Sommer, Sonne und geschmolzene Schokolade von Nate_River ================================================================================ Kapitel 5: Flugangst und Trostpflasterchen ------------------------------------------ Kapitel 4: Flugangst und Trostpflasterchen "Werte Fluggäste, wir heißen Sie herzlich Willkommen am Airport von London City. Der nächste Flug London-Berlin startet in 5 Minuten um genau 10.45 Uhr. Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Tag und eine gute Reise." "Hach, ich liebe es zu reisen!", rief L und atmete tief ein. Er drehte sich einmal im Kreis und betrachtete zufrieden das Getümmel rund um die kleine Gruppe. Matt und Mello währenddessen sahen L mit hochgezogen Augenbrauen an. Ein Blick zueinander sagte mehr als tausend Worte. Dass sie normalerweise L nur als im Haus hockenden Kerl kannten, widersprach ganz dem, wie er sich jetzt gab. Aber wann war L schon normal? "L, wie lange haben wir noch bis unser Flug geht?", fragte Matt und schob seine Fliegerbrille zurecht. "Unser Flug geht genau um 11.15 Uhr. Das heißt, wir haben noch eine halbe Stunde. Und unser Checkpoint ist die Nummer 4." Mello stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Menge um ihn herum zu überblicken. "Checkpoint 1, 2 .... und da ist die 4!" "Wenn wir uns jetzt innerhalb der dreißig Minuten dummerweise aus den Augen verlieren, dann findet ihr euch dort ein und wartet dort", sagte L und sah sie eingehend an. Auf einmal stockte sein Blick und er begann, sich mit verwirrter Miene umzuschauen. "Mello ist hier", murmelte er. "Matt ist auch hier." Er hielt an und sein Finger wanderte unwillkürlich zu seinem Mund und schob die Lippen herum. "L ist auch hier", sagte er nun laut. In diesem Moment weiteten sich Mellos Augen und er riss erschrocken den Mund auf. "Wo ist Near?", rief er. "Wir müssen ihn verloren haben", schlussfolgerte L. "Ihn wieder zu finden, wird nicht schwer!", sagte Matt und lachte. "Wir suchen einfach einen kleinen, weißen Punkt in der Menge." "Aber...-", setzte L an, doch er wurde von Mello harsch unterbrochen. "Matt! Das würde normalerweise gehen, aber Near hat sich vorhin Ls Jacke ausgeliehen!" "Und die ist schwarz", fügte L hinzu. Matt sah Mello beleidigt an. "Ich merk mir doch nicht alles! Ich pass doch nicht auf den Kerl auf!" "Wir müssen ihn suchen", sagte L und sein Blick beobachtete die beiden Jungen scharf. "Am besten, wir teilen uns auf... Ich werde Near an der Information ausrufen lassen. Und ihr geht uns einchecken, damit nachher keine Hektik entsteht." Matt und Mello nickten bejahend und schon trennten sich die drei. "Vielen Dank. Euer Flug geht in fünfundzwanzig Minuten. Einen schönen Tag noch." Die Flughafenangestellte gab Matt die vier Flugtickets zurück, die nun abgestrichen waren. Die beiden setzten sich ein paar Meter vom Checkpoint entfernt auf eine Bankreihe und streckten die Beine aus. Matt war in letzter Zeit ziemlich gewachsen. Seine Beine waren eine handbreit länger als Mellos. Mello betrachtete Matt eher beiläufig, während ihm dies auffiel. Sein Blick schweifte umher als er plötzlich etwas Weißes in der Menge aufblitzen sah, während es hinter der Tür mit der Aufschrift WC verschwand. Mellos Herz machte einen Hüpfer, doch er bemühte sich, es sich nicht anmerken zu lassen. "Du, Matt", sagte er und stemmte sich auf. "Ich müsste mal. Ich bin gleich wieder da." Matt winkte nur mit einer Hand, seine Augen waren auf seinen Gameboy fixiert. Mit ein paar Schritten war Mello an den WCs angelangt und ging hinein. Trotz des normalen Andrangs auf dem Flughafen war es auf dem Männer-WC ziemlich ruhig. Mello schlenderte durch den Waschbeckenraum zu den Toilettenkabinen. Einem inneren Instinkt folgend ging er zur hintersten Kabine. Sie war nicht abgesperrt. Mir einer leichten Handbewegung stieß er die Kabinentür auf. "Was glaubst du eigentlich, was du hier machst?", sagte Mello und sah Near ärgerlich an. Der weißhaarige Junge hockte auf dem heruntergeklappten Toilettendeckel und mit seinen verschrenkten Armen hielt er ein Plüschtier umklammert. Erst jetzt bemerkte Mello, dass Near blass war... Nun ja, dachte Mello, blasser als sonst. "Was ist denn?", fragte Mello und blickte Near prüfend an. Near schluckte schwer, bevor er antwortete. "Ich...ich..." Mello konnte nicht auf eine Antwort warten. Matt und L konnten auch nicht mehr lange auf sie warten. "Komm jetzt! Unser Flug geht in einer viertel Stunde." Mello packte Near am Arm und zog ihn aus der Toilettenkabine. Kaum stand Near auf seinen Beinen, knickte er ein und stieß gegen Mello. "Was ist denn los mit dir, Near?", rief Mello und ergriff Nears Schultern. "Zitterst du?" Near schien wie Espenlaub in seinen Händen. Doch sein Atem ging ungewöhnlich ruhig und langsam. Mello kam ein unglaublicher Gedanke. "Sag mal, Near, hast du etwa Flugangst?" Der weißhaarige Junge zuckte erschrocken zusammen. "Ich... ich bin noch nie geflogen",murmelte er und vermied es, Mello in die Augen zu schauen. Mello stöhnte und verdrehte die Augen. "Warum hast du nichts gesagt? Dagegen kann man etwas machen!" Near schaute immer noch an Mello vorbei und seine Hände krallten sich zitternd in das Fell seines Plüschtieres. Uns geht langsam die Zeit aus, dachte Mello und überlegte fieberhaft nach einer Lösung für dieses Problem. Near dachte bestimmt die ganze Zeit nur an den Flug und konnte somit seine Angst nicht abbauen... Also muss man ihn ablenken, schlussfolgerte Mello und nickte zustimmend. Near ablenken... das konnte Mello am besten! Ohne zu zögern packte Mello Nears Schultern fester und drückte den Jungen gegen die gekachelte Wand. Near riss erschrocken die Augen auf und starrte Mello an. "Mello? Was...-?" Die Worte gingen in Mellos Lippen zu Grunde, die sich in diesem Augenblick auf seine legten. Obwohl er bis gerade eben noch nur noch Angst gespürt hatte, breitete sich nun eine angenehme Hitze in ihm aus. Mellos Lippen waren unglaublich drängend und Near begann nach Luft zu lechzen. "Mello-", murmelte er, doch sofort schloss der blondhaarige Junge ihm den Mund mit dem seinen. Nears Zittern wandelte sich rasch in Schaudern um; seine Hände ließen das Plüschtier fallen und schlossen sich um Mellos Nacken. Nur schwer konnte sich Mello von Near reißen. Sein Herz raste so sehr, dass er befürchtete, es würde ihm aus der Brust springen. Beide Jungen schnappten nach Luft. Mello betrachtete Nears Gesicht, auf dem sich nun eine gesunde Röte ausgebreitet hatte. Seine Augen waren zwar noch etwas glasig, doch sein Geist war wieder wach. "Komm, wir müssen los", murmelte Mello und hob das Plüschtier auf. Er drückte es Near in die eine Hand, ergriff die andere und zog ihn mit sich. Near folgte ihm ohne Zaudern. Im Laufen murmelte Near so leise, dass Mello es kaum hören konnte: "Danke." Mello ärgerte sich über sich selbst als er merkte, wie er rot anlief. "Es war auch mir eine Freude", sagte er mit belegter Stimme. "Und das nächste Mal sagst du mir gleich, wenn etwas mit dir ist... Ich habe mir Sorgen gemacht." Mello konnte es nicht sehen, doch auf Nears Gesicht breitete sich ein kleines Lächeln aus. Der Flug 136 um 11.15 Uhr war voll belegt. Doch in der ersten Klasse war es trotz allem noch ruhig. Dort saßen nur eine Gruppe von Geschäftsmännern in schwarzen Anzüge mit roten Krawatten, eine Frau mittleren Alters in einem dunkelgrünen Kostüm und die vierköpfige Truppe des Wammys. Mello genoss den Luxus, der ihm auf Grund von Ls Gegenwart geboten wurde. Sein Sitz war schön groß und er hatte sogar einen ausklappbaren Tisch und einen Flachbildschirm im Sitz vor ihm- der gut einen halben Meter entfernt war und somit Mellos Beinen genug Freiraum bot. Während er die Folie von einer Tafel Schokolade entfernte und sich anschließend einen großen Bissen gönnte, ließ er den Blick schweifen. Rechts von ihm saß Matt. Der Flug hatte kaum begonnen und schon hatte der rothaarige Junge wieder seine PSP in den Händen. Über den Bildschirm der tragbaren Konsole flimmerte gerade das Spiel Loco Roco. Links von Mello hatte sich L in den Sitz hineingehockt; seine Beine ragten hoch und auf ihnen ruhten seine schlanken Hände, die gerade eine Tüte Gummibärchen umklammert hielten. Neben L, auf dem äußersten Platz der Reihe, saß Near. Wie gewohnt hatte er sein linkes Bein bis zu seinem Kopf hochgezogen und seine Hand auf das Knie gelegt. In seinen Armen hielt er erstens einen blauen Roboter mit roten Armen und Füßen und gelben Augen und zweitens das Plüschtier von vorhin. Auf dem ausgeklappten Tisch vor ihm lagen eine weiße Puzzleschachtel und ein gelöster Zauberwürfel. Mello seufzte und leckte gelangweilt an seiner Schokolade. Eine Weile schaute er an Matt vorbei aus dem Fenster, doch außer Wolken und hin und wieder blauem Himmel konnte er nichts Interessantes entdecken. "Ist dir langweilig, Mello?", ertönte plötzlich Ls Stimme ganz nah an seinem Ohr. Mello schreckte zusammen und drehte sich zu L um, dessen Gesicht keine handbreit von seinem entfernt war. "Ja, ein wenig schon", erwiderte er. "Wie lange wird denn der Flug dauern?" L antwortete nicht sofort. Sein Blick wanderte in die Ferne und für eine knappe halbe Minute herrschte Stille. Schließlich sagte er: "Noch etwa 5 Stunden." Mellos Augen huschten zu dem Display seiner Armbanduhr. Es war gerade einmal 11.47 Uhr. Der blondhaarige Junge ließ den Kopf nach hinten gegen die Lehne fallen und schloss genervt die Augen. Mello lauschte nun schon seit einer halben Stunde dem Geklapper von Matts PSP-Tasten. Hin und wieder hörte er auch links von sich ein leises Knistern und Rascheln, wenn L seine Finger in die Gummibärchentüte wandern ließ. Nur von Near kam kein Mucks. In diesem Moment machte sich ein bekanntes Gefühl in Mellos Unterleib bemerkbar. Seufzend erhob er sich und schob sich erst an L und dann an Near vorbei. Ihre Blicke streiften sich für einen kurzen Moment, doch sofort heftete der weißhaarige Junge seine Aufmerksamkeit wieder an den Zauberwürfel, den er nun schon zum siebten Mal bearbeitete. Die Flugzeugtoilette lag am anderen Ende des Ganges und so machte sich Mello auf den Weg an den anderen Fluggästen vorbei. Die in schwarze Anzüge gehüllten Geschäftsmännern unterhielten sich gedämpft, doch hitzig über den Börsenkurs, der in den letzten Wochen Achterbahn gefahren war. Die Frau, die abseits für sich saß, beachtete Mello genauso wenig wie die Männer. Auf dem Kopf saß ihr ein Köpfhörerbügel und ihre Augen waren geschlossen. Mello fragte sich, ob L nicht einen Privatjet besaß, während er die Tür der Flugzeugtoilette hinter sich schloss und verriegelte. Nachdem er sein Bedürfnis befriedigt hatte, wusch sich Mello die Hände, griff nach der neuen Tafel Schokolade, die er auf den Rand des Waschbeckens gelegt hatte und riss sie heftig auf. "Autsch!" Mit knirschenden Zähnen betrachtete Mello seinen rechten Zeigefinger, aus dem tiefrotes Blut quoll; er hatte sich an dem Silberpapier geschnitten. Das passierte ihm normalerweise nie, doch nun war es nicht mehr rückgängig zu machen. Rasch hielt er seinen Finger kurz unter fließendes Wasser und verließ dann die Toilette. An seinem Platz angekommen besah er sich noch einmal seinen Finger. Der Schnitt war ziemlich tief und brannte, doch die Blutung hatte bereits aufgehört. "Mello? Hast du dir weh getan?" Matts Augen lagen auf seinem Finger. "Sieht schlimm aus." "Ach, es geht schon. Ist nur ein Kratzer." "Vielleicht solltest du trotzdem ein Pflaster drauf machen." Ohne auf eine Erwiderung von Mellos Seite zu warten, fing Matt an, unter seinem Sitz zu wühlen. Mello hörte es mehrere Male rascheln und knistern. "Ich hab einen kleinen Erste-Hilfe-Koffer unter meinem Sitz gefunden. Hier sind auch Pflaster", sagte Matt während er sich wieder gerade hinsetzte. In der Hand hielt er ein kleines Pflaster. Er entfernte die Schutzfolie, nahm Mellos Hand in seine und klebte das Pflaster über die Schnittwunde. "Ich hatte dich zwar nicht darum gebeten, Matt, aber ich danke dir trotzdem", sagte Mello und blickte sein Gegenüber erstaunt an. "Das ist wirklich besser so." "Wusste ich es doch!", erwiderte Matt und grinste. "Mach das Pflaster aber bald wieder ab, damit Luft an die Wunde kommt. Dann heilt sie besser." "Danke", sagte Mello noch einmal und lächelte. Unvermittelt bemerkte Mello, dass Matts Wangen leicht rosa angelaufen waren. Doch der Junge widmete sich prompt wieder seiner PSP und ließ seine Finger über die Tasten rasen. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, verspürte Mello das komische Gefühl, beobachtet zu werden. Verwirrt wandte er sich um und sah direkt in Nears weitgeöffnete Augen, die ihn an L vorbei anschauten. Als Near sich ertappt sah, lief er rot an und schwenkte hastig den Kopf in die entgegengesetzte Richtung. "Was zum...?", murmelte Mello verdattert. Konnte es gerade wirklich gewesen sein...? War Near... etwa... eifersüchtig? Miesfiel ihm Matts nette Geste? Ohne genau zu wissen warum, breitete sich auf Mellos Gesicht ein kleines Grinsen aus. Er schloss die Augen und lehnte seinen Kopf an den Sitz. Eines war er sich sicher: Dieser Urlaub würde noch sehr gut werden! Unbemerkt von all den anderen ließ L ein weiteres Gummibärchen in seinem Mund verschwinden, der sich ebenfalls zu einem Grinsen gewandelt hatte. Innerlich lachte er leise. Also hatte ich doch Recht, dachte L zufrieden. Doch etwas Unangenehmes hatte diese Situation schon irgendwie: Die Tüte mit den Gummibärchen war alle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)