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Jumays Kinder

Part 1: Kinder der Erde - Land des Anfangs
von

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Verwirrung

Shiran hatte ein ungutes Gefühl, als er auf einem der kühlen Felsen im Aufstieg des großen Passes stand und auf die Männer zu seinen nackten Füßen hinab sah – mit Schuhwerk hätte er das glatte Gestein kaum erklimmen können. Jetzt fröstelte es ihn, während sich über dem Meer, das sich entfernt hinter der Meute noch sichtbar erstreckte, die Morgenröte ankündigte.

Seine Nackenhaare sträubten sich etwas, als die Gesichter seiner Begleiter ihm etwas zu vermitteln versuchten, was nicht ausgesprochen werden durfte – was auch die Götter nicht aussprachen. Er konnte es nicht benennen, also musste er weitermachen.

„Dieser Weg ist länger als die, die bisher genommen wurden. Aber nur so können wir alle gemeinsam in das Land der Menschen einziehen... da wir noch nicht genau wissen, was uns erwartet, ist das von großer Bedeutung.“

Natürlich konnte er zumindest ungefähr absehen, wie es laufen würde, aber Shiran kannte sich... wenn er sich irrte, wollte er nicht für den Tod vieler seiner Blutsbrüder verantwortlich zu sein, also ging er lieber sicher.

„Es wird vermutlich einige Tage dauern, bis wir die Berge hinter uns gelassen haben... drei, wenn wir keine großen Pausen machen. Aber wir sollten einige Dinge beachten...“

Das Gefühl, das etwas nicht so war, wie es hätte sein sollen, schnürte dem Mann beinahe die Luft zum Atmen ab. Was war falsch? Wo hatte er sich verrechnet? Die Götter schwiegen. Langsam aber sicher begann er sich ernsthaft zu fragen, ob er wirklich Seher war oder einfach nur etwas begabter mit der Magie als seine Eltern es gewesen waren...

„Welche Dinge denn?“

Beinahe wäre er zusammengezuckt, als die Stimme eine Mannes zu seinen Füßen ihn aus seinen Gedanken riss. Verdammt, was stand er da und starrte wie zu Stein erstarrt zum Sonnenaufgang?! Die Regenwolken waren weitergezogen...

„Wir sollten beachten, dass wir nicht einfach blind alles, was uns in die Quere kommt, abschlachten dürfen.“, Shiran ging nicht auf seinen kleinen Aussetzer ein, in der Hoffnung, die Männer würden ihn bald wieder vergessen haben, „Wir sind den Göttern näher als die Menschen, dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass auch sie deren Kinder sind. Die Götter würden es nicht gutheißen, wenn wir einfach habgierig nach diesem Land greifen... wir dürfen das nicht. Andere Meinungen?“

Schweigen. Irgendwo weiter hinten brummte jemand etwas davon, dass das Fleisch der Menschen doch wunderbar schmeckte, aber niemand widersprach. Zumindest nicht mit Worten.

Der Seher verengte seine ohnehin relativ schmalen Augen zu Schlitzen. Die See blies ihm einen salzigen Wind entgegen... irgendwie ließ ihn das Gefühl, er würde bald eine unschöne Überraschung erleben, nicht los.

„Haltet euch von den Frauen und Kindern fern. Lasst die Männer flüchten, wenn sie es wollen. Das Land hinter den Bergen ist groß und unvorstellbar weit. Wenn sie uns die besten Jagdgründe überlassen, ist das mehr als genug, sie zu vernichten ist nicht von Nöten. Und beachtet, dass ihr ihren Häuptling am Leben lasst, ein Anführer ist für sie unglaublich wichtig in Krisenzeiten.“

Irlak unterbrach ihn. Er konnte seinen blauhaarigen Schopf nirgends erkennen, aber seine Stimme war dem Mann bekannt und die Götter präsentierten ihm seinen missbilligenden Blick.

„Und woher sollen wir wissen, welcher von denen der Häuptling ist? Die sehen doch alle gleich aus!“

Murmeln der Zustimmung. Wo er recht hatte, hatte er recht, musste Shiran sich eingestehen, für ihn sahen die Menschen auch allesamt irgendwie gleich aus, und dennoch...

„Ich glaube nicht, dass eine solche Menge an Kriegern sich vollkommen unsichtbar wird heranpirschen können, vermutlich wird er sich mit einem auffälligen Federkopfschmuck auszeichnen. Krähenfedern, wahrscheinlich...“

Er nickte der Menge zu und wollte seine Ansprache damit beenden und von dem Felsen absteigen, um endlich wieder in seine Sandalen schlüpfen zu können, da fiel ihm noch etwas ein.

„Ach ja. Und noch jemanden, dem ihr keinesfalls schaden dürft, sie brauchen ihn... sagen wir, zur Jagd. Ein junger Kerl, gerade ein Mann, schwarzes Haar, blaue Augen, verglichen mit den anderen von ihnen klein und zerbrechlich, mit tätowierter Stirn. Achtet auf ihn... und krümmt ihm ja kein Haar, das ist sehr wichtig.“
 

„Na, hast du die armen Männer in ihren Ruin geschickt?“

Mahrran schnaubte, als er die hölzerne Tür hinter sich schloss und murrend an seiner Zwillingsschwester vorbei trat, die ihm kichernd folgte. Diese kleine nervige Ziege... wie oft hatte er es ihr nun erklärt?!

„Halt einfach den Rand. Hast du schon jemanden Essen machen geschickt?“

„Mabalysca ist gerade dabei.“

Der Mann ließ sich an den gut gearbeiteten Tisch sinken und strich sich durch sein relativ kurzes blaues Haar. Von einem Magier seines Standes hätte man eigentlich erwartet, dass er sein Haar lang trug, wie es dem Schönheitsideal entsprach, aber Mahrran demonstrierte seine Position nur mit zwei längeren Strähnen vorn – er hatte schlicht und ergreifend keine Lust, sich viel um seine Frisur zu kümmern, das hatte er mit seiner jüngeren Schwester gemeinsam. Auch wenn er zugeben musste, dass er ihren Verlobten Kajira schon das ein oder andere Mal um seine Haarpracht beneidet hatte – aber egal, der war ohnehin weg, vermutlich würde er aus Versehen mit drauf gehen, wie ärgerlich.

Ein bisschen Verlust gab es immer.

Er sah finster auf, als Nadeshda sich leichtfüßig auf die Tischplatte schwang und sich genau vor ihn setzte, ihm dumm ins Gesicht grinsend. Was freute die sich denn so...?!

„Hat der Geist des neuen Lebens in dir dich jetzt in eine normale Schwangere verwandelt, Schwester? Das ist mir unheimlich.“

Sie gehörte doch schlecht gelaunt. Oder plante sie etwas...? Shiran hatte gesagt, sie würde einfach abwarten und sich sicher sein, dass ihr Volk sich nicht in einem Leben als Krieger wiederfände, sodass es ihm und dem Seher der Meinung der kleinen Frau nach schon sehr bald ganz von selbst den Rücken kehren würde, er solle seine Macht als Götterkind für wichtigere Anlässe aufsparen – und das war im Prinzip meistens ein guter Rat, denn die Trance kostete jedes Mal sehr viel Energie und legte Mahrran für eine Zeit lang als Magier komplett lahm. Ein hohes Risiko... aber warum freute die sich so, wo ihr Bruder doch so schlechter Laune war?

Vielleicht hatte es denselben Grund.

„Dein Haustier übergibt sich schon wieder. Meine Güte, es übergibt sich öfters, als es isst...“, sie verschränkte elegant die Beine übereinander, „Dabei war es dir doch zu mager, nicht? Du wolltest doch etwas... wie sagtest du, zum anfassen, hm?“

Sie kicherte. Es war kein Geheimnis, dass ihr Bruder fülligere Frauen bevorzugte – wobei aus dem Menschen noch immer keine Frau wurde, nur wenn er ordentlich zu essen bekam, fand die junge Frau, und ihr Gegenüber verzog ärgerlich das Gesicht.

Oh ja. Kili war es die ganze Nacht schlecht gegangen, ihr war schwindelig gewesen und am frühen Morgen hatte sie begonnen, sich immer wieder zu übergeben... er war sehr besorgt.

„Lach nicht darüber, du Ziege! Ruf lieber deine Freundin Alaji, damit sie sich um meine Frau kümmert.“

War ihm egal, was sie nun dachte, er war ein erwachsener Mann höchsten Ranges und er hatte nun einmal entschieden, dass die Häuptlingsschwester nun seine Frau war. Er fragte sich mitunter noch immer selbst, weshalb er so vernarrt in sie war, weshalb er halb wahnsinnig wurde, wenn er sie nicht ständig sehen und berühren konnte, aber immer nur flüsterten ihm seine Götter zu, dass es recht so war. Es gab wohl keinen bestimmten Grund... sie wussten vermutlich bloß, was gut für ihn war. Kili war gut für ihn. Aber nun war sie krank.

Nadeshda hob gespielt nachdenklich ihre Brauen.

„Moment, bitte. Alaji ist keine Tier-Heilerin, sie hat auch ihre Würde.“

Noch ehe Mahrran sich über ihre Frechheit empören konnte, hatte sie sich elegant wie eine Gazelle wieder von dem Tisch geschwungen und tänzelte kurz um die Feuerstelle herum, wie es an sich doch sehr seltsam für sie war.

„Außerdem kann selbst ich diese Diagnose mittlerweile stellen und ich kenne mich nun so gar nicht aus damit.“

Sie strich sich durch ihr zu vielen Zöpfen geflochtenes langes Haar und schielte kurz verträumt aus dem Fenster zum Sonnenaufgang. Ihr Bruder fragte sich unterdessen, ob diese Hexe seine Kili wohl vergiftet hatte...

Sie widerlegte seine Gedanken schnell, als sie sich ihm seltsam lächelnd wieder zuwandte und sich demonstrativ über den leicht gerundeten Bauch strich.
 

Kili lehnte müde an der Fensteröffnung von Mahrrans Zimmer, als dieser dort eintrat, und kehrte ihm so etwas schwer atmend den Rücken. Sie musste wirklich sehr erschöpft sein... sie bemerkte ihn überhaupt nicht. Dabei war sie zu Beginn so aufmerksam gewesen... ihm fiel auf, dass sie vermutlich schon eine ganze Weile schwanger von ihm war, sie hatte sich schon länger seltsam benommen und ihr Busen war ungewöhnlich prall. In seinen Fingern kribbelte es, als er lächelnd an sie herantrat und seine Arme um ihre Taille legte, um sich dann dicht an sie zu drücken, worauf sie leise seufzte. Sie war so groß... und stämmiger als er. Aber das war ihm egal, sie war bildschön. Nur noch immer etwas zu mager, da hatte Nadeshda leider recht. Das würde sich schon bald erübrigen...

„Du weißt es schon, nicht wahr?“, fragte er sie in seiner bestmöglichen Menschensprache und sie lehnte sich etwas zurück und gegen ihn.

„Was?“, kam darauf nur leise und er kicherte ihr ins Ohr, das er darauf sanft küsste.

„Dass ein Baby in deinem Bauch wächst.“

Sie fuhr in seinen Armen zusammen und erschauderte heftig, als ein kühler Wind in den Raum blies. Er ließ mit einer Hand kurz von ihr ab und griff zu dem hölzernen Laden, mit dem die Öffnungen im Winter die meiste Zeit des Tages verschlossen blieben, um ihn zu schließen. Sie hatte bereits eine Gänsehaut, das ging doch nicht... er umarmte sie wieder.

„Bitte... schlag mich jetzt nicht! Bitte bestrafe mich nicht, Mahrran! Ich... ich habe mich nicht getraut, dich davon abzuhalten, in den Tagen, als ich fruchtbar war! Bitte, verzeihe es mir... ich... oh Himmel...“

Er keuchte verblüfft als sie zu ihm herumfuhr und im nächsten Moment heulend zusammenbrach. Er fing sie verwirrt auf und war irritiert von ihren Worten nicht wirklich in der Lage, etwas sinnvolles zu erwidern. Was sagte sie da?!

„Oh... ich wollte das doch alles nicht!“, jammerte sie unter Tränen weiter, „Ich... ich wollte doch nie hierher! Ich wollte mein erstes Kind umsorgt von den Frauen bekommen, die ich kenne... die... die sich auskennen! Niemand hier kennt sich mit den Geburten aus, die Menschenfrauen durchmachen müssen! Und... und... oh nein! Oh mein Himmel, meine Mutter war so schlecht im Kinder bekommen! Wenn ich nun nach ihr komme, ich fürchte mich so!“

Sie weinte hemmungslos und er sank mit ihr zu Boden, als er sie nicht mehr tragen konnte. Das ging nun sehr schnell... sie betrachtete die Situation erstaunlich anders als er. War er zu naiv? Seine Götter vermittelten ihm ein positives Gefühl... das konnte doch nicht falsch sein.

Er zwang sich zu einem Lächeln, als er ihr zärtlich durch ihr dichtes braunes Haar strich.

„Beruhige dich, meine Frau. Es ist gut, es ist recht so... ich wollte ohnehin Kinder mit dir! Ich bin sehr erfreut darüber und du musst dich nicht fürchten, du bist hier in besten Händen.“

Sie sah verblüfft zu ihm auf und Mahrran verfing sich in einem sein Hochgefühl ausdrückenden Grinsen. Das war doch wahrlich ein Geschenk der Götter!

„Kann... das denn überhaupt gehen? Ich meine... wir sind nicht dasselbe...“, stammelte Kili darauf leise und schmiegte sich bebend an den für sie kleinen Mann, der ihr darauf einen zärtlichen Kuss auf den braunen Schopf setzte.

„Natürlich.“, belehrte er sie, „Es wird die Himmelsmagie einbüßen...“

Ihm fiel ein, dass sie sich damit ohnehin nicht auskannte und entschloss sich dazu, mit dem Positiven fortzufahren.

„Es wird ein gutes Kind. Es wird meine Magie beherrschen und so schön kräftig sein wie du...“

Seine eigenen Worte ließen ihn vor Vorfreude erschaudern. Was für gute Kinder sie ihm gebären würde! Oh, wer brauchte schon Himmelsmagie? Alle würden ihn um seine starken Söhne beneiden!

Er merkte erleichtert, dass die junge Frau in seinen Armen sich entspannte und sich die Tränen aus den Augen zu blinzeln begann.
 

So sehr sie die Situation ihres Bruders und seiner „Frau“ auch amüsiert hatte, Nadeshda war an diesem Tage nachdenklich gestimmt, als sie schließlich allein mit ihrer jüngeren Schwester Mabalysca dasaß und das gute Essen, das irgendeine unbedeutende Dorffrau ihnen zubereitet hatte, zu sich nahm. Mahrran und Kili aßen gemeinsam in seinem Zimmer... vermutlich mästete er das arme Tier nun wieder, aus Angst, es würde aufgrund der morgendlichen Magenbeschwerden vom Fleisch fallen... er war seltsam. Noch ein Grund mehr, warum er sie nie attraktiv gefunden hatte, fiel Nadeshda beiläufig auf und sie brummte unwillkürlich, sich versonnen ein Stück Fisch in den Mund schiebend. Niemand fand sie attraktiv, sie war der Inbegriff der Zierlichkeit und bei ihrem Volke galten Rundungen als schön. Auch wenn Mahrran ihres Wissens nach dann doch wieder etwas aus der Reihe fiel, weil er sie ausgeprägter bevorzugte als andere Männer... ob es bei Shiran nicht so war? Sie blickte unwillkürlich zu ihrem langsam, aber stetig wachsenden Bauch, was die Aufmerksamkeit der kleinen Schwester auf sich zog.

„Wie ist das eigentlich?“, erkundigte sie sich leise und schob ihre Schale mit kaum angerührtem Essen beiläufig von sich, „Wenn da ein Baby in einem wächst? Ist das schön?“

Die Ältere verzog angewidert über die Fragen das Gesicht. Das war nicht ihr Ernst...

„Du hast gesehen, wie es Mahrrans Menschenfrau heute morgen gegangen ist? Mir ging es nicht anders. Es ist grauenhaft.“

Und damit hatte sich das Thema für sie erledigt. Nicht aber für Mabalysca, auf deren Gesicht sich ein leichtes Lächeln schlich, als sie den Kopf versonnen abstützte und verträumt weitersprach.

„Aber da ist ein kleines Baby in dir und wächst... ich stelle mir das wundervoll vor...“

Nadeshda war sich nicht sicher, weshalb sie ihre Schwester nicht in ihrer üblichen, grantigen Art zurechtwies. Vielleicht war es, weil sie zum ersten Mal seit langer Zeit nicht todunglücklich da saß und apathisch durch die Gegend starrte. Sie betete dafür, dass ihre Hoffnungen auf ein baldiges Wiedersehen mit ihrem Verlobten nicht vergebens waren.

So seufzte die Ältere nur und zwang sich zur Geduld, den Blick ihrem Essen zuwendend.

„Ich will dieses Kind nicht. Vielleicht wäre es so, wenn ich es gewollt hätte, aber ich sehne mir immerzu nur den Tag herbei, an dem ich es endlich loswerde und davon frei bin.“

Ihr Gegenüber senkte seufzend den Blick. Sie tat es ihm gleich.

„Ich werde heute noch zu Alaji gehen.“, kündigte Nadeshda schließlich nach einer Weile des Schweigens an und schob ihre Schale ebenfalls bei Seite, „Die Götter sprechen seltsame Dinge... ich bin besorgt.“

Es wunderte sie nicht wirklich, dass ihre Schwester ihre Gedanken darauf erriet – sie war schließlich ebenso eine Tankana und die Götter sprachen zu ihr oft und deutlich.

„Sie bekommt auch ein Baby. Viele Frauen bekommen Babys...“

Das war richtig. Ihr Volk musste seine Heimat verlassen, weil es seine Ressourcen überstrapazierte, weil es so groß geworden war... und gerade jetzt, in dieser schweren Zeit, bekamen mehr Frauen denn je Kinder, um das Ganze noch einmal drängender zu machen – seltsame Frauen waren es zudem, Frauen, die nicht dazu geneigt waren, welche zu bekommen. Das Dorfoberhaupt, die menschliche Gefangene, die Heilerin, die Natter... und hatte nicht eine leise Stimme sogar davon berichtet, dass Zerits Frau Sundri nach so langer Zeit nun große Schwester wurde?

„Die Götter spielen seltsame Spiele...“
 

Im Dorf war es ruhig. Das war nicht verwunderlich, denn die meisten Männer waren fort. Die junge Frau fröstelte im kühlen Sehwind, der ihre zahlreichen Zöpfe aufwirbelte, während sie den beinahe unbekannten Weg zu dem kleinen Haus ging, das Alaji mit ihrer Mutter bewohnte. Der Erdmond stand hoch am Himmel... bald würde ein weiteres Jahr enden. Die Kälte kam...

Nadeshda fragte sich, wann sie wohl umsiedeln konnten – denn auf welche Weise die Menschen nun beiseite geschafft wurden, der große Umzug würde unweigerlich geschehen. Wenn es im letzten Drittel des Erdmondes oder den ersten beiden des Wassermondes sein sollte, war das schlecht... irgendwie hatte sie das Gefühl, es war keine gute Idee, ihr Volk zu dieser Zeit durch das Gebirge zu führen. Aber vielleicht dauerte es ja auch noch viel länger, weil Shiran und Mahrran es nicht hinbekamen – nein, das geschah sogar ganz sicher! – dann erübrigte sich diese Frage von selbst.

Das Heim der Heilerin war bescheiden, aber nicht so sehr, dass man sie zur Unterschicht hätte zählen können. Das kleine Gebäude war wie viele in dem vermutlich bald toten Dorf ursprünglich aus Sandstein gebaut und dann mit Bruchstein dürftig ausgebessert, weil die wütenden Windgeister des Meeres viele Schäden an den Bauten verursachten. Oh ja... der Seewind war salzig. Salzig wie die Tränen jener, die um die weinten, deren Seelen der Ozean für immer verschlungen hatte. Vielleicht hätten sie dieses Land bereits viel früher verlassen sollen.

Nadeshda klopfte an die hölzerne Tür. Sie war spröde und kalt.

Drinnen war es warm, als Alaji ihre Herrin verblüfft eintreten lassen hatte, dennoch pfiff der Wind an manchen Stellen durch das Haus. Da auch hier alle Fensteröffnungen verschlossen waren, war es dunkel, nur eine kleine Talglampe erhellte den Raum. Die Mutter der Heilerin saß auf ihrem Lager und nähte, als die kleine Frau erhobenen Hauptes eintrat. Sie nickte ihr verblüfft zu.

„So hoher Besuch!“, bemerkte sie verwundert, legte ihr Werkzeug bei Seite und erhob sich. Sie schien besser wirken zu wollen, als sie es war, als sie darauf auch ihr altes rotes Kleid glatt strich und sich das Kopftuch richtete. Auch sie verbarg ihren dürftigen Schopf wie ihre Tochter normalerweise – die trug ihr Haar momentan mit dem knöchernen Kamm hochgesteckt.

„Ja, lass dich nicht stören, arbeite einfach weiter. Ich bin nicht deinetwegen hier.“

Die Ältere hob kurz die beiden kaum vorhandenen Brauen, dann nickte sie abermals und setzte sich wieder auf ihr Lager, ihre Arbeit sichtlich irritiert wieder aufnehmend. Ihrer Tochter ging es nicht besser.

„Was verschafft mir die Ehre?“, wollte sie wissen und bot Nadeshda in Ermangelung eines ordentlichen Sitzplatzes an, sich auf ihrem eigenen Lager niederzulassen, was diese darauf auch tat, „Brauchst du neue Salbe?“

Sie schüttelte den Kopf und winkte die Gastgeberin zu sich. Irgendwie war es unangenehm, wenn ihre Gesprächspartnerin die ganze Zeit mitten im Raum herumstand...

„Du wolltest mir noch das Rezept dafür beibringen, erinnerst du dich?“

„Oh!“, kam darauf erleuchtet und Alaji wollte sich bereits wieder erheben, um entsprechendes Material zusammen zu suchen, da hielt ihre Besucherin sie zurück. Sie war noch aus einem weiteren Grund hier – und der nannte sich Neugierde...

„Nicht so eilig.“, sie sprach mit gedämpfter Stimme und die Heilerin ahnte, in welche Richtung das Gespräch wohl verlaufen würde, als sie verstohlen zu ihrer Mutter schielte, „Die Götter sprachen von dir. Nicht nur mein Bruder hat einen Halbmenschen gezeugt, du... trägst auch einen in dir, nicht wahr?“

Halbmenschen. Gleich zwei Stück – Nadeshda fragte sich, ob es sich dabei wohl um ein besonderes Zeichen handelte. Eine unweigerliche Verbindung zweier Völker...?

Sie erschauderte kurz. Wohl kaum – nur über ihre Leiche. Eine Vermischung stand außer Frage.

Alajis Gesicht verfärbte sich hochrot.

„Ich... ich... ja. Ja, ich habe mit Teco verkehrt wie mit einem richtigen Mann, es tut mir sehr leid. Bitte... verzeihe mir diese Schande.“

Sie trug es mit mehr Fassung als es Kili allem Anschein nach getan hatte – sie war eben erwachsener, eine Kalenao – und daher gescheit. Die Kleinere kicherte, kurz zu der werdenden Großmutter schielend, die sehr geschickt verbarg, dass sie lauschte.

„Du hast ihn wohl sehr in dein Herz geschlossen, deinen Entführer, wie?“, stellte sie fest und die andere verzog schmerzlich das Gesicht.

„Ja.“, erwiderte sie abermals ehrlich, „Ja, ich fürchte mich grauenhaft davor, dass ihm etwas geschehen wird... ich will nicht, dass ihm etwas geschieht.“

Nadeshda senkte versonnen den Blick. Um sie herum geschahen seltsame Dinge...

„Liebe, hm? … Zeig mir nun besser, wie man diese Salbe herstellt...“
 

Es waren zwei Tage vergangen, als Shiran seinem Gefolge erlaubte, eine Nacht lang zu pausieren. Kalenao konnten unter den richtigen Bedingungen durchaus eine lange Zeit ohne Schlaf auskommen; gefallen tat es ihnen dennoch nicht. Nun rasteten sie auf einem hohen Plateau und der Seher war von dem unguten Gefühl geplagt, dass sie zu auffällig waren.

„Das sind zu viele Feuer.“, brummte er und überblickte missmutig die Meute, von der jeder zweite Mann meinte, für die Nacht unbedingt ein warmes Lager haben zu müssen. Ihr Proviant war getrocknet, man musste ihn nicht mehr zubereiten... also was sollte das?!

„Unsinn.“

Er drehte sich missmutig um, wo auf einem kleinen Felsen Irlak saß und genüsslich getrockneten Fisch nach nicht unbedingt wohlerzogener Art verspeiste. Rato neben ihm tat es ihm gleich, ebenso wie zwei weitere Ekarett-Männer, die bei ihnen saßen.

„Er hat recht.“, sprach Rato da auch weiter, „Wir sind viel zu weit weg, die werden unsere Feuer nicht sehen und für den Rauch ist es heute Abend zu dunkel. Selbst, wenn sie jetzt näher am Gebirge lagern...“

Er hielt im Sprechen inne, als der Blick des Sehers immer tödlicher wurde. Er verkniff sich eine Antwort und wandte sich wieder den anderen Kriegern zu.

Das wusste er doch alles, das war ihm klar. Er hatte mehr das Gefühl, dass sie auf anderem Wege auffallen würden...

Und zu seinem eigenen Ärgernis war er sich relativ sicher, dass das Löschen der Flammen nichts gebracht hätte. Ein kühler Wind ließ ihn erschaudern... er konnte seine Begleiter schon verstehen.

Es war dunkel und kalt... dicke Wolken zogen am nächtlichen Himmel entlang und verdeckten den normalerweise lichtspendenden Erdmond die meiste Zeit. Es war Winter geworden. Kurz bereute er, dass er nur seine Sandalen trug, da riss ein warnendes Zischen ihn aus seinen Gedanken.

Eine Gruppe junger Männer lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie saßen da an ihrem Feuer, aßen, tranken und scherzten und freuten sich ohne Hintergedanken, dass sie sich in dieser Nacht würden ausruhen können. Shiran gönnte es ihnen, aber irgendetwas vermittelte ihm das Gefühl, dass die Schicksalsgötter etwas dagegen haben konnten...

Neben ihnen führte ein schmaler Pfad hinauf zu den Berggipfeln. Der Mann wusste es, ohne jemals dort gewesen zu sein, soweit reichten seine Fähigkeiten dann noch... er hatte ein ungutes Gefühl bei diesem Weg, der hinter einigen Felsblöcken versteckt so unscheinbar wirkte.

„Jemand sollte dort Wache halten.“, warf er in die Runde, ohne jemanden Bestimmtes zu meinen, doch durch seine Blickrichtung fühlten sich die, die er in Gefahr fürchtete, automatisch angesprochen.

„Hier?“, erkundigte sich einer von ihnen, ein rothaariger Mann wenige Jahre älter als Shiran. Sundris Vater, wenn er das richtig erkannte.

„Da, ja. Ich habe ein schlechtes Gefühl.“

Auf dem Plateau war es ruhig geworden. Ein schlechtes Gefühl bei dem Seher bedeutete meist wirklich nichts gutes.

„Wenn ich so darüber nachdenke, ich auch.“, kam schließlich von einem anderen der gefährdeten Männer, seinerseits wieder einer der Ekaretts. Er erschauderte und kehrte dem schmalen Pfad demonstrativ den Rücken, ließ so leicht seine Furcht erahnen.

Sundris Vater hob beide Brauen, als er in dem nur dürftig vorhandenen Licht den dunklen Weg mit dem Blick verfolgte, so weit es möglich war.

„Lauert uns jemand auf? Oder wie jetzt?“

Jemand oder etwas. Sie waren bewaffnete Magier, was konnte ihnen schon geschehen?

Er hatte keine Zeit, seine Gedanken zu einem Ergebnis kommen zu lassen, als plötzlich ein markerschütterndes Brüllen und anschließend ein schreckliches Fauchen zu hören war. Es war ein furchterregendes, gelbes Augenpaar, das den Pfad herab eilte, über die Felsen sprang und sich mit einem Mal verwirrt in der Menge der Krieger wiederfand. Dank Shirans Warnung hatten sich alle im letzten Moment retten können, doch nun stand die riesige Katze in mitten der perplexen Versammlung. Sie brummte, legte die Ohren an und drehte sich einmal um sich selbst, ihr monströses Gebiss warnend präsentierend.

„Was... bei allem, das heilig ist, ist das bitte für ein dämliches Vieh?!“, empörte Irlak sich schließlich als Erster und trat einen Schritt auf den beinahe ängstlich wirkenden Kuguar zu, einen Wasserzauber in seinen Händen entstehen lassend, „Bist du extra hier in unser Nachtlager gesprungen, damit du für uns zur Nahrung werden kannst?!“

Die Katze brüllte und wich verwirrt von dem Zauber einige Schritte zurück. Shiran senkte skeptisch die Brauen. Kuguare waren intelligente Tiere, ein solches Verhalten war nicht typisch – niemals würde einer von selbst in eine solche Ansammlung „anderer Tiere“ springen, wenn er nicht... verfolgt wurde.

Wirklich verwundert war der Mann im nächsten Moment nicht, als das Raubtier haarsträubend aufschrie, als sich plötzlich scheinbar aus dem Nichts ein beinahe monströser Speer in seinen Bauch bohrte und eine garantiert tödliche Wunde verursachte. Irlak ließ seinen Zauber perplex wieder verschwinden und starrte wie alle anderen auch in die Richtung, aus der die Waffe scheinbar gekommen war – über die Felsen hinweg kletterte blindlings fluchend ein Junge, der jedoch augenblicklich erstarrte, als er erkannte, dass sich hier nicht nur seine jämmerlich verblutende Beute, sondern eine riesige Ansammlung bewaffneter Männer befand; und alle sahen ihn an, wie er da stand, mit offenem Mund und nicht wirklich wusste, wo er hinsehen sollte.

„Nicht nur die Katze.“, fand abermals Irlak als erstes seine Sprache wieder, „Jetzt bekommen wir auch noch einen Menschen. Was für ein guter Tag!“

Er ließ seinen Zauber wieder erscheinen, wurde jedoch von Shiran zurückgehalten, als der Junge alarmiert einen zweiten Speer, den er bei sich trug, in Wurfbereitschaft hob und dem blauhaarigen Magier irgendwelche Worte in seiner Sprache grantig zuzischte. Der Seher analysierte ihn kurz – dann grinste er.

„Nein, wir essen weder das Tier noch den kleinen Menschen.“, so klein war er eigentlich gar nicht, „Man würde uns trotzdem verraten, selbst wenn er nicht zu seinem Stamm zurückkehrt... lasst uns wenigstens einen guten Eindruck bei ihm hinterlassen.“

Irlak schnaubte, als er seinen Zauber erneut verschwinden lassen musste.

„Schon recht. Auch wenn ich nicht verstehe, was du schon wieder meinst, aber gut.“

Die ungewöhnlich hellen Augen des Jungen hefteten sich misstrauisch an Shiran, als er um das verendete Tier herum langsam auf ihn zutrat; wenige Schritte von ihm entfernt hielt der Mann gezwungenermaßen inne, als das Kind ihm irgendeine seltsame Beleidigung in seiner Sprache an den Kopf warf und dann mit dem Speer nach ihm stach. Der Magier grinste bloß.

„Das war ein außergewöhnlich guter Wurf, Semliya.“, sprach er ihn in seiner sehr akzentgezeichneten Menschensprache an, die er nur dank seiner Götter beherrschte und sein Gegenüber fuhr überrascht zusammen, war letztendlich jedoch weitaus weniger beeindruckt, als der Mann sich erhofft hatte.

„Ich kann gleich noch einen nachlegen, Bestie.“, erwiderte es scharf. Shiran senkte die Brauen kurz... er hatte eine seltsam eigene Art zu sprechen, er verstand ihn kaum. So sprachen hoffentlich nicht alle Menschen – wenn doch, war er wie nun abermals auf die Worte seiner Götter angewiesen, die ihm übersetzten, was die Primitivlinge meinten.

Er hob abwehrend die Hände, ihm ein falsches Lächeln schenkend.

„Aber, aber, nicht so voreilig, niemand will dir etwas Böses – wohl eher umgekehrt, wenn man bedenkt, wie du in unsere Versammlung gestürzt bist und die Katze vor dir her gescheucht hast.“

Semliya schielte kurz zu seiner Beute, dann verfestigte er den Griff um den Speerschaft.

„Der da.“, brummte er dann und deutete mit dem Kopf kurz zu Irlak, „Der hat etwas... komisches gemacht. Mit Wasser. Wenn er es noch einmal tut, werde ich ihn abstechen. Ihr seid alles Mörder und... und Entführer, ihr habt die Schwester unseres Häuptlings.“

Das Grinsen des Sehers verschwand. Oh, alles bieten lassen musste er sich nicht – auch wenn die anderen, ungeduldigen Männer gar nicht verstanden, was sie sprachen.

„Dir liegt nicht das Geringste an Kili, wäre sie tot, wäre dir das vollkommen egal, Semliya. Du musst nicht lügen, ich durchschaue dich, ich kenne deine Gedanken und ich weiß, wer du bist. DU bist es, der in Schwierigkeiten steckt, und nicht nur, weil du inmitten deiner Feinde gelandet bist... dein Stamm ist dir auch alles andere als wohlgesonnen gerade, nicht wahr?“

Sein falsches Lächeln kehrte zurück, als er zufrieden beobachtete, wie der Junge deutlich in sich zusammen sank. Oh ja... es war nicht schwierig gewesen, herauszufinden, wen er dort vor sich hatte. Ein interessantes Exemplar der Gattung Mensch...

„Aber wir müssen nicht deine Feinde sein... nimm deinen Kuguar und vergesse einfach, dass du uns getroffen hast; wir brauchen nicht mehr Gewalt als wir ohnehin schon erlebt haben...“

„Worüber redet ihr da bitte?!“, brummte Irlak missgelaunt und Semliya senkte seinen Blick auf seine Beute.

„Das kann ich nicht.“, entgegnete er überraschend, erklärte sein Anliegen jedoch sofort, „Ich muss das Tier schlachten und... ich... kann es doch nicht anders mitnehmen.“

„Dann werden wir das tun.“

Die Versammlung blickte auf, als über besagte Felsen ein weiterer Mensch kletterte, dieses Mal ein bewaffneter erwachsener Mann. Rato hob eine Braue, als er ihn kurz gemustert hatte.

„Den kennen wir doch.“

Er hatte die Gruppe an Menschen angeführt, die sie vor nicht all zu langer Zeit getroffen hatten... zu der auch Mahrrans Menschenfrau gehört hatte. Und das Gesicht erinnerte ihn noch immer an noch einen anderen Jungen, den er vor etwas längerer Zeit einmal getroffen hatte...

„Wir bieten unsere Hilfe an.“, sprach Shiran den Jäger an, der ihm nur einen missbilligenden Blick schenkte. Er war ein deutliches Stück größer als der Seher, wesentlich stattlicher und wirkte definitiv eindrucksvoller als dieser.

„Wir brauchen keine.“, brummte der nur als Antwort und warf dem perplexen Jungen eine Art knöchernes Messer zu, „Prüfung bestanden, neuer Mann. Aber die Art, auf die du es getan hast, gefällt mir gar nicht.“

Einige Magier zuckten überrascht unter dem abscheulichen, bösartigen Blick des Mannes zusammen. In seinen Augen stand Hass – und mit einem Mal blickten die Krieger gar nicht mehr so weit auf die herab, deren Land sie für sich selbst beanspruchen wollten.

Es war totenstill, als die beiden Menschen die Beute schlachteten und die brauchbarsten Teile mit beneidenswertem Geschick und in beeindruckender Geschwindigkeit reisefertig machten. Niemand regte sich, als sie sich schließlich erhoben und sich abwandten – der Jäger wandte sich ihnen noch einmal zu.

„Und wagt es nicht, noch einmal in unser Land einzudringen, ich warne euch, die Götter sind auch mit uns.“, er schielte kurz zu Semliya, der den Blick mit starrer Miene erwiderte, „Er ist zwölf Jahre alt. Können eure Söhne das auch in dem Alter?“

Er deutete auf die Reste der Großkatze, die sie nicht mitnehmen würden und so noch zu ihren Füßen lagen. Als Shiran seine Stirn in Falten legte, zeigte er ein überhebliches Grinsen und schickte sich mit seinem offensichtlich wesentlich jüngeren Begleiter zum Gehen. Der hatte aber schöne Zähne...
 

„Du meine Güte. Die waren aber unheimlich.“, bemerkte Sundris Vater schließlich als erstes, als die beiden Menschen schließlich verschwunden waren und eine merkwürdige Spannung beinahe sichtbar vor der Meute abfiel. Unheimlich war gut gesagt... Shiran fragte sich, ob er seine eigenen Warnungen eigentlich selbst ernst genug genommen hatte. Alle Pläne hatten leicht geklungen, zu diesem Zeitpunkt hatte er jedoch noch nie dem gegenübergestanden, was er gewaltsam vertreiben wollte. Nicht nur Mahrran und Nadeshda waren verblendet... auf die Realität konnten nicht einmal die Worte der Götter vorbereiten. Wie sollten sie denn eine ganze Horde von solchen Kerlen verängstigen?! Das mussten sie, denn er wollte sie nicht abschlachten, was letztendlich wohl bedeutend einfacher gewesen wäre.

Er seufzte und blickte gen Himmel. Eine Lücke in den Wolken erlaubte einen kurzen Blick auf den vollen Erdmond. Er wirkte kühl...

„Was haben die gesagt?!“, wollte irgendwer von dem Seher wissen und der schloss die Augen.

„Nichts, was von Belang gewesen wäre. Ich hoffe, ihr versteht jetzt meine Mahnungen...“

Rato sah etwas ratlos an sich herab.

„Ich bin froh, dass ich zumindest halbwegs der Magie mächtig bin.“, murmelte er dumpf, „Der hätte mir ja alle Glieder brechen können.“

„Ein richtiges Monster!“

„Sind die alle so?“

Shiran sparte sich eine Antwort. Jetzt wussten sie, worauf sie sich eingelassen hatten.
 

Siwali weitete perplex die Augen. Es war tiefe Nacht und so hatte sie sich bloß ein dünnes Kleid übergeworfen, das zum Trocknen gerade über der Leine neben ihrem Bett gehangen hatte. Ihr dunkelgrünes Haar war durcheinander und sie war verschlafen – man musste die Zeit ja nutzen, wenn der schnarchende Mann nicht da war. Wenn man denn gelassen wurde.

„Was machst du denn hier?“

Ausgerechnet die? Was sollte das denn bedeuten? Sie war eine schlechte Magierin, ansonsten hätten ihre Götter es ihr sicher verraten können...

„Oh, ich wollte mit dir sprechen, von Frau zu Frau. Die Nacht eignet sich besser dazu als der Tag...“

Die Natter schenkte ihr ein grauenhaft falsches Lächeln. Sie sah unnatürlich schön aus... gerade so, als hätte sie sich extra hübsch gemacht. Für sie? Siwali trat irritiert bei Seite. Was konnte die schon wollen?

„Ja, dann...“

„Vielen Dank.“

Sie trat ein und blickte sich in dem bescheidenen, aber hübschen kleinen Haus um. Die Ekaretts waren sehr angesehen, niemand von ihnen lebte wirklich ärmlich... in einem abgetrennten Bereich schliefen die beiden kleinen Kinder.

„Sprich bitte leise.“, bat Siwali da auch gedämpft, als sie dem Blick der Natter gefolgt war. Ja, Irlak hatte von seinem Nachwuchs erzählt... er war noch sehr klein, der Junge war vier und das Mädchen zwei. Der Mann hatte stolz von ihnen gesprochen... es war seltsam gewesen, er hatte wenig mit ihr geredet, was nicht vollkommen verächtlich oder entwürdigend gewesen wäre. Ein bitteres Lächeln stahl sich in ihr Gesicht.

„Um eine Sache klar zu stellen.“, begann sie und sah der etwas kleineren Frau in die Augen, „Du hast gute Kinder da. Wirklich gute Kinder, Irlak ist sehr stolz auf sie.“

Siwali hob verblüfft beide Brauen. Da klopfte sie dieses seltsame Weib mitten in der Nacht aus dem Schlaf, um ihr Komplimente über ihre Kinder zu machen? Das war... verrückt.

„Ja... ja, da hast du recht, danke. War das alles? Ich bin müde.“

Iavenya kicherte seltsam und strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Ach, sie würde noch genug schlafen können.

„Ich mag deine Kinder.“, erklärte die Frau dann weiter, „Und ich bin sicher, sie werden gut mit ihrem neuen Geschwisterchen zurechtkommen.“

Oh ja, heute würde sie alles erfahren. Es war Recht so. Siwali kratzte sich gähnend am Kopf.

„Bitte was...? Ich bin nicht schwanger, glaube ich. Wie kommst du auf so etwas?“

Sie war wirklich müde. Träumte sie nur?

Iavenya streichelte sanft über ihren flachen Bauch.

„Ach, wer spricht denn von dir? Du wirst Irlak sicher kein Kind mehr gebären. Deine Zeit ist vorbei.“

Es kribbelte warm in ihr, als ihr Gegenüber plötzlich wesentlich wacher als zuvor die Augen weitete und endlich verstand, worum es ging. Sie hätte es einfacher machen können, lautloser, schneller... aber so gefiel es ihr besser.

„Was... was hast du getan, damit mein Mann... zu dir gekommen ist?!“

Sie keuchte empört und begann vor Entsetzen zu zittern, als sie ihre Hände verkrampft zu Fäusten ballte. Das konnte nicht sein! Irlak verabscheute diese Frau! Es musste eine Lüge sein!

Aber das war es nicht.

„Nicht viel. Er liegt gern zwischen meinen Schenkeln, das Ergebnis ist seine eigene Schuld. Damit muss er leben. Er wird mich schon schätzen lernen...“

„Du kannst ihn mir nicht weg nehmen! Er ist mein Mann!“, sie keuchte entsetzt, als ihr die Komplimente über ihre Kinder wieder einfielen, „Und meine Kinder bekommst du auch nicht! Du Hexe! Hure! Verschwinde aus meinem Haus, du widerliche... argh!“

Siwali hätte nicht damit gerechnet, dass eine Frau einen solchen Schlag haben konnte, als sie benommen auf ihr Lager stolperte. Sie konnte sich nicht aufrichten, da war die Natter plötzlich über ihr und damit ihre dürren Hände an ihrem Hals.

„Sei still, Siwali, du nichtsnutziges Waschweib, ich nehme mir nur, was mir zusteht.“

In ihrem Blick stand das pure Böse, wie die verzweifelt nach Luft schnappende Frau in dem schlechten Licht erkennen konnte. Sie wehrte sich mit aller Kraft, die ihr inne war, doch aus irgendwelchen ihr unverständlichen Gründen war die wesentlich schneller verbraucht, als es für sie natürlich gewesen wäre.

„Keine Sorge... die Kinder sind bei mir gut aufgehoben.“

Und dann wurde es schwarz.
 

Iavenya richtete sich seufzend wieder auf und strich ihr hübsches, violettes Kleid behutsam glatt.

„Mama?“

Sie lächelte, als sie den abgetrennten Kinderbereich betrat, wo die Geschwister beide müde, aber wach in ihren Lagern saßen und sie irritiert musterten. Sie kannten sie kaum.

„Keine Sorge, meine Kleinen. Eure Mama ist gerade etwas krank... ich kümmere mich um euch.“
 

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Böööse Natter, haha. XD Und einer der Zwillinge (Semmi? oO) hat einen Random-Auftritt ^_^



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Enyxis
2014-04-19T13:39:02+00:00 19.04.2014 15:39
O___O Ich kann Decken-Diebin nur zustimmen... das Ende is evil...
Aber i-wie find ich Iavenya cool...
Ich finds aber immer noch verstörend, dass die Menschen fressen DXX
Hamma Kapitel... O____O
Von:  Decken-Diebin
2011-05-08T13:21:48+00:00 08.05.2011 15:21
Das Ende ist eeevil... o___O
Diese Natter - hach, der Spitzname passt - ist wirklich... evil. Die Szene hatte tatsächlich was von nem Thriller oder so XD Nachts, dunkel, total unlogischer und erwarteter Besuch und dann kommt so 'ne Psycho-Reaktion oô Gut gemacht :D
Kommen wir mal zu Semliyas Auftritt da... fand ich recht fesch XD Ich bin zuerst gar nicht auf die Idee gekommen, dass es er sein könnte, aber natürlich die laufen doch da rum und so! @___@ War auf jeden Fall cool, und wie danach alle geschockt waren, dass die kleinen Menschlein doch nicht so dumm und schwach sind, wie sie dachten o.o
Jaah, gutes Kapitel, würde ich meinen. Plus Babyboom, wie Linni so schön sagte... Babyboom ist immer gut! xDDD Solange sie nachher nicht alle abgemurkst werden... :D
Von:  Linchan
2011-05-03T17:23:38+00:00 03.05.2011 19:23
hurra, Kapi <3 Weiß nicht mehr was drin vorkam, hahaha XD

Ach ja, die ziehen in die Schlacht. Und... hintergehen dne armen Shiran, darf ich ihn nochmal anherzen, er ist cool. uû *erklärt* <33! Und da ich ja inzwischen auch weiß wieso er gerade Sana für so wichtig hält... xD hehe XD

Und aaahaha ja, Kili ist schwanger xD Und Mahrran rallt es nicht, wie geil xDDD er ist irgendwie ja schon ein Opfer, aber irgendwie auch echt ein Arschkeks XDD... looohl. XD Kili ist aber sehr süß in der Szene wo Mahrran dann mit ihr spricht, wie sie weint und ganz verzweifelt ist... ich meine, ich kann sie verstehen óo aber er herzt sie an, das war sehr süß ^o^

Und ja, stimmt, babyboom bei den Kalenao XDD Alaji auch, und die Mutter von Sundri, lol... und die arme Mabalysca ist echt arm óo Und ich finde süß, wie Nadi und Alaji befreundet sind <3 Sie herzen sich an!^^ Und es ist so süß, dass Alaji ein baby von Teco kriegt <3333 die Mutter hat das ja jetzt nicht gehört, oder? xD haha xDD wäre ja fail XD

Aaah hahaha ja aber da kam die Szene mit Semmis Poserauftritt xD Ich fand das soh episch xD Wie die Katze da reinspringt, sich denkt, wtf, alle anderen denken auch, wtf... und dann kommt Semmi und alle denken noch mehr wtf XDDD Und Karem xD Karem war auch poser, ich meine, er hat ja nichts gemacht, aber geredet xDDD ich fand den Auftritt sehr beeindruckend <3

> Der hatte aber schöne Zähne...
XDDDDDDDDDDDDDDD Der Running gag!!!

Und woah, ja, die Natter. Das war echt übel am Ende, ich meine, sie ist so böse o.o die arme Siwali ó_o ich meine, sie war zwar random, aber.....? wow... episch <3 ich mochte das kapi, es war irgendwie bösartig und hat so das Gefühl heraufbeschworne dass bald viel shclimmes passiert óo


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