Gesuchte der Jäger von P-Chi ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- HUNTER Hunter starrte die Frau vor ihm an, als wäre sie ein Geist der aus seinem Kopf entsprungen war und ihn in den Wahnsinn treiben wollte. Sie war diejenige, die er in Miras Zukunftsvision gesehen hatte. Die Szene, in der sie in seinen Armen starb, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt, ihn bis in seine Träume verfolgt und ihm seitdem keinen Augenblick Ruhe gelassen hatte. Aber die Frau, die wie eine gewöhnliche Immobilienmarklerin gekleidet war, reagierte völlig anders als Hunter erwartet hätte. Er hätte es verstanden, wenn sie geschrien, geweint oder einfach nur erstarrt gewesen wäre. Sie jedoch, fing an zu schießen. Die Krieger warfen sich zur Seite, erkannten etwas zu spät die Gefahr die von ihr ausging und bekamen die ein oder andere Kugel ab. „Verfluchte Scheiße, was ist mit ihr?!“, brüllte Tegan und feuerte auf die Frau, die sich duckte und hinter den Marmorschreibtisch versteckte. Rio und Hunter wollten sich auf sie stürzten, doch genau in diesem Moment brachen aus den großen Zimmerfenster ausgerechnet die Gestalten, die die Stammesvampire am wenigsten gebraucht hatten. Rouges. Na wunderbar. Mit wutverzerrten Gesichtern griffen die wahnsinnigen Vampire die Krieger an, wollten sie beißen, sie in Stücke reißen und ihr Fleisch schmecken. Mit einem animalischen Brüllen hetzten sie auf Rio und Tegan los, während sie Hunter scheinbar links liegen ließen. Sie glaubten wahrscheinlich, er gehörte noch zu ihnen und stand unter Dragos Kommando. Was für ein Fehler von ihnen. „Hunter, hol dir das Weibsstück! Wir erledigen das hier“, schrie Tegan über den Lärm der Maschinengewehre hinweg und zog eine lange Klinge aus seinem Hosenbund, mit denen er zwei Rouges den Kopf abschlug. Besagte Frau war bereits aufgesprungen und kämpfte sich gegen den Strom an Rouges, die in das Zimmer eindrangen wie ein ganzes Wolfsrudel. Warum griffen sie sie nicht an?! Als einer es versuchte, schrie sie auf und schoss dem Vampir genauso zwischen die Augen, wie auch dem Lakai zuvor. Kein Zweiter wagte es, es seinem Freund nachzutun und konzentrierten ihre Blutgier stattdessen vollkommen auf die Stammesvampire. Hunter empfand das Maschinengewehr in seinen Händen als störend auf so engem Raum, also warf er sie Rio zu, der sie reflexartig auffing und sich damit die Rouges vom Leib hielt. Der Jäger folgte seinem Ziel nach draußen. Sie sprang von dem kleinen Balkon, zu denen die Fenster geführt hatten und kam mit einem dumpfen Laut auf dem kalten Erdboden auf. Der Killer tat es ihr gleich, stellte sich dabei jedoch wesentlich geschickter an und landete vollkommen lautlos, wie ein Raubtier das jagt auf seine Beute machte. Die Frau hatte bereits die Beine in die Hand genommen; schien genau zu wissen, dass man sie verfolgte und trieb sich unermüdlich weiter, gefolgt von Hunter, der normalerweise auf subtilere Art jagte, doch er bezweifelte, dass er diesmal weit damit kommen würde. Sie – Mira, wenn das tatsächlich ihr richtiger Name war – war schnell, aber noch lange nicht so schnell wie Hunter es war. Sie war leichte Beute und auch der schwarze Mercedes, in den sie sich verkroch und auf das Gaspedal drückte, würde sie nicht vor ihm beschützen. Hunter sprang mit einer raubtierhaften Leichtigkeit auf das Autodach seines Opfers – fühlte sich wieder vollkommen als Auftragskiller – und störte sich nicht daran, dass die Fahrerin unermüdlich weiter raste und dabei alle Geschwindigkeitsbegrenzungen überschritt. Der Jäger ballte die Hand zur Faust und verbeulte das Autodach so lange, bis das Metall endlich nachgab und seine Hand durchbrach. Er könnte Miras erschrockenen Schrei hören, allerdings schien sie sich schnell wieder zu fangen und benutzte ihre Desert Eagle, um das Dach in Schweizer Käse zu verwandeln. Zwei Kugeln trafen Hunter in die Schulter, ehe er das Klicken vernahm, dass darauf hinwies, dass ihr die Munition ausgegangen war. Er sah seine Chance und zog das störende Metall vom Wagen, als wäre es aus Pappe. Der Jäger konnte den braunen Haarschopf endlich sehen, doch bevor er nach ihr greifen konnte, machte sie plötzlich eine Vollbremsung, so dass Hunter mit einem erschreckenden Krachen nach vorne und auf die Motorhaube geschleudert wurde, weil er sich geweigert hatte das Metall loszulassen. Er hörte ihr aufgeregtes Keuchen, dass von ihrem rasenden Herzschlag begleitet wurde und roch gleichzeitig ihren Duft nach Birnen und Lilien, der sich noch mit etwas anderem vermischte. Mit etwas bösem. Der Jäger versuchte sich aufzurichten. Sein Rücken schmerzte und er hatte sich eindeutig den linken Arm gebrochen, mal abgesehen davon dass das Blut, das ihm von seiner Stirn aus in die Augen rann, ihm die Sicht vernebelte. „Runter von meinem Wagen!“, schrie sie und drückte erneut auf das Gas. Aber Hunter war noch nicht fertig, zertrümmerte mit einem einzigen Schlag die Windschutzscheibe und wollte sie packen, doch wieder hatte er nicht damit gerechnet, dass sie das Lenkrad herumreißen würde und in diesem Augenblick genau durch das Gelände einer Brücke krachte. Das Auto mitsamt Fahrerin und Vampir, flogen in hohem Bogen in die Seine. Er konnte sehen, wie Mira mit dem Kopf an dem Lenkrad aufschlug und das Bewusstsein verlor, bevor dass tosende Wasser sie beide in die Tiefe riss. Der Fluss war trotz der warmen Jahreszeit eisig kalt und fühlte sich wie lauter kleiner Nadelstiche auf Hunters Haut an, als er dem Wagen nachtauchte, der in die Tiefe zu sinken drohte. Mit einem Ruck schaffte er es die Fahrertür aufzureißen und sich endlich der Frau zu bemächtigen, die ihm so viel Ärger bereitet hatte. Aber er wäre kein wahrer Jäger, wenn er sich von so etwas hätte aufhalten lassen. Obwohl Hunter höllische Schmerzen hatte, schaffte er es, sie beide aus dem Wasser zu bekommen und an Land zu bringen, wo er die Frau fürs erste ablud. Sie hatte viel Wasser geschluckt, aber ihr Herz schlug noch, was ein gutes Zeichen war. Er hatte gar nicht vorgehabt Mira umzubringen, selbst wenn sein Befehl so gelautet hätte. Die Neugier, die ihn seit jeher, als er sie aus seiner Vision erkannt hatte, gepackt hatte war einfach zu übermächtig, als dass er sie nun einfach hätte auslöschen können. Er musste unbedingt in Erfahrung bringen, was sie mit seiner Zukunft in Verbindung brachte. Er warf einen kurzen Blick auf die bewusstlose Frau und entschied, dass es wohl besser wäre, sie vorher von hier wegzubringen, bevor sie noch in ihren nassen Sachen erfror, doch Hunter spürte den näher kommenden Sonnenaufgang immer deutlicher und er bezweifelte, dass er es noch rechtzeitig in den Dunklen Hafen schaffte, in dem die Krieger abgestiegen waren. Der Jäger fluchte leise und hob die junge Frau hoch. Dann würden sie sich eben einen anderen Unterschlupf suchen müssen. Eine große Wahlmöglichkeit hatte er schließlich nicht. Hunter schaffte es gerade noch rechtzeitig in einem etwas abgelegenen Motel unterzutauchen, bevor die ersten Sonnenstrahlen auf die Straßen von Paris fielen und den nächsten Morgen ankündigten. Nicht wenige Leute hatten Hunter und Mira zu dieser frühen Uhrzeit bemerkt, jedoch hatte niemand gewagt den tropfnassen Vampir anzusprechen. Auch als ein Polizistenpärchen, an ihnen vorbeigefahren war, hatte man ihren Gesichtern ansehen können, dass sie sich mit Hunter lieber nicht anlegen wollten. Der Jäger machte sich nichts daraus. Er hatte sich schon längst an diesen Ausdruck gewöhnt, als dass er sich nun davon hätte provozieren lassen. In dem Motel bedurfte es Hunter lediglich einer kurzen mentalen Übernahme des Geistes des Besitzers und schon hatte er einen Zimmerschlüssel mit der Nummer 12 in seiner Hand, an dem eine kleinere Version einer Billardkugel befestigt war, die leise vor sich hin klimperte. Das kleine Zimmer, das weder geräumig noch staubfrei war, hatte zwei unbequem aussehende Betten, die mit dem Kopfende parallel zur Wand standen und ein kleines Badezimmer direkt gegenüber. Hunter legte Mira auf die Matratze, die näher an dem Fenster lag und benutzte die Decke des anderen Bettes dafür, das Zimmer Lichtundurchlässig zu machen, um sich vor den tödlichen UV-Sonnenstrahlen zu schützen, die jedem Vampir das Leben kosten konnte, wenn sie sich zu lange darin aufhielten. Und je kurzer sein Stammbaum war, desto besser vertrug er sie. Da Hunter allerdings ein Gen Eins war, reagierte er empfindlicher auf Sonnenlicht als die jüngeren Vampire. Anschließend, als das Zimmer endlich dunkel war, entledigte er sich seines nassen Mantels und dem schwarzen T-Shirt und warf sie auf den Tisch, der von seinen Sachen nun vollkommen verdeckt wurde. Innerlich wehrte sich Hunter dagegen, sich nun der Fremden zuwenden zu müssen, aber ihr Leben lag wohl nun mehr oder weniger in seiner Hand, und bevor er nicht wusste, wer sie war, würde er sie nicht gehen lassen können. Die Federn der Matratze knirschten unangenehm, als sich Hunter vorsichtig auf das Bett setzte und damit begann, Mira aus ihren Klamotten zu schälen. Auf ihren Rock und ihr Jackett folgten ihre Nylonstrümpfe, und als Hunter gerade dabei war ihr aus den Ärmeln ihrer roten Bluse zu helfen, bemerkte er etwas Merkwürdiges. Da klemmte ein Videoband in ihrem zitronenfarbenen BH. Hunter nahm das Band an sich und begutachtete das Stück. Absolut nutzlos. Es war vollkommen zerstört, nach dem kleinen Tauchgang im Fluss und zerfiel allmählich in seine Einzelteile. Der Jäger fragte sich, ob Mira deshalb in der Villa war, oder vielleicht sogar noch mehr dahinter steckte. Da das Video allerdings keine Hinweise mehr liefern konnte, landete es direkt in dem Mülleimer neben dem kleinen Nachttischchen. Der Jäger würde noch früh genug von seiner Gefangenen erfahren, was sie dort zu suchen hatte. Bevor sie in die Seine gestürzt waren, hatte Mira langes, glattes Haar, das im Mondlicht geschimmert hatte, doch nun war es wesentlich dunkler, fast schwarz, und wellte sich. Es lud praktisch dazu ein, daran zu ziehen und Hunter konnte einfach nicht wiederstehen, als seine Hand um eine Strähne zu wickeln. Er beugte sich tiefer zu ihr hinunter, nahm ihren Duft nach Birnen und Lilien auf und wanderte von ihrer zarten Schulter, zu ihrem köstlich aussehenden Hals, um schließlich von ihrem Kiefer zu ihren blassrosa Lippen zu gelangen. Nur noch wenige Zentimeter und er könnte ihren Mund auf seinem spüren; herausfinden, ob sie tatsächlich so eiskalt schmeckte, wie sie ihm vorkam. Sein ganzer Körper spannte sich an, die Bestie in ihm, die mehr Tier als Vampir war, kämpfte darum, die Zügel übernehmen zu dürfen, und dieser hilflosen Frau zeigen zu können, zu was Jäger fähig waren. Er könnte sie jederzeit nehmen und sie könnte nichts dagegen ausrichten, doch Hunter musste nur einen Blick auf die Brandnarbe werfen, die ihre rechte Gesichtshälfte zierte und schon hasste er sich für die Gedanken die er hatte. Er durfte ihr kein Leid zufügen. Innerhalb einer Sekunde stand er auf der anderen Seite des Zimmers und versuchte seine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Hunter hielt es für unklug, auch nur eine Sekunde länger in ihrer Nähe zu verbringen und verließ schleunigst das Zimmer – natürlich nicht bevor er sie mit Klebebandstreifen gefesselt hatte –, ehe er noch einen Fehler beging. Es handelte sich bestimmt nur um eine Kurzschlussreaktion bei ihm, wo er doch seit langer Zeit keinen Sex mehr gehabt hatte. Seit dem Austritt von Dragos Killerkommando, hatte Hunter großzügig auf körperliche Nähe verzichtet, weil er dabei noch immer an die schrecklichen Blutbäder erinnert wurde, als Menschen einzeln in eine Zelle voller ausgehungerter Jäger gesperrt worden waren und wie Puppen herumgereicht wurden, um ihre Gelüste stillen zu können. Hunter widerte sich selbst an, wenn er daran zurück dachte. Es würde nie mehr so weit kommen, dass hatte er sich noch an demselben Tag geschworen, als er sich selbst das Gelübde abgenommen hatte, die kleine Mira vor jedem Unglück zu bewahren. Aufgewühlt schritt der sonst so disziplinierte Jäger durch den Gang, direkt auf die Rezeption zu, hinter der noch immer der alte Mann mit glasigem Blick stand und darauf wartete, dass Hunter ihn von seiner Vampir-Hypnose befreite. „Wo ist ein Telefon?“, fragte Hunter, wobei sich jedes seiner Worte wie ein Knurren anhörte. „Nous n’avons pas un téléphone, monsieur. Mais, j’ai un téléphone cellulaire”, sagte der Mann mit rauer Stimme auf Französisch, aber wühlte in seiner Hosentasche, bis er ein kleines graues Handy hervorzog und auf den Tresen legte. Hunter wusste nicht was der Mann sagte, schließlich hatte er all die Jahre als Killer nicht damit zugebracht, verschiedene Fremdsprachen zu lernen, sondern fremde Leute abzumurksen. Allerdings konnte sich Hunter an einen Jäger erinnern, der durchaus eine Schwäche für Sprachen gehabt hatte und seine Freizeit gerne mit Büchern verbracht hatte. Nur kurze Zeit später wurde er auf Dragos Befehl hin von Hunter exekutiert. Dragos kannte kein Pardon. Entweder gehörten ihm die Leute ganz, oder eben gar nicht. Wobei letzteres immer ein tödliches Ende hatte. Hunter nahm sich einfach das Handy und tippte Rios Nummer ein. Es dauerte nicht lange, bis der Spanier mit lautem Fluchen abnahm. „Dios mio, wo zum Teufel steckst du, Hunter?!“ Der Jäger sagte es ihm, erwähnte jedoch Mira nicht, aber Rio war nicht dumm. Er merkte sehr wohl, dass Hunter etwas verschwieg. „Also gut, amigo, spuck’s schon aus. Was hast du ausgefressen?“ Hunter rieb sich den Nasenrücken und versuchte, die Worte so zu formulieren, dass es nur halb so verrückt klang wie es tatsächlich war. „Erinnerst du dich an die Frau, die auf uns geschossen hat und die ich hätte ausschalten sollen?“ Am anderen Ende der Leitung war es ruhig. Hunter konnte sich genau denken, wie sich die beiden Stammesbrüder gerade einen Bedeutungsschweren Blick zuwarfen. „Warum habe ich nur das blöde Gefühl, dass mir die Antwort nicht gefallen wird? Verflucht, Hunter, wegen ihr Stecken in meinem Bein mindestens drei Kugeln! Dylan wird dich umbringen!“ Hunter hatte keine Angst vor Rios Stammesgefährtin, aber er hatte bereits bemerkt, wie gefährlich sie werden konnten, wenn das was ihnen am liebsten war, verletzt wurde. Auch wenn Dylan nicht gerade die Stärkste war, so konnte sie doch schnell zur Furie werden, wenn Rio etwas passierte und darauf legte es Hunter nun wirklich nicht an. Außerdem hätte es weitaus schlimmer sein können, denn ursprünglich hatte Mira auf Rios Kopf gezielt. „Ich habe sie aus dem Wasser gezogen. Jetzt liegt sie in dem Motelzimmer und schläft. Ich werde mir den Tag einfach damit vertreiben, herauszufinden, warum sie in der Villa herumgeschnüffelt hat. Wenn nichts Brauchbares dabei herauskommt, werde ich einfach ihre Erinnerung löschen.“ „Alles klar. Mach das, und ruf sofort an, wenn du etwas Nützliches herausgefunden hast. Wir holen dich ab, sobald die Sonne untergegangen ist.“ „In Ordnung“, antwortete Hunter, wieder ganz der Jäger. „Und noch ein guter Rat von mir und Tegan, Kumpel: Pass bloß auf mit der Frau.“ Hunter fragte nicht nach, was der Vampir damit meinte und legte auf. Mira war ihm auf jede Art unterlegen, wovor sollte er sich also fürchten? Er legte das Handy wieder auf den Tresen und wandte sich dem alten Mann zu, der stramm wie ein Soldat dastand und eine Topfpflanze anstarrte. „Du wirst dich nicht an mich erinnern, nur daran, dass du mir einen Zimmerschlüssel gegeben hast und ich Bar bezahlt habe“, sagte Hunter und legte die Hand auf die faltige Stirn des Menschen. Der Mann blinzelte, seine Augen klärten sich langsam wieder und dann drehte er sich einfach um, als ob Hunter gar nicht anwesend wäre. Der Jäger wartete noch ein paar Sekunden, um sicher zu stellen, dass sich der Motelbesitzer ganz seiner Arbeit widmete und machte sich dann auf den Weg zurück ins Zimmer. Noch ehe Hunter die Tür öffnen konnte, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Seine Gefangene war aufgewacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)