe beide in die Sprachlosigkeit geschlagen. Dennoch wollte ich wissen, was sie von mir wollten! „Ist irgendwas mit ihr?“ Immer noch vollkommen perplex starrten sie mich an, fanden jedoch relativ schnell ihre Stimmen wieder. „Sie wurde am Wochenende zusammengeschlagen und lag bis gestern im Koma!“ „Was?“ Eins zu eins, diesmal war ich vollkommen perplex. „Aber, wie? Wer? Wann? Wie geht es ihr?“ „Den Umständen entsprechend.“ „Wo waren Sie in der Nacht von Freitag zu Samstag?“, fragte Ovid. „Zu Hause! Ich habe den Besuch meines Cousins mit Alkohol gefeiert!“ „Die ganze Nacht?“ „Wir sind erst um fünf Uhr im Bett gewesen!“ „Das werden wir selbstverständlich nachprüfen!“, meinte Bosch und zog einen Notizblock hervor und kritzelte irgendwas darein. „Moment mal“, sagte ich, lauter als ich eigentlich wollte, „soll das heißen, ihr denkt, dass ich sie verprügelt habe?“ „Haben Sie denn?“ Ich war empört. „Wenn die Zeit, nach der sie mich gefragt haben, die Tatzeit war, dann habe ich ein Alibi! Wo soll das überhaupt gewesen sein?“ „In Wismar, Nähe des Theaters.“ „Na, also! Ich bin siebzehn, ich hab noch keinen Führerschein. Ich habe gar keine Möglichkeit dorthin zu kommen!“ „Aber Sie hatten ein Motiv!“, meinte Ovid und Bosch stimmte ihm zu. „Stimmt! Sie hat mit Ihnen Schluss gemacht, nachdem sie erfahren hatte, dass sie schwanger war!“ „Was?“ Zwei zu eins. Das wusste ich nicht. „Sie ist schwanger? Susa bekommt ein Kind?“ Die restlichen Worte bekam ich zwar noch mit, bin aber die ganze Zeit die Geschichte von damals noch einen durchgegangen. Susa war schwanger. Sie hatte mit mir Schluss gemacht. Sie hat ihr Kind bei diesem Überfall verloren. Sie hat gesagt, sie hat immer noch Gefühle für ihren Ex. Das Kind war bereits vier Monate alt. Sie meinte, sie könnte mir das nicht antun. Mir war alles klar. Ja, natürlich. Anders konnte es gar nicht sein. Ich drehte mich um, rannte auf die Tür des Klassenzimmers zu. Die beiden Polizisten wussten gar nicht, was los war. Strolch würde büßen müssen! Ich riss die Tür auf, schrie: „Strolch!“ Er hatte sich dermaßen erschrocken, dass er vom Stuhl flog, binnen weniger Sekunden war ich bei ihm. Die Polizisten kamen gar nicht hinterher. Strolch war immer noch total verpeilt, als ich ihn vom Boden hochzog und aus der Ecke zog. Woher ich die Kraft für die nächsten fünf Minuten hatte, weiß ich immer noch nicht, aber vielleicht ist Samiel wirklich zuverlässiger als Gott. Ich ging näher an Strolch heran. „Hast du in den letzten vier Monaten mit Susa geschlafen?“ Jeder hatte die Frage verstanden, ich hörte sogar mehrere meinen Namen rufen. Strolch antwortete nicht, also musste ich härtere Geschütze aufziehen. Ich griff seine Eier und hielt sie fest. „Wie wird sie von ihren Freunden genannt?“ „Espa!“ Das war nicht die Antwort auf die Frage, aber sie passte. Der Ruf kam von Peppi, einer sehr guten Freundin von mir. Ich sprach jetzt leiser, aber laut genug, damit Strolch mich noch hörte. „Hast du den hier“, mein Griff wurde fester, „vor vier Monaten bei Susa reingesteckt?“ „Ja“, brachte er gequält heraus. Ich wurde immer wütender. „Wusstest du, dass sie zu diesem Zeitpunkt eine Beziehung hatte?“ Er schwieg, er machte sich Sorgen um seine Weichteile. „Wusstest du´s?“, ich schrie ihn anund griff gleichzeitig fester zu. „Ja, ich wusste, dass sie mit dir zusammen ist!“ Ich ließ los, schlug ihm aber im nächsten Moment mit meiner Faust ins Gesicht. „Espa!“ Das war diesmal einer der Polizisten. Strolchs Lippe war aufgeplatzt. Ich war überfordert mit der kompletten Situation. „Warum? Warum, Strolch? Ist Sex mit der Ex wirklich so berauschend? Du hattest doch bereits die Chance gehabt, aber du hast doch damals wegen einer anderen Schluss gemacht! Du wolltest sie nicht mehr, du hast sie weggeworfen, wie ein Spielzeug. Ich liebte sie, Strolch, und jetzt ist es aus, wegen dir!“ Ich konnte nicht mehr. Ich war sauer und total fertig. „Was habe ich damit zu tun?“ Er tastete seinen Mund ab. Er checkte es immer noch nicht. Ich stieß ihm meine Faust in den Bauch. Er ging in die Knie. Ich tritt ihm mit meinen Boots in die Weichteile. So lustvoll habe ich ihn noch nie Stöhnen hören! Ich war noch nicht fertig mit ihm, als ich von hinten gepackt wurde. Anhand der grünen Uniform konnte ich erkennen, dass es einer der Polizisten war. Ich versuchte mich aus seiner Umarmung frei zu zappeln. „Espa! Komm mal wieder runter! Ich glaube, so langsam hat er verstanden, wie du dich fühlst!“ „Nein!“, schrie ich. Ich schrie aber nicht ihn an, meine ganze Wut galt Strolch, jedoch war ich dermaßen fertig mit den Nerven, dass mir die Tränen aus den Augen rollten, wie Regentropfen. „Du mieses Arschloch! Du hast gar nichts verstanden, richtig? Mann, Strolch, ich war so glücklich! Bis du wieder in ihr Leben getreten bist, mit ihr geschlafen hast und nebenbei auch noch geschwängert!“ Das letzte Wort spuckte ich ihm mitten ins Gesicht. Alle waren still, sogar der Griff des Polizisten lockerte sich. Mein Glück! Ich rammte ihm meinen Ellbogen in den Bauch, trat ihm heftigst auf den Fuß, stieß ihm meinen Handrücken gegen die Nase, drehte mich um und kickte ihm ebenfalls in die Eier. Kampfunfähig. Bosch war kampfunfähig. „Espa!“ Eine meiner Freundinnen und gleichzeitig die beste Freundin von Susa war aufgesprungen. Ich hatte jedoch nur Augen für Strolch, ich war immer noch nicht fertig mit ihm, aber total erschöpft. Ovid gab irgendwelche Daten in sein Walkie-Talkie und forderte dann sowohl Unterstützung, als auch einen Krankenwagen. „Du bist so ein arroganter Egoist. Du nimmst dir, was du willst. Ohne Rücksicht auf Verluste! Und so was wie du will ein Punk sein? Hah! Das ich nicht lache! Hörst du mich, Idiot? Ich lach dir ins Gesicht: Hahahahaa!“ Hierbei beugte ich mich tief über sein Gesicht, er wirkte aber irgendwie nicht erschrocken, total ruhig, relaxt. „Du willst die Anarchie? Strolch, die Anarchie besteht nicht nur aus ficken, saufen, nicht zur Arbeit gehen. Die wahren Ziele der Punks hast du nicht verstanden. Du-“ Ein Klicken hinter mir. Ich drehte mich um und sah zu Ovid, der eine Waffe auf mich gerichtet hatte. Okay, jetzt war ich sauer! Ich ging auf Ovid zu und stand direkt vor seiner Waffe. Ob ich Angst hatte? Meine Wut und meine Verzweiflung waren stärker, ich hatte alles andere erfolgreich ausgeblendet. „Stehenbleiben!“, schrie Ovid mich an, obwohl ich ihn auch so verstand. Ich kickte seine Pistole weg. Glücklicherweise hatte ich vorher einen Selbstverteidigungskurs gemacht, sonst wär ich jetzt Mus. Danach ging ich einen weiteren Schritt auf ihn zu und schlug ihm meinen Handrücken gegen seine rechte Gesichtshälfte. Er flog regelrecht gegen eine Bank. Unglücklicherweise schlug er mit dem Kopf auf. Das wollte ich nun wirklich nicht, er hätte ja sterben können! Nachdem ich das gesehen hatte und gecheckt hatte, dass ich niemals dermaßen hätte ausrasten dürfen, brach ich endgültig zusammen und heulte, hyperventilierte und bekam noch nicht einmal mit, wie mich die Verstärkung von Bosch und Ovid wegbrachte. Tja, und nun sitze ich hier. In einer U-Haftzelle und habe keine Peilung, was ich jetzt machen soll! Aber eins steht fest: Ich hatte alle an diesem Tag überrascht. Zuerst meine Kleidung. Palituch, Nietenarmbänder und schwarzes T-Shirt waren normal für mich. Meine Boots und meine Dreads kannte auch schon jeder. Neu waren allerdings die schwarze Feinstrumpfhose und die schwarze, kurze Hose darüber. Sonst trug ich immer Jeans. Das nächste Ding war meine unsagbar gute Laune und mein Ausraster, den ich hier eben beschrieben habe. Ja, das war ein ereignisreicher Tag, aber noch mal so ein Ding überlebe ich bestimmt nicht! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)