Der Pfau von Phillia (Deutschland, das sind wir selber) ================================================================================ Kapitel 17: 17 - Willkommen Sonnenschein ---------------------------------------- Zwar war das klinisch reine Blau des Swimming Pools des mallorquinischen Vier Sterne-Hotels nicht zu vergleichen mit dem Ozean, der fünfzehn Minuten Weg entfernt lag, aber der Vorteil des Hotels lag darin, dass man einfach nur die Treppen hinunter laufen musste und schon am weiten Schwimmbad angekommen war, das von der warmen spanischen Sonne beschienen wurde. Sommer. Zuhause in Deutschland waren es an jedem Ort mindestens sechzig Grad Celsius im Schatten, und die Bundesländer hatten sich zu einem einwöchigen Sommerurlaub im inoffiziellen siebzehnten Bundesland verabredet. Mallorca, das junge, hübsche bilinguale Mädchen kümmerte sich fleißig darum, ihre Gäste mit allem zu versorgen, was diese wünschten, aber wenn man Gäste hatte wie die Bundesländer war es unmöglich, für Harmonie und Ordnung zu sorgen, ein Leid, das Ludwig allzu gut kannte, dessen Bruder jetzt schon mit einigen anderen mehr oder minder freiwilligen Ländern verschwunden war, denn „es war Party angesagt“ und „er ließ sich das gottverdammte Feiern nicht verbieten“ und er wollte „Disco pogen“ in den angesagtesten Clubs Mallorcas. Um Zwölf Uhr mittags. Manchmal machte Deutschland sich große Sorgen um seinen älteren Bruder. Aber nicht zu viel – denn seine Hauptsorgen lagen im Moment bei den Bundesländern, die wie erwartet nicht unbedingt harmonisch aufeinander reagierten, trotz der angenehmen Temperatur und dem kühlen Wasser, das zur Erfrischung und zum Planschen und vor allem zum Entspannen einlud. Gerade war er an den Pool gekommen und hatte sich auf seine Liege gesetzt, auf der schon seit acht Uhr in der Früh sein schwarzrotgoldenes Handtuch lag, als ihn ein großer Schwall Wasser traf und er aus dem Augenwinkel erkennen konnte, wie Bremen kichernd weglief und ein etwas überforderter Bremerhaven ihm folgte. Perfekt. Nun war auch sein Handtuch durchnässt. Mit einem Gesichtsausdruck, der verriet, wie unzufrieden er mit der Situation war, stand Deutschland auf. Eines der Bundesländer würde ihm sicherlich ein Handtuch ausleihen, damit er sich ordentlich wieder abtrockenen konnte und einen entspannten Nachmittag auf seiner Liege genießen konnte. Zuerst sah er sich nach den nördlichen Bundesländern um, aber alle – mit Ausnahme von Bremen und Bremerhaven, denn ersterer war in Richtung Hotel gerannt und letzterer war ihm gefolgt – befanden sich im Pool und schienen die Sonne zu genießen, die sich oftmals nicht über den Weißwurstäquator hinweg zu trauen schien in Deutschland. Ludwig wollte die fünf – Schleswig-Holstein in einem blau gepunkteten Schwimmreifen, Helgoland und Hamburg auf Zeit vom einen zum anderen Beckenrand schwimmend, Mecklenburg-Vorpommern am Rand treibend und Niedersachsen auf einer dünnen Luftmatratze dösend – nicht stören, und so sah er sich weiter um. Rheinland-Pfalz, Bayern und Saarland hatten ihre Liegen zusammengerückt und waren in ein Gespräch verwickelt; Ludwig schnappte das Wort „Tampon“ auf und wusste, dass er die Frauen ganz sicherlich nicht bei solch einem Gespräch stören würde, denn wenn man Nicoles Blick bedachte, schien das Thema recht, nunja, „weiblich“ zu sein. Als Ludwigs Blick auf Hessen fiel, ging er hoffnungsvoll auf ihn zu. Er stand gerade gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen an einem kleinen Tisch und sie aßen gemeinsam eine Currywurst Rot-Weiß, verwickelt in eine seriöse Diskussion über Geschäfte. Ludwig seufzte innerlich auf; er wollte sie nicht stören, während sie über Finanzen sprachen, denn es war immer wichtig, Finanzen zu besprechen, auch im Urlaub, und er selbst profitierte nur davon, wenn Nordrhein-Westfalen irgendwann zurückkehrte in den Kreis der Bundesländer, die mehr in den Bund einzahlten als aus ihm herausbekamen. Nach einer Drehung um Hundertachtzig Grad fielen Sachsen und Thüringen in Ludwigs Gesichtsfeld, die ebenfalls an einem Tisch standen, aber ohne etwas zu essen und stattdessen mit einem kühlen Milkshake in beider Hände. Bernd sah wütend zu Hessen hinüber und Sachsen redete leise auf ihn ein, aber auch diese beiden konnte Ludwig nicht nach ihren Handtüchern fragen, denn sie hatten sie sich beide um die Körper geschlungen, und das schien auch notwendig zu sein, wenn man bedachte, dass sie beide von der Haarspitze bis zu den Fußsohlen nass waren, vermutlich waren sie gerade aus dem Pool herausgeklettert. Dann verblieb Ludwig nur noch eine Möglichkeit, und er hätte sich gewünscht, diese nicht ergreifen zu müssen. Unwillig drehte er den Kopf in die einzige Richtung, von der er sich bisher noch ferngehalten hatte, aus der schon den ganzen Morgen über zu hören war, wer sich dort befand. Natürlich, Ludwig war gewohnt daran, dass Baden – gelinde gesagt – nie erfreut darüber zu sein schien, in der Nähe Württembergs zu sein, aber er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, denn die beiden waren fleißig und lieferten ihm hervorragende Ergebnisse. Außerdem befanden sich dort auch noch Berlin und Brandenburg, die eigentlich immer ganz gut miteinander zurecht kamen... zumindest waren sie leiser und nicht ganz so enervierend. Im Moment herrschte allerdings ein gewisser Verteilungskonflikt: vier Personen, aber nur drei Handtücher. Das Problem bestand darin, dass Baden sich auf gar keinen Fall ein Handtuch mit Württemberg teilen wollte – ohne Handtuch auf der Liege gab es hier allerdings auch keine Liege. Daher hatte sich Maximilian zu Berlin gesetzt und die beiden waren etwa um das Zehnfache lauter als sie es für sich allein gewesen wären. Zwei leere Bierflaschen am Rand glitzerten im Sonnenschein, während Ludwig sich äußerst vorsichtig, als würde er sich in ein Raubtiergehege begeben, dem ungleichen Quartett näherte. Brandenburg beobachtete misstrauisch, wie Baden und Berlin mit jeder verstreichenden Sekunde immer unerträglicher wurden, und als Paul einen Arm um seine Schultern schlang und etwas von „... und dann gründen wir Berlin-Baden-Brandenburg!“ brabbelte, versuchte er, sich der Berührung zu entwinden und klammerte sich schutzsuchend an sein Handtuch mit dem roten Adler, als könnte der Vogel ihm helfen, den Expansionsbestrebungen der anderen beiden entkommen zu können. Als Albrecht sah, dass Ludwig auf die vier zukam, erlaubte er sich ein erleichtertes Seufzen. „Entschuldigt...“ Deutschland versuchte, zumindest eines der wertvollen, umkämpften Handtücher wenigstens für einen Moment erlangen zu können, aber gerade hatte er ein Wort gesagt, da war Württemberg ihm ins Wort gefallen, der die Sonnenbrille von der Nase genommen hatte und sich aufgesetzt hatte. „Mäxle, lasst doch den Brandenburg in Ruh', der-“ „Labb halte, Ochse!“ „Ganz genau! Klappe, Schwabe!“ Im Gegensatz zu Maximilian grinste Paul breit, während er seinem Freund zustimmte. Aber man hatte die Aufmerksamkeit der beiden von Albrecht weggezogen, der eine Flasche Sonnenmilch in die Hand nahm und sich zum dritten Mal in einer Stunde eincrémte. Er hatte keine besonders große Lust darauf, am Ende dieses Urlaub als Hummer nach Hause zurück zu kehren. „-will auch nur ein wenig die Sonne genießen und-“ Lukas ließ sich nicht davon beirren, unterbrochen zu werden, und das wäre auch schlecht, denn dann würde er wohl gar nichts mehr sagen können. „Ist doch eh alles deine Schuld!“ Baden holte kurz Luft, ehe er weiterredete. „Ja, wenn du mir nicht immer alles wegnehmen würdest-“ „-es ist ja auch so schon schwer genug im Osten, da müsst ihr nicht-“ „-dann müsste ich nicht zu Berlin-“ „-noch mehr drauf schlagen, bumm, bumm-“ „-obwohl, doch, das würd ich trotzdem machen, weil Berlin um einiges-“ „-bumm, als wären die nicht schon tief genug am Boden-“ „-cooler ist als du es jemals sein wirst-“ „-und das bisschen Sonne sollte er doch genießen-“ „-und kannst du mal endlich deine Klappe halten?!“ Kurz war Ruhe. Berlin hatte sich während dem Gespräch schon wieder fröhlich Brandenburg zugewandt und hatte angefangen, zu versuchen, ihn von der Liege hinab zu schubsen. „Würde mir jemand ein Handtuch leihen?“ Deutschland klang verzweifelt. Vier Augenpaare ruhten einen Moment auf ihm. Dann öffnete Paul, der sich grundsätzlich immer angesprochen fühlte, den Mund. „Warum das denn? Bist doch gar nicht nass.“ Erstaunt sah Ludwig an sich hinunter, und seine Bundeshauptstadt hatte Recht. Er war von der warmen spanischen Sonne vollkommen getrocknet worden während seiner Suche nach einem Handtuch. Jeder andere hätte wohl ironisch gelächelt; Ludwig drehte sich um und versuchte wieder, den Urlaub zu genießen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)