Geisterjagen für Anfänger von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Wassertropfen und Staubschleier ------------------------------------------ Kapitel 1 Willhelmine Haltenhauen war seit neun Tagen die Alleinerbin des Haltenhauenanwesens und am Verzweifeln. Vor fünf Tagen hatte sie das alte viktorianische Haus zum ersten Mal in ihrem Leben betreten, war keine zwei Stunden später wieder hinausgestürmt und hatte am darauf folgenden Tag eine Anzeige in die Zeitung setzen lassen. Zuerst war Frau Haltenhauen erleichtert gewesen, dass schon nach drei Tagen sich jemand bereit erklärt hatte, der bereit war sich um ihr Problem zu kümmern, doch die Person, die nun vor ihr stand, sah doch ein wenig... jung aus. Frau Haltenhauen war sich natürlich bewusst, dass der Anschein trügen konnte, sie selbst war stolz, dass sie als Zweiundsechzige nicht älter als neunundfünzig aussah, doch der zierliche Bau des Jungen vor ihr und seine großen Augen verrieten, dass er unter zwanzig sein musste. Misstrauisch lehnte sie sich vor und musterte den Jungen durchdringend. "Du bist wegen der Anzeige hier?", fragte die alte Dame ungläubig. In Erwiderung auf Frau Haltenhauens Frage seufzte der Junge genervt, auf eine Art, die vermuten ließ, dass er solche Fragen oft zu hören bekam, und antwortete schroff: "Nein, ich bin als Tourist hier." Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Kurz tippte er sich an die Wange, direkt unter seinem rechten Auge, um so Willhelmines Aufmerksamkeit auf sein Auge zu lenken und ihr Blick folgte der Bewegung. Leichte Überraschung spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder als sie die Augen ihres Gegenübers genauer betrachtete. Um die orangefarbene Iris zog sich ein weiterer Kreis, dieser in einem gelben Farbton, ein sicheres Zeichen, dass der Junge mit den unordentlichen tiefroten Haaren und dem ausgewaschenem beigen Pullover und der ebenso mitgenommen aussehenden olivgrünen Cargohose tatsächlich die Sicht hatte. Die Sicht, oft auch ähnlich fantasievoll als die Zweite Iris bezeichnet, war die Fähigkeit, Geister zu sehen, weshalb viele mit diesem Talent, beziehungsweise Fluch, sich ihren Lebensunterhalt als Geisterjäger verdienten, so wie auch anscheinend der Junge, der auf Willhelmines Anzeige reagiert hatte. Doch nur weil man die Gabe hatte, war man noch lange nicht fähig, als Geisterjäger zu arbeiten und sich um eine Heimsuchung zu kümmern, dazu gehörte eine gewisse Portion Talent und Erfahrung, also fragte Frau Haltenhauen skeptisch: "Am Telefon hast du dich als Profi bezeichnet. Bist du überhaupt schon achtzehn?" Die Antwort des jungen Geisterjägers bestand darin, eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen und mit einer Gegenfrage zu kontern: "Wie alt bist du?" "Touché...", mumelte Frau Haltenhauen und drehte sich zur alten Eichentür des Anwesens, um das Schloss aufzuschließen. Einladend hielt sie die Tür auf und zögerlich trat der angeheuerte Geisterjäger ein, dabei unruhig die neue Umgebung musternd. Spinnenweben und Staub waren die unbestrittenen Herrscher dieses Ortes und Frau Haltenhauen erklärte mit plötzlich heiterem Tonfall: "Der Staub ist immer noch besser als der Schimmel, der wegen den Wasserschäden überall keimt. Die Wasserrohre platzen ständig und man hört überall merkwürdiges Stöhnen." Einen kurzen Moment hielt sie inne um Luft zu holen, bevor sie ihre kleine Ansprache ergänzte: "Auf jeden Fall weigere ich mich in dieses Haus zu gehen bis du den Geist vertrieben hast, also viel Glück!" Die Tür wurde hinter dem Jungen zugeschlagen bevor er protestieren konnte, sodass er sich plötzlich allein im Dunkeln zurückgelassen fand. Satori war sich nur allzu sehr bewusst, dass er mit seinen hundertsiebenundsechzig Zentimetern ungewöhnlich klein für einen Jungen von siebzehn Jahren war und er hasste es, an diesen Fakt erinnert zu werden. Umso mehr hasste er es, wenn der Auftraggeber sich aus dem Staub machte, wobei Staub für den verdreckten Gang in dem er sich wieder fand eine passender Vergleich war, ohne wenigstens nützliche Informationen zu hinterlassen. "Wasserschäden" und "mysteriöses Stöhnen" war nicht gerade detailliert. Wenigstens eine Taschenlampe hätte sie zurücklassen können. Ein leises Raunen ließ Satori aus seinen Gedanken aufschrecken. Nervös wirbelte er herum, doch die schwachen Lichtstrahlen, die durch verschmutzte Fensterscheiben und mottenzerfressene Vorhänge einfielen, reichten kaum aus um eine leicht offen stehende Tür am Ende des Ganges aus den Schatten hervor zu heben, geschweige denn zu zeigen, was in diesen Schatten alles lauerte. Tief durchatmend und ein durch Staub ausgelöstes Husten unterdrückend streckte Satori eine blasse Hand aus und drückte sie zögerlich gegen die Wand neben ihm. Einen unsicheren Schritt nach dem Anderen tastete er sich auf diese Weise vorwärts durch das Halbdunkel, dabei verzweifelt versuchend das Gefühl von alten Spinnenweben, die an seinen Fingerspitzen sanft entlangglitten, zu ignorieren. Dem angespannten Jugendlichen schien es wie eine Ewigkeit bis seine Finger endlich an raues Holz stießen. Erleichtert atmete er aus und zog vorsichtig die Tür auf. Der Raum dahinter war wie auch der Flur durch schwere Vorhänge abgedunkelt, doch hier war es gerade noch hell genug um das Zimmer zu erkennen. Der junge Geisterjäger fand sich in einem großen raum wieder, dessen tapezierte Wände mit Gemälden von längst verstorbenen und grimmig, vielleicht gerade deshalb, aussehenden Adligen behängt waren. Ein paar alte Möbel waren an die Wände geschoben worden, wohl schon vor vielen Jahren der Staubschicht auf den verzierten Möbeln und der stillstehenden Standuhr nach. Ein einziger Schritt vorwärts reichte aus um diesen Staub aufzuwirbeln, der sofort in die Luft und auseinander stob. Alarmiert schloss Satori seine Augen und schlug die Hände vor den Mund um sich daran zu hindern ausversehen einzuatmen. Mehrere Sekunden verstrichen lautlos und zögerlich öffnete er seine Augen wieder um seinen Blick erneut durch den Raum schweifen zu lassen.Der Staub lag wieder ähnlich einem grauen Schleier über allem, ganz so als ob er nie aufgewirbelt worden wäre. Zumindest schien es zuerst so, doch als Satoris Blick über den Boden wanderte blieb er an einem hellen Streifen hängen. Überall lag Dreck, nur ein schmaler Pfad war fast makellos sauber und glänzte im schwachen Licht wie frisch poliertes Holz, vermutlich so wie die Holzfliesen des Raumes vor fünfzig Jahren ausgesehen hatten. Der angedeutete Pfad führte direkt zu einer einladend offenstehenden Tür am anderen Ende des Raumes. Satori war sich ziemlich sicher, dass der Staub als er das Zimmer betreten hatte noch den gesamten Boden bedeckt hatte. Misstrauisch verengte der inzwischen selbst staubbedeckte Jugendliche seine Augen und drehte sich dann demonstrativ langsam um, mit der Absicht in den Flur zurückzukehren, dabei leise murmelnd: "Ich bin doch nicht bescheuert." In diesem Moment ertönte ein lauter Knall, als ohne Vorwarnung die Wand neben dem Jugendlichen aufbrach und ein Schwall Wasser sich über ihm ergoss und ihn nach hinten schob. Schneller als er reagieren konnte fand sich der rothaarige Junge auch schon wieder in dem Zimmer mit den Gemälden vor und zwar vollkommen durchnässt in einer Pfütze am Boden. Fassungslos starrte er auf das Loch in der Wand des Flurs, aus dem noch immer heiter Wasser empor sprudelte. Langsam wanderten Satoris orange- und gelbfarbene Augen wieder zu dem glänzenden Pfad der zu der zweiten Tür führte. Die Botschaft war ziemlich eindeutig. Leise ächzend stemmte der durchnässte Jugendliche sich auf, schüttelte sein unordentliches Haar durch, wischte sich mit einen Ärmel über sein blasses Gesicht und den Drang laut hysterisch kreischend aus dem Gebäude zu rennen unterdrückend, platzierte dann vorsichtig und mit wild hämmerndem Herzen seinen rechten Fuß auf den staublosen Teil des Bodens. Nichts geschah, also wurde auch der linke Fuß hinterhergeschoben. Da die erwartete Katastrophe ausblieb, folgte Satori dem Pfad bis zu der offenstehenden Tür. Dahinter kam ein ein weiterer Gang zum Vorschein, dessen Ende sich in Schatten verlor. "Natürlich ist es dunkel, in verfluchten Häusern ist es immer dunkel.", murmelte der junge Geisterjäger trocken, während er sich wieder vorwärts tastete. Wie er seinen Beruf doch verabscheute. Es schien als ob die Wand unter seinen Händen leicht zittern würde und man konnte ein Geräusch, dass an ein unterdrücktes Stöhnen erinnerte, vernehmen. Sofort zog der überraschte Rotschopf seine Hand von der Steinwand weg und blieb wie erstarrt stehen. Außer ihm schien der Flur menschenleer zu sein, dennoch konnte er das Gefühl beobachtet zu werden nicht abstreifen und jahrelange Erfahrung hatte ihm beigebracht, dass nur weil man paranoid war, das noch lange nicht bedeuten musste, dass sie nicht wirklich hinter einem her waren. In der Dunkelheit schienen alle Geräusche ungewöhnlich laut, man konnte die alten Holzbalken des Gebäudes knarzen hören und das flüsternde Geraschel mottenzerfressener Vorhänge, doch ganz schwach, beinahe übertönt von den anderen Geräuschen und Satori schnell gehendem Atem, war auch ein leises Gluckern zu vernehmen. Es hörte sich an, als ob zwischen den Wänden Wasser hindurch strömen würde, wiederum hatte die Besitzerin des Hauses von kaputten Wasserröhren gesprochen. Langsam setzte sich Satori wieder in Bewegung. Ziellos wanderte er den Flur entlang und kam dabei an mehreren Türen vorbei, doch jede von diesen war verschlossen. Mit jedem Türgriff an dem er vergeblich rüttelte verzog sich das Gesicht des umherirrenden Jugendlichen zu einer verärgerten Grimasse, erst recht, da die merkwürdigen Geräusche immer lauter wurden. Nach der zwölften Tür war es schließlich zu viel für seine sowieso schon angespannten Nerven. Der Gang hatte sich mehrmals gewunden und gespalten, auf eine Art und Weise die es fast unmöglich machte die Orientierung zu halten, Satoris Füße fingen an zu schmerzen, seine durchnässte Kleidung haftete unangenehm an seiner Haut, wegen dem Staub musste er niesen und husten, das ständige Gefühl beobachtet zu werden trieb ihn fast in den Wahnsinn und es war frustrierend ziellos durch den anscheinend endlosen Gang wandern zu müssen. Beschuldigend zeigte er auf die Wand und, das Gefühl den Verstand verloren zu haben unterdrückend, rief laut: "Dieses melodramatische Rumgeistern ist unnötig, ich kann Geister in ihrer wahren Gestalt sehen, also kannst du dich auch einfach zeigen und wir können wie zwei normale Personen verhandeln!" Da die meisten Menschen Geister nicht sehen konnten, machten sich diese auf andere Weise bemerkbar, zum Beispiel durch schwebende Gegenstände oder mysteriöse Geräusche, doch auch wenn Satori wusste, dass diese verlorenen Seelen sich so verhielten, weil sie dachten nur so kommunizieren zu können, hatte er schon mit zu vielen Gespenstern gesprochen, um dafür noch Verständnis aufzubringen. Mit einem Schaudern erinnerte er sich an den Geist, der eine halbe Stunde lang eine Raviolidose vor Satoris Gesicht gehalten hatte und dabei merkwürdige Schwebegeräusche gemacht hatte, in der festen Überzeugung, dass der genervte Jugendliche ihn nicht sehen konnte und das obwohl Satori es ihm diese halbe Stunde wieder und wieder gesagt hatte. Nur Stille antwortete auf Satoris kleinem Ausbruch, selbst das Gluckern und Stöhnen, das ihn hartnäckig verfolgt hatte, verstummte. Anscheinend hatte er es wenigstens geschafft, den Geist zu überraschen. Ermutigt fuhr der junge Geisterjäger mit besänftigender Stimme fort: "Ich bin hier um dir zu helfen, aber das kann ich nur tun, wenn du mir sagst, wieso du diesen Ort heimsuchst..." Hoffnungsvoll wartete auf eine Antwort, egal welcher Art, doch die erwünschte Reaktion blieb aus. Enttäuscht seufzte er und fragte sich wehleidig, wieso er überhaupt noch darauf hoffte, dass es wenigstens einmal einfach sein würde. Geister waren wie pubertäre Jugendliche, sie waren emotional instabil und machten es einem immer so schwer wie möglich. Resigniert entschloss er weiter umherzuwandern, vielleicht würde er auf etwas Nützliches stoßen, wahrscheinlich aber eher nicht da Pech sein zweiter Vorname zu seien schien. Vielleicht würde er sich aber auch einfach verirren und langsam und qualvoll verhungern. In Gedanken versunken machte er einen kleinen Schritt vorwärts, doch der Boden unter seinen abgenutzten Turnschuhen war plötzlich glitschig und glatt. Hätte er sich nicht noch rechtzeitig an der Wand abfangen können, so hätte sein Gesicht vermutlich Bekanntschaft mit den Holzfliesen gemacht. Feindselig starrte Satori auf den hinterhältigen Boden, doch was er dort sah ließ ihn stutzen. Eine große Pfütze hatte sich dort gebildet, ohne dass er es gemerkt hatte und nur führten lauter kleine Wassertropfen den Gang hinunter, zurück zu einer der Türen, die er schon vorhin vergeblich versucht hatte zu öffnen. Satori runzelte die Stirn, irgendwie erinnerte ihn das hier an das Märchen von Hänsel und Gretel mit ihrer Spur aus Brotkrümeln, denn viel mehr Material, womit er hätte arbeiten können, gab man ihm hier auch nicht und so wie er sein Glück kannte lauerte hinter der Tür eine menschenfressende Hexe. Trotz dieser Gedanken legte er seine Hand auf die Türklinke und drückte sie runter. Die Tür, obwohl zuvor noch verschlossen, schwang mühelos auf und Satori musste ein selbstzufriedenes Grinsen unterdrücken. Endlich Fortschritte! Hinter der Tür lag eine steile, sehr alt aussehende Treppe und Satoris Laune sank wieder. Die Treppe sah nicht gerade sicher aus, eher gesagt, sie sah einstürzerisch und dir-alle-Knochen-brecherisch aus. Ein vorsichtig platzierter Fuß zeigte, dass sie auch so klang. Mit jedem von Satoris Schritten ächzte sie laut und der Jugendliche klammerte sich so fest an das Geländer, dass es drohte unter seinem Griff durch zu brechen. Halb überzeugt, dass er einen grausamen und blutigen Tod erleiden würde, bemerkte er es gar nicht, als er dass Ende der Treppe erreichte und stolperte über die letzte Stufe. Leicht zitternd krabbelte er über die letzte Stufe und hätte am liebsten den Boden geküsst, zumindest wenn dieser nicht ganz so dreckig gewesen wäre. Der Boden bestand aus alten Dielen, die hier und da mit dunklen Flecken gesprenkelt waren. Der Raum selbst war groß, aber schmal, ein Eindruck der durch schräg stehende Wände nur noch verstärkt wurde, aber hier war es wenigstens nicht dunkel. Große Fenster erhellten den Raum und während die plötzliche Umstellung von Dunkelheit zu Licht in seinen Augen brannte, war er dennoch erleichtert über diese Abwechslung, da er dadurch seine Umgebung klar erkennen konnte. Schränke und schwere Holzkisten waren im Zimmer verteilt, wodurch Satori zu dem Schluss kam, dass die Treppen ihn mehrere Stockwerke nach oben geführt haben musste, da dies anscheinend der Dachboden war. Die Treppe. Satori schauderte es bei dem Gedanken dieser Todesfälle noch einmal nahe kommen zu müssen. Auf noch leicht wackeligen Beinen stand er auf und murmelte vor sich: "Vielleicht gibt es noch eine andere Treppe, eine weniger Tödliche, hier irgendwo..." Unruhig biss er sich auf die Unterlippe und sah sich im Raum um, konnte jedoch keinen weiteren Ausgang erkennen. Sein Blick fiel auf eines der Fenster und sehnsüchtig starrte er auf die Dächerspitzen, die er von seinem Standpunkt aus sehen konnte. Wie gerne wäre er jetzt da draußen gewesen, doch rumstehen und aus dem Fenster glotzen würde ihm seinen Wunsch sicherlich nicht erfüllen, außerdem hatte er noch einen Geist ausfindig zu machen, also riss der junge Geisterjäger seinen Blick vom Fenster los. Doch gerade als er sich abwenden wollte, fiel sein Blick auf einen Gegenstand auf der Fensterbank. Man konnte nicht erkennen, was genau es war, also bewegte Satori sich neugierig näher. Seine Augen weiteten sich überrascht als er erkannte was es war. Dort auf der Fensterbank lag ein vertrockneter Blumenstrauß. Die Blumen hatten einen dunklen Grauton angenommen und das um sie gewickelte Tuch war löchrig. Es war ein Brautstrauß. Nachdenklich fuhr der rothaarige Jugendliche sanft über ein Blütenblatt, doch es zerbröselte zu Staub unter seinen Fingerspitzen. "Wieso würde man hier einen Brautstrauß liegen haben?", fragte er sich mit gesenkter Stimme. Sein Blick fiel auf das Fenster. Von seinem vorherigen Standpunkt aus hatte Satori nur die Dächer der anderen Häuser sehen können, doch jetzt da er so nahe an der Fensterscheibe stand, konnte er etwas sehen, dass ihn überrascht erstarren ließ. Von seiner Perspektive aus konnte er in den Innenhof des Gebäudes sehen. Den Innenhof von dem er gar nicht gewusst hatte, dass es ihn gab. Das nächste Mal würde er Baupläne verlangen, bevor er ein verfluchtes Haus betrat. Der Innenhof war nur wenige Quadratmeter groß und in seiner Mitte stand ein Steinbrunnen, abgedeckt mit einer großen Holzplatte. Für eine normale Person wäre hier nichts weiter ungewöhnliches zu sehen, doch Satori hatte die zweite Iris, die Fähigkeit unter anderem Geister zu sehen. In seinen Augen war der Brunnen alles andere als normal, denn tiefschwarze Ranken windeten sich um die verfärbten Steine wie etwas lebendiges, tastend und suchend. Allein der Anblick löste ein scharfes Stechen hinter den Augen des Jugendlichen aus, ein Schmerz, der ihn immer plagte wenn eine starke paranormale Aura vorhanden war und Satori wusste ohne Zweifel, dass der Brunnen der Ursprung der Heimsuchung sein musste und dass der Geist ihn auf den Dachboden geführt hatte um ihm dies zu zeigen. Der rothaarige Geisterjäger hastete auf die Treppe zu, seine vorige Angst vor dieser vollkommen vergessen. Auch wenn ihm bewusst war, dass der Geist hier schon lange sein Unwesen trieb und ihm schon nicht weglaufen würde, konnte er nicht anders als den Flur entlang zu rennen. Jetzt da er tatsächlich wusste wo er hin musste konnte er sich vor Ungeduld kaum noch zügeln. Alles was er wollte war den Geist zu vertreiben, für seine Arbeit bezahlt zu werden und dann endlich nach Hause zu kehren. Doch ziemlich schnell verlangsamte sein Schritt sich wieder. Nur weil er jetzt wusste, dass es einen Innenhof gab, wusste er noch lange nicht, wie er zu diesem gelangen sollte. es gab zu viele Türen in dem Haus und zu viele von diesen waren verschlossen. Die Tür zu dem Dachboden hatte Satori schließlich auch nur durch die Spur aus Wassertropfen gefunden. Die Wassertropfen...Satori richtete seinen Blick auf den Boden und hätte sich am liebsten selbst geschlagen, denn wie erwartet war dort wieder eine Spur glitzernder Tropfen zu sehen und Satori fühlte sich reichlich dämlich, dass er diese zwischendurch wieder vergessen hatte. Dieses Mal führten die Wassertropfen ihn zu einer Tür noch weiter hinten in dem düsteren Flur. Satori legte eine blasse Hand an den Türgriff und sofort durchfuhr ihn ein Schmerz. Wie hatte er es nur geschafft, diese starke Aura nicht zuvor wahr zu nehmen? Vorsichtig zog er die Tür auf und trat hinaus in den Hof, der sich da hinter befand. Es war leicht zu sehen, dass hier schon lange niemand mehr gewesen war. Verdorrtes Gras knisterte und Satoris schwankenden Schritten, doch dieser war zu sehr auf den alten Steinbrunnen in der Mitte der toten Wiese konzentriert um noch irgendetwas anderes wahr zu nehmen. Ein wilder Schmerz hämmerte in seinem Kopf und es wurde immer schwerer für den jungen Geisterjäger klar zu denken. Es war als würde sich eine dunkle Macht über ihn legen und jeder Schritt schien lächerlich anstrengend. Satori konnte selbst kaum glauben wie stark die hier wirkenden Kräfte waren, erst Recht da man sie im Haus kaum hatte fühlen können. Langsam bewegte sich der schwer atmende Jugendliche vorwärts, bis er schließlich kurz vor dem Brunnen stehen blieb. Instinktiv griffen seine Hände nach der Holzplatte, die diesen abdeckte, doch durch den benommen Zustand seiner Gedanken trat einer noch klar hervor, einer der ihn warnte, dass das hier vielleicht alles zu viel für ihn war, dass er lieber aufgeben sollte. Die schwarzen rankenähnlichen Energiefäden tasteten sich suchend über seine Hände und begannen sich um seine Arme zu winden, langsam, als hätten sie alle Zeit der Welt. Fast schon vorfreudig. Kurz zögerte Satori, doch er wusste, dass er jetzt nicht gehen konnte, dafür war er zu weit gekommen, dafür brauchte er das Geld viel zu dringend, dafür war sein Stolz zu groß, denn jetzt aufzugeben würde bedeuten zu zugeben, dass er als Geisterjäger einfach nicht gut genug war, also schob er die Holzplatte zur Seite und ließ sie mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufkommen. Das schmerzhafte Pochen in seinem Kopf intensivierte sich auf einen Schlag und wurde so stark, dass der junge Geisterjäger beinahe aufgeschrien hätte, stattdessen krallte er sich am Rand des Brunnen fest und beugte sich langsam vorwärts über den Brunnen, unsicher was er in seinen Tiefen sehen würde. Nichts anscheinend, der Brunnen war zu tief um seinen Boden zu sehen, doch ansonsten vollkommen gewöhnlich, so wie jeder andere Brunnen auch, zumindest wenn man von den dunklen Fäden absah, die sich nicht nur an der Außenseite um den Brunnen wickelten, sondern ihn auch von innen bedeckten. Hätte sein Kopf nicht so höllisch geschmerzt, dass er kaum noch etwas anderes wahrnehmen konnte, wäre Satori sicherlich enttäuscht gewesen, doch in diesem Moment begann ein tiefes Grollen, dass immer lauter und lauter wurde und direkt aus den Tiefen des Brunnens zu kommen schien. Als dann auch noch im Brunnen dunkles Wasser aufsprudelte, mit alarmierender Geschwindigkeit anstieg und immer näher kam versuchte Satori sich panisch nach hinten, weg von dem Brunnen, zu werfen, doch musste mit aufkeimendem Entsetzen feststellen, dass während er abgelenkt gewesen war dunklen Fäden aus Geisterenergie sich fest um seine Arme gewickelt hatten und er nun unfähig war zu flüchten. Und als das Wasser sich auftürmte und nach ihm griff konnte er nichts weiter tun als seine Augen zu schließen und an all die Dinge denken, die er niemals erleben würde. Wie er seinen Job doch hasste. Es tat weh. Genauer gesagt, es fühlte sich an, als ob er sterben würde. Es war, als ob jemand Satoris Kopf mit einem Beil aufgeschlagen hätte und jetzt Akupunktur an seinem Gehirn übte. Ganz zu schweigen von seinen Lungen, die sich anfühlten als ob sie gleich platzen würden. Es tat so sehr weh, dass Satori wusste, dass er noch am Leben sein musste. Durch diesen Gedanken ermutigt schlug der blasse Jugendliche seine Augen auf. Wie sich herausstellte war das keine gute Idee, denn der Anblick, der sich ihm daraufhin bot, ließ Panik in ihn aufbrodeln und anscheinend machte Panik Kopf- und Lungenschmerzen nur noch schlimmer. Er war Unterwasser. Dennoch konnte er überraschend gut sehen, da das Wasser so klar war, dass er beinahe leuchtete. Doch diese Helligkeit stand im Kontrast zu den dunklen Fäden Geisterenergie, die sich durch diesen Ort, was auch immer er war, spannten und allesamt zu einem Ausgangspunkt verliefen, ein Punkt der direkt vor seinem Gesicht war und zwar auf der Hand, die gerade gegen seinen Mund gedrückt wurde. Satoris Augen glitten langsam an dem dazugehörigen Arm entlang, hoch zu dem Gesicht der Frau, die ihm gerade ihre Hand gegen den Mund drückte. Ihre langen dunklen Haare wehten schwerelos im klaren Wasser und ein durchsichtiger Schleier umspielte ihre sanften Züge, doch ihre warmen Augen ließen die Verstümmlung ihrer vollen Lippen nur noch grotesker wirken. Ihr Mund war mit groben Fäden vernäht. Normalerweise hätte Satori spätestens jetzt angefangen wild um sich zu schlagen, doch in den Augen der verstummten Frau lag ein flehender Blick und ein leises verzweifeltes Stöhnen entwich ihrer Kehle. Die sanfte Art auf die sie ihre Hand von seinem Gesicht entfernte ließ ihn erkennen, dass sie nicht vorgehabt hatte ihm zu schaden, sie hatte ihn lediglich daran hindern wollen Wasser zu schlucken. Sie entfernte sich ein stückweit von ihm, sodass er ihr Gesamterscheinen mustern konnte. Die Frau, die offensichtlich der Geist war nach dem Satori gesucht hatte, trug ein mottenzerfressenes Brautkleid, dass sich im Wasser wie ein lebendiges Wesen bewegte, doch auch der weiße Stoff wurde überdeckt und durchlöchert von den schwarzen Fäden, dies sich über ihren gesamten Körper windeten. Dies Stränge aus dunkler Energie gingen alle von ihrer Hand aus, einer Hand, die sie jetzt anhob und Satori entgegenstreckte. Zögerlich und noch immer mit höllischen Kopfschmerzen griff der nach Luft durstende Jugendliche nach dieser. Dunkle Flecken begannen vor seinen Augen zu tanzen, doch er ignorierte das brennende Gieren seiner Lungen nach Luft und fuhr vorsichtig über den Handrücken der Geisterbraut. Unter den schwarzen Ranken, die über ihren Körper krabbelten, konnte er deutlich ein kühles Band an ihrem Ringfinger spüren. Ein Ehering und wie es schien ging von ihm eine Kraft aus, die die Verstorbene gefangen hielt. Satori konnte nur vermuten, dass die Braut bereits wenige Stunden nach ihrer Hochzeit ein unglückliches Ende gefunden hatte, vermutlich war sie sogar umgebracht worden, zumindest würde das erklären, weshalb ihr Mund zugenäht war, denn dies tat man nur bei Leichen, von denen man befürchtete, sie könnten als Geister wiederkehren und ein wichtiges Geheimnis verraten. Die Ränder Satoris Sicht wurden immer verschwommener und mit vor Schmerz verzogenem Gesicht versuchte er sich wieder auf die Gegenwärtige Situation zu konzentrieren, was jedoch immer schwerer wurde. er wusste, dass er sich beeilen musste, ihm blieb nicht mehr fiel Zeit bevor er das Bewusstsein verlieren würde. Hektisch zog er an dem Ring, doch eine übernatürliche Kraft hielt diesen an Ort und Stelle. Verzweiflung machte sich in ihm breit, während seine Bewegungen immer schwerfälliger wurden. Tränen traten aus seinen Augenwinkeln und vermischten sich mit dem Wasser, das ihm sein Leben nehmen würde. Resignierend schloss der junge Geisterjäger seine Augen und hörte auf gegen die ihn überkommende Müdigkeit anzukämpfen. Es hatte keinen Sinn, es war töricht gewesen zu glauben, dass er gegen solche Kräfte ankommen könnte, die Anderen hatten recht gehabt, er war einfach zu untalentiert um Geisterjäger zu sein. Eine sanftes Streifen seiner Wange ließ seine Augen wieder auffliegen. Die Geisterbraut fuhr vorsichtig über sein Gesicht und in ihren Augen lag eine solche Traurigkeit, dass Satori wusste, dass er sie jetzt einfach nicht im Stich lassen konnte, sie brauchte seine Hilfe. Neue Kraft durchflutete ihn und ein leichtes Glühen ging von seinen Fingerspitzen aus als Energie seinen Körper durchflutete. Erneut zog er an dem Ring und dieses Mal glitt er fast mühelos von dem Finger der dunkelhaarigen Braut. Das letzte was Satori sah, bevor er endgültig das Bewusstsein verlor, war der dankbare Blick des Geistes und wie sich die dunklen Fäden um ihren Körper auflösten. Schrilles Vogelgezwitscher erfüllte die Luft und ließ Satori laut aufstöhnen. Sein Kopf beschwerte sich auf schmerzhafteste Art und Weise und flüchtig fragte der verwirrte Jugendliche sich, was er getan hatte um solche Qualen zu verdienen. Soweit er wusste hatte er letzte Nacht nichts getrunken, also auch keinen Hang-Over. Wieso dann tat ihm jeder letzte Muskel weh? Und wieso war er nicht in seinem Bett? Der harte Boden unter ihm war eindeutig nicht sein Bett. Das Gefühl von stacheligem Gras unter seiner Handfläche ließ die unangenehme Vermutung in ihm aufsteigen, dass er sich nicht einmal in seiner Wohnung befand. Und was war dieses Gewicht auf ihm, als ob eine Person auf ihm liegen würde..? Panisch riss Satori seine Augen auf und kreischte erst mal laut. Nicht verwunderlich bei dem Anblick der sich ihm bot, denn auf ihm lag menschliches Skelett in einem zerfetzten Brautkleid. Grob schubste er es von sich weg und krabbelte rückwärts von der Leiche weg, erst einmal einen Sicherheitsabstand von mehreren Metern zwischen sich und ihr bringend. Respekt gegenüber den Verstorbenen war zwar schön und gut, doch spätestens wenn diese auf ihm lagen wurde dieser Respekt abgelegt. Erst dann schaute er sich um. Sie lagen in einer großen Wasserpfütze direkt vor dem Brunnen und erleichtert stellte Satori fest, dass die schwarzen Energiefäden nicht mehr zu sehen waren. Er hatte es geschafft. Und er lebte sogar noch. Er konnte sich nicht daran hindern, leicht hysterisch zu lachen. Er würde auf jeden Fall das doppelte Gehalt von Frau Haltenhauen verlangen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)