Der Pfau von Phillia (Deutschland, das sind wir selber) ================================================================================ Kapitel 2: 02 - d'Wiesn ----------------------- Wie jedes Jahr fand man sich in einem zünftigen Bierzelt auf dem Oktoberfest ein. Im Hintergrund spielte eine Blaskapelle und das ganze Zelt roch lieblich nach Bier, Bier, Erbrochenem und Bier. Die drei Schäferhunde von Ludwig schliefen friedlich auf dem Boden unter dem langen Tisch, obwohl sie ständig als Fußablage benutzt wurden. Eine kleine bayrische Kellnerin hatte gerade allen 22 Anwesenden eine Maß gebracht. Für mehr pro Person musste jedes Land selbst aufkommen, schließlich war auch Bayern nicht das Schlaraffenland. „Proasd!“ erscholl Zenzies Stimme über den hintergründigen Lärm. Sie saß als Gastgeberin natürlich am Ende des Tisches, genauso wie Hans die Bundesländer beim alljährlichen Karneval begrüßen würde. Bayern grinste breit. Leider konnte ihre gute Laune sich nicht auf die anderen Länder übertragen. Zwar war auch Gilbert in Partylaune und Ludwig war zufrieden, wenn man ihm Bier gab, aber viele andere der Bundesländer waren nicht ganz so glücklich. Zum Beispiel in der sächsischen Ecke, von wo aus Sachsen Bayern einige angenervte Blicke zuwarf. Man hatte keine Lust, anwesend zu sein, wie Sachsens Nachbarn es im Gespräch untereinander bestätigten. Etwas davon entfernt saß der Mittelwesten zusammen, wo die riesigen Biergläser nur ein einziges Mal schief angeschaut worden waren und dann weg geschobenn worden waren, sehr zur Freude von Berlin, der sich einfach frecherweise neben Hessen gesetzt hatte, obwohl das nicht sein Platz war, und jetzt all den Alkohol trank, der von den weinliebenden Bundesländern verschmäht wurde. Stattdessen verteilte Baden Wein an alle Anwesenden (außer Württemberg, selbstverständlich, welcher deprimiert in einer Ecke saß und ausstrahlte, dass er alles wollte, nur nicht auf einem bayrischen Fest anwesend sein) und wenn Hessen nicht so ein Partymuffel gewesen wäre, hätte er wohl auch seinen Apfelwein herausgeholt. Zumindest wurde hier die Stimmung im Verlauf des Abends nur aufgrund des Alkoholverbrauchs noch besser, und als Nicole sich beschwerte, dass sie auch was davon haben wollte, wurde sie von Loreley zu Zenzie geschickt. Aber auch bei Bayern hatte das jüngste Bundesland kein Glück, denn obwohl sie ganz höflich gefragt wurde, warf man ihr nur einen liebevollen Blick zu und ignorierte sie danach völlig. Im Norden dagegen machte man sich um Bierkonsum so gar keine Sorgen. Roland versuchte, seinen zuverlässigen Bruder dazu zu überreden, doch auch einmal etwas zu trinken, und Hein gab erst nach dem dritten Versuch nach. Hamburg zog lächelnd ein wenig an Fritz' Klamotten herum, die mal wieder von ihr ausgesucht worden waren. Seine drei Fliegen saßen am Rand der halb leergetrunkenen Maß vor ihm, und er schwieg irritiert, während Schleswig-Holstein versuchte, ihm seine Kappe aufzuziehen – der sechszehnjährige Junge hatte sein Bier schon völlig ausgetrunken und sich ein zweites bestellt – und Anna vergeblich versuchte, ihn daran zu hindern. Als die Nacht hereinbrach, rief Ludwig zum Aufbruch auf. „Och nööööö!“ war laut von einem gewissen nordischen Land zu hören, das nicht mehr gehen wollte. Auch Zenzie stichelte den Chef ein wenig, dass er ja so eine Spaßbremse wäre. Hessen war erleichtert, denn Paul hatte angefangen, mit einem von Ludwigs Schäferhunden auf dem Boden herumzutoben und sich komplett zum Idioten zu machen. Der Zigarettenrauch hing schwer in der Luft, und als Nicole sich heimlich auch eine Kippe ansteckte, fiel das dank der Luft nicht allzu sehr auf. „Wir machen morgen einfach weiter!!“ ertönte Gilberts Stimme über den noch immer prävalenten Lärm hinüber, und von einer Hälfte erntete er Jubel, während die andere Hälfte ihm böse Blicke zuschickte. Danach schnappte er sich Brandenburg und zog ihn mit auf das Riesenrad auf dem Fest, sodass der Rest warten musste, ehe man zurückkehren konnte in das schöne Hotel. Die Mädchen gingen auf ihr Gemeinschaftszimmer – nur Hamburg teilte sich ein Zimmer mit den Brüdern aus Bremen – und Ludwig hatte große Probleme, die männlichen Bundesländer alle in ihre jeweiligen Zimmer zu verfrachten. Er hatte sich so einen schönen Plan ausgedacht, um Länder, die sich nicht leiden konnte, in ein Zimmer zu stecken, damit sie sich besser kennen lernten und ihm nicht mehr so viele Probleme machten in Zukunft. Leider wurde dieser Plan von den teils betrunkenen, teils nur angetrunkenen Ländern gründlich vereitelt. „Ich gehe nicht zu Hessen in ein Zimmer!!!“ teilte Thüringen dem entnervten Chef beispielsweise mit, und wenn nicht gleich etwas passierte, dann wusste Ludwig, dass er explodieren würde, wie er es so oft tun würde. Warum waren das nur alles solche Kinder... Er sprach ein Machtwort und verfrachtete die Länder unter Androhung der Streichung jeglicher Finanzen in die Räume, in die sie gehörten. Während es bei den Frauen noch recht ruhig zuging, abgesehen von einer kleinen Unpässlichkeit zwischen Saarland und Rheinland-Pfalz, flogen in den drei Räumen der Männer die Fetzen, und als man sich am nächsten Morgen früh um sieben Uhr abreisefertig machte, war kaum jemand ausgeschlafen, abgesehen von den zwei ehemaligen Hansestädten. Außerdem war kaum jemand überhaupt rechtzeitig in der Lobby, um das Taxi zum Münchner Flughafen zu nehmen. Erst um zehn Uhr waren alle Länder wieder verschwunden, und Ludwig blieb mit Zenzie im Eingang stehen, während sie der letzten Fuhre zuwinkte. „Bis nächstes Jahr!!“ rief sie mit bayrischem Akzent, und Ludwig vergrub sein Gesicht in seiner Hand. Das war eine Drohung. Eine einzige Drohung... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)