Der Pfau von Phillia (Deutschland, das sind wir selber) ================================================================================ Kapitel 16: 16 - Allons enfants de la Patrie -------------------------------------------- Mit glänzendem, anmutigem Haar schritt Francis durch den Bundestag. Hinter ihm huschte ein nur wenig kleineres Mädchen her. Seine Plateauschuhe machten bei jedem Schritt einmal leise „Klack“, und das Licht, das hineinfiel, ließ seine gesamte Gestalt glänzen. Am anderen Ende der Halle stand Ludwig mit zwei seiner Gebiete, und er hatte Baden wie auch Saarland jeweils eine Hand auf die Schulter gelegt. Ein deutsch-französischer Gipfel stand kurz bevor, und zur Unterstützung hatte sich Ludwig die einzigen beiden besorgt, die einigermaßen fließend französisch sprachen, einfach als eine Geste der Nettigkeit. Nun... ehrlich gesagt hatte er vor, Francis zu einer wichtigen Transaktion zu überreden – das französische Militär stand kurz davor, sich zu entscheiden, wer der Zulieferer für die nächsten Jahre werden würde, und Heckler & Koch bemühte sich um das lukrative Geschäft – irgendwo in einem Hinterzimmerchen, ganz heimlich und nur unter ihnen, und da wollte er ihn milde stimmen. Etwa einen Meter vor ihnen blieb Francis mit Anhang stehen. Er lächelte auf seine typische französische Art. Baden war kurz davor, ihm um den Hals zu fallen, wurde aber durch die Hand auf seiner Schulter zurückgehalten, und Saarland lächelte ihren Vater fröhlich an. „Guten Tag, Francis.“ Ludwig warf einen Blick auf seine beiden Begleiter, aber Maximilian war zu sehr damit beschäftigt, Francis anzuschmachten, als dass er ihn bemerken würde. Nicole hingegen erinnerte sich an den Plan, den Ludwig zuvor mit den beiden besprochen hatte, und sie knickste artig und begrüßte Francis sowie die junge, hübsche Elsass, die hinter ihm stand, mit einem akzentbeschwerten aber dennoch höchst liebreizenden „Bienvenue!“ Francis grinste breit und musterte die drei Deutschen ohne ein weiteres Wort. Zunächst beugte er sich zu dem Mädchen hinab, das eben gesprochen hatte, fuhr ihr durch das blonde Haar und flüsterte einige obszöne Wörter ins Ohr, die Elsass dezent erröten ließen. Dann, ohne Ludwig einen Blick zuzuwerfen, beobachtete er einen Moment lang Maximilian, der inzwischen ruhig dastand und dem man das verliebte Seufzen geradezu in den Augen ansehen konnte. Der Franzose lächelte in sich hinein – schon sehr lustig, wie sich jahrhundertealtes Misstrauen durch das Auftauchen von Bonaparte so rapide und extrem geändert hatte – und strich ihm sanft über die Wange, was ein entrücktes Seufzen an die Oberfläche zerrte. Ludwig hüstelte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sich Unterstützung mitzubringen. Er versuchte, Augenkontakt zu Francis aufzubauen. „Können wir anfangen?“ Sein Ton war einen Tick ruppiger als er es beabsichtigt hatte, aber das schien den Franzosen dazu zu bringen, aufzuhorchen, und ihm forschend in das Gesicht zu blicken. Dann fing er an, zu lächeln, und deutete ein anmutiges Nicken an. „Lass uns unter vier Augen reden.“ Charment zwinkerte er. Ludwigs Miene blieb unbewegt. „L'Alsace soll ein bisschen die weite Welt kennenlernen. Lass sie doch mit le Bade und la Sarre ein wenig herumtollen. Die Stadt kennenlernen, dein Land kennenlernen, oui?“ Ludwig runzelte kurz die Stirn, dann nickte er. Er war schon längst zu einer Nation geworden, die versuchte, alles durch Bereden und Kompromisse zu erreichen und nicht mehr durch Waffengewalt, und nachdem Francis Elsass noch einen verschwörerischen Blick zugeworfen hatte, verschwanden die beiden Nationen hinter riesigen Mahagonitürflügeln und ließen ihre drei Regionen zu dritt zurück. Einen Moment lang stand man da wie bestellt und nicht abgeholt, ehe Nicole ihrer Schwester ein breites, glückliches Lächeln zuwarf. Im Gegensatz zu ihrem Vater liebte sie die Ältere sehr, und Elsass returnierte die Geste, während Maximilian sie bemerkt hatte – nun, als das Objekt seiner Liebe verschwunden war – und ihr glücklich um den Hals gefallen war und sofort anfing, in seinem der französischen Grenze am nächsten gelegenen Dialekt zu reden, was elsässisch schon recht nahe kam. Sie tätschelte ihm mit einiger Zuneigung den Rücken und hoffte, möglichst schnell wieder losgelassen zu werden. Es dauerte nicht lang, bis die drei draußen bei strahlendem Sonnenschein in einem kleinen deutschen Café saßen. Saarland hatte einen großen Eisbecher bestellt, Elsass betrachtete misstrauisch ein Crêpe (auf deutsche Art, selbstverständlicherweise) und Max schlürfte laut einen Milkshake. Alle drei sahen zufrieden mit sich und der Welt aus, und zwischen ihnen herrschte eine harmonische Stille, bis diese von Nicole unterbrochen wurde, die in ihrem gebrochenen Französisch redete, um Elsass miteinzubeziehen. „Was hast du in letzter Zeit gemacht, große Schwester?“ Maximilian, der nicht zurückstehen wollte, hängte sofort ein „Genau, was hast du in letzter Zeit gemacht?“ hinten dran, das in seinem besten Französisch ausgesprochen wurde, und er blickte Saarland mit einem überlegenen Blick an. Elsass lächelte. Nici war ihre süße kleine Schwester, ein Zuckerstückchen für jemanden, der in Francis' Haus lebte bei erwachsenen, intrigierenden Frauen, und sie wünschte sich, dass die Kleine damals bei ihnen in Frankreich geblieben wäre. Sie wäre solch eine angenehme Bereicherung gewesen für alle und hätte Unschuld sowie ihre ganz eigene Art von Pepp hineingebracht... aber nein... Und was Max anging, er war schon immer ihr Nachbar gewesen und so eine Art bester Freund, zumindest behauptete er das ständig, denn er schien ansonsten nicht wirklich viele Freunde zu haben. Aber sie freute sich immer an den ersten Samstag jedes Monats, an dem sie sich besuchten und gemeinsam neue Rezepte ausprobierten. Nicht umsonst waren die beiden in ihren Nationen die Regionen mit der höchsten Dichte an Sterneköchen – von irgendjemand mussten diese Köche ja ihr Talent haben, und dass das alles den beiden Ländern zu verdanken war, da waren sie sich einig. Also lächelte sie. „Nichts besonderes. Das übliche. Ich-“ Max fiel ihr ins Wort. Sein Französisch war wirklich besser geworden, seit er vor einigen hundert Jahren angefangen hatte, es zu lernen. Beeindruckend. Er hatte nur dreihundert Jahre gebraucht, um das Niveau eines siebenjährigen Kindes zu erreichen! „Ist alles in Ordnung in Frankreich? Wegen der Wirtschaftskrise! Ich würde euch sehr gerne helfen, weißt du, aber meine blöde andere Hälfte will kein Geld lo-“ Auch ihm wurde ins Wort gefallen, dieses Mal von Nicole. Sie lächelte zuckersüß, aber ihre Augen blitzten. „Hör doch auf, immer davon zu reden, von deinem super Württemberg und deinem Geld und alles. Jetzt ist Elsass einmal in Deutschland, da sollten wir doch-“ Max lächelte ein wenig väterlich, während er antwortete und ihren Satz abschnitt. „He, von so einem Miniverschnitt von Bundesland lasse ich mir nich-“ „Besser Miniverschnitt als gar kein Bundesland!“ Alles wurde einen Moment lang still. Nur das Röhren von Autos, das Zwitschern einiger kränklicher Vögel und das Geplappere der anderen Menschen, die an kleinen runden Tischen saßen, störte die Stille. „Ach, halt doch deine Labb, blöde Brunnselpflunz!“ Mit vor der Brust überkreuzten Armen blickte Baden Saarland mit einem Todesblick an. Saarland erwiderte jenen Blick ebenbürtig. Elsass fing an, vollkommen losgelöst zu lachen, und die angespannte Situation löste sich in Nichts auf, denn das Lachen der älteren Frau ließ beide Regionen ebenfalls ein wenig lächeln. Am Ende ging alles gut aus für die deutsch-französischen Beziehungen. Francis unterschrieb den Belieferungsvertrag von Heckler&Koch, Ludwig war höchst zufrieden. Elsass kehrte an der Seite ihres Chefs glücklich und mit leichtem Herzen nach Frankreich zurück, und Saarland und Baden reichten sich die Hände, bevor sie mit der untergehenden Sonne im Rücken nach Hause zurückkehrten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)