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Vom Block ins Aus

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Überraschungen

Mein Vater antwortete nicht. Er starrte hinaus auf die Straße, als fordere die leere Allee seine ganze Konzentration. Ich beobachtete seine unbewegte Miene. Wartete auf irgendeine sichtbare Reaktion. Ich wartete umsonst.

„Vater, sprich mit mir", verlangte ich. Unbehagen und Zorn stiegen in mir auf. Wie konnte er so ungerührt da sitzen? Wie konnte er mich einfach ignorieren? Ich machte einen letzten Versuch und sagte flehentlich: „Bitte."

Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht, doch ich vermochte nicht zu deuten, welche Gefühlsregung sich dahinter verbarg. Die Hoffnung, dass er auf dieser Fahrt auch nur ein Wort mit mir sprechen und sein Verhalten erklären würde, schwand dahin. Betrübt wandte sich mein Blick dem Seitenfenster zu. Die Bäume, an denen wir vorüberfuhren, nahm ich nur am Rande wahr. Dann, ganz plötzlich, fiel mir etwas auf, das mich förmlich zusammenfahren ließ: Dies war nicht die Strecke zum Krankenhaus! Auch nicht der Weg nach Hause. Fassungslos starrte ich aus dem Fenster.

„Vater, wohin fahren wir?", fragte ich alarmiert. Ich konnte mir nicht helfen - das Verhalten meines Vaters begann mir Angst zu machen Ich fühlte mich ... ausgeliefert. „Wo bringst du mich hin?"

Noch eine ganze Weile wartete ich auf eine Antwort. Dann bequemte sich mein Vater, mich aufzuklären: „Zur Universität."

„Was?"

„Zur Universität", wiederholte mein Vater, als ob ich begriffsstutzig wäre. „Der Coach der Volleyballmannschaft hat mich heute Vormittag informiert, dass er dich gern spielen sehen will. Er möchte sehen, wie du dich in eine fremde Mannschaft integrieren kannst. Deine Sporttasche liegt im Kofferraum."

„Wie bitte? Vater, das kann nicht dein Ernst sein!" Ich schrie beinahe. „Ich bin in der Schule zu-sam-men-ge-bro-chen. Wie kannst du da wollen, dass ich ein Testspiel mache?"

„Youichi, was bist du?", fragte er ärgerlich. „Ein Mann oder ein Milchmädchen? Du wirst dieses Testspiel machen und du wirst dein bestes geben! Weißt du eigentlich, welche Ehre es wäre, an dieser Universität ein Stipendium zu bekommen? Wenn du da anfängst, ist dir an Platz in der Nationalmannschaft förmlich schon reserviert!"

Mir fehlten die Worte. War ihm denn meine Gesundheit völlig egal?

„Das kannst du doch einfach nicht ernst meinen", murmelte ich. „Das kann nicht dein Ernst sein."

„Es ist mein voller Ernst", erwiderte er. „Ich sage es dir noch einmal: Du wirst spielen, sonst ..."

„Sonst was", unterbrach ich ihn aufgebracht. Ich konnte mich einfach nicht länger beherrschen. „Bin ich dann nicht länger dein Sohn? Verstößt du mich aus der Familie? Behandelst du mich dann mit der gleichen Kälte, mit der du Mutter behandelst?" Zu meiner eigenen Schande spürte ich Tränen der Wut in mir aufsteigen und hoffte inständig, dass der Mann neben mir sie nicht bemerken würde.

„So sprichst du nicht mit deinem Vater!", schrie er mich an und ich erwartete fast, dass er ausholen und mir eine schallende Ohrfeige verpassen würde. Doch natürlich tat er das nicht. Er warf mir einen Blick zu, der mich wieder sechs Jahre alt werden ließ, einen Blick, dem ich nicht standhalten konnte. Blitze schienen aus seinen Augen zu sprühen. So durfte man nicht mit seinem Vater reden, wenn man wollte, dass er einem seine Liebe zeigte. Ich fühlte mich, als sei ich wieder der kleine Youichi, der sich nichts anderes wünschte, als seinem Vater ein guter Sohn zu sein. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann rannte ich auch heute noch seiner Zuneigung hinterher. Fast körperlich spürte ich, wie mein Widerstand brach und dem Gefühl von Resignation Platz machte. Natürlich würde ich aufs Feld gehen und alles aus mir herausholen, um das Stipendium zu bekommen. Natürlich wusste ich, wie entscheidend diese Uni für mein Leben sein könnte. Dort aufgenommen zu werden, gehörte zu meinen erklärten Zielen. Sie war mein großer Traum und jetzt, da mein Vater sich für mich eingesetzt hatte, war er zum Greifen nah. Ich musste lediglich ein sauberes Testspiel abliefern. Als guter Sohn sollte ich mich freuen und Dankbarkeit zeigen, dass mein Vater mir diese Chance ermöglichte. Doch ich konnte es nicht. Die Umstände waren einfach zu bizarr. Schlechte Vorraussetzungen für das, was vor mir lag.

Als mein Vater erkannte, dass mein Widerstand gebrochen war, fand er zu seiner üblichen Abgeklärtheit zurück. Im Plauderton begann er, Spielzüge und Taktiken aufzuzählen, die ich bei dem Coach unbedingt demonstrieren müsse, doch ich hörte ihm überhaupt nicht mehr zu, sondern versuchte mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren. Es war, als hätte ich in meinem Kopf einen Schalter umgelegt. Zorn, Wut, Enttäuschung - das alles blendete ich aus. Negative Gefühle hatten auf dem Volleyballfeld nichts zu suchen. Sie störten nur die Konzentration.

Als wir die Universität erreichten, schickte mein Vater mich ohne Umschweife in die Umkleidekabine. Er sagte, dass er den Coach über unsere Ankunft benachrichtigen würde. Ich solle mich nicht von den Studenten - oder schlimmer: Studentinnen - ablenken lassen. Allerdings war schon die Universität für sich eine Ablenkung. Das Gebäude war so gigantisch, dass mir fast die Kinnlade herunterfiel, als ich aus dem Wagen stieg. Mein Vater musste mir den Ellbogen in die Seite stoßen, damit ich mich aus meiner beeindruckten Starre löste und ihm meine Tasche abnahm.

„Reiß dich zusammen", befahl er. „Schließlich geht es hier um deine Zukunft. Spiele sauber und beweise deinen taktischen Einfallsreichtum auf dem Platz. Und denk an die lange Diagonale, die ist dein Trumpf. Das muss der Coach sehen!"

„Ich weiß", gab ich zurück, wobei es mir irgendwie gelang, den genervten Unterton aus meiner Stimme zu verdrängen.

Die Umkleide war leer als ich sie betrat. Die Uni-Spieler mussten schon in der Halle sein. Was den Sportsektor - insbesondere Volleyball - betraf, war diese Universität eine der besten in ganz Japan. Eine Halle wie diese hatte ich bisher nur im Fernsehen gesehen. Während ich mich umzog, spürte ich, wie sich ein Kribbeln in meinem Körper ausbreitete, wie vor einem wichtigen Match. Ich ließ mir mehr Zeit als gewöhnlich um mich mental auf darauf vorzubereiten. Noch einmal atmete ich tief durch, dann verließ ich die Umkleidekabine und ging in die Halle. Wie vermutet waren die anderen Spieler bereits dort und wärmten sich auf. Sie waren fast alle größer als ich, obwohl ich mit meinen 1,80 m nicht gerade klein war. Ziemlich einschüchternd. In der Mitte der Halle stand mein Vater bei einem Mann, den ich als den Coach erkannte. Kogoro Sato war eine Legende. Früher hatte er selbst in der Nationalmannschaft gespielt, aber nach einer schweren Knieverletzung hatte er schließlich aufhören müssen. Verträge und Angebote als Trainer großer Vereine hatte er abgelehnt um Lehrer zu werden und ein ruhiges Leben zu führen. Damals war er 28 Jahre alt gewesen und die Universität, an der er anfing, eine x-beliebige. Heute war er fast 60 und hatte die Uni weit nach vorn gebracht. Das ich nun mit diesem Mann zusammentraf, glich einem Traum!

Ich lief zu den beiden herüber, grüßte höflich und musste mich bemühen, den Coach nicht allzu offenkundig anzustarren.

„Youichi Masanori", begann Sato. „Ich habe dein letztes Spiel verfolgt. Nicht von schlechten Eltern - aber durchaus noch ausbaufähig. Mach dich mit den anderen warm und dann sehen wir, was du drauf hast."



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-06-26T10:13:36+00:00 26.06.2010 12:13
was sind das für japaner??? wo der kleiste 1,80 groß ist? xD
bin gespannt, wie das spiel verläuft :)
love greetings :D
Jeezy
Von:  chaos-kao
2010-06-23T20:51:27+00:00 23.06.2010 22:51
Hey ^^

Sein Vater hat ja wohl echt den A***h offen! >< So ein arrogantes, selbstverliebtes Arschloch! Der will doch nur, dass sein Sohn den Erfolg hat, den er selber nie in dieser Weise haben wird. ><

Armer Youichi ...

Aber gute Autorin ;) Super Kapitel mal wieder! ^^

Lg
KaNi


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