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Vom Block ins Aus

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Machtspiele

Ich nahm an der kompletten Trainingseinheit teil. Aufwärmen, Ballführung, Angriff und Annahme. Erst dann kam das eigentliche Spiel. Das, worauf es im Endeffekt ankam, wenn ich beweisen wollte, was in mir steckte. Der wesentliche Unterschied zu unserem Schultraining: Es war wesentlich härter. Aber noch hatte ich nicht das Gefühl, dass ich nicht würde mithalten können. Trotzdem bewahrheitete sich, was ich während der Technikphase schon befürchtet hatte. Die Studenten nahmen mich nicht ernst. Besonders jener, der auf meiner Lieblingsposition spielte, dem linken Angriff. Er konnte höchstens zwei Jahre älter sein als ich, doch er spielte sich auf, als sei er schon in der Nationalmannschaft. Zu meinem Elend wurde ich seinem Team zugeteilt. Vermutlich hatte Sato schon gesehen - und gehört - dass wir aneinandergeraten würden, sobald der Raum zwischen uns weniger als eine halbe Halle betraf. Wollte er sehen, ob ich meine persönlichen Antipathien im Spiel ausblenden konnte? Nun, ich konnte. Aber würde der Riese das genau so? Hatte er zuvor nur Sprüche geklopft, legte er jetzt richtig los. Er ließ die anderen mich umspielen, sodass ich mich - die Augen auf den Ball gerichtet - bald fühlte wie ein Kreisel, der sich wieder und wieder um die eigene Achse drehte. Und wenn mich doch wie durch Zufall ein Ball erreichte, tat dieser Typ alles um ihn mir wegzunehmen. Ich wollte mich nicht mit im anlegen. Nicht vor Sato. Bis er mich, als mir wieder ein Ball zugespielt wurde, so hart zur Seite rammte, dass ich taumelte und nur mühsam einen Sturz verhindern konnte. Der Ball, den er spielte, ging ins Aus.

„Was soll denn das?", fuhr ich ihn wütend an. „Ich stand viel günstiger zum Ball. Wegen sowas verlieren wir Punkte!"

„Ist doch nur Training", gab er grinsend zurück. „Unser Training. Was hat ein Wurm wie du da auf dem Feld überhaupt zu suchen?"

Ein gellender Pfiff erklang. Alles wandte sich zu Sato um, dessen sonst so ausgeglichene Miene sich verdunkelt hatte.

„Takiyama! Masanori! Herkommen!", rief er. Der Riese funkelte mich an.

„Super gemacht, Wurm", zischte er. Ich hielt seinem Blick eine Weile stand, dann - wie in gegenseitigem Einverständnis - wandten wir gleichzeitig den Blick ab. Unentschieden. Wir trabten zu Sato.

„Takiyama, wenn du so weiter machst, nehme ich dich vom Platz und im nächsten Spiel sitzt du auf der Bank! Dein Egoismus hat auf dem Feld nichts zu suchen. Masanori hat für dich ein Mannschaftskamerad zu sein, wie jeder andere auch!"

„Sie lassen mich nicht auf der Bank sitzen", sagte Takiyama kühn. Doch in seiner Stimme schwang eine Spur Unsicherheit mit, die nur bemerkte, wer ganz genau hinhörte.

„Willst du es wirklich darauf ankommen lassen?", fragte der Coach lauernd. Und da knickte Takiyama ein. Er senkte den Blick und murmelte: „Tut mir leid, Coach."

„Was hast du gesagt?", fragte dieser in einem Ton, der klarmachte, dass er sehr wohl verstanden hatte.

„Tut mir leid, Coach", wiederholte der Riese ein wenig lauter.

„Sag das nicht mir, sondern Masanori", forderte Sato.

Ich könnte hören, wie der Student mit den Zähnen knirschte. Auf seinem Gesicht mischten sich die Aggression gegen mich, der Respekt vor Sato und die Angst vor der angedrohten Konsequenz. Aber verstehen konnte ich seine Feindseligkeit gegen mich immer noch nicht.

„Das ist nicht", begann ich abwehrend. Die ganze Situation war mir äußerst peinlich.

„Doch, das ist nötig", unterbrach mich der Trainer. „Also?"

„Entschuldige bitte", murmelte Takiyama nun in meine Richtung.

„Schon ok", gab ich zurück.

„Reicht euch die Hände und dann Abmarsch zurück in die Mannschaft", befahl Sato.

Ich befürchtete schon, dass Takiyama versuchen würde, mir die Finger zu zerquetschen. Zu meiner Überraschung tat er es nicht. Sein Händedruck war fest, aber nicht unangenehm. Fast schon freundschaftlich. Ebenso wie mein eigener. Nebeneinander liefen wir zurück auf das Spielfeld und nahmen unsere Positionen ein. Nun stand für mich außer Frage, dass Takiyama unter den Spielern das Sagen hatte. Da er aufgehört hatte, mich auf dem Feld zu schikanieren, taten es auch die anderen und endlich konnte ich mein Potential wirklich entfalten. Das Spiel wurde ausgeglichener, schneller - richtig gut. Mit diesen Spielern zu trainieren war eine ganz andere Welt. Selten hatte ich jemanden getroffen - geschweige den mit ihm gespielt - der besser war als ich. Und hier war es eine ganze Handvoll. Trotzdem ging ich zwischen all diesen Talenten nicht unter und das machte mir Hoffnung. Takiyama war ohne Zweifel der beste von ihnen. Aber Mannschaftskapitän war er nicht. Sondern einer des gegnerischen Teams namens Koshiba. Mich wunderte das nicht. Jemanden mit Takiyamas Temperament und Egoismus hätte ich auch nicht zum Captain gemacht. Sato ließ mich auf allen möglichen Positionen spielen. Zum Schluss auch im linken Angriff, wobei Takiyama den Steller spielte. Seine Pässe waren perfekt. Als hätten wir schon immer zusammen trainiert stellte er mir genau die Bälle zu, die ich brauchte um sie in meine besten Angriffsschläge zu verwandeln. Es war eine Freude zu sehen, wie die gegnerische Annahme damit zu kämpfen hatte.

Schließlich pfiff Sato das Spiel ab und erklärte die Trainingseinheit für beendet. Erst jetzt merkte ich, wie der Schweiß mir in Strömen den Körper hinunterlief. Wie sehr das Training geschlaucht hatte. Die Hände auf die Oberschenkel gestützt versuchte ich, durchzuatmen.

„Hey, Masanori", Das war Takiyamas Stimme. Ich blickte auf und war überrascht zu sehen, dass er mir meine Flasche entgegenhielt. Dankbar nahm ich sie und trank in tiefen Zügen. Noch während ich trank, sagte er: „Dein Spiel - nicht übel für einen Wurm. Ganz und gar nicht übel."

Er lächelte, als er mir auch noch mein Handtuch reichte. Es war das erste wirkliche Lächeln, dass ich von ihm sah.

„Los komm mit", sagte er, wobei er mir winkte, ihm zu folgen. „Ab unter die Dusche."

„Masanori." Sato stoppte mich. „Komm doch bitte, wenn du fertig bist, ins Trainerbüro, damit wir über deine Leistung sprechen können."

Ich nickte und rannte zu den Umkleiden, wo ich mich meiner durchgeschwitzten Sachen entledigte.

Ich konnte die Studenten unter der Dusche lachen und schwatzen hören. Sie diskutierten das Training aus.

„War ja doch ein bisschen lahm heute, oder?"

„Ich habe den Eindruck, Sato wollte den Kleinen schonen", pflichtete ein anderer bei.

„Wer ist der eigentlich?"

Sie schienen nicht bemerkt zu haben, dass ich Raum betreten und ihre Kommentare gehört hatte. Ich spürte, wie ich bis zum Haaransatz rot anlief. So wollte ich den Studenten nicht unter die Augen treten.

„Jetzt macht aber mal ‘nen Punkt!", fuhr eine Stimme dazwischen, von der ich wusste, dass es Takiyama war. Er verteidigte mich? Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. „Am Anfang dachte ich ja auch, er sei ein unfähiges Würmchen. Wie sie sonst hier reinkommen. Ihr wisst schon: Reicher Daddy, ein bisschen Ballführungstechnik ... Aber dieser Youichi Masanori hat wirklich Talent. Wenn er mit öfter mit uns trainieren würde, könnte er locker mithalten."

„Du bist komisch", sagte ein anderer Student, der bis dato geschwiegen hatte. „Erst machst du den Kleinen fertig und jetzt springst du für ihn in die Bresche?"

„Du weißt, wie ich bin, Koshiba", gab Takiyama zurück. „Ich brauche bei neuen immer eine Weile. Aber du kannst nicht abstreiten, dass ich ein Talent anerkenne, wenn ich es sehe."

„Ja, nach einer Weile", stimmte Koshiba zu.

Ich hoffte, dass mein Gesicht inzwischen wieder seine normale Farbe angenommen hatte, denn ich wollte nicht länger in der Umkleide stehen und lauschen. Ich atmete tief durch, lächelte freundlich, als ich mich unter eine freie Dusche stellte und tat, als hätte ich kein Wort mitbekommen. Sofort begann einer von ihnen mit einem völlig anderen Thema: „Weiß jemand von euch, wann die Juravorlesung anfängt?"

„Oh, Junge", stöhnten einige Mannschaftskameraden. Koshiba lachte gutmütig: „Du wirst deinen Stundenplan wohl nie lernen, was?"

„Nie", bestätigte der Vergessliche und lächelte verlegen.

Obwohl ich der letzte unter der Dusche war, war ich doch am schnellsten fertig. Mein Haar rubbelte ich nur notdürftig ab und als ich aus der Umkleidekabine stürmte hing mir noch ein Hemdzipfel aus der Hose. So sehr brannte ich auf die Meinung von Kogoro Sato. Doch als ich vor dem Trainerbüro stand, die Hand zum Anklopfen schon erhoben, hielt ich inne. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich konnte hören, wie Vater drinnen auf Herrn Sato einredete. Doch ich konnte kein Wort verstehen. Ruhig atmen, Youichi, sagte ich mir immer wieder vor. Du warst gut, nachdem Takiyama dich gelassen hat, oder etwa nicht? Zögerlich klopfte ich endlich an. Auf Satos „Herein", das wie vom Band abgespult klang, betrat ich das Büro.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Inan
2010-07-06T23:14:30+00:00 07.07.2010 01:14
Der neue hat bestimmt schwierige Familienverhältnisse oder so, niemand ist ohne grund ein eisklotz xD
Tollige FF^^
Von: abgemeldet
2010-07-04T10:55:26+00:00 04.07.2010 12:55
hallöchen!
tja, da hat der kleine sich wohl zu früh gefreut, von wegen, er könne locker mithalten ;) hab ja fast erwartet, unter der dusche passiert noch was ;p
naja, abwarten... ô.o
freu mich aufs nächste! :D
Jeeeeezy <3


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