Wurmlöcher von Kiajira ================================================================================ Kapitel 28: Mosaik ------------------ 28 - Mosaik Hermine wusste nicht recht, warum, doch sie blieb. Nun ja, mal abgesehen von den Duellen mit Tom, die ihr wirklich Spaß machten. Ihr machte es nichts aus, gegen ihn zu verlieren. Es war klar, dass sie ihn nicht schlagen konnte, aber das störte sie nicht, solange Tom sie nicht in Grund und Boden stampfte, sondern sich augenscheinlich ihr anpasste und auch Spaß an der Sache zu haben schien. Vielleicht wollte sie nicht wieder zurück. Zurück in eine Welt, die in Trümmern lag. Hier war sie abgeschnitten von allem, was sie am liebsten verdrängen würde. Es war feige. Doch auch diesen Gedanken verdrängte sie. Das würde nicht lange gut gehen, das wusste sie, doch noch waren die Schmerzen zu frisch, um neue, zusätzliche Schmerzen ertragen zu können. Drei Tage lang duellierte sie sich nach dem Frühstück mit Tom und verbrachte den Rest des Tages entweder an Dracos See oder in ihrem Zimmer mit einem Stapel Bücher, die Tom ihr ausgeliehen hatte. Außer ihm sprach keiner mit ihr. Snape ging ihr aus dem Weg. Nur einmal hatte sie Draco an seinem See getroffen, doch sie hatten sich nicht unterhalten, sondern schweigend beide eine Weile Steine über das Wasser springen lassen, bevor sie ebenso schweigend zusammen in den Speisesaal zum Essen gegangen waren. Das Essen allerdings war eine Sache, die Hermine relativ schnell verabscheuen gelernt hatte. Hier sah sie Snape fast jedes Mal, und so sehr, wie er ihr sonst auswich, so sehr trieben seine Blicke sie hier in den Wahnsinn. Draco hatte Recht gehabt – in diesem Saal gab es immer jemanden, der zuhörte – egal, ob er sollte oder nicht. Tom hatte das ein oder andere Mal ein Gespräch mit Hermine anfangen wollen, doch bei Snapes deutlich zu interessiertem Blick hatte sie es nie gewagt, darauf einzugehen. Himmel, er könnte wenigstens etwas weniger offensichtlich versuchen zu lauschen! Während des Abendessens nach dem dritten so verbrachten Tag wandte Hermine aus einem Impuls heraus nicht wie sonst den Blick ab, als Snape sie musterte, sondern betrachtete ihn nachdenklich. So offensichtlich zu lauschen, und das tagelang, passte definitiv nicht zu ihm. Wenn er ernsthaft etwas hätte erfahren wollen, fiel ihr mit einem Mal auf, dann hätte Hermine nicht bemerkt, dass er gelauscht hätte. Das wiederum konnte nur bedeuten, dass er bemerkt werden wollte – aber ihm musste klar sein, dass er damit alles an Gesprächen zwischen Hermine und Tom unterband, wenn er – Hermine ging ein ganzer Kronleuchter auf. Es war eigentlich armselig für ihr viel gelobtes Gehirn, dass sie drei Tage für diese Schlussfolgerung gebraucht hatte. Sie zog eine Augenbraue hoch, und als er es ihr mit leicht spöttischem Lächeln nachtat, nickte sie zu den Todessern, die in Hörweite saßen. Snapes Augenbraue senkte sich langsam wieder und er nickte knapp. Auf Hermines Gesicht breitete sich ein feines Lächeln aus. Sie hatte Recht gehabt. Snape wollte, dass sie sich belauscht vorkam, damit sie eben nichts sagte oder tat, was das Belauschen wert gewesen wäre. Denn die anderen Todesser hätten mit Sicherheit ebenfalls gelauscht – und es hätte Toms Ruf nicht gut getan, wenn sie mitbekommen hätten, dass er Hermine erlaubte, ihn zu duzen – unter anderem. Sein Ruf musste durch ihre bloße Anwesenheit als offensichtlich mehr oder weniger geschätzter Gast statt als Gefangene sowieso schon genug gelitten haben. Sie schluckte und ließ den Blick über die beiden langen Tische wandern. Nicht wenige Todesser wandten hastig den Blick ab, als Hermine sie ansah. Einzig Draco hielt ihren Blick einen Moment lang. Sie nickte ihm unmerklich zu und erhob sich dann. Mittlerweile wartete sie nicht mehr auf Toms Erlaubnis. Sie tat es den Todessern gleich, die ebenfalls einfach gingen, wenn sie fertig waren. Er hatte nie etwas dagegen gesagt. ~*~ „Ach du heilige Scheiße!“, rief Harry Potter aus – und sank dann stöhnend in seine Kissen zurück. Seine rot angelaufenen, noch etwas trüben Augen suchten Dumbledores Blick. Dumbledore lächelte schwach, doch seine Augen lächelten nicht mit. „Ich hätte wahrscheinlich nicht exakt diese Worte benutzt, aber treffender hätte ich es nicht ausdrücken können.“ Er seufzte schwer. „Im Grunde ist es meine Schuld. Ich hätte Hermine in der Vergangenheit niemals freie Hand lassen dürfen. Aber als ich bemerkt habe, was ich zugelassen hatte, war es zu spät.“ Stille legte sich über sie. Nach einer Weile fragte Harry leise: „Und... was tun wir jetzt?“ Dumbledore hob den Kopf. „WIR tun überhaupt nichts, Harry. Du bleibst hier und kurierst dich aus. Wir können dich nicht auch noch verlieren. Wie geht es deinen Augen?“ Harry stöhnte. „Ich sehe etwas. Allerdings verschwommener als früher ohne Brille, und alles nur in Schwarzweiß, egal, wie hell es ist.“ Dumbledore lächelte. „Immerhin. Mit einer entsprechend stärkeren, magischen Brille dürfte das Bild zumindest wieder scharf werden. Das ist mehr, als ich gehofft hatte.“ Harry seufzte schwer. „Es nützt nichts. Ich kann trotzdem nichts mehr für den Orden tun. Und Voldemort erledigen erst recht nicht mehr. Wie soll ich mich duellieren, wenn ich nicht sehe, welche Farbe die Flüche haben? Ich kann mich niemals darauf verlassen, dass ich einen Fluch blocken kann und es kein Unverzeihlicher ist.“ Dumbledore schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Gedanken über Voldemort, Harry. Überlass das Hermine. Ich will dir keine ungerechtfertigten Hoffnungen machen, aber nach Severus' Bericht kümmert er sich um sie. Sie ist ihm offensichtlich nicht egal. Wir haben vielleicht doch noch eine Chance, dass ihr Plan nicht ganz nach hinten losgegangen ist.“ Harry wollte eine Grimasse ziehen, doch seine neue, noch rosane Haut verzieh ihm das nicht und riss an seiner Wange wieder auf. Er zog scharf die Luft zwischen seine Zähne. „Daran glaube ich erst, wenn Hermine vor mir steht. Tut mir leid, aber in Voldemort ist nichts mehr Menschliches übrig, was sie ändern könnte.“ Dumbledore erhob sich langsam. „Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Im Moment können wir nur abwarten.“ Harry nickte vorsichtig und blinzelte düster. „Das wird mich noch wahnsinnig machen. Immer nur zu warten – und das alles wegen meiner eigenen Blödheit.“ Dumbledore lächelte besänftigend. „Niemand ist ohne Fehler, Harry.“ Harry brummte. Als Dumbledore sich zum Gehen wandte, fragte er dumpf: „Ist Rons Beerdigung schon vorbei?“ Dumbledore musterte ihn mitfühlend. „Nein. Miss Weasley hat darauf bestanden, das Wenige, was wir beerdigen können, solange zu konservieren, bis du wieder auf den Beinen bist.“ Harry seufzte schwer und murmelte mehr zu sich selbst: „Das habe ich nicht verdient. Immerhin war es meine Schuld.“ Mit einem langen Schritt war Dumbledore zurück an Harrys Bett getreten. „Hör mir gut zu, Harry. Es war NICHT deine Schuld. Es war Voldemorts Schuld. Ohne ihn wärt ihr beide nicht dort gewesen. Verstehst du mich?“ Harry nickte langsam, doch er sah nicht überzeugt aus. „Ich hätte alleine gehen sollen...“ „Ron hat dich aus freien Stücken begleitet. Er wusste, dass es gefährlich war. Gib dir nicht die Schuld dafür, dass du Freunde hast, die zu dir halten.“ Harry schluckte sichtlich, doch sein Blick flackerte. Dumbledore lächelte wieder. „Miss Weasley wartet vor der Tür. Ich lasse euch alleine. Wir sehen uns, sobald ich etwas Neues von Hermine weiß.“ Harry nickte langsam. „Danke.“ ~*~ Albus Dumbledore war verwirrt. Etwas in dieser Höhle entzog sich seinem Verständnis. Er hatte erwartet, eine gut versteckte magische Signatur flimmern zu spüren, einen Horkrux, und vermutlich noch einen Schatten des Explosionszaubers, der Harry und Ron erwischt hatte. Vermutlich weitere Schutzzauber, die gut getarnt überall verstreut waren. Bisher war es bei allen Horkruxen so gewesen. Doch hier war – nichts. Gar nichts. Kein einziges Flimmern. Die Magie schwieg vollkommen. Und das war eigentlich nicht möglich, Magie wohnte allem inne, selbst leblosen Dingen wie Steinen. Es war, als hätte jemand Albus‘ Sinne ausgeschaltet. Fast fühlte es sich so an, als würde eine Art Decke ihn von der Welt abschirmen. Sich wachsam umsehend machte er einen vorsichtigen Schritt in die langgezogene Höhle hinein. Der Druck auf seinen Sinnen stieg. Er schluckte. Das war nicht gut. Es war tatsächlich diese Höhle, die Albus‘ Gespür für Magie ausschaltete. War es ein Zauber Voldemorts? Mit Sicherheit. Das erklärte auch, warum die Jungs in die Falle getappt waren. Sie hatten ihr Gespür zwar niemals so geschult wie er selbst, doch ein leichtes Unbehagen hätten selbst sie ansonsten verspüren müssen, wenn viele schwarzmagische Zauber um sie herum aktiv gewesen waren. Das bedeutete dummerweise allerdings auch, dass Albus selbst keinerlei Vorwarnzeit hatte für alles, was Voldemort hier noch an Fallen und Flüchen versteckt haben mochte. Aber das war nichts, was ihn jetzt aufgehalten hätte. Eine Frage geisterte seit jenem Tag von Ronalds Tod durch seinen Kopf und ließ sich nicht mehr abschütteln. Warum hatte Voldemort Harry entkommen lassen? Die Zeit, die Harry gebraucht hatte, um den Not-Portschlüssel zu aktivieren, hätte absolut ausgereicht für einen Todesfluch. Und Albus wusste, wie weit oben auf Voldemorts Prioritätenliste Harrys Tod stand. Das war absolut untypisch für Voldemort… Albus machte einen weiteren Schritt nach vorne. Plötzlich hörte er etwas. Ein kaltes, hohes Lachen, das ihn alarmierte. Erneut untersuchte er die Umgebung. Dort hinten, bewegte sich dort etwas? Er hob seinen erleuchteten Zauberstab ein wenig höher und verstärkte den Lumos. Lord Voldemort trat ins Licht. Seinen roten Augen funkelten, und seine Lippen verzogen sich zu einem bösen Lächeln, als er ein gutes Stück vor Albus stehen blieb. „Wer wagt es, hierher zu kommen? Das war ein Fehler.“ Albus rührte sich nicht vom Fleck. Auch von Voldemorts normalerweise mächtiger magischer Aura war absolut nichts zu spüren. „Findest du, Tom? Ich nicht. Ich bin hier, weil ich etwas wissen will. Vielleicht kannst du mir ja helfen?“ Voldemort zog eine Augenbraue hoch. „Ich kann dir dabei helfen zu sterben. Habe ich zufällig das Glück, dass du das willst?“ „Nein, ich wollte wissen, warum du Harry am Leben gelassen hast.“ Voldemort antwortete nicht, sondern schnippte mit den Fingern und erstarrte dann zu Stein. Etwas riss Albus unbarmherzig nach vorne und ließ ihn stolpern. Er konnte den Zauber zwar schnell lösen, doch nicht schnell genug. Im nächsten Moment explodierte die Welt. ~*~ Als Albus wieder zu sich kam, schlug ihm eine Welle an magischen Signaturen entgegen und die darauf folgende Erkenntnis übertönte sogar den höllischen Schmerz. Der Explosionszauber wäre tödlich gewesen, hätte er den zweiten Zauber, der ihn in das Zentrum der Explosion ziehen sollte, nicht vorzeitig abgebrochen. Das erklärte, warum nur Ronald auf Anhieb getötet worden war – der Zugzauber war lediglich auf eine Person ausgelegt und Ronald musste vor Harry gestanden haben. Doch was Albus noch mehr interessierte, war die magische Signatur von Voldemort. Es war keineswegs die magische Aura, die den selbsternannten Dunklen Lord normalerweise umgab. Es war die wabernde, leicht flackernde Signatur einer Illusion. Ihm ging ein ganzer Kronleuchter auf. Voldemort war niemals hier gewesen. Und die Illusion diente nur dem Zweck, etwaige „Besucher“ in die Explosionsfalle zu befördern. Was durch den Zauber, der seine magischen Sinne lahmlegte, erstaunlich effektiv war. „Na, endlich aufgewacht, alter Mann?“ Albus zuckte zusammen und presste die Zähne aufeinander, als höllischer Schmerz durch seinen gesamten Körper schoss. Er dürfte vermutlich nicht viel besser aussehen als Harry, doch so genau wollte er es gar nicht wissen. Mit Schrecken stellte er fest, dass er zwar noch etwas sehen konnte, seine Augen sich aber nicht mehr frei drehen ließen. Er drehte zischend vor Schmerz den ganzen Kopf, um in die Richtung sehen zu können, aus der die kalte Stimme kam. Wieder erblickte er Voldemort. Und wieder erkannte er dessen magische Signatur nicht. War das nun der echte oder eine zweite Illusion? „Das wüsstest du wohl gerne, was?“ Albus knirschte mit den Zähnen, als er seinen eignen Zauberstab in Voldemorts Händen erblickte. „Ich wüsste zuerst gerne, warum ich nicht spüre, dass du Legilimentik einsetzt.“ Voldemorts Lippen kräuselten sich. „Was du bei Legilimentik vom anderen wahrnimmst, ist nichts anderes als eine magische Signatur. Schöne Nebenwirkung, nicht wahr?“ Albus biss sich auf die Lippe und antwortete nicht. Wozu auch, im Zweifelsfall ging er einfach davon aus, dass Voldemort seine Gedanken wahrnahm. Seine eigene Naivität verfluchend stellte er fest, dass er erledigt war. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr richtig, er hatte keinen Zauberstab und seine magischen Sinne waren gestört. Er machte zwar noch den Versuch, seinen Zauberstab zu sich zu rufen, doch es wundert ihn nicht, dass Voldemort den Aufrufezauber sofort blockte. „Netter Versuch, alter Mann.“ Albus schnaubte. „Aber du solltest wissen, dass du mir nicht entkommen kannst.“ Langsam und so unauffällig wie möglich griff Albus in seinen Umhang, auf der Suche nach seinem Not-Portschlüssel. Doch da Voldemort offensichtlich immer noch in seinem Kopf war, bemerkte er auch das augenblicklich und rief den Portschlüssel zu sich. „Begreifst du es langsam? Du gehörst mir!“ Albus schloss die Augen. Wie hatte es nur dazu kommen können? Er hatte schließlich gewusst, dass es eine Falle war… Er holte tief Luft und verdrängte mit Mühe die Selbstvorwürfe. Dafür war es sowieso zu spät. „Gut gespielt, Tom. Darf ich erfahren, wie der Zauber wirkt, der magische Signaturen maskiert?“ Voldemorts Augen verengten sich, als sich seine Lippen erneut kräuselten. Mit einem Mal schien er eine Eiseskälte abzustrahlen. „Und womit, denkst du, hast du die Wahrheit verdient?“ Albus blinzelte verwirrt. „Worauf willst du hinaus?“ Voldemort schnaubte. Seine Augen glühten unheilvoll auf. „Du hast sie mir damals genommen. Du hast ihr Gedächtnis manipuliert. Du hast uns alles genommen.“ Albus schwant Böses. „Redest du von Hermine?“ „Wag es nicht, sie beim Vornamen zu nennen!“, fauchte Voldemort. Seine Gesichtszüge verzerrten sich. „Du hast kein Recht dazu, nicht nach allem, was du ihr angetan hast!“ In diesem Moment realisierte Albus, was ihm blühte. Voldemorts Lippen kräuselten sich unheilvoll. „Du hast es erfasst, alter Mann. Ein Avada wäre Verschwendung. Ich habe außerdem noch nie testen können, wie der menschliche Körper nach dem Explosionsfluch auf weitere Flüche reagiert…“ Er fletschte die Zähne zu einem Grinsen, das definitiv nicht mehr menschlich war. Albus schloss kapitulierend die Augen. Er hatte mit dem Tod gerechnet, ja. Aber niemals mit einem so sinnlosem Tod wie diesem hier. Weitere Schmerzen erwartend riss er überrascht die Augen auf, als etwas kaltes ihn an der Hand berührte und das vertraute Reißen eines Portschlüssels hinter dem Bauchnabel ihn davonriss, in einen Wirbel aus grellen Farben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)