Seven Ways to Perdition von NejiTen-Schreiber ([NejiTen]) ================================================================================ Kapitel 3: Avaritia/Geiz ------------------------ Ich zog einmal die Krawatte fest. Richtete den Kragen. Knöpfte die Manschetten noch einmal ordentlich. Es saß alles perfekt. So wie immer. Wie jeden Tag. Der Anzug saß wie angegossen, die Haare zu einem ordentlichen Zopf gebunden und der untere Teil des Gesichtes war befreit von jeglichen Stoppeln. Es war alles perfekt. „Bis heute Abend“, verabschiedete ich ihn, als er seinen Aktenkoffer nahm, seine Hand hob und aus der Wohnung ging. Erneut war ich alleine. Ich ging in das neben liegende Zimmer, in dem ein kleines Bett stand. Das kleine Kind, das gerade darin lag, schlief noch. Vorsichtig strich ich meinem Sohn über das braune Haar auf seinem Kopf. Die ganzen letzten Monate waren eintönig. Neji war arbeiten, ich blieb da und kümmerte mich um unseren Sohn und den Haushalt, da ich meine Stelle als Pharmazeutische Kaufangestellte aufgab, um mich diesem langweiligen Leben zu widmen. Solange Neji noch für uns sorgte, gab es keine Probleme. Naja... fast. Neji war an sich gar nicht so übel. Manchmal zwar etwas stur und mit wenig Feingefühl, aber dennoch ein Mensch, der es meist nur gut meinte. Jedoch hatte er einen kleinen Knacks. Er war nicht besonders freundlich, wenn es um Geld ging. Er versuchte wirklich nur so viel auszugeben wie nötig. Und stattdessen so viel es ging zu verdienen. Die meisten Leute die versuchen so zu leben scheitern oft daran, Neji jedoch nicht. Er kontrolliert für was wir wie viel ausgeben, beschränkt sich nur auf eine bestimmte Summe und Dinge, mit denen wir nichts anfangen können, verkauft er. Für mich war dieser Lebensstil mit der Zeit zur Gewohnheit geworden. Und so furchtbar schlimm war er auch nicht. Zumindest nicht wenn man jeden Tag ein neues Outfit kaufen muss, sich ständig irgendwelche unnötigen Erholungskuren und Wellnessabenteuer gönnt oder gerne und viel teures Junkfood zu sich nimmt. Jedoch wurde es etwas schwieriger als unser Sohn Akira auf die Welt kam. Kinder waren ja bekanntlich teuer und so war es auch. Zumindest für Neji. Akira wachte durch meine Berührungen auf. Ein Lächeln erschien auf meinen Lippen und ich drückte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. „Guten Morgen, kleiner Mann.“ Ich säuselte gerne den kleinen Jungen an. „Entschuldige, dass ich dich geweckt habe, aber du musst jetzt gleich in den Kindergarten.“ Ich hob ihn mit einem Ruck hoch und trug ihn summend in die Küche, um ihn dann in den alten Hochstuhl zu setzen. Alle Möbel von Akira waren schon mal benutzte Geschenke von Nejis Cousine Hinata. Sie selbst hatte zwei Kinder. Einer ging auf die Grundschule, der andere in eine Vorschule. Und da Hinata die schönen Möbel nicht wegwerfen wollte und meine Schwangerschaft ganz gelegen kam, hatte Neji die Chance ergriffen und unseren Sohn direkt in das alte hölzerne Kinderbett von Hinatas jüngstem Sohn gesetzt. Eigentlich waren diese Geschenke auch gar nicht schlecht, allerdings fing der Kinderstuhl an eigentlich ungefährlichen Stellen zu splittern. Doch für eine Mutter war jede Stelle in ihrem Zuhause gefährlich für das eigene Kind. Doch Neji hatte nur abgewinkt, als ich ihn auf einen neuen Stuhl ansprach. „Wir brauchen das nicht“, hatte er gemeint und mich gereizt angesehenen „Solange der Stuhl nicht auseinander gefallen ist, gebe ich kein Geld für einen neuen aus“ Das war Nejis Motto. Wenn nichts bis zur Unkenntlichkeit zerstört war, kaufte er auch nichts neues. Und das war an manchen Tagen ein wirklich lästiges Motto. „Na los, kleiner Mann, wir kommen sonst zu spät“, sagte ich und lächelte Akira an, nachdem er sich den Klettverschluss an den Schuhen zugemacht hatte. Er sah mich nicht direkt an, sondern nahm mich an die Hand und verschwand mit mir aus der Tür. Der Kindergarten, indem Akira seine Vormittage verbrachte, gehörte Hinata. Sie wollte schon immer Erzieherin werden und hatte sich gegen den Willen ihres Vaters, einem reichen Unternehmer, diesen Traum erfüllt. Doch mittlerweile ließ auch er den Groll gegen den erfüllten Wunsch seiner Tochter fallen und was sogar schon Stolz auf das was sie sich mit ihren jungen fünfundzwanzig Jahren damals erbaut hatte. Und nun lief der Kindergarten seit den ganzen vergangen fünf Jahren einwandfrei. Die junge Besitzerin lief mir entgegen. „Guten Morgen, Tenten.“ Es war so gut wie jedem bekannt, dass Hinata und ich verschwägert waren. Allein schon wegen der Tatsache dass sie und Neji wirklich fast schon wie Geschwister waren. Dennoch gab es immer wieder irgendwelche Gerüchte, dass wenn Hinata keinen Papierkram zu tun hatte, sie meinen Sohn bevorzugte. Aber es war wirklich nur ein schlechtes Gerücht, denn jeder der Erzieher wusste, dass Hinata mit allen Kindern gleich umging. Dass dieses unfreundliche Gemurmel von eifersüchtigen Mitglieder einiger Spielgruppen kam, war irgendwie klar. Akira löste sich von mir und ging mit eiligen Schritten Richtung seinem Spielgruppenraum. Ich umarmte Hinata grüßend. „Schönen guten Morgen.“ Ich war heute erstaunlich gut gelaunt „Geht es dir gut?“ „Eher nicht.“ Hinata verzog ein wenig das Gesicht „Shin hatte sich gestern mit ein paar Jungs aus der zweiten Klasse gestritten und ich muss heute für ihn zur Schule kommen.“ Shin war Hinatas ältester Sohn, der Moment in die dritte Klasse einer Grundschule unterrichtet wurde. Dass Hinata besorgt schien, war kein Wunder, schließlich kam der Achtjährige ganz nach seinem Vater, einem wilden und ungezähmten Unternehmer einer Nudelsuppenkette. Jedoch hinterließ ihr Mann Spuren, den bevor Hinata ihn kannte war sie so verschüchtert gewesen, dass sie manchmal bei neuen Bekanntschaften nicht mal ihren Namen vorstellen konnte. „Oh je, ich hoffe es wird nicht allzu schlimm.“ Eigentlich war es hoffnungslos. Ich kannte Naruto noch aus früher Kindheit und wusste wie er abging. Durch ihn hatte ich auch Hinata und Neji kennengelernt. „Das bezweifele ich“, murmelte Hinata und änderte ihre Miene dann ins Fröhliche. „Aber gut, ich denke du hast heute noch einiges zu tun.“ Ich nickte „Allerdings.“ Ich entdeckte Akira bei den Bauklötzen. Er saß dort relativ alleine, da noch nicht viele Kinder anwesend waren, und baute bereits einen Turm. Ich kniete mich zu hinunter und gab ihm einen Kuss auf das kurze braune Haar „Viel Spaß, kleiner Mann.“ Zu meiner Verwunderung reagierte Akira nicht auf meine Worte. Hinata stand neben mir und musste etwas lachen. „Ich glaube er ist bereits in seinen architektonischen Träumen versunken.“ Sie beobachtete wie Akira perfekt einen Stein auf den anderen stellte. Ich stand auf, verabschiedete mich von Hinata und verließ den Kindergarten mit einem flauen Gefühl im Magen. ~ Ich hatte mich den ganzen Tag um den Haushalt gekümmert. Die Wohnung blitzte so sehr vor Sauberkeit, dass man fast schon eine Sonnenbrille brauchte. Aber was sollte ich auch groß den ganzen Tag machen? Arbeiten war nicht drin, ich musste mich schließlich um ein Kind und um den Haushalt kümmern. Und das machen, was andere Mütter in ihrer Freizeit machen, ging auch nicht. Darunter fiel ganz besonders shoppen. Auch wenn ich sowieso nicht besonders gerne einkaufen ging, so fand ich es dennoch manchmal sehr erdrückend von Neji finanziell abhängig zu sein. Er war Abteilungsleiter in einem kleinem Bürounternehmen und verdiente eigentlich genug um ein schönes Leben zu führen. Doch er war immer der Meinung, wir sollte immer etwas auf die Seite legen. Damit hatte ich kein Problem, aber eher mit der Tatsache, das dieses 'etwas' drei Viertel seines Gehaltes waren und uns dann für die Haushaltskasse ziemlich wenig blieb. Ich ging ins Kinderzimmer, indem Akira schon den ganzen Nachmittag drin saß und seine Bauklötze nach Farben sortierte. Seit ich ihm vom Kindergarten abgeholt hatte, war er so abwesend und saß nur an seinen Klötzen. Langsam fing ich wirklich an mir Sorgen zu machen, dass er genauso unnahbar werden könnte, wie sein Vater es zu fremden Leuten ist. Wenn man vom Teufel sprach. „Ich bin zurück“, kündigte sich Neji an und stellte seinen Aktenkoffer an die kleine alte Kommode im Flur. Ich verließ das Kinderzimmer und ging in die Küche um den Herd auszuschalten. „Das Essen ist gerade fertig geworden“, rief ich und hörte seine Schritte kommen. Doch sein Weg führte ihn zum kleinen Esstisch . Ich stellte Neji einen Teller mit gebratenen Nudeln hin. Wir sahen uns nicht direkt in die Augen und Neji fing mit einem leisen „Danke“ an zu essen. Vor sechs Jahren, als ich Neji kennenlernte, war er ein arroganter, sturer und unantastbarer Typ aus reichem Haus gewesen. Er war unsympathisch. Bis zu einer kleinen Standfeier, die Naruto veranstaltet hatte. Da wir beide noch zu den wenigen gehörten, die noch nicht vollends betrunken waren hatten wir uns unterhalten. Wir haben geredet und geredet und irgendwann hatten wir ausgemacht uns zu treffen. Diese Treffen wurden häufiger und irgendwann, waren wir richtig zusammen. Es war fast schon eine wilde Beziehung. Wir taten alles um uns zu amüsieren und nahmen dabei wenig Rücksicht auf Verluste. Was man uns auch ansah, denn als wir zusammen zogen fingen an sich unserer Rechnungen zu stapeln. Damals war uns wirklich alles egal gewesen. Bis ich schwanger und Neji befördert wurden. Von einem Tag auf den anderen, bekam Neji Geldsorgen. Er vertiefte sich in seine Arbeit und errichtete mehrere Notfallkonten, falls wir irgendwann mal vor dem Armenhaus stehen würden. Von der wilden, ungezähmten und rücksichtslosen Liebe, war nichts mehr zu spüren. Und ehrlich gesagt, hatte ich sogar schon das Gefühl, dass Neji gar nichts mehr für mich empfand und langsam wieder in sein altes Schema fiel. Arrogant, stur und unantastbar. „Wir sollten Urlaub machen“, platzte es aus mir heraus, während ich mit einer Gabel spielte. „Du arbeitest zu viel, ich habe hier nichts mehr zu tun und Akira sollte auch mal einen kleinen Tapetenwechsel bekommen, er ist schon ganz gelangweilt von dieser Wohnung.“ Ob das stimmt wusste ich nicht, den Akira schien sich nur mit seinen Spielsachen zu beschäftigen. Doch Nejis Blick traf mich hart. Ich sprach weiter. „Und außerdem, haben wir doch mittlerweile genug Geld um uns das zu leisten. Neji, wir sollten endlich wieder etwas als Familie tun.“ Er sah mich an. Ich wusste was jetzt kam. Das was er immer sagte. Egal was war, immer kam die gleiche monotone Antwort. Es nervte mich sie ständig zu hören, den in den meisten Fällen, stimmte die Antwort noch nicht mal. „Das können wir und nicht leisten, Tenten.“ ~ Es war mittlerweile eine Woche vergangen. Es hatte sich nicht viel geändert. Neji und ich redeten immer noch höchstens drei Worte am Tag und Akira wurde immer abwesender. Ich machte mir zwar Sorgen deswegen, hielt es jedoch für eine Phase. Neji hatte uns das Geld für bestimmte Lebensmittel gestrichen. „Das Geld ist es dafür nicht wert“, hatte er gemeint und als ich mich nicht daran halten wollte, hatte er eine Grenze überschritten. Er hat meine Kreditkarte sperren lassen und nun musste ich mit einer Art Taschengeld von ihm auskommen. Noch dazu fing der Hochstuhl unseres Sohnes an verdächtig und brüchig zu wackeln an. Und nach wenigen Tagen war er wirklich auseinander gefallen. Doch das einzige was der Herr Vater und Schatzmeister dazu sagte war: „Er ist schon groß genug um auf einem eigenen Stuhl zu sitzen. Wir brauchen keinen neuen.“ Ja, es hatte sich in dieser einen kleinen Woche wirklich nicht viel geändert. Außer das wir auf Lebensmittel verzichten mussten, unser Kind seine Möbel verlor und ich wieder wie ein vierzehnjähriger Teenager nun jeden Monat auf mein heiß geliebtes Taschengeld warten musste, um für die ganze Familie zu sorgen. Neji hatte sich in dieser einen Woche vollkommen geöffnet. Er hatte sich von einem Sparfuchs zu einem Geizkragen weiter entwickelt, unter dem nun Frau und Kind leiden mussten. Und diese Entwicklung ließ mich nachdenken. Nachdenken, ob ich wirklich noch so bei ihm bleiben und mit ihm leben wollte... ~ Neji hatte frei. Da er noch Resturlaub hatte, wurde er gezwungen zu gehen, sonst drohte ihm die Suspendierung. Urlaub... Darauf hätte ich ehrlich gesagt jetzt auch Lust. Aber da der ach so wunderbare Familienvater lieber die Rechnungen durchsehen wollte und der Meinung war wir könnten uns mit seinem sechsstelligen Jahresbetrag im Jahr keinen Urlaub leisten, mussten wir alle auf den heißgeliebten Urlaub verzichten. Da ich wirklich keine Lust hatte ihn zu sehen, war ich mit etwas von dem Taschengeld Lebensmittel einkaufen gegangen. Mit der kleinen Geldsumme konnte man allerdings nicht besonders viel besorgen, zumindest gerade mal so, das jeder einen kleinen Teller bekommen konnte. Als ich auf die Uhr sah, bemerkte ich, dass es bereits Nachmittag war. Ich musste Akira abholen. Zum Glück war der Kindergarten nicht allzu weit von Supermarkt entfernt, sodass es ein Kinderspiel war schnell anzukommen. Doch bevor ich in die Spielgruppe von meinem Sohn eintreten konnte, wurde ich von Hinata aufgehalten. „Hallo, Tenten.“ Als ich ihr Gesicht sah, sah ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Mein Herz fing an doppelt so schnell zu schlagen wie sonst. Mir kamen plötzlich alle möglichen schrecklichen Visionen in den Kopf für den Grund, warum sie mich so ansah. Die Schlimmste war, dass Akira etwas passiert sein könnte. „Wir müssten mal miteinander reden.“ Ihre Stimme klang enttäuscht, wenn nicht sogar traurig. Sie deutete mit einer Handbewegung, dass ich ihr folgen sollte. Hinatas Büro war in hellen Tönen eingerichtet und zusammen mit einem Schreibtisch und drei Stühlen im Raum, gab es noch eine kleine Ecke die voll mit Spielsachen war. Schließlich war das hier ein Kindergarten. Ich setzte mich auf einen der gepolsterten blauen Stühle vor ihrem Schreibtisch, sie sich dahinter. „Ich habe es nicht mehr geschafft mit Neji darüber zu reden, aber gut dass ich dich jetzt darüber informieren kann.“ Man sah Hinata an, dass sie versuchte die richtigen Worte zu finden. „Uns ist in der letzten Zeit aufgefallen, dass sich Akira etwas … anders benimmt.“ Ich schien wohl nicht die einzige zu sein, die Akiras momentanen Zustand mitbekam. Sogar Neji sah nicht, dass etwas mit seinem eigenen Sohn nicht stimmte. Hinata fuhr fort. „Er ist abwesend, spielt nicht mit den anderen Kindern und ist ständig alleine. Fast schon in einer Isolation. Des weiteren reagiert er kaum noch auf Rufe und fängt an seine Bauklötze zu identischen Werken zu bauen.“ Bis auf die Tatsache mit den Bauklötzen musste ich Hinata in jedem Punkt zustimmen. Akira schien in seiner Welt zu leben. Kapselte sich von uns, seinen Eltern und Umfeld, ab und schien sich nicht mehr für uns zu interessieren. „Aber wieso ist das mit den Bauklötzen so schlimm?“ Meine Frage war berechtigt, schließlich war es kein unmenschlich großes Phänomen wenn Kinder identische Bauwerke aufstellten. „Es ist nicht schlimm, Tenten. Aber es ist ein Anzeichen.“ Meine Verwirrung wurde größer, während ihr Blick ernster wurde. „Ich weiß, du denkst ich bin bescheuert, weil ich das als Kindergärtnerin nicht sagen kann. Aber ich hatte schon einiges an Kinderproblemen gesehen. Tenten, ich habe das Gefühl, dass Akira an Autismus leidet.“ Ich hob verwirrt eine Augenbraue. Ich hatte zwar von der Krankheit gehört, wusste allerdings nichts Näheres „Und was meinst du genau damit?“ „Autismus ist eine Entwicklungsstörung der Defekte des zentralen Nervensystems zugrunde liegen. Diese Störung behindert die Beziehung zum Umfeld und lässt den Betroffenen nur schwer an einer Gesellschaft teilnehmen. Darunter fallen auch Behinderungen der sprachlichen, motorischen und emotionalen Funktionen. Ich weiß es klingt hart, aber mit anderen Worten bedeutet das, dass Akira niemals ein einfachen und normales Leben führen wird.“ Hinata hatte langsam und ruhig gesprochen, allerdings krachte es trotzdem, als mein Stuhl zu Boden fiel. Ich stemmte die Hände auf den Tisch und sah Hinata wütend an. „Wie kannst du so was behaupten?!“ Ich merkte, dass meine Stimme einen energischen Ton bekam, denn ich sonst wirklich nur bekam, wenn ich kurz davor war handgreiflich zu werden. Hinata sah mich erschrocken an, fing sich jedoch und versuchte in einem beruhigendem Ton mit mir zu sprechen. „Es ist nur eine Vermutung, Tenten, Sicher ist es auf keinen Fall. Ich hatte nur eben bereits einige autistische Kinder und sehe die Symptome direkt bei den Kindern. Sein Verhalten beunruhigt die anderen Kindern und die Erzieher. Und ich habe selbst mit ihm etwas Zeit verbracht, um mir ein Bild zu machen. Ich kann dir einen Experten für dieses Gebiet und einen guten Freund von mir empfehlen. Seine Praxis ist nur fünfzehn Minuten zu Fuß von eurer Wohnung entfernt und er hat eindeutig sehr viel Erfahrung in diesem Gebiet.“ Hinata holte aus einer Schublade ein paar Papiere. Es waren eine Visitenkarte und ein Prospekt zu der Krankheit. Ich nahm meine verkrampften Hände vom Tisch und sah beschämt zu Boden. Mein Sohn hinterließ also einen Verdacht aus Autismus. Er schien niemals normal werden zu können. Für mich war das einen anstehendem Todesurteil gleich. „Es tut mir Leid, Hinata“, sagte ich leise und stellte wieder den Stuhl auf. „Ich wollte nicht so grob sein und dich erschrecken.“ Hinata stand nur selbst auf und kam um den Tisch herum, um mir sanft die Schulter zu streicheln. „Nein, mir tut es leid. Ich stelle eine schockierende Behauptung auf und sage sie dir direkt ins Gesicht. Es tut mir so Leid für euch, deiner ganze Familie“ Familie. Konnte man das denn noch so nennen? Das fragte ich mich schon seit Tagen. Und jetzt stiegen meine Zweifel noch mehr, dass man uns alle noch eine Familie nennen konnte. Neji zog das viele Geld seinem eigen Fleisch und Blut vor, Akira würde wohl niemals normal werden und ich? Ich war langsam aber sicher nah dran, in eine Depression zu verfallen. „Ich werde Akira dann mal abholen“, sagte ich immer noch in einem leisen Ton und sah wie mich Hinata überrascht ansah „Wieso denn abholen?“ Ihre Stimme klang verwirrt. „Na, ich muss ihn doch mit nach Hause nehmen, bevor ich ihn zum Arzt bringe, oder?“ Ich verstand nicht, wieso Hinata so tat, als wäre ich schwer von Begriff. Allerdings sah sie mich an, als wäre ich hier die Dumme. „Neji hat Akira bereits abgeholt und abgemeldet“, kam es leicht verwirrt von ihr. Mir klappte der Kiefer runter und der Schock stand buchstäblich auf der Stirn geschrieben „Er hat WAS?“ Neji hatte ihn abgemeldet? War er denn nun wirklich von allen Sinnen? Was hatte er sich nur dabei gedacht? Doch noch ehe Hinata mir antworten konnte, hatte ich die Antwort bereits in meinem Kopf. Hinata war nun weniger von meinem Ausbruch erschrocken. „Er meinte, er könnte die Gebühren nicht mehr bezahlen.“ ~ Ich sprach Neji auf nichts an. Ich ging stattdessen direkt in Akiras Zimmer und setzte mich neben ihn. Er schien mich nicht zu bemerken. „Du spielst schon seit Wochen nur Bauklötzen, kleiner Mann“, murmelte ich, obwohl ich wusste, dass er mir nicht zuhörte „Nur noch mit Bauklötzen.“ Akira hob dann seinen Kopf und sah mich mit leeren Augen an. Leeren Augen, in denen sich keine richtigen Emotionen bildeten. Seufzend stand ich auf und verließ das Zimmer um das Telefon zu suchen. Ich musste endgültig Gewissheit haben und jetzt sofort einen Termin mit dem Arzt machen, den Hinata mir empfohlen hat. Ich sah wie langsam in dieser Wohnung alles schlimmer wurde. Neji zog überall das Geld weg, aus der Haushaltskasse und vor allem aus dem Bildungsweg unseres einzigen Sohnes. Akira war krank. Wahrscheinlich. Und er würde unter dem Geiz seines Vaters leben müssen. Und das, obwohl er auch so nicht mehr so wie andere Kinder werden konnte. Und ich verlor den Halt hier. Ich hatte Angst, dass ein weiterer Schock mir den Boden unter den Füßen wegnehmen würde. Ich hatte Angst, dann in ein schwarzes Loch zu fallen und nicht mehr heraus zu kommen. Doch jetzt stellte sich das Schicksal auf meine Seite. Ich bekam direkt für den nächsten Tag einen Termin. ~ Ich hatte es mit Mühe und Not geschafft Neji zu überreden mit zu kommen. Und zwar damit, dass ich einen Geldschein genommen hatte und über ein brennendes Streichholz gehalten habe. Jetzt saß er, wenn auch schlecht gelaunt und schweigsam neben mir vor dem großen Eichentisch im Sprechzimmer. „Mein Name ist Doktor Nara, es freut mich“, stellte sich der Arzt mit der ziemlich komischen Ananasfrisur vor. Er sah relativ alt aus und hatte aus irgendeinem Grund zwei Narben im Gesicht. Besser ich fragte nicht nach. „Sie denken, dass ihr Sohn unter Autismus leidet?“, fragte er nach und sah einen Bestätigung, die ich ihm durch ein Nicken gab. Neji rührte sich nicht und wirkte wie eine Statue. Auf seien Unterstürzung konnte ich wohl nicht zählen. Jedenfalls nicht nach der fast brennenden Geld Aktion. Dr. Nara sah sich einige Unterlagen an. „Ich würde gerne für eine vollendete Diagnose etwas Zeit mit ihrem Sohn verbringen. Ich möchte Sie bitten sich die nächste halbe Stunde in den Nebenraum zu begeben. Dort stehen Zeitschriften und ein paar Kleinigkeiten zutrinken für Sie bereit. Ich lasse Sie dann herein holen.“ Wir mussten gehorchen, schließlich brauchten wir ein endgültiges Ergebnisse. Oder zumindest nur ich, denn Neji schien das alles nicht zu interessieren. „Was ist los, Neji?“ Als die Tür des Zimmer geschlossen war und wir zwei alleine waren, wollte ich endlich Gewissheit zu seinem unmöglichen Benehmen haben. Doch Neji sah mich nicht mal an, also packte ich ihn am Kragen und drückt seine Kopf in meine Richtung. Sein kalter Blick sah mich direkt an. „Akira ist nicht krank“, sagte er bestimmend. „Das ist pure Zeitverschwendung hier zu sein. Und Zeit ist Geld!“ „Was hast du eigentlich mit deinem dummen Geld?“ Ich stieß ihn weg. „Du kürzt jedes Budget bei uns, meldest unser Kind vom Kindergarten ab, weil du die Gebühren nicht bezahlen kannst und bekommst fast einen Weinkrampf, weil ich beinahe einen weniger wertvollen Geldschein fast verbrannt hätte! Verdammt, Neji, Geld ist nicht alles!“ Ein wirklich großer Teil, meiner aufgestauten Wut kam nun zum Vorschein. Neji bekam alles ab, allerdings prallte alles an ihm ab. Sein Blick wurde giftig und ich hielt inne. Er stand auf und musterte mich, als ob ich ein unwürdiges Wesen wäre. Die Tatsache, dass Neji größer war als ich, ließ das ganze noch schlimmer auf mich wirken. Ich fühlte mich bedroht. Bedroht von dem Man, denn ich einst geliebt hatte. Und der nun dabei war nicht nur sein leben, sondern auch das seiner engsten Mitmenschen zu zerstören. „Doch das ist es.“ Das war es. Das war der Schlag gewesen, der mich in das schwarze Loch stieß, vor dem ich mich die letzten Wochen gefürchtet hatte. Ich setzte mich auf einen der sieben Sessel im Raum, so weit von Neji entfernt, wie es nur möglich war. Und wartete. ~ Nach eine halben Stunde des Schweigens, wurden wir von einer der Arzthelferinnen in das Sprechzimmer geholt. Dr. Nara saß bei Akira, der wie sonst auch immer, fünf identische Türme aus Klötzen gebaut hatte. Hinatas Bekannter kam auf uns zu und gab uns das Zeichen uns zu setzen. „Ich habe mir ein Bild ihres Sohnes gemacht und muss ihnen mitteilen, dass die Chance einer autistischen Erkrankungen sehr hoch sind. Die Symptome sind fast alle vorzufinden.“ Schwere eckige Steine wurden in das Loch geschüttet, in dem ich mich nun einrichten musste. „Es gibt allerdings eine Möglichkeit Ihnen und ihrem Sohn zu helfen mit der Krankheit zu Recht zu kommen. Eine langjährige Therapie für Eltern und Kind. Ich führe selbst diese Therapiesitzungen. Bis jetzt hat es vielen Familien geholfen den Alltag zu erleichtern. Allerdings kommt die Versicherung dafür nicht auf.“ „Dann lassen wir es.“ Neji hatte es einfach heraus gesprochen. Nicht weiter nachgedacht. Wenn er für etwas selbst bezahlen musste, dann war er weg. „Wir kommen auch gut ohne eine teure Therapie zurecht. Wir brauchen sie nicht.“ Er war aufgestanden, als er den Vertrag sah, der vom Arzt während seiner Ansprache auf den Tisch gelegt wurde. „Komm, Tenten, wir gehen.“ Er versuchte mich hoch zu zerren, doch ich rührte mich nicht von der Stelle. Eine Hand kam auf mich in das Loch zu. Sie strahlte etwas Warmes aus. Und etwas helfendes. Ich hörte nicht auf Neji, nicht auf den Arzt, ich hörte auf niemanden. Ich sah nur diese Hand, die mich hoch zog. Und dann sah ich meinen Sohn. Wie er die Bauklötze aufstellte. „Vergiss es“, zischte ich, nahm einen der Kugelschreiber aus dem Stifthalter des Tisches und unterschrieb den Vertrag. Neji sah mich bloß entgeistert an. „Bist du verrückt? Wie willst du das bezahlen? Denkst du ich werde dir irgendwelches Geld dafür geben?“ Ich stand wie die Ruhe selbst auf und nahm Akira an die Hand, während ich mich zur Tür begab. „Nein“, sprach ich gelassen und öffnete die Tür. „Ich werde mir einen Job suchen und alles selbst finanzieren, schließlich ist mir für mein Kind nichts zu teuer. Mach dir kein Sorgen, du wirst nichts bezahlen. Und auch sonst wirst du nichts mehr mit unserem Sohn zu tun haben, weil ich dich nämlich verlasen werde, du verdammter Geizkragen!“ Das waren meine letzten Worte, bevor ich zusammen mit meinem Kind aus der Praxis ging. Ich hatte das Gefühl, dass Neji wohl bald endlich etwas Wichtiges lernen würde. Wer geizig ist, wird bald alles verlieren. Und mit alles, meine ich die Schätze, die man nicht erkaufen kann... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)