Der Pfau von Phillia (Deutschland, das sind wir selber) ================================================================================ Kapitel 8: 08 - Gewinnen und Verlieren -------------------------------------- Jegliche Fehler im Französischen schiebe ich einzig und allein darauf, dass Max nicht perfekt französisch spricht. Jawoll. Ich bin ja nur im Französisch-LK. Hahaha. Haha. … Traurig, das. - „Général Bonaparte!“ Der untersetzte Mann mit den schwarzen Locken drehte sich um. Er stand im Kommandozelt mit seinem Schwager Murat und man beriet gerade, was man nach dem Sieg in der Schlacht von Ulm gegen Österreich zu tun gedachte. Zwei Männer mit längeren blonden Haaren und den Uniformen von Befehlshabern kamen hineingehastet. „Quoi?“ fragte Napoleon die beiden. Ein unsicherer Blick wurde ausgetauscht, dann räusperte sich der lange, schlaksige der beiden. Napoleon fragte sich, ob er nicht Monsieur Bonnefois rufen sollte, schließlich schien es hier um Länderdinge zu gehen. Aber Baden und Württemberg waren freiwillig zu ihm gekommen, scheinbar hatten sie etwas mit ihm persönlich zu bereden, und Napoleon wollte es sich nicht mit seinen beiden deutschen Allierten verscherzen. Er richtete sich auf. „M-merci beaucoup pour, eh, gagner cette bataille.“ „De rien.“ erwiderte Napoleon mit einem leicht amüsierten Nicken. „Nous, nous avons nous, eh, demander ce qu'il serait possible de, eh, d'aller à Bayern pour la... pour la... Lukas, was heißt 'befreien' auf franzeesisch?“ „Frag mir nitt...“ „Pour la... pour la... pour l'aider. Oui? Ca, ca serait possible?“ Erneut nickte Napoleon amüsiert mit dem Kopf. Das hatte er eh schon vorgehabt. Gerade eben, vor einigen wenigen Minuten, hatten er und Murat das Thema angeschnitten, wie sie am besten nach München gelangten. „Bien sur.“ Die beiden Länder vor ihm strahlten. Baden verbeugte sich tief, und als Württemberg weiterhin strahlte, statt sich zu verbeugen, stieß er ihn mit einem Ellbogen an, sodass auch Württemberg sich hastig verbeugte. Als die beiden Länder zu zweit aus dem Zelt hinausliefen, seufzte Max auf. „Oh Mann, mei Franzeesisch war echt dabbich... da tu ich echt noch mehr dran arbeite müsse...“ (1) Lukas lächelte nur. „Immer noch besser als des von mir.“ Das brachte Max zum Schmunzeln. „Isch ja au nich viel dabei, gell?“ Beide fingen an, zu lachen. Der Stress der vorangegangenen Stunden, der Schmerz von einigen gefallenen Kindern, war vorüber, sie waren befreit und froh, die Schlacht gewonnen zu haben. Endlich setzte jemand ein Gegengewicht gegen Preußens und Österreichs Übermächte, und die beiden waren sicher, dass sie Bonaparte auf dem Sieg helfen würden. Aber jetzt mussten sie erst Zenzie aus den Griffeln der Österreicher befreien, und dafür kehrten sie zurück zu ihren jeweiligen Bataillonen, um die Moral der Truppen wieder zu steigern für den langen Marsch nach München. - Die Österreicher waren schon längst geflohen, und als Baden und Württemberg auf ihren Rössern in die Stadt einritten, direkt hinter Frankreich, jubelten die bayrischen Bewohner. Zenzie wartete auf dem Marienplatz – damals einfach noch schnöde Marktplatz genannt – auf ihre Befreier und schwang breit grinsend ihren Frankenrechen. Mit einem fröhlichen „Mei, endlich seids da! “ begrüßte sie ihre Bündnispartner; jetzt konnte sie endlich aufrecht zu dem Bündnis stehen, das sie mit Frankreich schon vor Monaten geschlossen hatte. Bonnefois küsste ihre Hand; Zenzie war nicht amüsiert und zog ihre Hand fort, aber wenig konnte ihre gute Laune trüben. Abends saß man zu dritt in einem Wirtshaus, und die Lautstärke der Feiernden machte es fast unmöglich, normale Gespräche zu führen. Es war das erste und einzige Mal, dass Baden ein Bier von Bayern trank, und nach diesem Abend beschloss er, dieses Teufelsgebräu nie wieder anzufassen und bei seinem Wein zu bleiben. „Was duadsn jetzad?“ (2) wollte Zenzie wissen. Württemberg sprach leise, und Baden neben ihm war aufgeregt und rutschte auf seinem Stuhl herum. „Bonapartes Plan isch faschd unschlagbar. Mir dabbe nach Austerlitz und dann-“ „Dann tumer einen einnen Bund kriegge!“ (3) fiel ihm Baden ins Wort. „An aogan Bund?“ wiederholte Zenzie ungläubig. Baden und Württemberg nickten, beide begeistert davon. „Mer werde aus dem bleede Heiligen Reemischen Reich daitscher Nation ausdrede kenne! Awa mer kriege kai Verfassung!“ (4) „Nee.“ Schwaben schüttelte negierend den Kopf. „Mir wella koi Verfassung zemma, gell?“ Baden schüttelte ebenfalls seinen Kopf. „Kai Verfassung zämme, nee!“ (5) Bayern nickte, sie stimmte zu; so glücklich sie auch war, der Besetzung von den blöden Ösis entkommen zu sein, eine gemeinsame Verfassung mit diesen zwei, na sagen wir's mal freundlich, Idioten war echt nicht nötig. „A na. Koa gmeinsame Verfassung ned.“ wiederholte sie die Worte ihrer beiden Kollegen, und der Kellner brachte noch einmal eine Runde Paulaner auf's Haus. - Ein Jahr später, im Juli des Jahres 1806, traf man sich wieder. Gerade war die Rheinbundakte unterzeichnet worden; Bayern und Württemberg waren zu Königreichen erhoben worden, Baden war nun immerhin ein Großherzogtum, aber gerade für Maximilian gab es keinen Grund zur Klage. Die ständigen Wiederholungen im Vertrag von der Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten machten ihn sehr glücklich. Nachdem die Vertreter der anderen Rheinbundmitglieder abgereist waren, blieben Baden, Württemberg und Bayern noch etwas länger und saßen zu dritt am Ufer einer Rheinaue. Zenzie hatte ihr Dirndl hochgehoben, sodass ihre Knöchel sichtbar waren, und die beiden Männer hatten ihre Hosen hochgeschlagen, sodass alle drei die Füße im Wasser baumeln lassen konnten. Die Sonne ging unter, und man beriet sich über den soeben abgeschlossenen Vertrag. Baden und Württemberg waren absolut begeistert und konnten gar nicht aufhören, von der ganzen Chose zu schwärmen. Bayern war etwas flau im Magen. Was, wenn Bonaparte sich irrte, oder noch schlimmer, was, wenn er verlieren sollte? Dann wäre der Protektor ihres kleinen Bundes hinüber, und der Rest der deutschen Länder würden ihnen drei nicht gerade mit Wohlwollen entgegentreten nach diesem Verrat. „Aich 'n Schliggle, aldes Mädle?“ (6) Max bot Zenzie seine Flasche an, die schon einmal die Runde gemacht hatte. Mit einem Schulterzucken nahm sie an und sah vor ihrem sehnsüchtigen inneren Auge ein zünftiges Weißbier. „Gugg nitt so traurig.“ bot Schwaben ihr noch als Trost an, aber Zenzie wunk ab. - Die Leuten wollten nicht mehr. Zenzie wusste, dass es so weit war. Sie trat aus dem Bund aus. Sie hatte keine Angst vor Frankreich und seiner Grande Armée. Aber sie fürchtete, Baden und Württemberg ins Gesicht sehen zu müssen. - „Was tusch du?!“ Die Völkerschlacht bei Leipzig war im vollen Gange. Noch war der Kampf nicht verloren, noch schien ein wenig Hoffnung am Horizont. Baden zog seine Waffe aus einem leblosen preußischen Körper und blickte entsetzt hinüber zu Württemberg. Sie konnten beide spüren, wie große Teile der schwäbischen Truppen zu den Allierten überliefen. Das halb angetrocknete Blut auf Max' Wangen wurde von Tränenspuren verschmiert. „Ich heb g'denkt, mer ziehn des zämme durch!!“ (7) schrie er über den Schlachtenlärm. Württemberg wandte das Gesicht ab. „Mhm.“ Er zuckte mit den Schultern und wehrte einen Österreicher ab. „Isch heb dir verdraud!!“ (8) - Auch für Baden kam die Zeit der Resignation. Nach Bayern schlossen er, Württemberg und die anderen Rheinbundstaaten einen Vertrag mit Österreich ab und ließen das unterlegene Frankreich im Stich. An dem Abend, an dem er den Vertrag gegen Frankreich unterschrieb, betrank sich Max soweit, dass er am nächsten Morgen bewusstlos aus dem Rhein gefischt werden musste. - Erst viele, viele Jahre später trafen sich Baden, Bayern und Württemberg wieder zu dritt in Persona. Der deutsch-französische Krieg von 1870 stand kurz bevor. Dieses Mal würde man nicht auf der Seite von Napoleon kämpfen. Diesmal würde man an der Seite Preußens stehen. Die drei diskutierten, schwadronierten, redeten, aber sie wussten schon im Voraus, dass sie zu Deutschland gehören wollten. Am Ende brachte ihnen ein Kellner einen schwäbischen Wein. Zenzie kostete und ließ das Getränk danach stehen. Maximilian, der die ganze Zeit schon nicht ein einziges Wort mit Lukas ausgetauscht hatte, probierte erst gar nicht. Lukas starrte nur trübselig an die Wand. Gesamtdeutschland hatte viel gewonnen, aber Süddeutschland hatte noch mehr verloren. --- (1) - Oh Mann, mein Französisch war echt schlecht... dadran muss ich echt noch mehr arbeiten. (2) - Was tut ihr jetzt? (3) - Bonapartes Plan ist fast unschlagbar. Wir gehen nach Austerlitz und dann - dann kriegen wir einen eigenen Bund. (4) - Wir werden aus dem blöden Heiligen Römischen Reich deutscher Nation austreten können! Aber wir kriegen keine Verfassung! (5) - Nein. Wir wollen keine Verfassung zusammen, stimmt's? - Keine Verfassung zusammen, nein! (6) - Auch einen Schluck, altes Mädchen? (7) - Was tust du? Ich habe gedacht, wir ziehen das zusammen durch! (8) - Ich habe dir vertraut! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)